Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Erkenntnisinteresse, Fragestellungen, Aufbau der Arbeit
1.2 Forschungsstand
1.3 Verwendete Quellen und Literatur
2 Hauptteil
2.1 Umriss der Ausgangslage im Jahr 1370
2.2 Politische Perspektive
2.3 Ökonomische Perspektive
2.4 Ethnische Perspektiven
3 Zusammenfassung
4 Anhang
5 Quellenverzeichnis
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Erkenntnisinteresse, Fragestellungen, Aufbau der Arbeit
Die Königreiche von Norwegen und Dänemark vereinten sich 1363 durch das Heiratsbündnis zwischen Margareta, Tochter des dänischen König Waldemar IV., und Hâkon VI., König von Norwegen. Dadurch verloren die Hansestädte Norwegen als Bündnispartner im Krieg gegen Dänemark und mussten sich darüber hinaus der feindlichen Politik von Hâkon stellen. Indem sich die niederdeutschen Küstenstädte zu einem Angriffsbund vereinten und in die Offensive gingen, gelang es ihnen, die existentielle Bedrohung durch König Waldemar und seinen Schwiegersohn zu umgehen. Die Hauptziele der Städte im Zweiten Waldemarkrieg stellten die Sicherung der Handelsprivilegien in Dänemark sowie die freie Durchfahrt durch den Sund für alle Hansestädte dar. Der dänische Reichsrat sowie der König akzeptierten schließlich alle Forderungen der Hanse im Frieden von Stralsund am 24. Mai 1370. Sie bestanden zum einen aus Handelsprivilegien, welche die Hansestädte seit langem forderten, zum anderen in der Überschreibung bedeutender Sundschlösser (unter anderem Helsingborg, Malmö, Falsterbö und Skanör) an die Seestädte. Darüber hinaus sicherten sich die Hansestädte ein Mitspracherecht bei der Königswahl in Dänemark. In Norwegen zwangen verwüstete Küsten und eine Hungersnot, verursacht durch die hansische Seeblockade, König Hâkon im Jahr 1368, einen zeitlich begrenzten Waffenstillstand mit den Hansestädten zu schließen. Während die Hanse schließlich die Kontrolle über den Sund und die schonischen Märkte erlangte, war sie auch zwischen dem dänisch-norwegischen Königshaus und der mit ihm verfeindeten mecklenburgischen Dynastie, welche die Vormachtstellung in Schweden innehatte, positioniert. Damit nahmen die Hansestädte eine entscheidende Rolle nicht nur im Konflikt zwischen den nordischen Ländern ein.
Die Gründung der Personalunion zwischen Dänemark und Norwegen wirkt wie eine notwendige Reaktion auf die Vormachtstellung der Hanse im Ostseeraum. Inwieweit die nordischen Länder, insbesondere das dänisch-norwegische Königshaus, die Hanse zum Ende des 14. Jahrhunderts als Opponentin einstuften oder sie in ihrem Interesse benutzten, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Die vorliegende Arbeit untersucht die Perspektiven der dänisch-norwegischen Dynastie auf die Hanse zwischen 1370 und 1380. Folglich geht es um die Frage, inwieweit die Hansestädte vom dänisch-norwegischen Königshaus als politische Akteure, Kaufleute mit rein ökonomischen Interesse oder als ethnische Gruppierung betrachtet wurden. Als Untersuchungszeitraum dient die Zeitspanne zwischen dem Stralsunder Frieden, um 1370, und dem Tod Hâkons 1380. Im Fokus steht die dänisch-norwegische Dynastie, welche aus den Akteure Waldemar, Hâkon, Margareta und Olav sowie den Reichsräten bestand. Dem gegenüber stehen die Hansestädte, welche 1369 einen erfolgreichen militärischen Sieg über Norwegen und Dänemark errangen und damit ihren Handelsvorteil in Skandinavien sichern konnten. Zu Beginn dieser Arbeit werden die jeweiligen Ausgangslagen des dänisch-norwegischen Königshauses sowie der Hanse um 1370 untersucht. Hierbei stehen die politischen sowie ökonomischen Handlungen im Vordergrund. Nachfolgend werden ausgewählte Quellen vorgestellt sowie in den historischen Kontext gesetzt. Die Einteilung der Untersuchung erfolgt jeweils in politische, ökonomische sowie ethnische Perspektiven. Die nachfolgende Interpretation soll die Dynamik hinter den Verhandlungen zwischen dem dänisch-norwegischen Reich sowie den Hansestädten untersuchen.
