Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Abstract
2 Fragestellungen
2.1 Wachstum der Weltbevölkerung und demographischer Wandel
2.2 Anteil der Kinder an der Weltbevölkerung
2.3 Entwicklung von Lebenserwartung und Kindersterblichkeit
2.4 Kennzahlen zur historischen Entwicklung globaler Lebensbedingungen
2.5 Veränderung von Einkommen und Lebenserwartung von 1800 bis 2021
2.6 Entwicklung der Alphabetisierung und der Internetnutzer
2.7 Analyse der CO2-Emissionen global sowie für UK und China
2.8 Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern und der Gender Pay Gap
2.9 Krisenherde und Kriege gestern und heute
2.10 Verteilung von Reichtum und Armut sowie der Einfluss von Kindern
2.11 Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Größe der Weltbevölkerung über die letzten 12.000 Jahre (Roser et al. 2013a)
Abbildung 2: Weltbevölkerung und ihre jährliche Steigerung von 1700 – 2100 (Roser et al. 2013a)
Abbildung 3: Die fünf Stufen des demographischen Wandels (Roser et al. 2013a)
Abbildung 4: Entwicklung der Weltbevölkerung nach Regionen, 1950-2100 (Roser et al. 2013a)
Abbildung 5: Entwicklung der Weltbevölkerung nach Altersgruppen, 1950-2100 (Ritchie/Roser 2019)
Abbildung 6: Entwicklung der weltweiten Lebenserwartung, 1800 – 1950 – 2015 (Roser et al. 2013c)
Abbildung 7: Zahl der weltweit sterbenden Jugendlichen bis 15 Jahre - fünf Szenarien 2015 – 2030 (Roser 2019)
Abbildung 8: Die Welt für 100 Menschen in den letzten zwei Jahrhunderten, Fortschritte der Lebensbedingungen (Roser 2020)
Abbildung 9: Gapminder-Tool zur Visualisierung der Entwicklung von Einkommen und Lebenserwartung für Länder und Weltregionen im Zeitraum 1800 - 2021 (Gapminder 2022a)
Abbildung 10: Entwicklungspfade von Einkommen und Lebenserwartung ausgewählter Länder, Phasen 1 + 2, 1800 – 1860, 1861 - 1928 (Gapminder 2022a)
Abbildung 11: Entwicklungspfade von Einkommen und Lebenserwartung ausgewählter Länder, Phasen 3 + 4, 1929 – 1945, 1946 - 1973 (Gapminder 2022a)
Abbildung 12: Entwicklungspfade von Einkommen und Lebenserwartung ausgewählter Länder, Phasen 5 + 6, 1974 – 1990, 1991 - 2021 (Gapminder 2022a)
Abbildung 13: Entwicklungspfade von Einkommen und Lebenserwartung für Schweden (gelb), Nigeria (blau) und Thailand (rot), 1800 – 2021 (Gapminder 2022a)
Abbildung 14: Entwicklungspfade der Alphabetisierungsrate für die Türkei (gelb) und Mexiko (grün), 15-jährige und älter, 1975/80 – 2011 (Gapminder 2022d)
Abbildung 15: Globale Alphabetisierungsrate, 15-jährige und älter nach Geschlecht, 1976 – 2019 (Statista 2021a)
Abbildung 16: Entwicklungspfade des Anteils der Internetnutzer für die Türkei (gelb) und Mexiko (grün), 1990 – 2020 (Gapminder 2022f)
Abbildung 17: Anteil der Internetnutzer global und nach Marktreife, 2005 – 2021 (Statista 2022a)
Abbildung 18: Historische globale CO2-Emissionen fossilen und industriellen Ursprungs, 1750 – 2020 (Statista 2022b)
Abbildung 19: Globaler Primärenergieverbrauch nach Energieträgern, 2019 – 2020 (Statista 2022c)
Abbildung 20: Entwicklungspfade der CO2-Emissionen für UK und China, 1800 – 2018 (Gapminder 2022g)
