Mentales Training für Kletteranfänger

Der Einsatz mentalen Trainings zur Förderung motorischer Lernprozesse bei kletterspezifischen Bewegungen im Anfängertraining. Ein Trainingsbeispiel


Hausarbeit, 2006

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Informationen zum Klettern
2.1 Beschreibung der Sportart
2.2 Sportklettern
2.3 Anforderungsprofil für Anfänger
2.4 Klettern als Schulsport?

3 Definition und Begriffsklärung des mentalen Trainings
3.1 Kognitive Fertigkeiten im Sport
3.2 Die Wirkung mentalen Trainings
3.3 Die verschiedenen Formen des mentalen Trainings
3.3.1 Subvokales Training
3.3.2 Verdecktes Wahrnehmungstraining _
3.3.3 Ideomotorisches Training

4 Untersuchungen zur Effektivität von mentalem Training
4.1 Verdecktes Wahrnehmungstraining oder ideomotorisches Training?

5 Hinweise zur Durchführung von mentalem Training
5.1 Mentales Training üben:
5.2 Psychisches Warming Up:
5.3 Mentales Training innerhalb einer sportmotorischen Trainingseinheit
5.4 Mentale Nachbereitung einer Trainingseinheit

6 Mentales Trainingsbeispiel für Anfänger
6.1 Erste Trainingseinheit:
6.1.1 Sichern lernen und ausprobieren
6.1.2 Mentales Üben
6.2 Zweite Trainingseinheit
6.2.1 Psychisches Warming Up
6.2.2 Mentales Üben und Klettern
6.3 Dritte Trainingseinheit
6.3.1 Ausführungsorientierungen erarbeiten
6.3.2 Bewegungsgefühl sensomotorisch erarbeiten
6.3.3 Bewegung mit Knetmasse nachgestalten
6.3.4 Motorisches Training mit Hilfe der Videoanalyse

7 Zusammenfassung und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Mentale Trainingsmethoden werden im Leistungssport sehr erfolgreich eingesetzt, um sportliche Leistungen im Training und im Wettkampf zu verbessern. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass dies auch im Klettern nicht anders ist.

Anders als im Leistungssport stellt sich die Situation beim Training von Anfängern dar: hier wird für gewöhnlich auf mentale Trainingsmethoden verzichtet. Grund ist der hohe Grad an Komplexität dieser Methoden, welche dem Sportler einen zusätzlichen Trainingsaufwand abverlangen, bevor sie effektiv eingesetzt werden können.

Dennoch vermute ich, dass mentales Training geeignet ist um den Einstieg in die Teildisziplin Klettern zu unterstützen. Denn es ist davon auszugehen, dass beim Klettern psychische Prozesse von Beginn an eine entscheidende Rolle spielen, die in ähnlicher Form vielleicht in anderen Sportarten erst im fortgeschritten Stadium auftreten und gerade bei Anfängern zum Versagen führen können.

So ist zum Beispiel bekannt, dass Spitzensportler verschiedener Disziplinen im Training oft exzellente Ergebnisse erzielen (das sog. Phänomen des Trainingsweltmeisters), diese aber im Wettkampf nicht umsetzen können. Psychische Prozesse, zum Beispiel verschiedene Ängste und daraus resultierende Konzentrationsprobleme, hemmen die Athleten, ihre im Training erzielten Bestleistungen zu wiederholen. Beim Klettern spielen Angst und daraus resultierende Konzentrationsprobleme bis hin zur absoluten Blockade von Beginn an eine entscheidende Rolle. Deswegen vermute ich, dass ein mentales Trainingsprogramm Anfängern helfen könnte, einfache Bewegungen zu automatisieren. Es besteht Grund zur Annahme, dass ein erfolgreiches mentales Training sich in einer Motivationssteigerung der Übenden niederschlagen würde, und so schnellere Trainingsfortschritte ermöglichen könnte.

Die These der vorliegenden Arbeit ist, dass kletterspezifische Anfängeranforderungen mit psychologischen Phänomenen aus dem Hochleistungsbereich anderer Disziplinen vergleichbar sind, welche die Leistung der Sportler oftmals negativ beeinflussen. Daher ist das Ziel dieser Arbeit, ein Trainingskonzept zu erstellen, das effektiv spezifische motorische Lernprozesse im Anfängertraining mental unterstützt.

