Erfolgsfaktoren im Multi-Level-Marketing

Eine empirische Studie über Beziehungsqualität, Beratungsqualität, Kundenloyalität und Mundpropaganda im Party-Verkauf


Diplomarbeit, 2009

90 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Direktvertrieb
1.1 Multi-Level-Marketing
1.2 Party-Verkauf
1.3 Produkte und Dienstleistungen im Direktvertrieb
1.4 Direktvertrieb in Österreich

2. Erfolgsfaktoren im Party-Verkauf
2.1 Beziehungsqualität
2.2 Beratungsqualität
2.3 Kundenloyalität
2.4 Mundpropaganda

3. Zusammenhänge zwischen den Erfolgsfaktoren
3.1 Beziehungsqualität und Beratungsqualität
3.2 Beziehungsqualität und Kundenloyalität
3.3 Beziehungsqualität und Mundpropaganda
3.4 Mundpropaganda und Kundenloyalität

4. Konstruktbildung der Erfolgsfaktoren
4.1 Beziehungsqualität
4.2 Beratungsqualität
4.2.1 Das Gap-Modell der Dienstleistungsqualität
4.2.2 SERVPERF
4.3 Kundenloyalität
4.4 Mundpropaganda

5. Empirische Forschung in Österreich

6. Empirische Studie
6.1 Untersuchungsdesign
6.2 Konfirmatorische Untersuchung
6.2.1 Hypothesen und Untersuchungsmodell
6.2.2 Beziehungsqualität
6.2.3 Beratungsqualität
6.2.4 Kundenloyalität
6.2.5 Mundpropaganda
6.2.6 Erfahrungen mit Party-Verkauf
6.2.7 Demographische Angaben
6.3 Datenauswertung
6.3.1 Demographische Daten
6.3.2 Skalenbildung
6.3.2.1 Beziehungsqualität
6.3.2.1.1 Vertrauen
6.3.2.1.2 Zufriedenheit
6.3.2.2 Beratungsqualität
6.3.2.2.1 Tangibles Umfeld
6.3.2.2.2 Zuverlässigkeit
6.3.2.2.3 Reaktionsfähigkeit
6.3.2.2.4 Leistungskompetenz
6.3.2.2.5 Einfühlungsvermögen
6.3.2.3 Kundenloyalität
6.3.2.4 Mundpropaganda
6.3.3 Geschlechtsunterschiede
6.3.4 Altersunterschiede
6.3.5 Unterschiede nach MLM-Unternehmen
6.3.6 Unterschiede nach Anzahl der Teilnahmen an Produktpartys
6.3.7 Auswertung der Hypothesen
6.3.7.1 Hypothese
6.3.7.2 Hypothese
6.3.7.3 Hypothese
6.3.7.4 Hypothese

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Die Formen des Direktvertriebs

Abb. 2: Idealtypischer Entwicklungspfad der Mitarbeiterstruktur eines MLM Direktberaters mit je 2 Geschäftspartnern

Abb. 3: Die Produktgruppen im Direktvertrieb von Waren in Österreich,

Abb. 4: Ort der Geschäftsvermittlung im Direktvertrieb in Österreich

Abb. 5: Die Quellen der persönlichen Kontakte

Abb. 6: Kaufmotive in Direktvertrieb und MLM

Abb. 7: Modell der Erfolgsfaktoren im MLM-Party-Verkauf

Abb. 8: Der Marketing-Verbund-Kasten

Abb. 9: Das GAP-Modell der Dienstleistungsqualität

Abb. 10: Die multiattributiven Messverfahren

Abb. 11: Die Qualitätsdimensionen und Items des Modells der Dienstleistungsqualität

Abb. 12: Teilnahme an Produktpartys nach MLM-Unternehmen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Operationalisierung der Dimensionen des Konstrukts der Beziehungsqualität

Tabelle 2: Operationalisierung der Dimensionen des Konstrukts der Beratungsqualität

Tabelle 3: Operationalisierung des Konstrukts der Kundenloyalität

Tabelle 4: Operationalisierung des Konstrukts der Mundpropaganda

Tabelle 5: Skalen der Erfolgsfaktoren

Tabelle 6: Mittelwerte, Standardabweichungen, Itemladungen, Itemtrennschärfen und Cronbach-Alpha (Change) für die Fragen zum Vertrauen

Tabelle 7: Mittelwerte, Standardabweichungen, Itemladungen und Itemtrennschärfen für die Fragen zur Zufriedenheit

Tabelle 8: Mittelwerte, Standardabweichungen, Itemladungen, Itemtrennschärfen und Cronbach-Alpha (Change) für die Fragen zum tangiblen Umfeld

Tabelle 9: Mittelwerte, Standardabweichungen, Itemladungen, Itemtrennschärfen und Cronbach-Alpha (Change) für die Fragen zur Zuverlässigkeit

Tabelle 10: Mittelwerte, Standardabweichungen, Itemladungen, Itemtrennschärfen und Cronbach-Alpha (Change) für die Fragen zur Reaktionsfähigkeit

Tabelle 11: Mittelwerte, Standardabweichungen, Itemladungen, Itemtrennschärfen und Cronbach-Alpha (Change) für die Fragen zur Leistungskompetenz

Tabelle 12: Mittelwerte, Standardabweichungen, Itemladungen, Itemtrennschärfen und Cronbach-Alpha (Change) für die Fragen zum Einfühlungsvermögen

Tabelle 13: Mittelwerte, Standardabweichungen, Itemladungen, Itemtrennschärfen und Cronbach-Alpha (Change) für die Fragen zur Kundenloyalität

Tabelle 14: Geschlechtsunterschiede der Skalen zu den Erfolgsfaktoren

Tabelle 15: Die Bewertung der Skalen der Erfolgsfaktoren mit dem Alter

Tabelle 16: Mittelwert der Skalen der Erfolgsfaktoren, getrennt nach MLM Unternehmen

Tabelle 17: Teststatistik der Skalen der Erfolgsfaktoren

Tabelle 18: Mittelwerte und Standardabweichungen der Skalen der Erfolgsfaktoren, getrennt nach Anzahl der Teilnahmen inklusive Teststatistik

Tabelle 19: Regressionskoeffizienten Beziehungsqualität auf Beratungsqualität (Tangibles Umfeld)

Tabelle 20: Regressionskoeffizienten Beziehungsqualität auf Beratungsqualität (Zuverlässigkeit)

