Die Geschichte der Auseinandersetzung der Menschen mit Verhältnissen und Proportionen ist uralt. Erste Proportionsstudien finden sich schon auf unvollendeten Reliefs im alten Ägypten, etwa im Grab des Königs Haremhab im Tal der Könige. Hier dienten sie vor allem als Mittel, die Wirklichkeit ‚verhältnisgetreu‘ auf einem Stück Felsen abzubilden.
Später in der griechischen Antike, bei den Pythagoreern, erlangten Proportionen transzendente Bedeutung, nicht mehr im Stoff wird das Prinzip alles Seienden gesehen, sondern in der Form, repräsentiert durch Zahlen und vor allem durch Verhältnisse. Ursache mag die für Pythagoras geradezu mystische Erfahrung gewesen sein, dass Akkorde angenehm klingen, „wenn die Saitenlängen oder die Frequenzen der Teiltöne im Verhältnis kleiner ganzer Zahlen stehen“.
Gut 2500 Jahre später bewertet der Begründer der modernen Physik, Werner Heisenberg, dieses Prinzip so: Die pythagoreische Entdeckung gehört zu den stärksten Impulsen menschlicher Wissenschaft... wenn in einer musikalischen Harmonie... die mathematische Struktur als Wesenskern erkannt wird, so muß auch die sinnvolle Ordnung der uns umgebenden Natur ihren Grund in dem mathematischen Kern der Naturgesetze haben.
Letztlich waren also die in der Umwelt erkannten Verhältnisse und deren Untersuchung ein Initiator des immer weiter voranschreitenden Prozesses der ‚Mathematisierung‘ unserer Umwelt, für den man vor allem auch in Bezug auf den Verhältnisbegriff im heutigen Alltag überall Indizien finden kann. Sei es bei einem Gewinnspiel, dessen ‚Gewinnverhältnis‘ 1 : 4 beträgt, bei der Wahl des abendlichen Spielfilmformats, wo man bei modernen Fernsehgeräten zwischen den ‚Seitenverhältnissen‘ 4 : 3 oder 16 : 9 wählen kann, oder sei es beim Fußball, wo Italien Fußballweltmeister wurde, weil das ‚Torverhältnis‘ nach dem Spiel 6 : 4 für Italien betrug.
Aber wie ist es heute um die Kenntnisse über den ‚Wesenskern‘ dieser alltäglichen Verhältnisse bestellt? Immerhin hat sich seit Pythagoras die Mathematik erheblich weiterentwickelt und die pythagoreischen Verhältnisse natürlicher Zahlen haben sich in dem Begriff und der Struktur der positiven rationalen Zahlen niedergeschlagen, die nun in Form der Bruchrechnung mit gemeinen Brüchen und Dezimalbrüchen schon seit einigen Generationen fester Bestandteil des Schulstoffs sind.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Allgemeine didaktische Analyse des Bruchzahlbegriffs
- Brüche im Alltag - Aspekte des Bruchzahlbegriffs
- Größenbereiche und zugehörige Repräsentantenbereiche
- Etablierte Konzepte zur Einführung des Bruchzahlbegriffs
- Das Größenkonzept
- Das Operatorkonzept
- Das „Mischkonzept“
- Der Verhältnisaspekt der Bruchzahlen
- Über Verhältnisse
- Der neue Kurs
- Schritt 1: Vom Handeln mit Stäben zum Operieren mit Größen
- Schritt 2: Verhältnisse von Längen
- Schritt 3: Das Rechnen mit Brüchen
- Die Multiplikation
- Die Division
- Die Addition und Subtraktion
- Schritt 4: Von Symbolen zu Brüchen und Bruchzahlen
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, die Legitimationskrise des Bruchrechenunterrichts aufzuzeigen und einen Ausweg durch die Rückbesinnung auf den Verhältnisaspekt der Bruchzahlen aufzuzeigen. Dies geschieht durch eine Analyse des aktuellen Unterrichts und die Präsentation eines alternativen didaktischen Ansatzes.
- Legitimation des Bruchrechenunterrichts
- Analyse des gegenwärtigen Bruchrechenunterrichts und seiner Ergebnisse
- Der Verhältnisaspekt der Bruchzahlen als didaktisches Konzept
- Ein neuer, schrittweiser Ansatz zur Einführung des Bruchzahlbegriffs
- Überprüfung der angewandten Methoden und didaktischer Ansätze im Kontext des Verhältnisaspekts
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die historische Bedeutung von Verhältnissen und Proportionen und stellt die aktuelle Legitimationskrise des Bruchrechenunterrichts dar. Kapitel II analysiert den Bruchzahlbegriff umfassend, betrachtet verschiedene etablierte Einführungskonzepte und deren Stärken und Schwächen. Kapitel III konzentriert sich auf den Verhältnisaspekt der Bruchzahlen und präsentiert einen neuen Kurs mit schrittweiser Einführung, beginnend mit Handlungen und Größen und fortschreitend zum Rechnen mit Brüchen. Die einzelnen Schritte der Multiplikation, Division, Addition und Subtraktion werden detailliert beschrieben.
Schlüsselwörter
Bruchrechnung, Verhältnisaspekt, Bruchzahlbegriff, Didaktik, Mathematikdidaktik, Bruchzahlen im Alltag, empirische Studien, Schülerfehler, Mathematisierung, Unterrichtswerk, Legitimationskrise.
- Quote paper
- Ulrich Staarmann (Author), 2006, Der Verhältnisaspekt der Bruchzahlen. Stoffanalyse und didaktische Fragestellungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124175