Abbildung 21: Entwicklungspfade der CO2-Konsums pro Person für UK und China, 1990 – 2017 (Gapminder 2022h)
Abbildung 22: Human Development Index (HDI) Werte nach Ländergruppen, 1990 - 2017 (UNDP HDR, 2019)
Abbildung 23: Human Development Index (HDI) nach Geschlechtern, gender gap und Gender Development Index (GDI) für verschiedene Ländergruppen (UNDP HDR, 2019)
Abbildung 24: Median des Gender Wage Gap für Vollzeit-Angestellte in OECD-Ländern, 2020 oder letztverfügbar (OECD 2022)
Abbildung 25: Verbleibender Gender Pay Gap in den Ländern der EU-27 sowie Island, Norwegen und der Schweiz, 2018 (eurostat 2021)
Abbildung 26: Anzahl bewaffneter Konflikte nach Regionen, 1946-2020 (UCDP 2022)
Abbildung 27: Anzahl von Kriegstoten nach Regionen, 1989-2020 (UCDP 2022)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Politische, kulturelle und demographische Daten für Schweden, Thailand, Nigeria; Wikipedia (2022) , Roser et al. (2013a)
1 Abstract
In dieser Hausarbeit werden historische Verläufe, aktuelle Zustände und künftige Trends demographischer sowie gesundheits-, einkommens- und bildungsbezogener Parameter analysiert, die zum Verständnis der weltweiten Lebensbedingungen der Menschen beitragen. Dies soll helfen, deren globale Situation realistisch einzuschätzen und falschen Wahrnehmungen durch eigene Datenauswertungen zu begegnen.
Im Kontext zeitgemäßer Informationsethik werden zentrale Herausforderungen und demokratische Gestaltungsmöglichkeiten verdeutlicht, um die Zukunft mit marktwirtschaftlichem, zivilgesellschaftlichem und reflektiertem Engagement zu gestalten. Dabei hilft es insbesondere, sich bewusst zu machen, welch substanzieller Fortschritt historisch bereits erfolgt ist. Das Verständnis bisheriger Errungenschaften verdeutlicht Ziele, Rahmen, Hemmnisse und Wege künftiger Weiterentwicklungen.
Diese Analyse nutzt zuvorderst Datenbestände und Visualisierungen zweier Plattformen, die durch internationale Organisationen wie den Vereinten Nationen (UN), der Europäischen Union (EU) und anderen validiert und bereitgestellt werden. Diese Plattformen sind zum einen ”Our World in Data”, betrieben von Max Roser an der Universität Oxford, und zum anderen ”Gapminder”, entwickelt vom 2017 verstorbenen Hans Rosling und betrieben von der Gapminder-Stiftung. Darüber hinaus werden weitere fundierte Informationsquellen wie Eurostat, OECD und Statista genutzt.
Aktuelle Krisen wie die Covid-19-Pandemie und der Ukraine-Krieg stellen die simple Extrapolation bisheriger Entwicklungen in Frage. Umso wichtiger erscheint, notwendige Entscheidungen und künftige Weichenstellungen auf der Basis valider und konsistenter Daten zu treffen.
2 Fragestellungen
2.1 Wachstum der Weltbevölkerung und demographischer Wandel
Zum Wachstum der Weltbevölkerung stellen Roser et al.1 umfassende Informationen bereit, die auf Daten der Vereinten Nationen2 und anderer internationaler Organisationen beruhen, wie dem schwedischen Datenportal Gapminder3 sowie der niederländischen Datenbank HYDE4. Diese Daten betreffen sowohl historische als auch künftige Entwicklungen mit strukturierten Darstellungen zu deren Ursachen sowie regionalen und länderspezifischen Verteilungen.