Tabelle 21: Regressionskoeffizienten Beziehungsqualität auf Beratungsqualität (Reaktionsfähigkeit)

Tabelle 22: Regressionskoeffizienten Beziehungsqualität auf Beratungsqualität (Leistungskompetenz)

Tabelle 23: Regressionskoeffizienten Beziehungsqualität auf Beratungsqualität (Einfühlungsvermögen)

Tabelle 24: Regressionskoeffizienten Beziehungsqualität auf Beratungsqualität (Gesamtwert)

Tabelle 25: Regressionskoeffizienten Beziehungsqualität auf Kundenloyalität

Tabelle 26: Regressionskoeffizienten Beziehungsqualität auf Mundpropaganda Frequenz

Tabelle 27: Regressionskoeffizienten Beziehungsqualität auf Mundpropaganda-Valenz

Tabelle 28: Korrelationen von Mundpropaganda mit Loyalität

Einleitung

Ob Reinigungsmittel oder Haushaltswaren, Duftkerzen oder Modeschmuck: Viele Menschen besuchen regelmäßig Produktpartys bei Freunden oder Bekannten.

Bei einer Produktparty trägt der Gastgeber Sorge für das leibliche Wohl und die Unterhaltung seiner Besucher. Doch daneben gibt es noch jemanden, dem es ein Anliegen ist, sich mit den Gästen gut zu verstehen: den Direktberater, der Produkte präsentiert und ein wirtschaftliches Interesse am Erfolg der Veranstaltung verfolgt.

In dieser Diplomarbeit werden jene Faktoren betrachtet, die einem Direktberater im MLM Party-Verkauf zu wirtschaftlichem Erfolg verhelfen. Dabei kommt folgende Forschungsfrage zur Untersuchung:

Besteht ein Zusammenhang zwischen Beziehungsqualität, Beratungsqualität, Kundenloyalität und Mundpropaganda im MLM-Party-Verkauf?

Einerseits wird die konkrete Verkaufs-Situation analysiert, indem erstens die Beziehungsqualität des Kunden zum Verkäufer analysiert wird und zweitens die Qualität der Beratungsleistung erhoben wird. Andererseits wird betrachtet, welche Einstellung zum Unternehmen der Konsument aufgrund der erlebten Erfahrungen hat. Dazu werden die Kundenloyalität und die Mundpropaganda des Kunden in Hinblick auf das Unternehmen erhoben. Die Erfolgsfaktoren Beziehungsqualität, Beratungsqualität, Kundenloyalität und Mundpropaganda werden deshalb betrachtet, da sie wesentliche Bestandteile der Verkäufer-Kunden-Beziehung im Multi-Level-Marketing sind.

“Wenn viele Konsumenten der Meinung sind, daß die Qualität bestimmter Angebote gleich ist und es keine schlechten Produkte mehr gibt, wird die Beziehung zum Anbieter und die Qualität der Kundenbetreuung zum entscheidenden Erfolgsfaktor” (Holland & Heeg 1998 S. 19). Um im Multi-Level-Marketing berufliche Erfolge erzielen zu können, muss der Direktberater ein Netzwerk an Geschäftskontakten und –partnern aufbauen. Dies gelingt ihm umso schneller und kann umso erfolgreicher verfolgt werden, je mehr hochqualitative persönliche Beziehungen zu (potentiellen) Kunden und Partnern der Direktberater pflegt. Je größer das geschäftliche Netzwerk ist, desto größer ist auch das Potential für den der wirtschaftlichen Erfolg des Direktberaters. Während sich die Beziehungsqualität auf den Gesamteindruck des Käufers vom Direktberater bezieht, beschränkt sich die Beratungsqualität auf die Produktpräsentation und das Verkaufsgespräch. Um MLM-Direktberater zu werden sind keine besonderen Schul-oder Berufsausbildungen verpflichtend vorgesehen. In das Geschäft kann jeder volljährige Mensch einsteigen. Die Ausbildung und Vermittlung fachspezifischer Kenntnisse erfolgt über einen in der Hierarchie übergeordneten Kollegen. Die Beratungsqualität nimmt deshalb einen hohen Stellenwert im MLM ein, da Die Beratungsleistung im Mittelpunkt einer Produktparty steht und für den Direktberater die Gelegenheit bietet, durch eine kompetente Beratung das Ausmaß der Produktbestellungen zu maximieren. Vor allem wenn es den Konsumenten schwer fällt, die Qualität der angebotenen Produkte einzuschätzen, wird qualifizierter Beratung ein besonders hoher Stellenwert beigemessen.

Aufgrund der wirtschaftlichen Vorteile ist der Direktberater daran interessiert, Kunden als Stammkunden für das Unternehmen zu gewinnen. Im MLM gelingt dies auch oftmals, denn MLM-Unternehmen erfreuen sich eines sehr hohen Anteils loyaler Kunden.

Direktberater versuchen jedoch nicht nur, Kunden an sich zu binden, sondern auch, ihr Netzwerk an Kunden und Geschäftspartnern permanent zu erweitern. Zu diesem Zweck haben MLM-Direktberater ein sehr effizientes und wirtschaftliches Marketinginstrument für sich entdeckt: die Mundpropaganda. Ziel eines MLM-Unternehmens und eines MLM-Direktberaters sollte es sein, ein positives Image aufzubauen und Anlass dafür zu geben, dass Konsumenten positiv mit anderen Menschen über das Unternehmen und die Produkte reden. Denn Kundenkontakte im MLM werden vor allem durch persönliche Empfehlungen und nicht durch klassische Werbemaßnahmen generiert.

Empirische Erkenntnisse liegen bislang lediglich zu einzelnen Erfolgsfaktoren vor, die Zusammenhänge zwischen Beziehungsqualität, Beratungsqualität, Kundenloyalität und Mundpropaganda wurden bisher keiner empirischen Untersuchung unterzogen. An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an und leistet einen Beitrag, um diese Lücke für die Direktvertriebsform des Party-Verkauf im MLM zu schließen.

Die Diplomarbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Der theoretische Teil beginnt mit einer umfassenden Darstellung des Direktvertriebs, um das Umfeld zu definieren, in dem die vier Erfolgsfaktoren Beziehungsqualität, Beratungsqualität, Kundenloyalität und Mundpropaganda eingebettet sind. Dafür wird zunächst der Party-Verkauf aus dem Direktvertrieb und dem Multi-Level-Marketing abgeleitet. Zur Abrundung werden Grundlagen zu Produkt und Markt herausgearbeitet.