1.2 Forschungsstand
Dafür, dass Skandinavien einen elementareren Teil im mittelalterlichen Europa darstellt, war die Untersuchung der politischen Geschichte der skandinavischen Königreiche lange ein wenig beachtetes Forschungsthema. Aktuelle nationalgeschichtliche Untersuchungen Norwegens bieten Sverre Bagge, Lars Hamre oder Grethe Blom, für Dänemark Jens Olesen, Poul Enemark und für Schweden Olle Ferm, Herman Schück sowie Thomas Lindkvist. Kritik an nationalen Ausrichtungen steigt seit den 2000er Jahren, zum Beispiel von Hans Orning, Kim Esmark und Lars Hermansson, welche sich für eine Überwindung von nationalen Grenzen und Traditionen in der Forschung aussprechen.1 Dagegen beschäftige sich die europäische Forschung außergewöhnlich wenig mit dem skandinavischen Königtum im Mittelalter. So fehlt es an umfangreichen, in deutscher Sprache verfassten, Biografien zu König Waldemar, aber auch Hâkon, welches auf die schlechte Quellenlage zurückzuführen ist. Eine umfangreiche Untersuchung zu den Herrscherwechseln sowie der politischen Struktur Skandinaviens zwischen 1319 und 1523 wurde 2016 von Charlotte Rock veröffentlicht.
Neben unzähligen Gesamtdarstellungen zur Hanse bieten die zahlreichen Veröffentlichungen des Hansischen Geschichtsvereins, mit Prof. Dr. Jürgen Sarnowsky als aktuellen Vorsitzenden, eine umfangreiche Forschungslandschaft. Der Hansische Geschichtsverein bereitet wichtige Primärquellen auf und stellt diese digital zur Verfügung. Beispielsweise ermöglichen die Hanserecesse seit 1871 einen Einblick in die Protokolle der Tagfahrten. Daneben veröffentlicht dieser die Hansischen Studien, eine seit 1990 bestehende Schriftenreihe. In der deutschen Forschung liegt zudem ein besonderer Fokus auf der Untersuchung des 1370 geschlossenen Frieden von Stralsund, welcher in diesem Umfang auf dänischer Seite nicht zu finden ist. Des Weiteren muss unterstrichen werden, dass sich viele Beiträge lediglich auf die Beziehung zwischen der Hanse und Dänemark, vor dem Hintergrund des Stralsunder Friedensschlusses, konzentrieren. Eine ausführliche Untersuchung der hansischdänischen Beziehungen, aus einer akteurszentrierten Sichtweise, veröffentlichte Kilian Baur 2018. Jedoch fehlt es einer vergleichbare Studie zur Konstellation zwischen den Hansestädten und dem norwegischen Königshaus. Darüber hinaus mangelt es einer umfassenderen Betrachtung der Beziehung zwischen den skandinavischen Länder und den Hansestädten im Zeitraum bis zur Kalmarer Union.
1.3 Verwendete Quellen und Literatur
Einen Überblick der chronologischen Entstehung sowie Organisation der Hanse liefern Gesamtdarstellungen von Philipp Dollinger, Rolf Hammel-Kiesows, Carsten Jahnke, aber auch Ernst Daenells „Die Blütezeit der deutschen Hanse“. Kilian Baurs „Freunde Und Feinde: Niederdeutsche, Dänen und die Hanse im Spätmittelalter (1376-1513)“ liefert eine Übersicht über die hansisch- dänische Beziehung im Spätmittelalter. Eine aktuelle chronologische Untersuchung zum Herrscherwechsel im mittelalterlichen Skandinavien vor der Zeit der Kalmarer Union, bietet die bereits erwähnte Monografie von Charlotte Rock. Aktuelle Aufsätze zum Stralsunder Friedensvertrag bieten Oliver Auge, Kilian Baur, Carsten Jahnke, sowie Philipp Höhn. Ebenso erwähnt werden müssen die Darstellungen zu Königin Margaretas Wirtschaftspolitik, von Beata Losman und Michael Linton.
