Die Auswirkungen des Bürgerkriegs auf den amerikanischen Nationalismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

25 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Probleme bei der Untersuchung des Civil War

3. Lincolns Rhetorik
3.1 First Inauguration Address
3.2 Gettysburg Address
3.3 Second Inauguration Address

4. Reconstruction – Eine Phase der Annäherung
4.1 Nachkriegsliteratur und Nationalismus
4.2 Krieg als nationalistisches Instrument

5. Etablierung des neuen Nationalismus
5.1 Anekdoten und eschichten
5.2 Mythos Lost Cause
5.3 Mythos Revolution
5.4 Emancipation Proclamation

6. Bewertung des Nationalismus

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der amerikanische Bürgerkrieg ist, neben der Revolution, das zentrale Ereignis gewesen, das die nationale Identität der Vereinigten Staaten prägte. Auch wenn häufig argumentiert wird, dass die Abschaffung der Sklaverei der zentrale Streitpunkt zwischen den Nord- und Südstaaten gewesen ist, so verbirgt sich hinter diesem Krieg doch eher ein Konflikt über den Charakter und die Zukunft einer amerikanischen Nation.

Ironischerweise gilt gerade dieser Krieg, in dem sich zwei Teile einer Nation, beide ethnisch kaum zu unterscheiden, mit einer gemeinsamen – wenn auch im Vergleich zu europäischen Nationen kurzen – Geschichte bekämpften, als Geburtsstunde der heutigen Vereinigten Staaten von Amerika. Auch heute noch finden sich überall in den USA Denkmäler, die an den amerikanischen „Bruderkrieg“ erinnern sollen. Noch immer ist Abraham Lincoln ein Symbol für Einigkeit, hohe moralische Standards und den Glauben an ein vereinigtes Amerika, und noch immer werden die im Bürgerkrieg Gefallenen als Helden verehrt.

In dieser Arbeit soll untersucht werden, welchen Charakter der amerikanische Nationalismus durch den Bürgerkrieg angenommen hat, wie dieser all-american Nationalismus aus diesem Konflikt entstehen konnte. Ebenso soll untersucht werden, wie aus zwei Teilen einer Nation, die sich über mehrere Jahre erbittert bekämpften, innerhalb kurzer Zeit ein geeintes Amerika hervortreten konnte.

Zu Beginn soll auf einige Probleme bei der Untersuchung dieses Phänomens hingewiesen werden. Dann soll anhand einiger Auszüge aus den Reden Abraham Lincolns dargestellt werden, wie sich der Begriff der nation mehr und mehr etablierte und die erfolgreiche Genese einer vereinten Nation immer stärker zu einem Kriegsziel der Union wurde. Anschließend sollen die für die Entstehung bzw. für die Etablierung eines neuen und starken Nationalismus bedeutenden Phasen und Elemente der Rekonstruktion untersucht werden. Der Fokus wird hier insbesondere auf die Transformation des Bürgerkriegs von einem horrenden, eine Nation spaltenden Ereignis, zu einem vereinenden Mythos gelegt werden. Damit verbunden soll untersucht werden, wie dieser „neue“ Nationalismus etabliert werden konnte. Exemplarisch sollen dabei einige Mythen, wie zum Beispiel der Mythos der Revolution, untersucht werden.

Abschließend soll noch eine kritische Bewertung des amerikanischen Nationalismus, der Nachkriegszeit erfolgen.

Was in dieser Arbeit keine Berücksichtigung finden soll, sind die Diskussionen um die Existenz eines ausgeprägten Nationalismus in den Südstaaten, ebenso wie die Kontroverse ob man die Südstaaten tatsächlich als Nation begreifen kann, und der Bürgerkrieg somit als „moderner“ Krieg zwischen zwei demokratischen Nationen aufgefasst werden kann.

Auch wird Rassismus als Thema weitestgehend ignoriert. Zwar ist die Abschaffung der Sklaverei ein wichtiger Punkt bei der Untersuchung des amerikanischen Bürgerkriegs, aber da sich die Lebenssituation der Schwarzen im aftermath des Krieges nur unwesentlich besserte, ist dieser Aspekt für die Untersuchung des Nationalismus nur von geringer Bedeutung.