Es folgt eine Definition der Erfolgsfaktoren und die Darstellung ihres Stellenwerts im Multi-Level-Marketing. Darauf aufbauend und unter Bezugnahme auf den bisherigen wissenschaftlichen Diskurs werden im nächsten Kapitel für den Party-Verkauf relevante Zusammenhänge zwischen einzelnen Erfolgsfaktoren identifiziert. Hier werden im Speziellen die Zusammenhänge zwischen Beziehungsqualität und Beratungsqualität, Beziehungsqualität und Kundenloyaliät, Beziehungsqualität und Mundpropaganda sowie Kundenloyalität und Mundpropaganda betrachtet.

Damit diese Zusammenhänge einer empirischen Prüfung unterzogen werden können, erfolgt im nächsten Kapitel die Konstruktbildung der Erfolgsfaktoren mit der Darstellung anerkannter Messmethoden.

Um die Diplomarbeit in den bestehenden Forschungskontext einzugliedern, folgt die Vorstellung bisheriger wissenschaftlicher Studien zum MLM in Österreich.

Im empirischen Teil werden zunächst das Untersuchungsdesign sowie die konfirmatorische Untersuchung vorgestellt. Darauf folgt die detaillierte Darstellung und Interpretation der Datenauswertung.

In der Schlussbetrachtung werden jene für die Forschungsfrage zentralen Argumente herausgegriffen und zusammengefasst.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der Lesbarkeit auf zweifelsohne korrekte geschlechtsneutrale Formulierungen verzichtet wird und stattdessen durchgängig die männliche Form Verwendung findet, mit der gleichsam Frauen wie Männer angesprochen werden sollen.

1. Der Direktvertrieb

“Direktvertrieb” bezeichnet eine spezifische Form des Waren- und Dienstleistungsabsatzes, bei der ohne die Einschaltung von Handelsbetrieben direkt vom Hersteller (bzw. von Absatzorganen des Herstellers) an den Konsumenten vertrieben wird1 (Vgl. Corsten 2008 S. 8, Diller 2001 S. 313). Hierfür ist auch die Bezeichnung “Nullstufenkanal” gebräuchlich (Vgl. Holland 1998 S. 57).

Abbildung 1 stellt die verschiedenen Erscheinungsformen des Direktvertriebs dar, welche in der Praxis von Unternehmen sowohl einzeln als auch in Kombination eingesetzt werden (Vgl. Nieschlag et al. 2002 S. 918).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Formen des Direktvertriebs

Eine Form des Direktvertriebs ist der Außendienst, dessen charakteristisches Merkmal der persönliche Kontakt zwischen Verkäufer und Kunde ist. Der Vertreterverkauf2 wird als die klassische Form des Außendienstes angesehen. Hierbei besuchen Handelsvertreter oder Reisende die Verbraucher zu Hause. Davon zu unterscheiden ist das “Feilbieten im Umherziehen3 ” nach §53 Abs 1 GewO (Vgl. Kinscher 2002 S. 99), bei dem die Ware mitgeführt und an Kauflustige sofort verkauft wird (Vgl. Grabler et al. 2003 S. 438). Beim Vertreterverkauf werden (potentielle) Kunden auf Basis einer Datensammlung4 direkt angesprochen und ihre Bestellungen entgegengenommen.

Verkaufsfahrer verteilen Kataloge und Preislisten an Haushalte und nehmen telefonisch die erste Bestellung entgegen. Bei Auslieferung erfolgt die nächste Bestellung5.

Eine weitere Form des Vertriebs im Außendienst stellt der Party-Verkauf (Vgl. Hajnos et al. 2003 S. 1) dar, bei dem ein Gastgeber Freunde und Bekannte zu sich nach Hause einlädt und ein Direktberater Produkte vorstellt, welche die Gäste bestellen können (Siehe Kapitel 1.2).

Schließlich können Direktvertriebsfirmen auch Kaffeefahrten initiieren. Bei diesen ein- bis mehrtägigen Ausflügen finden Werbe- und Verkaufsveranstaltungen statt, im Rahmen derer Waren angeboten werden.

Eine weitere Form des Direktvertriebs sind Verkaufsniederlassungen6. Sie sind rechtlich und wirtschaftlich in die Gesamtorganisation eingebunden. Ist die Verkaufsniederlassung räumlich nicht ausgegeliedert, sondern wird die Ware am Ort der Produktion vertrieben, spricht man vom Fabriksverkauf oder vom Verkauf durch Factory Outlets. Letztere werden zunehmend vom Herstellungsort entkoppelt und in Form von Factory Outlet Centers7 organisiert.

Die dritte Form des Direktvertriebs sind Club-Systeme, die sich auf Mitglieder stützen, die entweder einen Betrag bezahlen, der sie berechtigt, Leistungen in Anspruch zu nehmen8, oder die sich verpflichten, regelmäßig in einem bestimmten Warenwert einzukaufen9.

Eine weitere Option für den direkten Absatz ist das Direktmarketing. Dazu zählen die Direktwerbung und die Direct-Response-Werbung. Zur Direktwerbung zählen Maßnahmen wie Direct Mailing oder Aktives Telefonmarketing. Beim Direct Mailing wird der (potentielle) Kunde persönlich angeschrieben. Auch Prospekte, Hauswurfsendungen, Kataloge oder Kundenzeitschriften zählen zur schriftlichen Direktwerbung. Daneben gibt es das aktive Telefonmarketing, bei dem Kunden aktiv von Unternehmen angerufen werden.

Weitere Möglichkeiten bietet die Direct-Response-Werbung. Darunter sind Maßnahmen zu verstehen, bei denen der (potentielle) Kunde durch eine Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen sein Interesse bekundet. Dazu zählen Anzeigen mit einer Kontaktmöglichkeit in Fernsehen, Radio oder Printmedien.

1.1 Multi-Level-Marketing

Multi-Level-Marketing wurde in den 1940er Jahren in den USA entwickelt (Vgl. Diller 2001 S. 1150, Holland 1998 S. 68), wo auch die ersten großen Verkaufs- und Vermittlungsorganisationen entstanden sind (Vgl. Tietz 1993 S. 16). Das Unternehmen CALIFORNIA VITAMINS (später NUTRI LITE), das Nahrungsergänzungsprodukte anbot, gewährte seinen Mitarbeitern das Recht, neue Mitarbeiter für den Vertrieb der Produkte zu werben und an deren Umsätzen teilzuhaben. Aus dieser Ursprungsidee wurden Unternehmen wie Amway und Mary Kay gegründet (Vgl. Schmahl 2006 S. 28). In den 1980er Jahren wurden MLM-Unternehmen erstmals in Deutschland gegründet (Vgl. Zacharias 2005 S. 27).