Die ausgewählten Quellen liegen im Entstehungszeitraum von 1370-1381 und beleuchten die Beziehung des dänisch-norwegischen Königshauses und den Hansestädten. Überwiegend wird auf die Hanserecesse (abgekürzt HR) verwiesen, welche eine wichtige Sammlung von Primärquellen darstellen. Die überlieferten Protokolle der Friedensverhandlungen von 1370 und die Neuverhandlungen der hansischen Privilegien um 1375 sowie 1381, vermitteln einen Einblick in die Kommunikation der Könige von Dänemark und Norwegen mit den Hansestädten. Daraus können politische sowie wirtschaftliche Interesse und Ziele der nordischen Könige abgeleitet werden. Zudem werden Quelle aus dem Regesta Norvegica, einem chronologischen Verzeichnis aller bekannten Quellen zur mittelalterlichen Geschichte Norwegens, zur Hand genommen. Der eingegrenzte Zeitraum von 1370-1381 ermöglicht eine Untersuchung aller Herrscher in Bezug auf ihre Kommunikation mit den Hansestädten. Dieser Zeitraum ist nämlich durch zwei Herrscherwechsel gekennzeichnet. Damit bieten die ausgewählten Quellen einen Handlungsüberblick der jeweiligen Herrscher. Zur Vereinfachung werden die ausgewählten Quellen eingegliedert in die politischen, ökonomischen und ethnischen Perspektiven. So werden zu Beginn die Ratifizierungen des Stralsunder Friedens durch König Waldemar im Jahr 1370 sowie 1375 durch König Olav untersucht. Aus beiden Quellen lassen sich politische Ziele der nordischen Herrscher ableiten sowie eine mögliche Einschätzung der hansischen Machtposition. Während dagegen ein Brief aus dem Jahr 1370 von Königin Margareta an ihren Gemahl Hâkon eine Abschätzung der finanziellen Lage des norwegischen Königshauses sowie einen Einblick in die Beziehung zu den Hansekaufleuten bietet. Weitere Indizien der ökonomischen Relevanz der Hansestädte, für das dänisch-norwegische Königshaus, liefern die Verhandlungspause bei Tönsberg zwischen König Hâkon und den Hansestädten von 1372 sowie die Verhandlungen auf Schonen zwischen Margareta und den Städten von 1381. Während auf den Verhandlungen zu Bohus, welche aus einer Vielzahl an Klagen von norwegischer Seite gegen die Hansestädte bestanden, die Bedeutung der ethnische Perspektive in den Vordergrund gerückt werden kann.
2 Hauptteil
2.1 Umriss der Ausgangslage im Jahr 1370 Die nordischen Länder - Dänemark, Norwegen und Schweden
Mit dem Tod Christophs II. 1332 endete die Institution des Königtums in Dänemark und die Reichsräte verloren ihren politischen Einfluss. Dabei kam es zu einem Interregnum.2 Zuvor folgte eine Verpfändung des gesamten Reiches an in- und ausländischen Kreditoren.3 Durch den Beistand „[...] Lübecks und der wendischen Städte [...]“ gelangte 1340 König Waldemar zur dänischen Krone.4 Die Führungsschicht des Reiches akzeptierte Waldemar als König, mit dem Ziel ihren politischen Einfluss zurückzugewinnen.5 In den Anfängen Waldemars Herrschaft in Dänemark versuchte er das Königreich wiederaufzubauen, indem er die verpfändeten Ländereien zurückkaufte. Besonders hoffnungslos stellte sich zu Beginn die Situation im Osten Dänemarks dar. Denn der schwedische König Magnus Eriksson kaufte die schonischen Landschaften (Skâne und Blekinge) während des Interregnums auf. Magnus Eriksson regierte Schweden von 1319 bis 1364, von 1362 bis 1364 teilte er sich das Königreich mit seinem Sohn, Hâkon, König von Norwegen.