Über den historischen Zeitraum von 12.000 Jahren zeigt die Entwicklung der Weltbevölkerung eine über viele tausend Jahre geringe, jedoch in den letzten 300 Jahren dramatische exponentielle Steigerung von 600 Mio. Menschen im Jahr 1700 auf 7,7 Mrd. in 2019, siehe Abbildung 1.
Jedoch hat sich die Dynamik des Anstiegs über die Zeit deutlich verändert, siehe Abbildung 2. Betrug die mittlere jährliche Steigerung der Weltbevölkerung bis zum Jahr 1700 noch lediglich 0,04%, so stieg sie bis 1900 moderat auf 0,55%, beschleunigte sich dann stark bis 1968 auf einen Peak von 2,1%, um bis 2019 wieder deutlich auf 1,08% abzusinken.
Für das Jahr 2100 prognostizieren die UN ein Abflachen des Wachstums der Weltbevölkerung auf unter 0,03% pro Jahr. Insgesamt werden dann voraussichtlich ca. 10,9 Mrd. Menschen auf der Erde leben.5
Roser et al. [1] erklären diese starke Änderung der Wachstumsrate als Indikator eines fundamentalen demographischen Wandels in fünf Stufen. Grundsätzlich wird die Bevölkerungsdynamik durch die Differenz der jährlichen Geburts- und Sterberaten bestimmt, die von Kinder- & Säuglingssterblichkeit und der mittleren Lebenserwartung abhängen. Diese Parameter und die resultierende Gesamtpopulation sowie die Form der Bevölkerungspyramide entwickeln sich in den fünf Stufen wie in Abbildung 3 dargestellt. Historisch endet Stufe 1 etwa um 1700, Stufe 5 beginnt voraussichtlich gegen 2100.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Größe der Weltbevölkerung über die letzten 12.000 Jahre (Roser et al. 2013a)[1]
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Abbildung 2: Weltbevölkerung und ihre jährliche Steigerung von 1700 – 2100 (Roser et al. 2013a)[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Die fünf Stufen des demographischen Wandels (Roser et al. 2013a)[1]
Diesen langfristigen Entwicklungen liegen als Ursachen zugrunde,
– dass nachhaltige medizinische und wirtschaftliche Verbesserungen in Ländern aller Entwicklungsstufen zu niedrigeren Sterbe- und Geburtenraten führen,
– dass die Angleichung auf nur noch zwei Kinder, die eine Frau im Mittel in ihrem Leben gebiert, in allen Regionen, Kulturen und unter allen Religionen erfolgt,
– dass die Anzahl Frauen im gebärfähigen Alter zwar noch zunimmt, sich jedoch gegen Ende dieses Jahrhunderts nivelliert,
– dass sich die mittlere Lebenserwartung weltweit auf über 80 Jahre erhöht,
– so dass schließlich die absoluten Anzahlen an Geburten / Todesfällen pro Jahr mit ca. 125 / 122 Millionen konvergieren.6
Daher wird das derzeitige rasche Bevölkerungswachstum aller Voraussicht nach ein noch in diesem Jahrhundert vorübergehendes Phänomen sein.
Die Bevölkerungszahl auf der Erde stabilisiert sich nach neuesten UN-Projektionen7 zum Ende dieses Jahrhunderts in den Szenarien »low/medium/high« zwischen 9,4 ÷ 12,7 Mrd. Menschen (Medium 10,9 Mrd.). Der erwartete Wert liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% innerhalb dieser recht großen Prognosebandbreite. Jedoch hängt diese Langzeitvorhersage im Detail von vielen mit Unsicherheiten behafteten Einflussgrößen ab. Obwohl die UN bei Bevölkerungsprognosen laut Roser8 eine gute Erfolgsbilanz haben, konnten sie im Jahr 2019 naturgemäß weder die Corona-Pandemie noch den Krieg in der Ukraine voraussehen, zwei Ereignisse, die in den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in den nächsten Jahren tiefe Spuren hinterlassen werden. Andererseits haben weder die Grippe-Epidemie 1918-20 noch die zwei Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts die grundlegenden demographischen Trends nennenswert beeinflusst.