Multi-Level-Marketing10 zählt zum Direktvertrieb, obwohl Waren und Dienstleistungen nicht direkt vom Hersteller über unselbstständige Verkäufer zum Konsumenten vertrieben werden, sondern eine Stufe selbstständiger Direktberater11 eingeschaltet ist12 (Vgl. Diller 2001 S. 313, Holland 1998 S. 57). Die Besonderheit von MLM liegt in der Möglichkeit der Direktberater, neben dem Vertrieb von Produkten, Personen als Direktberater für das MLM-Unternehmen anzuwerben (Vgl. Tietz 1993 S. 16).

Abbildung 2 vermittelt das MLM-Wachstum und die Netzwerk- Struktur. Hierbei wird der idealtypische Fall eines gleichmäßigen geometrischen Wachstums unterstellt, bei dem jeder der Mitarbeiter zwei Geschäftspartner sponsert. Obwohl der an der Spitze stehende Direktberater lediglich zwei Personen eingeschrieben hat, besteht diese Geschäftsorganisation schon aus insgesamt 30 Geschäftspartnern, die sich auf vier Levels13 verteilen. Sponsert14 jeder Direktberater nicht zwei, sondern drei Geschäftspartner, vervielfacht sich die Anzahl der involvierten Personen über vier Levels auf 120. Hochgerechnet auf vier Geschäftspartner pro Direktberater umfasst die Struktur 340 Personen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Idealtypischer Entwicklungspfad der Mitarbeiterstruktur eines MLM-Direktberaters mit je 2 Geschäftspartnern

Quelle: Althoff 1997 S. 48

Aufgrund der Ausbildung von hierarchischen Verkäuferketten wird MLM oft fälschlicherweise mit rechtswidrigen Pyramiden- oder Schneeballsystemen15 in Verbindung gebracht, obwohl sich das Multi-Level-Marketing im verfolgten Zweck grundsätzlich davon unterscheidet (Vgl. Tietz 1993 S. 19f, Artmann 2000 S. 115f).

Im MLM steht der Verkauf von Waren und Dienstleistungen an den Letztverbraucher im Mittelpunkt. Führungs- und Schulungsmaßnahmen konzentrieren sich auf den Verkauf.

Der Direktberater ist nicht zu einem Verkauf verpflichtet und es gibt keine Mindestabsatzmenge (Vgl. Tietz 1993 S. 16). Kaufpreise müssen nicht durch den Direktberater im Voraus entrichtet werden. Die Einstiegskosten sind gering. Die Vergütung erfolgt ausschließlich leistungsabhängig und berechnet sich auf Basis der Vertragsabschlusssummen (Vgl. Wehling 1994a S. 203).

Gewinnt der Direktberater Geschäftspartner für das MLM Unternehmen, werden diese ihm in der hierarchischen Unternehmensstruktur unterstellt. Er ist für deren Einarbeitung, Schulung, Fortbildung und laufende Betreuung verantwortlich. Dafür erhält er neben der Provision seiner eigenen Umsätze auch eine Provision auf die Umsätze der ihm unterstellten Direktberater. Die zur Anwendung kommenden Provisionsmodalitäten sind dem jeweiligen Vergütungsplan16 des MLM Unternehmens zu entnehmen.

Im Gegensatz dazu verfolgen Pyramiden- oder Schneeballsysteme als Hauptzweck nicht den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen an den Endabnehmer, sondern entweder den Verkauf von Produkten zu jeweils höheren Preisen an die Mitglieder selbst (Vgl. Schmahl 2006 S. 45) oder es handelt sich um eine Art Glücksspiel, bei dem überhaupt keine Waren oder Dienstleistungen vertrieben werden, sondern das Recht zur Teilnahme an einer Kette an finanziellen Transaktionen erkauft werden kann (Vgl. Biggart 1989 S. 46).

Ein Pyramiden- oder Schneeballsystem kann für jene Organisationsmitglieder, die an der Spitze des Systems stehen, durchaus zu einem lukrativen Geschäft werden. Je weiter sich die Schneeballlawine und Pyramide jedoch nach unten ausbreitet, desto weniger lässt sich ein Erfolg erzielen.

1 .2 Party-Verkauf

Der Party-Verkauf17 ist eine Form des Außendienstes im Direktvertrieb (Siehe Abbildung 1). Er findet in Privathaushalten statt und dient der Präsentation von Produkten sowie der Entgegennahme von Bestellungen.

Zu dieser Veranstaltung bittet ein Direktberater eine private Person als Gastgeber Freunde, Bekannte und Nachbarn zu sich nach Hause oder in andere private Räumlichkeiten einzuladen. Im Laufe eines Nachmittags oder Abends werden vom Direktberater Produkte vorgestellt, erklärt und manchmal auch ausprobiert und die Gäste erhalten die Möglichkeit, Bestellungen abzugeben. Die Mühen des Gastgebers werden in der Regel durch eine umsatzabhängige Provision in Form von Waren oder Einkaufsvorteilen abgegolten (Vgl. Bruhn & Homburg 2004 S. 616, Diller 2001 S. 1253, Koschnick 1995 S. 416, Hajnos et al. 2003 S. 1,4). Die bestellten Waren werden zu einem späteren Zeitpunkt an den Gastgeber geliefert, der die Verteilung übernimmt (Vgl. Holland 1998 S. 66).

Das Ziel des Direktberaters ist neben dem Produktverkauf das Sponsern neuer Geschäftspartner (Vgl. Hajnos et al. 2003 S. 4). Ein positiver Effekt der Produktparty ist weiters, dass meist einer der anwesenden Gäste die nächste Heimvorführung bucht (Vgl. Holland 1998 S. 62).

Der Party-Verkauf ist insbesondere durch das Unternehmen Tupperware bekannt geworden, des exklusiv über diesen Vertriebsweg anbietet (Vgl. Engelhardt & Witte 1990 S. 51).

1 .3 Produkte und Dienstleistungen im Direktvertrieb

Grundsätzlich können im Direktvertrieb alle Produkte abgesetzt werden, doch besonders häufig finden sich erklärungs-, beratungs- und demonstrationsbedürftige Produkte (Vgl. Holland 1998 S. 62).

