„Körper“ gilt als einer der wichtigsten kulturwissenschaftlichen Begriffe der Gegenwart. Die einen sprechen von seinem Verschwinden im Zuge von Digitalisierung, Virtualisierung und den Möglichkeiten zur Manipulation, die anderen von seiner Rückkehr als Garant für Authentizität und Unmittelbarkeit. Nach der „performativen Wende“ in den Geisteswissenschaften soll der Körper das Primat des Textes als gleichberechtigte Kategorie korrigieren und erweitern. Eine besondere Rolle spielt er als Forschungsfeld im Rahmen der gender studies und in der Literaturwissenschaft. Im Hinblick auf die Literatur der Gegenwart ist von „somatischer Poesie“, auf dem Gebiet der Popliteratur gar von „Körpermanie“ die Rede.
Während Popliteratur in den Neunzigern in aller Munde zu sein schien, ist es um dieses Genre mittlerweile in den Feuilletons wieder bedeutend ruhiger geworden. Die Wissenschaft hingegen widmet sich diesem Phänomen nach wie vor.
In dieser Arbeit sollen die beiden Diskurse „Körper“ und „Popliteratur“ zusammengeführt werden. Dazu wurden Texte ausgewählt, bei denen sich ein breites, repräsentatives Spektrum ergibt, da die Kategorie „Körper“ jeweils in unterschiedlichen, bisweilen völlig verschiedenen Spannungsfeldern auftaucht.Die in Wissenschaft und Feuilleton häufig anzutreffende Generalisierung vom „Körperkult“ in der Popliteratur soll den Ausgangspunkt dieser Untersuchung bilden und in den Texten geprüft und gegebenenfalls nachgewiesen werden.
Die Beschäftigung mit dem Diskurs „Körper“ nimmt das ambivalente Nebeneinander von Diagnosen zum Körper in den Blick. Eingedenk des Postulats, dass Popliteratur als Archiv von Gegenwartskultur gedacht werden kann, wird innerhalb der Texte zudem nach den Tendenzen des „Verschwindens“ gefragt. Zu diesem Zwecke wird ein entsprechendes Untersuchungsinstrumentarium aufgestellt, dessen Kern die Hauptachse aus „Aufladung“ und „Verschwinden“ bildet.
Dabei lässt die Untersuchung das Feld von „Körper und Geschlecht“ weitestgehend außer Acht, da die Perspektive eine andere ist und der Blick versucht übergeordneter zu sein.
Die vorliegende Arbeit will in der Popliteratur die als „Aufladung“ verstandene Körpermanie, um die Kategorie des „Verschwindens“ ergänzen und erweitern. Am Ende soll verdeutlicht werden, dass sich die von kulturwissenschaftlicher Seite herausgearbeiteten, paradoxen Standpunkte zum Körper in der Gegenwart auch in den Texten widerspiegeln.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Theorieteil
- 1. Popliteratur
- 1.1. Einführung
- 1.2. Kriterien nach Jung und Ullmaier
- 1.3. Pop in der Literaturgeschichte
- 1.4. Kritik an der Popliteratur
- 2. Körpertheorien
- 2.1. Einführung
- 2.2. Von der Trennung zur Unterdrückung
- 2.3. Widersprüche der Gegenwart
- 3. Körper in der Literatur
- 4. Untersuchungsmethode und Begriffsklärung
- III. Lektüreteil
- 1. Christian Kracht „Faserland“
- 1.1. Autor und Inhalt
- 1.2. Der unterdrückte Körper
- 1.2.1. Die Missachtung des Körpers
- 1.2.2. Die Sorge um die Oberfläche
- 1.2.3. Der Körper meldet sich zurück
- 1.3. Resümee
- 2. Sibylle Berg „Amerika“
- 2.1. Autorin und Inhalt
- 2.2. Der bewertete Körper
- 2.2.1. Der hässliche Körper
- 2.2.2. Verschwinden im Schmerz
- 2.2.3. Der schöne Körper
- 2.2.4. Verschwinden im Glück
- 2.3. Resümee
- 3. Kai Damkowski „angst sucht hase“
- 3.1. Autor und Inhalt
- 3.2. Der transgressive Körper
- 3.2.1. Körper als Innenwelt Präsenz
- 3.2.2. Körper und Außenwelt: Osmose
- 3.2.3. Körper in der Synthese: Absenz
- 3.3. Resümee
- IV. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung des Körpers in der Popliteratur, fokussiert auf die Werke von Christian Kracht, Sibylle Berg und Kai Damkowski. Ziel ist es, die in der Literaturwissenschaft und im Feuilleton oft gemachte Generalisierung eines "Körperkults" in der Popliteratur zu überprüfen und zu nuancieren. Die Analyse berücksichtigt dabei sowohl die "Aufladung" des Körpers als auch sein "Verschwinden" in verschiedenen Kontexten.
- Darstellung des Körpers in ausgewählten Werken der Popliteratur
- Analyse der Ambivalenz von "Körperaufladung" und "Körperverschwinden"
- Vergleichende Betrachtung der drei ausgewählten Autoren und ihrer jeweiligen literarischen Strategien
- Zusammenführung der Diskurse "Körper" und "Popliteratur"
- Prüfung der These eines "Körperkults" in der Popliteratur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und skizziert die Forschungsfrage. Der Theorieteil beleuchtet zunächst die Definition und die Geschichte der Popliteratur, gefolgt von einer Auseinandersetzung mit relevanten Körpertheorien. Anschließend werden beide Diskurse im Hinblick auf die Untersuchung zusammengeführt. Der Lektüreteil analysiert die Romane von Christian Kracht ("Faserland"), Sibylle Berg ("Amerika") und Kai Damkowski ("angst sucht hase"), wobei jeweils der Fokus auf die spezifische Darstellung des Körpers in den jeweiligen Werken liegt. Hier werden die Aspekte der Körper-Missachtung, der Oberflächlichkeit und der Körperpräsenz/ -absenz in den einzelnen Romanen beleuchtet.
Schlüsselwörter
Popliteratur, Körper, Körpertheorien, Christian Kracht, Sibylle Berg, Kai Damkowski, "Aufladung", "Verschwinden", Körperkult, Identität, Gegenwartskultur.
- Quote paper
- M.A. Elisa Hempel (Author), 2008, Körper in der Popliteratur am Beispiel von Christian Krachts "Faserland", Sibylle Bergs "Amerika" und Kai Damkowskis "angst sucht hase", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124202