Am Anfang der Untersuchung steht ein kurzer Themen- und Begriffsüberblick, der einen Einstieg in das Thema „mentales Training“ bietet. Da das Thema sehr umfangreich ist, wird es anhand von aktuellen sportwissenschaftlichen Untersuchungen eingegrenzt und auf ein mögliches mentales Sportklettertraining übertragen. Dabei soll geprüft werden, welche Trainingsformen für Anfänger geeignet sein könnten. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden dann drei spezifische Trainingseinheiten für Anfänger entworfen, die so durchgeführt und weiterentwickelt werden könnten.

2 Informationen zum Klettern

Während des Studiums der Sportwissenschaften kommt der Student mit einer Vielzahl von Sportarten in Berührung, die erlernt werden sollen. Auffällig ist, dass dabei kein mentales Training zur Unterstützung der Anfänger angeboten wird. Stattdessen werden mentale Trainingsformen nur am Rande in Seminareinheiten vorgestellt. Auch in der in dieser Arbeit verwendeten Literatur ist von mentalem Training nur im Kontext des Leistungssports, oder zumindest im Bereich der geübten Sportler, die Rede. Es erscheint also auf den ersten Blick nicht sinnvoll, dieses Thema zum Erlernen einer neuen Sportart aufzugreifen.

2.1 Beschreibung der Sportart

Viele Anfänger, die ich als Kletterübungsleiter anleiten durfte, haben nur eine sehr vage Vorstellung vom Klettersport. Viele kennen diese „Extremsportart“ nur aus den Medien. Immer wieder hört man dort von scheinbar wahnsinnigen „Adrenalin- Junkies“, die sich bewusst in Lebensgefahr bringen, oder tödlich verunglückten „Abenteurern“ und Ähnlichem. Kinofilme, wie zum Beispiel „Cliffhanger“ oder „Mission Impossible 2“ verstärken den Eindruck, dass es sich bei diesem Sport nur um eine Tätigkeit für sehr robuste und todesmutige Menschen handeln kann. Das Gegenteil ist der Fall, denn Klettern ist heutzutage eine ungefährliche Sportart, die von jedem erlernt werden kann. Aus eigener Erfahrung weiß ich, das Klettern unter Anderem in der Sozialpädagogik, der Rehabilitation und sogar im Behindertensport eingesetzt wird. Dabei kann es sich um Erlebnispädagogik mit schwer erziehbaren oder kriminellen Kindern und Jugendlichen handeln, um Selbstbehauptungskurse für Mädchen oder Teamfähigkeits- und Selbstbewusstseinsseminare bei Führungskräften.

Es gibt verschiedene Erscheinungsformen dieser Sportart, die aber eines gemeinsam haben, nämlich die Aufgabe, eine bestimmte Strecke an Land mit eigener Körperkraft zu überwinden. Dabei ist in der Regel der Start niedriger gelegen ist als das Ziel.

Nach Stückl & Sojer (2002) ist Klettern eine „Spielform des Alpinismus“, also des Bergsteigens und reicht vom so genannten „Bouldern“ (Klettern ohne Sicherung in Absprunghöhe) bis hin zu Besteigungen der höchsten Gipfel der Erde.

Weitere Spielformen des Alpinismus sind zum Beispiel „Bergwandern, Weitwandern, klassisches Bergesteigen, Hochtouren, Klettersteige, Felsklettern, Eistouren, Eisklettern, Mixed Climbing, Eisfallklettern, Skitouren, Tiefschneefahren >>Ski-Plus<<, Kombinierte Bergfahrten, Winterbesteigungen, Expeditionsbergsteigen, Trekking, Sportklettern, Freiklettern, Mountainbiking, Paragliding,[...] (Stückl & Sojer, 2002, S.4).

Im Folgenden soll sich der Begriff „Klettern“ auf das Sportklettern beschränken, das ganz bestimmten Regeln unterworfen ist.

2.2 Sportklettern

Während beim alpinen Klettern das Erreichen des Ziels, des Gipfels, im Vordergrund steht, liegt beim Sportklettern das Hauptaugenmerk auf dem >>Wie<< der Begehung. Sportklettern heißt, sich ausschließlich an natürlichen Haltepunkten zu bewegen. Technische Mittel [...] dienen nur zur Absicherung. Sportklettern beinhaltet also eine innere Einstellung zum Klettern selbst (Stückl & Sojer, 2002, S. 18).

Beim Sportklettern werden seit dem Ende des letzten Jahrhunderts auch Wettkämpfe ausgetragen, denen genau definierte Wettkampfregeln zu Grunde liegen. Diese Wettkämpfe finden an künstlichen Kletterwänden statt und gipfeln in Weltmeisterschaften. Es gibt unter Sportkletterern allerdings nur sehr wenige Wettkampfkletterer, da das Motiv des direkten sportlichen Wettkampfes in dieser Sportart lange keine Bedeutung hatte, was auf die „Innere Einstellung“ zu diesem Sport zurückzuführen ist.