Abbildung 3 spiegelt das Sortiment der im Jahr 2004 in Österreich tätigen Direktberater wider. Da in der Regel ein Direktberater mehrere Produkte, teilweise aus mehreren Produktgruppen vermittelt, kam es zu Mehrfachnennungen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die Produktgruppen im Direktvertrieb von Waren in Österreich, 2004,

Angaben in % mit Mehrfachnennungen

Quelle: Zacharias 2004 S. 20

Zu den Produktgruppen, die am häufigsten im Direktvertrieb vertreten sind, zählen Nahrungsergänzungsmittel (von 82,6 % der im Direktvertrieb Tätigen vertrieben) und Produkte für Körperpflege/Kosmetik (von 81,9 % der im Direktvertrieb Tätigen vertrieben). Etwas abgeschlagen, aber noch von über der Hälfte aller Direktberater vertrieben werden Reinigungsmittel (von 69,3 % vertrieben), Haushaltswaren/Elektrogeräte (von 65,1 % vertrieben), Produkte der Wassertechnologie (von 63,2 % vertrieben), Tiernahrung (von 59,7 % vertrieben), Produkte für Wellness/Gesundheit (von 59,6 % vertrieben) und Modeschmuck (von 57,1 % vertrieben). Weniger als 50 % der Befragten vertreiben Strom/Telefonie/Internet (von 41,9 % vertrieben), Nahrungsmittel/Getränke (von 41,7 % vertrieben) und Produkte des Textilbereichs (von 39,0 % vertrieben). Bücher/Zeitschriften (von 5,7 % vertrieben), sonstige Produkte (von 5,4 % vertrieben) und Fertigteilhäuser (von 0,4 % vertrieben) nehmen nur einen geringen Stellenwert ein.

Es wird davon ausgegangen, dass sich die Kategorien der im MLM vertriebenen Produkte nicht wesentlich von den empirisch erhobenen Kategorien für den Direktvertrieb gesamt unterscheiden, denn von der Stichprobe der Befragten sind 84,8 % im MLM beschäftigt und ein vergleichsweise geringer Anteil von 15,2 % üben andere Erscheinungsformen des Direktvertriebs aus (Vgl. Zacharias 2004 S. 16). Die Produktgruppen des Party-Verkaufs wurden bisher in keiner wissenschaftlichen Studie erhoben.

Im Dienstleistungsbereich sind es vor allem Finanzdienstleister, die MLM als Vertriebsorganisationsform gewählt haben. In diesem Marktsegment sind sowohl Allfinanzanbieter als auch Spezialanbieter zu finden (Vgl. Wehling 1994a S. 204). Finanzdienstleistungsunternehmen bieten keine eigenen Finanzprodukte an, sondern führen Vermögensberatung durch. Dabei vermitteln sie Finanzprodukte von Versicherungen, Banken, Bausparkassen, Immobilienanbietern oder Investmentgesellschaften (Vgl. Tietz 1993 S. 18). Finanzdienstleistungen werden nicht über die Form des Party-Verkaufs vertrieben, hier findet Einzelberatung, entweder im Büro des Direktberaters oder beim Kunden zu Hause statt.

1 .4 Direktvertrieb in Österreich

Die Warenvermittlungstätigkeit im Direktvertrieb findet in 48,2 % der Fälle in der Wohnung oder im Büro des Direktberaters statt (Siehe Abbildung 4). In 25,9 % besucht der Direktberater den Kunden in seiner Wohnung und in 12,2 % der Fälle findet die Warenvermittlung bei einem Gastgeber statt. In letztem Fall trifft der Direktberater nicht einen einzelnen Kunden, sondern veranstaltet gemeinsam mit einem Gastgeber eine Produktparty, zu der vom Gastgeber Gäste eingeladen werden (Siehe Kapitel 1.2).

Das Ausmaß der Geschäftstätigkeit bei einem Gastgeber gibt Aufschluss über die Anzahl der im Party-Verkauf tätigen Direktberater. Im Jahr 2004 fanden in Österreich etwa ein Achtel der Vermittlungstätigkeiten im Direktvertrieb im Rahmen des Party-Verkaufes statt (Vgl. Zacharias 2004 S. 26).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Ort der Geschäftsvermittlung im Direktvertrieb in Österreich Eigene Abbildung nach Zacharias 2004 S. 26

2. Erfolgsfaktoren im Party-Verkauf

Der Umfang spezifischer wissenschaftlicher Erkenntnisse über Multi-Level-Marketing und Party-Verkauf hält sich in einem überschaubaren Rahmen. Im Folgenden soll ein Beitrag über jene speziellen Faktoren geleistet werden, die den wirtschaftlichen Erfolg eines MLM-Unternehmers wesentlich beeinflussen. Manche Konstrukte sind komplexer und umfassender als andere, was sich im Umfang der Darstellung widerspiegelt.

Im Multi-Level-Marketing kommt häufig die Methode des Party-Verkaufs zur Anwendung, um Produkte an den Konsumenten zu vertreiben. Die Besonderheiten des Party-Verkaufs wurden bereits in Kapitel 1.2 dargelegt. An dieser Stelle sollen nun die erfolgskritischen Faktoren des Party-Verkaufs analysiert werden, die sich aufgrund der spezifischen Charakteristika des Multi-Level-Marketings ergeben. Diese Erfolgsfaktoren beeinflussen die Geschäftsbeziehung von Direktberater und Kunde und nehmen somit Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg von Direktberater und MLM-Unternehmen. Sowohl MLM-Unternehmen als auch selbstständig tätige Direktberater als Ein Personen-Unternehmen haben ein Interesse an einer Maximierung des Umsatzes und des Unternehmensgewinnes, weshalb den Erfolgsfaktoren besondere Bedeutung zukommt.

2.1 Beziehungsqualität

Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht ist der MLM-Party-Verkauf von einem wesentlichen Beeinflussungsprozess geprägt: Das Verhalten des Kunden ist abhängig von der Qualität der Beziehung zwischen Kunde und MLM-Direktberater. Zum einen erwirbt ein Kunde im MLM-Party-Verkauf ein Produkt, da er sich durch dessen Verwendung einen Nutzengewinn erwartet. Doch der Nutzengewinn des Kunden kann nicht nur durch das gekaufte Produkt erfolgen, sondern zum anderen ebenso durch den Kaufvorgang an sich, vorausgesetzt es besteht eine soziale Beziehung zwischen MLM-Direktberater und Kunde (Vgl. Frenzen & Davis 1990 S. 2). Ausschlaggebend für einen Kauf ist somit nicht das Produkt allein, sondern auch der Grad der freundschaftlichen Verbundenheit zum Direktberater.