Sein Sohn, Hâkon, regierte das Königreich Norwegen eigenständig mit dem Eintreten seiner Mündigkeit im Jahr 1355. Bereits 1358 wurde Hâkon mit Margareta, der jüngeren Tochter Waldemars, verlobt. Während es Waldemar gelang, unter anderem durch Steuererhöhungen, die Wirtschaft Dänemarks zu stärken und ehemalige Gebiete zurückzuerobern, setzte ein gegenwärtiger Trend in Schweden ein. Denn Waldemar sicherte sich 1360 durch einen erfolgreichen Blitzfeldzug die Gebiete Skâne und Blekinge.6 Zur selben Zeit, womöglich aufgrund dieses Feldzuges, kam es zum Streit zwischen Vater und Sohn, auf der norwegischschwedischen Seite. Charlotte Rock geht davon aus, dass zwei Hauptstreitpunkte existierten. Zum anderen die Entscheidung Hâkons, sich gegenüber Dänemark feindlich aufzustellen und gemeinsam mit der Ratsopposition Krieg gegen Dänemark zu führen. Daher entschied sich Hâkon seine frühe Verlobung mit Margareta, Königstochter von Dänemark, zu lösen und sich mit Elisabeth von Holstein zu verloben. Damit folgte Hâkon den Forderungen der schwedischen Großen, welche den Verlust Schonens an Dänemark wehmütig betrachteten, und gewann deren Unterstützung. Eine Versöhnung zwischen Magnus und Hâkon folgte jedoch zügig, woraus eine kurzweilige gemeinsame Herrschaft über Schweden entstand.7
Mithilfe der Zolleinkünfte des Schonenmarktes sicherte sich König Waldemar ein regelmäßiges Einkommen, welches er durch eine Erhöhung der Abgaben steigerte. Im drauffolgenden Jahr nahm Waldemar die strategisch bedeutende Insel Gotland samt der Hansestadt Visby ein.8 Die Seestädte versuchten daraufhin mit einer Handelsblockade zu kontern, es kam jedoch 1362 zum Ersten Waldemarkrieg. Die wendischen Städte sowie die Könige von Norwegen und Schweden verbündeten sich gemeinsam mit dem Grafen von Holstein und dem Herzog von Schleswig gegen König Waldemar.9 Mitten im Ersten Waldemarkrieg wurde Hâkons Verlobte, Elisabeth von Holstein, in die Gefangenschaft des Erzbischof von Lund, einem dänischen Ratsmitglied und engen Verbündeten Waldemars, genommen, als sie sich auf dem Weg nach Norwegen befand.10 Die Ehe wurde nicht vollzogen und Hâkon heiratete 1363 „[...] die zuerst zu seiner Gemahlin erkorene Margareta.“ Diese Entscheidung führte dazu, dass König Hâkon sowie sein Vater König Magnus den Holsteiner Grafen als Verbündeten verloren.11 Damit setzte Waldemar die ursprünglich geplante Heiratspolitik von 1358 durch und verband die nordischen Länder. 1365 endete der Erste Waldemarkrieg im Frieden von Vordingborg, welcher von Oliver Auge als ein vorläufiger Verhandlungsstillstand gewertet wird.12
In Schweden gelang es Magnus, aber auch Hâkon, nicht das Königtum gegenüber dem Adel zu stärken, sodass er schließlich komplett dabei scheiterte den Konflikt zwischen Königtum und Ratsaristokratie beizulegen. Im Jahr 1364 folgte die Absetzung von Magnus. Zum neuen schwedischen König wurde Albrecht III. von Mecklenburg gewählt, der durch seine genealogische Verbindung mit dem schwedischen Königshaus infrage kam. Unter anderem war auch das Bündnis vom Grafen von Holstein sowie Albrecht II. von Mecklenburg mit Rückendeckung Kaiser Kails IV. von großer Bedeutung.13 Magnus startete 1365 in der Schlacht bei Gata eine erfolglose Offensive, welche für ihn in einer sechsjährigen Gefangenschaft im Stockholmer Schloss endete. Erst 1371 konnte Hâkon die Inhaftierung beenden, indem er das Lösegeld zahlte.14 Auch Waldemar fand nicht überall Zuspruch für seine Restituierungspolitik, vor