2. Probleme bei der Untersuchung des Civil War

Bei der Untersuchung des amerikanischen Nationalismus, und insbesondere bei der Untersuchung der Rolle, die der Bürgerkrieg bei seiner Entwicklung spielte, sieht man sich bestimmten Problemen gegenüber. Das erste Problem, das sich stellt, ist eine Kontroverse über den Nationalismus in der Vorkriegszeit. Auf der einen Seite kann man argumentieren, dass es in der Vorkriegszeit keinen starken, auf der Revolution basierenden, Nationalismus gegeben haben kann, da der Krieg ja tatsächlich ausgebrochen ist. Andere Historiker legen das Problem in die gegenteilige Richtung aus. Für sie ist die Tatsache, dass die Union als vereintes Konstrukt überhaupt in der Lage gewesen war, einen Krieg zur nationalen Einigung zu führen, ein Beweis für ein starkes Nationalbewusstsein, das aufgrund, und im Zuge des Krieges weiter verstärkt wurde. So einleuchtend diese Auffassung auch klingen mag, bleibt doch die Frage offen, wie die Einstellung der Südstaaten in diesem Kontext zu interpretieren sind. Wie kann man von einem durch den Krieg bekräftigten Nationalismus reden, wenn der Süden den Bürgerkrieg doch eindeutig verloren hat, und die angestrebte Unabhängigkeit nach nur wenigen Jahren verloren hatte. Es wäre eher zu vermuten, dass die Südstaaten durch die Niederlage sogar eine „antiamerikanische“ Überzeugung erlangt hätten. „Antiamerikanisch“ ist in diesem Kontext als „anti amerikanisch nach nordstaatlicher Überzeugung“ zu verstehen.

Eng mit dieser Kontroverse verbunden ist die Frage, ob die Konföderation als „Nation“ begriffen werden kann (bzw. konnte). Diese Diskussion wurde praktisch 1861 begonnen und ist noch bis heute in vollem Gange. Wegen mangelnder Relevanz für diese Arbeit soll auf diese Frage nicht weiter eingegangen werden. Es soll nur festgehalten werden, dass das Phänomen „Southern nationalismNationalist“ in der Wissenschaft akzeptiert und angenommen wurde, unabhängig davon, ob es eine Folge oder der Ursprung einer eventuellen Südstaatennation gewesen war.[1]

Ein weiteres Problem, das sich bei der Untersuchung der Auswirkungen des Bürgerkrieges auf den amerikanischen Nationalismus stellt, ist die Tatsache, dass es ein starkes Ungleichgewicht in der Forschung gibt. So gibt es viele Untersuchungen und Meinungen zum Nationalismus in den Südstaaten, aber kaum nennenswerte Darstellungen über den Nationalismus in den Nordstaaten. Sicher ist nur so viel: Auch wenn es zwei unterschiedliche nationalistische Strömungen gegeben hat, so sind diese doch schwer voneinander trennbar. Ironischerweise finden sich viele Parallelen zwischen den Strömungen im Norden und denen im Süden. Susan Mary Grant schreibt dazu:

The Confederate struggle towards national definition was tightly bound up with the Union’s defence of the Civil War and its reformulation of American nationalism during the war years. Each relied, in fundamental ways, on the other. Conflict – ideological as well as military – between the Union and the Confederacy helped each side to construct and then defend its relative position. The Union victory ensured that its particular interpretation of American nationalism would dominate, but this new nationalism was both forged, and to a degree, tainted by the challenge offered to the Union by the South.[2]

3. Lincolns Rhetorik

Es steht außer Frage, dass Abraham Lincoln, die zentrale, mythische Figur des Bürgerkriegs gewesen war; mehr noch als die militärischen Führer beider Seiten.

Franz Willing schreibt, dass, müsse man George Washington als der Vater der Union ansehen, so würde Abraham Lincoln durch den gewonnenen Sezessionskrieg zum Vater der Nation.[3]

War Lincoln zu seinen Lebzeiten bereits eine Symbolfigur, so wurde er nach seiner Ermordung ein unsterbliches Symbol. Jürgen Heideking schreibt: „Der tote Präsident erlebte derweil im öffentlichen Bewusstsein des Nordens eine Apotheose als Märtyrer und Sinnbild der unteilbaren Nation.“[4]

Im folgenden Abschnitt soll anhand von drei Reden Lincolns die Veränderung in Lincolns nationalistischer Rhetorik analysiert werden. Es handelt sich dabei um die First Inauguration Address (1861), Lincolns Gettysburg Address (1863) und seine Second Inauguration Address (1865). Aussagekräftig ist dieser Vergleich deswegen, weil er die Veränderung des Nationalismus der Antebellum-Periode zum Nationalismus nach dem Krieg verdeutlicht. Diese Entwicklung ist von elementarer Bedeutung für die Untersuchung der Auswirkungen des Civil War auf den Amerikanischen Nationalismus, da nach Beendigung des Krieges nicht etwa versucht wurde zum Status quo der Antebellum-Periode zurückzukehren, sprich die Union wiederherzustellen, sondern eine neue, erstarkte Nation zu etablieren.