Im Multi-Level-Marketing nimmt die Beziehung zwischen Direktberater und Kunde bzw. zwischen Direktberater und Geschäftspartnern einen zentralen Stellenwert ein, was sowohl durch die Bezeichnung “Network-Marketing” als auch durch den Aufbau der Unternehmensstruktur (siehe Abbildung 2) ersichtlich ist. Damit ein Direktberater im MLM Geschäft erfolgreich sein kann, muss er ein Netzwerk an Beziehungen zu Kunden und Geschäftspartnern aufbauen.

Da Produktpartys zumeist in den privaten Wohnräumlichkeiten des Gastgebers stattfinden, liegt es am Direktberater, im Vorfeld eine vertrauensvolle Beziehung zum Gastgeber aufzubauen. Gelingt ihm dies und wird die Produktparty ausgetragen, ist für den Direktberater erfolgsentscheidend, auch das Vertrauen der Gäste für sich zu gewinnen und ihre Zufriedenheit herbeizuführen. Diese Überzeugungsarbeit fällt im Großen und Ganzen weg, wenn der Direktberater den Gastgeber und die Gäste kennt, oder sogar mit ihnen befreundet oder verwandt ist. Aus diesem Grund bedienen sich Direktberater vor allem zu Beginn ihrer Tätigkeit gerne ihres persönlichen sozialen Netzwerkes (Vgl. Kenzelmann 2007 S. 23), um Gastgeber für eine Produktparty zu finden. Um auf dieses Netzwerk zuzugreifen, wird in der MLM-Fachliteratur immer wieder die Erstellung einer Liste der persönlichen Kontakte empfohlen und diese sogar als das wichtigste Instrument zur Kunden- und Beraterakquise bezeichnet (Vgl. Averill & Corkin 1995 S. 62).

Die Kontakte auf der Liste stammen aus den verschiedensten Bereichen des täglichen Lebens. Dieses Netzwerk an persönlichen Kontakten umfasst die Familie, den Verwandten- und Freundeskreis, Nachbarn, Kontakte aus dem Berufsleben, Kollegen bei Sport- und Freizeitaktivitäten, Geschäftskontakte, Behördenkontakte, Bekanntschaften aus Religionsgemeinschaften, Club- und Vereinsmitglieder (Vgl. Althoff 1997 S. 91, Kühn 1996 S. 44) (Siehe Abbildung 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Die Quellen der persönlichen Kontakte

Neben dem Vertrauensvorteil (Vgl. Kühn 1996 S. 44) können als Gründe für das Akquirieren von bereits bestehenden Kontakten systematisches Vorgehen, Schnelligkeit und niedrige Kosten (Vgl. Althoff 1997 S. 91), Effizienz und Effektivität (Vgl. Averill & Corkin 1995 S. 62) angeführt werden.

Im besten Fall führt die Akquisitionsliste zur Gewinnung von Neukunden, zu positiver Mundpropaganda oder sogar zur Rekrutierung von Direktberatern. Im schlimmsten Fall kann es dazu führen, dass sich Freunde und Bekannte ausgenutzt fühlen. Sogar der Verlust des Freundes- und Bekanntenkreises kann nicht ausgeschlossen werden (Vgl. Wehling 1994b S. 257).

Doch nicht nur bei der Akquise, sondern auch bei der Austragung der Produktparty sind freundschaftliche Beziehungen zwischen Direktberater und Kunde von Vorteil. Freundschaften führen dazu, dass Anziehungskraft, Wärme, Sicherheit und Verbundenheit in die Verkaufssituation gebracht werden. Durch die Sympathie und Freundschaft wird bei einer Produktparty ein gewisser Druck aufgebaut, der die Gäste dazu bringt, Produkte einzukaufen, um damit Gastgeber und Direktberater einen Gefallen zu tun. Wir sind geneigt zu tun, was eine uns vertraute und von uns geschätzte Person möchte. Es fällt also schwer, einem Freund eine Bitte abzuschlagen (Vgl. Cialdini 2006 S. 214).

Ob der Direktberater nun im Vorfeld viele private Kontakte hat oder erst Kontakte knüpfen muss – in beiden Fällen ist der Erfolg des Direktberaters davon abhängig, wie qualitativ hochwertig die persönlichen sozialen Beziehungen sind.

2.2 Beratungsqualität

Die Tätigkeit eines Direktberaters steht grundsätzlich jedem offen und ist an keine bestimmten Ausbildungsvoraussetzungen gebunden. Trotzdem müssen Direktberater qualifizierte Beratungsleistungen erbringen. Beratungsimpulse können grundsätzlich von Seiten des Konsumenten oder seitens des Anbieters ausgehen. Im ersten Fall geht der Konsument initiativ auf den Anbieter zu und sucht diesen beispielsweise in Geschäften, bei Messen oder in Beratungszentren auf. Der weniger häufig vorkommende zweite Fall, bei dem der Interaktionsprozess vom Anbieter initiiert wird, ist in der Regel im MLM vorzufinden. Hier ist es der Direktberater, der das Problemlösungsdenken beim Kunden auslöst und versucht, eingefahrenes Gewohnheitsverhalten aufzubrechen (Vgl. Bohle 1985 S. 149f). Die Beratung hat im MLM nicht nur die Aufgabe, Produkte gemäß der individuellen Bedürfnisse und Nutzenerwartungen der Konsumenten zu demonstrieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass nicht von einem allgemeinen Konsens zwischen Anbieter und Adressat über die Geschäftsbedingungen ausgegangen werden kann, was beim Adressaten in der Regel Unsicherheit verursacht. Dies hat dazu geführt, dass die Direktanbieter dem Konsumenten mit einer kundenfreundlichen, transparenten oder für den Konsumenten einseitig variablen Vertragsgestaltung begegnen, bei der es Rücktritts-, Widerrufs-, und Umtauschrechte gibt. Dieses Entgegenkommen greift teilweise derart umfassend um sich, dass Rechte gewährt werden, die weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus gehen. Beispielsweise existieren Rückgabemöglichkeiten für angebrochene Konsumgüter. Derartige Praktiken werden in anderen Vertriebsformen nicht angewendet, bilden jedoch Grundpfeiler der Absatzpolitik im MLM und sind aus diesem Grund auch zwingend Gegenstand des Interaktionsprozesses im Beratungsvorgang. Durch den Typus ihrer Vertriebsmethode müssen sich Direktberater stärker an Kundeninteressen orientieren und ein kundenfreundliches Marktverhalten äußern als Vertreter oder Verkäufer alternativer Vertrisbsformen.