allem eine Adelskoalition auf Jütland nahm den Ausbruch des Zweiten Waldemarkrieges 1367 als Gelegenheit sich gegen den König zu stellen. Diese gingen eine Allianz mit den holsteinischen Grafen, den Mecklenburgern, Albrecht von Schweden sowie den Seestädten, welche sich zu einem Kriegsbündnis, der Kölner Konföderation, verbunden haben, ein. Damit war der dänische König selbst im eigenen Land von Feinden umringt.15 Aufgrund des Heiratsbündnis‘ zwischen Dänemark und Norwegen war auch König Hâkon im Zweiten Waldemarkrieg involviert. Verwüstete Küsten und Hungersnöte zwangen den norwegischen König bereits 1368 zum Waffenstillstand. Währenddessen bemühte sich Waldemar die Allianzen gegen seine Herrschaft, im Rücken der Alliierten, zu beeinträchtigen und aufzuhalten. Jedoch scheiterte Waldemar und der dänische Reichsrat kapitulierte.16
Um den Umfang dieser Arbeit nicht zu überspannen, wird darauf verzichtet die norwegische sowie dänische Ökonomie zu beschreiben. Grethe Blom, Niels Skyum-Nielsen bieten in ihren Gesamtdarstellungen der Geschichte Norwegens bzw. Dänemarks einen guten Überblick. Darüber hinaus beschäftigten sich zahlreiche Historiker mit dem Handel der nordischen Länder, wie zum Beispiel, Alexander Bugge, Arnved Nedkvitne oder Kare Lunden.
Die Hansestädte - Städte als politische Akteure
Der Begriff „Hanse“ wird im weitere Verlauf der Untersuchung mehrmals erwähnt, deshalb muss an dieser Stelle die Definition erklärt werden. So stellt es sich in erster Linie als irreführend dar die deutschen Kaufleute, welche sich Ende des 14. Jahrhunderts mit den nordischen Ländern in irgendeiner Form von Konflikt befanden, allesamt unter dem politischen Begriff der Hanse zusammenzufassen. Denn die Hanse verkörpere, wie Carsten Jahnke betont, nur ein Sammelbecken für verschiedene Interessen, Regionen und Blickwinkel.17 Nach moderner Definition stellt die Hanse „[...] eine lose organisierte, wirtschaftliche Institution auf freiwilliger und solidarischer Basis“ dar. Darüber hinaus befanden sich der Terminus sowie die Institution im Allgemeinen um 1350 in der Phase der Etablierung und Entwick- lung.18 Daher kann die Hanse nicht als entscheidender Akteur in politischen Angelegenheiten betrachtet werden, denn es sind genauer definiert die Städtebünde. So schlossen sich die Kaufleute und Räte der Städte, aufgrund von kontinuierlichen ausländischen Konflikten, als auch mit dem Ziel der Wahrung der Handelsinteressen im Ausland, zu Städtegruppen zusammen. Diese versammelten sich zu Verhandlungen, den sogenannten Tagfahrten, um konsensfähige Entscheidungen zu treffen. Lübeck, Stralsund, Wismar und Rostock bezeichneten sich zum einen als „die wendischen Städte“, zum anderen als Seestädte. Der Auslandshandel war für diese Städte der dominierende wirtschaftlichen Faktor, während er für die binnenländischen Städte nebensächlich war.19 Wird im Verlauf von hansischen Kaufleuten gesprochen, sind damit deutsche Kaufleute im In- und Ausland gemeint, welche auf freiwilliger und solidarischer Basis Teil dieser wirtschaftlichen Institution waren. Da es den Rahmen dieser Arbeit überlasten würde, deduktiv die einzelne Kaufleute ihren Städten und ihren Handelsschauplätzen zuzuordnen, werden diese unter dem Begriff der Hanse zusammengefasst. Als Hansestädte werden dagegen die politischen Akteure der Städtebünde definiert, welche aus mindestens zwei unterschiedlichen Städtegruppen bestehen. Ausländische Kontore werden ebenfalls dazugezählt.