Im Verlauf der vier Jahre, in denen Lincoln seine großen Reden hielt, veränderte sich seine Rhetorik deutlich. Während sein Fokus zu Beginn ausschließlich auf der Union lag, so ersetzte er diesen Begriff mehr und mehr mit dem Begriff nation. Diese begriffliche Verschiebung ist keineswegs nur auf Lincolns Reden zu beziehen, sie liefern vielmehr eine exemplarische Darstellung dafür, wie sich die Vorstellung von einer nach Beendigung des Krieges vereinten Nation veränderte.

3.1 First Inauguration Address

In seiner ersten Inaugurationsrede verwendete Lincoln den Begriff union über zwanzig Mal.. Eine Abtrennung von dieser Union konnte für ihn nur Anarchie zum Ziel haben. Er spricht von der „[...] destruction of our national fabric, with all its benefits, its memories and its hopes [...]”[5] In dieser emotionalen Ansprache war die Wiederherstellung der Union – also die Rückkehr zum Status quo – das zentrale Ziel, das es zu verfolgen galt.

Vor Ausbruch des Bürgerkriegs, so schreibt W.R. Brock, vermieden viele Amerikaner die Verwendung des Begriffs nation. Den Grund hierfür sieht er darin, dass die Amerikaner es nicht über sich brachten, den gleichen Begriff zur Beschreibung einer Federal Republic zu gebrauchen, der zu der Zeit semantisch auch eine centralised European monarchy “ beschrieb.[6] Der Begriff union schien dagegen die gleiche emotionale Stärke inne zu haben, war jedoch nicht so negativ konnotiert wie nation.

Erst im Verlauf des Bürgerkrieges bürgerte sich der Begriff nation mehr und mehr ein, auch wenn die Definition der American Nation äußerst schwammig blieb.

Susan Mary Grant weist darauf hin, dass Lincoln, genau wie die Präsidenten vor ihm, bis hin zu George Washington, wenn er von der union sprach, den Fokus auf die Notwendigkeit der union legte, nicht auf deren Existenz. Lincoln war sich genau wie Washington der Tatsache bewusst, dass ethnische Zugehörigkeit in einer nation of immigrants keine Basis für einen starken Nationalismus sein konnten. Er war jedoch der Überzeugung, dass die freiwillige Annahme und Akzeptanz der Prinzipien, die in der Unabhängigkeitserklärung festgehalten wurden, dieses Defizit relativieren könnten.[7] Neben der Unabhängigkeitserklärung war für ihn die Verfassung das vereinende Element, das alle Bevölkerungsgruppen – einschließlich der Minderheiten – miteinander verband. Besonders deutlich hob er dies 1861 hervor. „All the vital rights of minorities and of individuals are so plainly assured to them by affirmations and negations, guaranties and prohibitions in the Constitution that controversies never arise concerning them.”[8]

Besonders hervorzuheben ist auch Lincolns Darstellung, dass es sich nicht nur um einen Konflikt zwischen Menschen unterschiedlicher ideologischer Auffassungen handelte, sondern um einen Konflikt, mit dessen Ausgang Gott selbst dem Sieger Legitimation für seine Überzeugung verleiht.

In our present differences, is either party without faith of being in the right? If the Almighty Ruler of Nations, with His eternal truth and justice, be on your side of the North, or on yours of the South, that truth and that justice will surely prevail by the judgement of this great tribunal of the American people.[9]

[...]


[1] Grant, Susan Mary. A Nation before Nationalism: The Civic and Ethnic Construction of America. In: Delanty, Gerald (Hrsg.). The SAGE Handbook of Nations and Nationalism. London 2006 S. 531

[2] Ebd., S. 532

[3] Willing, Georg Franz. Der weltgeschichtliche Aufstieg der Vereinigten Staaten von Amerika. Osnabrück 1979 S. 97

[4] Heideking, Jürgen. Geschichte der USA. Tübingen 2003 S.174

[5] Tulloch, Hugh (Hrsg.). The American Civil War Era. New York 2006 S. S. 87

[6] Brock. W.R. The United States 1789-1890. London 1975 S. 326

[7] Grant, London 2006 S. 533

[8] Tulloch S. 87f

[9] Tulloch S. 90

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Auswirkungen des Bürgerkriegs auf den amerikanischen Nationalismus
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,5
Autor
Jahr
2009
Seiten
25
Katalognummer
V124339
ISBN (eBook)
9783640296798
ISBN (Buch)
9783640302291
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Auswirkungen, Bürgerkriegs, Nationalismus
Arbeit zitieren
Lars-Benja Braasch (Autor:in), 2009, Die Auswirkungen des Bürgerkriegs auf den amerikanischen Nationalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124339

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