Die innere Einstellung zu diesem Sport beinhaltet mehrere Faktoren und kann individuell sowie auch kulturell abweichen. Grundlegende Elemente kommen aus dem traditionellen Bergsteigen, das Naturerlebnisse, Naturschutz, Gruppen- und gemeinsame Gipfelerfahrungen, die richtige Selbsteinschätzung und vor allem Bescheidenheit als primär wichtig ansieht. Dadurch entstand eine Philosophie, die gerade das „Nichtwettkämpfen“ als besonders lobenswert betrachtete und sich erst seit kurzer Zeit langsam von diesen Werten löst. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass man seit dem „Kletterhallen-Boom“ diese Sportart auch „indoor“, unter immer gleichen Bedingungen, ausüben kann.

2.3 Anforderungsprofil für Anfänger

Die Bewegungslehre und die biomechanischen Prinzipien dieses Sports sind relativ komplex. Vielleicht kann man diesen Sport am ehesten mit dem Kunstturnen vergleichen, da wichtige Elemente wie Köperspannung oder präzise Körperkontrolle oft den Erfolg einer Klettertour ausmachen. Da man Kletterrouten in der Regel allerdings nicht wie eine Kür auswendig lernt, sondern die Bewegungen eben gerade spontan ausführen muss, gestaltet sich das Training komplexer.

Möchte man Anfängern diese Sportart beibringen, hat man zum einen mit den oben genannten Vorurteilen zu kämpfen. Zum anderen spielen wie erwähnt bereits beim Erlernen dieser Sportart psychische Prozesse, insbesondere Angst, eine wichtige Rolle. Für eine Person, die noch nie geklettert ist, stellt die große Höhe und die Tatsache, dabei nur durch ein dünnes Seil gesichert zu sein, ein nicht zu unterschätzendes Angstmoment dar. Klettern ist zunächst einmal völlig alltagsfremd und erweckt den Anschein lebensgefährlich zu sein. Genau das macht einerseits auch den Reiz dieser Sportart aus, hindert aber andererseits selbst langjährige Kletterer daran, sich zu verbessern. Die Angst und der Respekt vor der Höhe sind bedeutende Faktoren, die zwar gerade bei Anfängern zum Versagen führen, aber natürlich nicht nur negativ zu bewerten sind. Die natürlich Angst, mit der jeder Kletterer lernen muss umzugehen, schützt schließlich auch vor Unfällen und real lebensgefährlichen Situationen.

2.4 Klettern als Schulsport?

Meiner Meinung nach ist Klettern für den Schulsport gut geeignet. Gerade im Hinblick auf die pädagogischen Perspektiven bietet dieser Sport viele Möglichkeiten einer guten Umsetzung. Dies detailliert zu begründen würde aber den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Eine genauere Auseinandersetzung mit dem Thema werde ich voraussichtlich ab dem Sommersemester 2007 für Studenten anbieten, da ich an Kletterausbildung des Sportinstituts der Uni Dortmund aktiv beteiligt bin.

3 Definition und Begriffsklärung des mentalen Trainings

Nach Igel (2000, S. 24) ist seit Mitte der 1960er Jahre der Anteil von wissenschaftlichen Arbeiten zum mentalem Training stark gestiegen, die jedoch unterschiedliche Definitionen des Begriffs aufweisen. Igel (2000) meint allerdings, dass die Definitionen alle eins gemeinsam haben, nämlich „Das systematisch, wiederholte Sich-Vorstellen von Bewegungsabläufen, ohne diese auch auszuführen“ (Igel, 2000, S.24).

Eine aktuelle sportwissenschaftliche Definition besagt:

Mentales Training ist eine spezifische Form der Situationsantizipation, die auf dem planmäßigen, absichtsvollen und zielgerichteten, wiederholten, internen Aufruf einer vornehmlich symbolisch codierten Repräsentation der zu übenden Tätigkeit auf höheren Regulationsebenen basiert, ohne dabei tatsächlich zur Ausführung zu kommen (Igel, 2000, S. 112)

Obwohl sich Igel (2000, S. 26f.) ausdrücklich von den Arbeiten Eberspächers abgrenzt, soll im Folgenden das Verständnis Eberspächers (1992) zu „mentalen Trainingsformen“ erläutert werden. Denn Eberspächer (1992) sieht mentale Trainingsformen im Kontext von kognitiven Fertigkeiten, die sehr umfassend und vielseitig sind. Anhand dieses Verständnisses kann der gebräuchliche Begriff des „mentalen Trainings“ isoliert werden.