In Anbetracht der geographischen Lage sowie dem regen Handel kontrollierte der genossenschaftliche Zusammenschluss deutscher Kaufleute natürlicherweise den nördlichen Handel. Rohstoffe, wie Getreide, Holz, Wachs und Hanf wurden aus dem Osten bezogen und in den industriellen Westen verschifft, um eben diese Rohstoffe zu verarbeiten und erneut in den Osten zu senden. Dieser Ost-West-Transport, der Einfluss sowie die Kontakte in den Ländern stellten die Hauptstütze des hanseatischen Einflusses dar. Die skandinavischen Länder lockten mit Rohstoffen wie Kupfer, Eisenerz, Hering, Kabeljau. Besonders die Nachfrage nach Hering stieg um ein Vielfaches mit den kirchlichen Fastengeboten und gestaltete damit das Hauptinteresse der Hanse im Norden.20 Die wachsende politische Macht sowie einhergehender Widerstand von lokalen Händlern in Gebieten, in denen die hansischen Kaufleute aufgrund ihrer Lage überlegen war, veränderten das Machtgefüge. Um ihre fundierte Machtbasis in Anbetracht aufkommender politischer und wirtschaftlicher Herausforderungen bewältigen zu können, formten sich die Städtebünde. Die Verteidigung erschlossener Märkte und Handelsrouten gegen die wachsende Konkurrenz und Widerstände gegen das hansische Monopol stellten die Ziele der hansischen Kaufleute dar. Als der dänische König 1360-1361 mit seiner Rekuperationspolitik Skâne und Gotland zurückeroberte, sicherte sich Dänemark den Schonenmarkt mit seiner profitablen Heringsfischerei. Dies interpretierten die Seestädte als eine existentielle Bedrohung für die gesamte Genossenschaft der Hanse.21 So zogen die „[...] nüchtern handelnden, Krieg meidenden Kaufmanns [Kaufmänner] [...]“ zur Widererlangung ihrer gestohlenen Gebiete in den Krieg gegen Dänemark.22 Carsten Jahnke akzentuiert, dass es die einzelnen Städtebünde der Seestädte, Livländer, Preußen sowie Zuiderze- estädte, mit ihren unterschiedlichen Motiven, waren, die sich zu einem einzigen Städtebund, der Kölner Konföderation zusammenschlossen.23
2.2 Politische Perspektive Die Ratifizierung des Stralsunder Friedens durch den dänischen König Waldemar
Am 27. Oktober 1371 ratifiziert König Waldemar den vom dänischen Reichsrat mit den Hansestädten, welche sich unter der Kölner Konföderation zusammenschlossen, vereinbarten Frieden von Stralsund. Aufgeführt sind in der Urkunde der dänische Reichsrat sowie die Vertreter der wendischen, pommerschen, livländischen, preußischen und niederländischen Hansestädte. Im Kontext der Urkunde steht die Bestätigung der zuvor vereinbarten Vertragsdokumente. König Waldemar plant diese mit seinem kleinen Siegel zu ratifizieren. Er erklärt, dass er das große Siegel nicht dabeihabe, deshalb werde er die Besiegelung des Vertrages mit seinem großen Siegel zu einem späteren Zeitpunkt durchführen. Die Urkunde endet mit dem Siegelbefehl und der Datierung auf den 27. Oktober 1371.24
König Waldemar befand sich von 1368-1371 außerhalb Dänemarks, um eine Gegenkoalition im Rücken seiner Feinde aufzubauen. Er suchte seine Verbündete bei Herzog Erich II. von Sachsen-Lauenburg, den Markgrafen von Brandenburg und von Meißen, Graf Adolf VII., den pommerschen Herzögen und König Kasimir III. von Polen. Allerdings gelang es der hansisch-fürstlichen Allianz bereits 1368 die ersten Erfolge in Dänemark für sich zu verzeichnen sowie Gegenangriffe abzuwehren.25 Zuvor unternahm er zwei gescheiterte Versuche, um erneute Verhandlungen mit den Hansestädten aufleben zu lassen.26 Doch die Städte zeigten