Der Stellenwert der qualifizierten Beratung ist im MLM und Direktvertrieb höher als bei alternativen Vertriebsformen. Art und Qualität der Kundenberatung können im Direktvertrieb über Wettbewerbsvorteile unter Konkurrenzunternehmen entscheiden (Vgl. Wehling 1994b S. 258). Einerseits ist es dem Kunden möglich, die angebotenen Produkte an Ort und Stelle zu prüfen und eigene Erfahrungen zu sammeln und andererseits kann der Kunde intensiver und unter Rücksichtnahme auf individuelle Bedürfnisse beraten werden (Vgl. Bohle 1985, S. 159). Beim Vertrieb im Party-Verkauf kommt noch hinzu, dass die Kunden nicht im Einzelnen, sondern als Gruppe von den Vorzügen der Produkte überzeugt werden müssen. Gelingt es dem Direktberater, eine gute Beziehungsqualität zu den Konsumenten aufzubauen, kommt ihm das Phänomen der “sozialen Unterstützung” zu Hilfe. Die “soziale Unterstützung”18 bezieht sich auf das Gefühl, von anderen Personen unterstützt zu werden (Vgl. Buunk 2002 S. 423).

2.3 Kundenloyalität

Je länger ein Kunde einem Unternehmen treu bleibt, desto höher ist der Gewinn, den das Unternehmen durch diesen Kunden erzielt. Mit jedem Kunden, den ein Unternehmen verliert, geht somit auch das gesamte Gewinnpotential dieses Kunden verloren (Vgl. Reichheld & Sasser 1990 S. 106). Um den verlorenen Kunden zu ersetzen, muss das Unternehmen wieder neue Kunden gewinnen, um die Verluste aus Umsatz und Gewinn auf lange Sicht zu neutralisieren. Zunächst jedoch verursacht die Gewinnung eines neuen Kunden Kosten für das Unternehmen. Erst mit der Dauer einer Geschäftsbeziehung können diese Kosten amortisiert werden und das Unternehmen verzeichnet Gewinne. Hier kommt die Bedeutung von Stammkunden zum Tragen, die für ein Unternehmen steigende Gewinne generieren (Vgl. Reichheld & Sasser 1990 S. 106f, Rose 1990 S. 17). Mit der Fortdauer einer Geschäftsbeziehung können Produktivitätssteigerungen realisiert werden. Seitens des Unternehmens kann der Kunde effizienter bedient werden (Vgl. Reichheld & Sasser 1990 S. 107). Die Kunden wissen mit Andauer der Geschäftsbeziehung, was sie vom Unternehmen erwarten können und haben weniger Fragen und Probleme (Vgl. Reichheld & Sasser 1990 S. 106f). Außerdem kaufen loyale Kunden größere Mengen (Vgl. Berry & Parasuraman 1992 S. 157) und widerstehen eher Konkurrenzunternehmen (Vgl. Jarvis & Wilcox 1977 S. 9).

Unter Berücksichtigung dieser Vorteile kann die Strategie der Kundenbindung für ein Unternehmen gewinnbringender sein als ein Ausbau des Marktanteils oder eine Kostenreduktion19 (Vgl. Zeithaml et al. 1996 S. 32). Reichheld und Sasser (1990 S. 105) stellen fest, dass der Verlust von Kunden einen größeren Einfluss auf den Unternehmensgewinn haben kann als Kennzahlen wie Skalenerträge, Marktanteil oder Stückkosten, die typischerweise mit dem Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens in Verbindung gebracht werden. Sie rühmen die Vorteile der "zero customer defections"20 als übergreifenden Leistungsstandard eines Unternehmens. "Ultimately, defections should be a key performance measure for senior management and a fundamental component of incentive systems. Managers should know the company's defection rate, what happens to profits when the rate moves up or down, and why defections occur" (Reichheld & Sasser 1990 S. 11).

Wenn ein Unternehmen Kunden verliert, muss es neue gewinnen, um den Verlust zu kompensieren. Die Akquise neuer Kunden ist mit hohen Kosten verbunden, welche auf Grund von Werbemaßnahmen, Verkaufskosten oder Verwaltungskosten entstehen. Zudem sei an dieser Stelle nochmals darauf verwiesen, dass neue Kunden für einen gewissen Zeitraum nach der Akquisition für das Unternehmen nicht gewinnbringend sind (Vgl. Zeithaml et al. 1996 S. 33). Dauerhafte Kundenbeziehungen ermöglichen eine Amortisierung der Akquisitionskosten sowie in weiterer Folge eine positive Entwicklung des Unternehmensgewinnes. Kunden, die einem Unternehmen jahrelang treu bleiben, weisen außerdem eine höhere Wahrscheinlichkeit für Cross-Selling auf als Kurzzeit-Kunden. Das Unternehmen kann oftmals sogar höhere Preise verlangen als die Mitbewerber, da loyale Kunden Wert darauf legen, die Beziehung zum Unternehmen aufrecht zu erhalten (Vgl. Zeithaml et al. 1996 S. 33, Reichheld & Sasser 1990 S. 107).

Gründe für Loyalität im MLM-Party-Verkauf können ein gewisses Ausmaß an Trägheit oder Risikoscheu des Kunden sein oder auch die "materielle Wechselbarriere". Eine materielle Wechselbarriere liegt dann vor, wenn der Kunde Waren kauft, um die Beziehung zum Direktberater aufzubauen oder zu erhalten und aufgrund dieser Investition dem Unternehmen treu bleibt (Vgl. Stahl 2008 S. 96f).

Die Kundenbindung im MLM ist außergewöhnlich hoch. 88 % der Kunden sind Dauerkunden, 12 % kaufen lediglich ein einziges Mal (Vgl. Zacharias 2005 S. 40). Eine hohe Quote an Stammkunden wirkt stabilisierend auf das Provisionseinkommen des Direktberaters.

Rund 53 Prozent der Kunden kaufen Produkte bereits beim ersten Kontakt mit dem Direktberater (Vgl. Zacharias 2005 S. 40f). Je unübersichtlicher der Markt, desto unsicherer werden die Kunden und umso wichtiger ist die Empfehlung. Produktpartys im MLM sind in eine bekannte, private Atmosphäre eingebettet, in der sich die Teilnehmer miteinander entspannt über Produkte unterhalten können und in der Empfehlungen gerne an andere Menschen weitergegeben werden.

