Judenhass in der frühen Neuzeit

Untersucht an Hand der Ritualmordbeschuldigungen und den Schriften Luthers


Hausarbeit, 2006

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Ritualmorde
2.1. Ritualmordbeschuldigung
2.2. Die Trienter Ritualmordbeschuldigung

3) Luther und die Juden

4) Gegenstimmen

5) Zusammenfassung

1) Einleitung

Die frühe Neuzeit war eine Epoche in der die Deutschen[1] lernen mussten, große Krisen, sowohl politischer und natürlicher Art, als auch und insbesondere kultureller und spiritueller Natur, zu bewältigen. Eines der Hauptventile zum Abbau der daraus entstandenen soziokulturellen Spannungen waren diverse Feind- und Angstbilder, deren Objekte, dem einfachen Menschen als Sündenbock dienend, ein starkes machtpolitisches Instrument der Kirchen[2] darstellten. Das wohl auffallendste und absurdeste Bild in diesem Kontext ist das der Juden, das hier näher untersucht werden soll.

Die Kirche setzte viel daran, die Juden öffentlich zu diskreditieren und als Mörder, Gottesschänder und generell als die Schuldigen für viele größere und kleinere Übel darzustellen. Auf der einen Seite wurden dubiose Scheinprozesse abgehalten, die häufig durch unter Folter erzwungene Geständnisse entschieden wurden (der Trienter Prozess, auf den hier näher eingegangen wird, dient als eindrucksvolles Beispiel). Horrornachrichten über „jüdische Hostienfrevel“ und Ritualmorde, verbreitet in Flugblättern, Traktaten und Chroniken“[3] taten ein Weiteres.

Es lässt sich schwer nachvollziehen, wie groß und wie direkt der Einfluss der Kirchen auf den Aberglauben der Bevölkerung sein musste, um die weit verbreitete Angst vor den „mordenden, schändenden und vergiftenden[4] Juden“ zu schüren. Sicher ist jedoch, dass die Geschichtswissenschaft erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann, die weit reichenden Facetten, und vor allem Schlüsselmomente wie den Trienter oder den Prozess zu Rinn, kritisch zu untersuchen.[5]

Zweierlei Dinge müssen zum besseren Verständnis getrennt voneinander untersucht werden: auf der einen Seite der Konflikt der gelehrten Religion und auf der anderen Seite die Problematik des Volksglaubens. Die Briefe und Schriften Luthers zum Beispiel richten sich an eine komplett andere Zielgruppe als öffentliche Scheinprozesse mit anschließender Hinrichtung. Trotzdem ist das vermittelte Bild des Juden dasselbe.

2. Ritualmorde

2.1 Ritualmordbeschuldigung

Ein für das Verständnis des Judenhasses wichtiger Aspekt im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit ist der damals weit verbreitete Aberglaube an scheinbare Ritualmorde, die, der Legende nach über ganz Europa verteilt[6], von Juden praktiziert wurden. Eine treffende Definition der Morphologie dieser Morde liefert Ronnie Po-chia Hsia:

„Bei einem angeblichen Ritualmord wurde ein Jude oder mehrere Juden angeklagt, christliche Kinder, fast immer Jungen, entführt und getötet zu haben um Rache an Christen zu nehmen, besonders aber, um ihr Blut für magische Zwecke zu verwenden[...].“[7]

Aus dieser „Blutgewinnung“ entstand der Begriff der Blutbeschuldigung, der als Synonym für jüdischen, ritualisierten Mord gelten kann, jedoch auch im Kontext des Christusverrats betrachtet werden muss.

Im allgemeinen Volksglauben übernahmen die Juden die Rolle des Schuldigen für viele der Dinge, die man sich nicht erklären konnte bzw. die man als Gerücht gehört hatte. Man sprach ihnen im Alltag magische Fähigkeiten zu (z.B. Wahrsagerei)[8], und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich der Mythos der Judenmagie auch auf Ritualmorde (zur Blutgewinnung[9] oder zur Opferung) transferieren ließ. Es galt, eine polarisierende Sichtweise zu verbreiten: auf der einen Seite die unschuldigen, reinen Opfer - aufrichtige Anhänger „lebensspendender, göttlicher Religion“8 - und auf der anderen die dämonisierten Mörder und Praktizier schwarzer Magie – die Juden.