erst Interesse an Verhandlungen, nachdem sie die Sundschlösser Falsterbo, Malmö, Skanör und Helsingborg eingenommen hatten.27 Die Vertragsdokumente wurden von König Waldemar einen Monat nach Ablauf der von den Hansestädten gesetzten Frist besiegelt. Zudem umging er die Besiegelung mit dem großen Siegel.28 Daraufhin wählten die Städte eine ähnliche Strategie, indem sie die Urkunden von ihrer Seite ebenfalls mit dem kleinen Siegel besiegelt sowie eine Aushändigung dieser, an den dänischen König, bis zur korrekten Besiegelung verschoben.29 Die Vertreter der Hansestädte sicherten sich durch Einzelurkunden mit dem Reichsrat die Einhaltung der Vereinbarungen.30 Nur wenige Tage nach der Ratifizierung des Stralsunder Friedens führte König Waldemar mit Albrecht II. von Mecklenburg Verhandlungen. Beide Akteure einigten sich darauf, dass der gemeinsame Enkel, der zukünftige Albrecht IV., den dänischen Thron erben sollte. Als Ausgleich erhielt Waldemar die seit April 1369 eroberten Gebiete und Burgen, abgesehen von den Sundschlösser, zurück. Jedoch unternahm Waldemar keine rechtskräftigen Schritte, wie zum Beispiel, eine Designation oder Erhebung Albrecht IV. zum Mitregenten. Darüber hinaus benutzte er erneut sein kleines Siegel, was die Vereinbarung nur auf seine Person band.31 Dennoch signalisiert diese Handlung eine Reduktion der hansischen Macht von Seiten des dänischen Königs, da Waldemar gegen einen im Stralsunder Frieden vereinbarten Paragrafen verstoßen hatte. Obwohl die Hansestädte sich ein Mitspracherecht bei der Nachfolgerentscheidung Waldemars eingefordert hatten, tauschte Waldemar das Thronerbe gegen Ländereien ein.32 Zudem kann dies als Rigidität Waldemars gegenüber den Städten betrachtet werden, mit dem Argument, er habe den genauen Wortlaut der Vereinbarungen in den Vertragsdokumenten nicht nachlesen können, da er diese nicht ausgehändigt bekommen habe. Philipp Höhn kommt in seiner Untersuchung zu den Praktiken der Konfliktführung um 1370 zum Entschluss, dass beide Parteien, weder die Städte noch Waldemar, Interesse daran gehabt haben, Verbindlichkeiten einzugehen und sich deshalb mit vorläufigen Zusagen zufriedengaben. Der klare Vorteil solch einer Herangehensweise sei, dass beiden Akteure Handlungsspielraum bleibt, um die Verhandlungsposition zu verbessern.33 Vor dem Hintergrund der laufenden, und vor allem sich hinauszögernden, Friedensverhandlungen zwischen den Städten und dem norwegischen König Hâkon, konnte Waldemar durch die von Höhn beschriebene Uneindeutigkeit Zeit gewinnen. Fraglich bleibt, ob er das Blatt hätte wenden können, in Anbetracht des gescheiterten Zweifrontenkrieges sowie dem Alleingang der Städte bei den Verhandlungen.34 Der Ausschluss der norddeutschen Fürsten bei den Friedensverhandlungen in Stralsund von den Hansestädten zielte darauf ab, die Interessen der Städte zu priorisieren.35 Die Städte sorgten sich offenkundig darum, dass ihre fürstlichen Bündnispartner mit König Waldemar für sie nachteilige Friedensbedingungen vereinbaren würden. Dieser Umstand führte schließlich dazu, dass Dänemark mit der Abwesenheit der Fürsten einigermaßen tragbare Abstriche machen musste. Beispielsweise war die Verpfändung der Sundschlösser zeitlich auf 15 Jahre festgelegt worden und die Mitbestimmungsklausel bei der Nachfolgerwahl wurde in die Zukunft verschoben. Jedoch kam es zu keiner Teilung des Königreiches unter den norddeutschen Fürsten und König Waldemar erlitt keinen direkten Machtverlust.