[...]


1 Unterschiedliche Definitionen von Direktvertrieb weisen einige Unschärfen auf, denn der Begriff wird teils mit sehr engem, teils mit sehr weitem Inhaltsumfang gebraucht (Vgl. Tietz 1993 S. 13, Schmahl 2006 S. 18, Wehling 1994a S. 204, Hattenberger 2000 S. 2, Zacharias 2005 S. 61).

2 Im Vertreterverkauf tätige Unternehmen sind beispielsweise Avon Cosmetics GmbH oder die Firma Vorwerk.

3 Das Feilbieten im Umherziehen wird umgangssprachlich auch “hausieren” genannt.

4 Bei der Datensammlung werden Informationen über das Kauf- und Konsumverhalten von Personen erhoben, um die Selektion potentieller Kunden zu erleichtern (Vgl. Nieschlag et al. 1997 S. 471)

5 Beispiele für Unternehmen die mit Verkaufsfahrern arbeiten sind Eismann und Bofrost.

6 Unternehmen, die ihre Produkte ausschließlich oder größtenteils über Verkaufsniederlassungen vertreiben sind Salamander, Rosenthal, Eduscho, Tschibo oder Vobis.

7 Zu den Factory Outlet Centers zählt beispielsweise das McArthurGlen Designer Outlet Parndorf.

8 Beispiele für Club-Systeme mit Mitgliedsbeitrag sind ADAC oder ÖAMTC.

9 Ein Beispiel für ein Club-System mit Verpflichtung zu regelmäßigem Einkauf ist der Bertelsmann Club.

10 Die Abkürzung MLM sowie die Begriffe Multi-Level-Marketing, Network-Marketing und Strukturvertrieb bezeichnen die selbe Vertriebsform und werden synonym verwendet. Der Begriff “Network-Marketing” betont den Umstand, dass insbesondere das soziale Netzwerk eines Direktberaters als Akquisitionsbasis dient. “Multi-Level-Marketing” bezieht sich auf die Möglichkeit der Direktberater, weitere Direktberater anzuwerben und auf diese Weise ein verzweigtes, vielstufiges (multi-level) Vertriebssystem aufzubauen. Speziell im Finanzbereich wird häufig die Bezeichnung “Strukturvertrieb” gewählt. Wobei sich “Struktur” auf das vielstufige Netzwerk bezieht und mit “Vertrieb” bezeichnet wird, dass es sich hierbei um einen Absatzweg handelt.

11 Der Begriff “Direktberater” bezieht sich im Folgenden auf all jene Personen, die Produkte eines MLM-Unternehmens im Party-Verkauf vertreiben.

12 Strenggenommen wäre der Vertrieb über selbstständige Händler kein Direktvertrieb. Aus der Nachfragerperspektive wird der Direktvertrieb jedoch als persönlicher Verkauf in wohnungsnaher Umgebung definiert, weshalb diese Art des Verkaufs zum Direktvertrieb zählt (Vgl. Holland 1998 S. 69).

13 “Level” bezeichnet die vertikale Position eines Direktberaters in der Vertriebsstruktur. Wenn ein Direktberater neue Mitarbeiter für das Geschäft gewinnt, werden diese dem ersten Level zugeordnet. Die von den neuen Mitarbeitern gesponserten Personen stellen das 2. Level dar, die Partner der Partner befinden sich aus der Sicht des an der Spitze stehenden Direktberaters auf der dritten Ebene usw.

14 Als “sponsern” wird die Gewinnung neuer Direktberater bezeichnet.

15 Als Beispiele für Pyramiden- oder Schneeballsysteme können die Unternehmen Holiday Magic Inc., Dare to be great GmbH (später MZE GmbH) und die daraus hervorgegangenen Motiva GmbH und CONTACT AG angeführt werden.

16 Man unterscheidet zwischen “Stairstep Plan” oder ”Breakaway Plan”, dem “Matrix-Plan”, dem “Unilevel Plan” und dem “binären Plan” (Vgl. Poe 2006 S. 137ff).

17 Der Begriff Party-Verkauf wird synonym mit Produktparty, Home-Party, Heimvorführung oder Partygeschäft verwendet.

18 Das Konzept der “sozialen Unterstützung” wird in vier Komponenten gegliedert: emotionale Unterstützung (sich umsorgt, geliebt und geschätzt fühlen), Einschätzungsunterstützung (Rückmeldung und soziale Vergleiche bei der Bewertung von Dingen), informative Unterstützung (Informationen darüber erhalten, wie man mit bestimmten Dingen umgeht), instrumentelle Unterstützung (konkrete Hilfe erfahren).

19 Unternehmen sollten sich jedoch nicht ausschließlich auf "customer retention" konzentrieren und die Gewinnung neuer Kunden außer Acht lassen. Beispielsweise sollte die Gewinnung von Marktanteilen von hoher Priorität für neu am Markt auftretende Unternehmen sein oder auch für jene Unternehmen, die in "emerging markets" tätig sind. Trotzdem kann für jene Unternehmen mit einem bereits vorhandenen Kundenstamm (vor allem in gesättigten Märkten mit etablierten Wettbewerbern) festgestellt werden, dass der netto ROI von "retention strategies" sehr viel höher sein kann als für Strategien, um neue Kunden zu gewinnen (Vgl. Zeithaml et al. 1996 S. 32).

20 Unter “zero customer defection” verstehen die Autoren, dass Kunden nicht zu anderen Unternehmen überlaufen, sondern einem Anbieter treu bleiben (Vgl. Reichheld & Sasser 1990 S. 105).

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Erfolgsfaktoren im Multi-Level-Marketing
Untertitel
Eine empirische Studie über Beziehungsqualität, Beratungsqualität, Kundenloyalität und Mundpropaganda im Party-Verkauf
Hochschule
Fachhochschule Wiener Neustadt  (Institut für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management)
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2009
Seiten
90
Katalognummer
V124386
ISBN (eBook)
9783640296859
ISBN (Buch)
9783640302352
Dateigröße
3399 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erfolgsfaktoren, Multi-Level-Marketing
Arbeit zitieren
Claudia Kraus (Autor:in), 2009, Erfolgsfaktoren im Multi-Level-Marketing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124386

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