3.1 Kognitive Fertigkeiten im Sport

Nach Eberspächer (1992) lassen sich mit mentalen Trainingsformen kognitive Fertigkeiten erlernen, verändern und verbessern.

Als Fertigkeiten bezeichnet er ganz allgemein Handlungen, die zur routinierten Bewältigung wiederkehrender Anforderungen eingesetzt werden. Beispiele sind etwa das Essen mit Messer und Gabel, das Kopfrechnen, das Telefonieren oder das Anziehen eines Kleidungsstücks (Eberspächer, 1992, S. 14).

Als Kognitive Fertigkeiten bezeichnet er solche, „die sich auf die Aufnahme (z. B. Wahrnehmung) und Verarbeitung (z.B. Denken, Vorstellen, Erinnern) von Informationen beziehen“ (Eberspächer, 1992, S. 14).

Die wichtigsten kognitiven Fertigkeiten für Trainer und Sportler nach Eberspächer (1992, S. 15) sind:

- Selbstgesprächsregulation
- Selbstwirksamkeitsüberzeugung
- Aufmerksamkeitsregulation
- Aktivationsregulation
- Vorstellungsregulation
- Zielsetzung/Analyse

Jede einzelne dieser Fertigkeiten kurz zu erläutern würde den vorgegeben Rahmen dieser Arbeit sprengen, daher wird im Folgenden nur die Vorstellungsregulation berücksichtigt, da sie, wie nachfolgend begründet, am Besten für die Fragestellung dieser Arbeit geeignet ist.

Der gebräuchliche Begriff des „mentalen Trainings“ gliedert sich unter „Vorstellungsregulation“, obwohl diese nur ein Aspekt mentaler Trainingsformen ist, mit denen kognitive Fertigkeiten beeinflusst werden können.

Festzuhalten bleibt aber, dass kognitive Fertigkeiten nach Eberspächer (1992) genauso trainiert werden müssen, wie motorische Fertigkeiten, „so daß1 der Einzelne über die Optimierung kognitiver Fertigkeiten sein Handeln und seine Bewegungsabläufe stabilisieren und verbessern kann“ (Eberspächer, 1992, S. 15).

3.2 Die Wirkung mentalen Trainings

„Bewegungsvorstellungen sind Bewegungen mit blockierten Endgliedern“ (Heuer, 1985 in Igel, 2000, S. 113).

Dieses Zitat beschreibt das Phänomen des mentalen Trainings sehr treffend. Nach Gabler et. Al. (1995, S. 143 ff.) bewirkt das intensive „Sich-Vorstellen“ eines Bewegungsablaufes das Auftreten elektrischer Aktionspotentiale in den Muskelgruppen, die an der realen Ausführung dieses Bewegungsablaufes beteiligt sind (sog. Carpenter-Effekt). Dadurch beinhaltet mentales Training nicht nur die gedankliche Beschäftigung mit der Bewegung, sondern auch den inneren Nachvollzug, also die Ausführung der Bewegung auf reduzierter neuronaler Ebene. Diese Neuronalen Prozesse können für den motorischen Lernprozess nutzbar gemacht werden und zu einer Veränderung der generalisierten motorischen Programme führen. Auch wenn dieser Ansatz hier nur stark vereinfacht erwähnt wird, so macht er doch einen physiologischen Zusammenhang deutlich. Um sich diesen Effekt für das Training im Sinne des motorischen Lernprozesses nutzbar zu machen, muss mentales Training allerdings selbst erst einmal geübt werden (siehe Kapitel 5).

[...]


1 Originaltext in alter Rechtschreibung. Auch nachfolgende Zitate werden in Originalform übernommen.

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Details

Titel
Mentales Training für Kletteranfänger
Untertitel
Der Einsatz mentalen Trainings zur Förderung motorischer Lernprozesse bei kletterspezifischen Bewegungen im Anfängertraining. Ein Trainingsbeispiel
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V124406
ISBN (eBook)
9783640295128
ISBN (Buch)
9783640295180
Dateigröße
3138 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mentales, Training, Kletteranfänger
Arbeit zitieren
Henry Kirsten (Autor:in), 2006, Mentales Training für Kletteranfänger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124406

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Titel: Mentales Training für Kletteranfänger



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