[...]
1 Orning, Hans Jacob 2010, S. 32ff.
2 Hoffmann 1998, S. 271-273.
3 Jahnke 2017, S. 92-95.
4 Vgl. ebd., S. 32.
5 Jahnke 2021, S. 46.
6 Vgl., Harrison 2019.
7 Rock 2016, S. 64-65.
8 Daenell 2001, S. 32-33
9 Dollinger 1998, S. 70ff.
10 Jahnke 2021, S. 59, Rock 2016, S. 93. Waldemar versuchte sich gegen ihn feindliche Bündnisse abzusichern. Beispielsweise würde die Ehe zwischen Håkon und Elisabeth die Allianz zwischen Norwegen, den norddeutschen Fürsten sowie Schweden stärken. Mit dieser Entwicklung würde die Möglichkeit bestehen, dass sich das Machtverhältnis entscheidend zu Seiten der mecklenburgische Dynastie drehen könnte.
11 Auge 2021, S. 4-5.
12 Ebd., S. 3.
13 Rock 2016, S. 66., Hoffmann 1988, S. 227-230.
14 Rock 2016, S. 81.
15 Jahnke 2021, S. 48.
16 Ebd., S. 50.
17 Jahnke 2014, S. 87.
18 Ebd., S. 16-17 sowie S. 36-37.
19 Ebd., S. 35-37., Hammel-Kiesow 2000, S. 16.
20 Hibbert 2019.
21 Baur 2021, S. 15.
22 Ebd., S. 75-78
23 Jahnke 2014, S. 38-40.
24 HR I, II, Nr. 22, S. 36-37.
25 Auge 2021, S. 11-12. Zu den Strategien und Reaktionen der norddeutschen Fürsten: ebd. S. 13-21.
26 HR I, I, Nr. 415, S. 377 sowie Nr. 427, S. 386 ff.
27 Auge 2021, S. 11. Die Sundschlösser behielten die Städte 15 Jahre als Pfand, um mit dessen Einnahmen ihre Verluste aus den Kriegen zu decken. Siehe dazu Höhn 2021, S. 106ff.
28 Höhn 2021, S. 121. Philipp Höhn verweist auf eine spannende Koinzidenz, welche Ahasver von Brandt entdeckte: Der dänische Reichsrat übergab Waldemars Siegel und andere Wertsachen an den Lübecker Rat im Oktober 1371. Mehr dazu siehe Höhn 2021, S. 123ff.
29 HR I, I, Nr.23.1, S. 37.
30 Hoffmann 1989, S. 75.
31 Auge 2021, S. 15., Albrecht IV. ist der Sohn Waldemars ältester Tochter Ingeborg, welche mit Heinrich, dem Sohn Albrechts II. von Mecklenburg im Jahr 1349 verheiratet worden war.
32 Jahnke 2021, S. 64.
33 Höhn 2021, S. 122.
34 Siehe Jahnke 2021, S. 49. Auge 2021, S. 11-12. Die pommerschen Herzöge, welche mit Waldemar eine Koalition eingingen, führten einen gescheiterten Angriff gegen Albrecht II. von Mecklenburg im November 1368 bei Damgarten. Auch der Markgraf von Brandenburg musste einen Waffenstillstand mit den Mecklenburgern schließen.
35 Auge 2021, S. 31. Damit missachteten die Städte die 1369 vereinbarte Bestimmung, dass ein Frieden mit dem Gegner gemeinsam geschlossen werden soll.