2.2 Die Trienter Ritualmordbeschuldigung

Kaum ein Verfahren lässt sich heutzutage noch so gut aufarbeiten wie der Trienter Ritualmordprozess. Die unglaubliche Fülle an Akten ermöglicht einen tiefen Einblick in den europäischen Antijudaismus. Vorab jedoch der Tatbestand:

Anlass für den Prozess war das Verschwinden eines christlichen Jungen (Simon) und das anschließende Auffinden seiner geschändeten Leiche in einem Wassergraben. Bereits als einige Juden selbst dem zuständigen Beamten den Fund der Leiche meldeten, wurden sie aufgrund der Schuldzuweisung der Öffentlichkeit in den Kerker geworfen.[10] Der öffentlichen Meinung nach war der „den Trienter Juden angelastete Ritualmord nichts Außergewöhnliches, sondern gehörte zu den normalen Praktiken einer Sekte, die sich hexerischen und satanistischen Riten widmete.“[11] Durch unter Folter erzwungene Geständnisse, durch die Phantasie der anklagenden Christen und durch die Volksmeinung besiegelte sich das Schicksal der Angeklagten schnell.[12] So gestand einer der angeklagten Juden unter extremer Tortur, dass sie (die beiden Angeklagten) den Jungen entführten und töteten, um dessen Blut für die kommenden Osterfeiertage zu gewinnen. Dieses Blut sollte dann auch an andere jüdische Gemeinden verschickt werden.[13] Sein Geständnis endet mit einem detailreichen Bericht der Qualen, die der junge Simon zu erdulden hatte, bevor der Tod ihn erlöste.[14] Wolfgang Treue führt die detaillierte und grausame Beschreibung auf die Verzweiflung des von den Inquisitoren Gefolterten zurück, der sich durch Kooperation wohl einen Vorteil zu verschaffen suchte.15

Interessanterweise lassen die großen Parallelen von Simons Marter mit der Passion Christi wohl auf alternative Motive der Inquisitoren schließen.[15]

[...]


[1] Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem deutschsprachigen Raum, jedoch wäre eine Untersuchung der antijüdischen Einflüsse in z.B. Frankreich oder England ebenfalls äußerst interessant.

[2] Sowohl für die katholische Kirche als natürlich auch für die evangelische nach und während der Reformation (siehe Kapitel 3). Vgl. hierzu die fast deckungsgleiche Argumentation von Johann Eck mit der Luthers.

[3] Frey, Winfried: keyn volck vff erden nymer dreyt / Also grossen hass im muot, alß der iud zuom christen duot. Zu einem antijüdischen Text aus dem frühen 16. Jahrhundert; in: Jahrbuch der Oswald- von- Wolkenstein- Gesellschaft 7 (1992/1993), S. 163f

[4] Erb, Rainer: Die Ritualmordlegende; in: Buttaroni, Susanna (Hrsg.) und Musial, Stanislaw (Hrsg.), Ritualmord; Wien 2003, S. 10

[5] Vgl. Brandstätter, Klaus: Antijüdische Ritualmordvorwürfe in Trient und Tirol; in: Historisches Jahrbuch 125 (2005), S. 519

[6] Vgl. Erb, S. 13

[7] Hsia, Ronnie Po-chia: Blut, Magie und Judenhaß im Deutschland der frühen Neuzeit; in: Hagenmaier, Monika (Hrsg.), Krisenbewußtsein und Krisenbewältigung in der Frühen Neuzeit; Frankfurt am Main 1992, S. 353

[8] Vgl. Hsia, S. 355

[9] Vgl. Erb, S. 15

[10] Vgl. Quaglioni, Diego: Das Inquisitionsverfahren gegen die Juden von Trient (1475 – 1478); in: Buttaroni, Susanna (Hrsg.) und Musial, Stanislaw (Hrsg.), Ritualmord; Wien 2003, S. 90

[11] Quaglioni, S. 90

[12] Vgl. Brandstätter, S. 496

[13] Vgl. Erb, S. 15

[14] Vgl. Treue, S. 171

[15] Vgl. Treue, S. 175

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Judenhass in der frühen Neuzeit
Untertitel
Untersucht an Hand der Ritualmordbeschuldigungen und den Schriften Luthers
Hochschule
Universität Konstanz
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V124336
ISBN (eBook)
9783640296767
ISBN (Buch)
9783640302260
Dateigröße
396 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Judenhass, Neuzeit
Arbeit zitieren
Lars-Benja Braasch (Autor:in), 2006, Judenhass in der frühen Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124336

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