Allerdings gibt die weitere Bevölkerungszunahme um ca. 42% (Spanne 22% ÷ 66%) von 2019 bis zum Jahr 2100 durchaus Grund zur Besorgnis. Dies zum einen wegen der damit steigenden Ressourcenbedarfe an Nahrung, Wasser, Unterkünften, Transport und Energie mit deren zwangsläufig verbundenen Umwelteffekten, insbesondere durch ihre klimaschädlichen Emissionen. Sie müssen von allen ab heute lebenden Menschen zusätzlich reduziert werden, um die absolut begrenzten Emissionen von Treibhausgasen gemäß des Pariser Klimaabkommens von 2015 zu erreichen.
Zum anderen wirft aber auch die regionale Verteilung des Bevölkerungszuwachses Probleme auf, siehe Abbildung 4. Afrika ist bisher die wirtschaftlich am wenigsten entwickelte Region der Erde mit einem globalen Bevölkerungsanteil von 17,2%. Seine Bevölkerung wird von 2020-2100 auf 4,28 Mrd. Menschen ansteigen (+219%) und einen globalen Anteil von 39,4%. Es wird bedeutende Anstrengungen der höher entwickelten Länder erfordern, die steigende quantitative Bedeutung dieses Kontinents mit einem entsprechenden Mehr an wirtschaftlicher Entwicklung für alle Bewohner Afrikas zu unterstützen. Ansonsten sind gewaltsame Verteilungskonflikte, tiefe soziale Verwerfungen und breite Migrationsströme insbesondere nach Europa vorhersehbar, das bis 2100 ca. 16% seiner heutigen Einwohnerzahl verliert und mit einem Bevölkerungsanteil von nur noch 5,8% deutlich an quantitativer Bedeutung einbüßt.
Da in Asien und Südamerika die demographische Transformation bis Ende dieses Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen ist, werden deren Bevölkerungszahlen und globalen Anteile nach Zuwächsen bis Mitte dieses Jahrhunderts bis zu dessen Ende wieder annähernd auf die heutigen Werte zurückgehen. Asien wird voraussichtlich auf noch längere Sicht die bisherige Rolle als bevölkerungsstärkste Region der Erde an Afrika verlieren.
Bis zum Jahr 2100 wird für Nordamerika ein starker Bevölkerungszuwachs (+25%) prognostiziert, sichtbar im Wesentlichen in den USA, die weitere Zuwanderung aus südlichen Ländern dieser Region aufnehmen.
Auch Ozeanien wird eine erhebliche Bevölkerungszunahme um 75% verzeichnen, hauptsächlich aufgrund von Zuwanderung. Die absoluten Zahlen bleiben aber gering.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Entwicklung der Weltbevölkerung nach Regionen, 1950-2100 (Roser et al. 2013a)[1]
2.2 Anteil der Kinder an der Weltbevölkerung
Die Anzahl der auf der Welt lebenden Jugendlichen9 unter 15 Jahren wird von heute bis zum Ende des Jahrhunderts mit ca. 2 Mrd. weitgehend konstant bleiben.10 Diese im ersten Moment überraschende Feststellung erklärt sich wie folgt.
Da auf der Welt derzeit und nach UN-Voraussagen bis zum Jahr 2100 im Mittel ca. 135,3 Mio. Menschen pro Jahr geboren werden11 und ca. 6,3 Mio. unter 15 Jahren pro Jahr sterben,12 beträgt die Gesamtzahl in dieser Altersgruppe 129 Mio. x 15 Jahrgänge, also durchgehend knapp 2 Mrd. Jugendliche, wie in Abbildung 5 dargestellt.13
Die projizierte Gesamtzunahme der Weltbevölkerung bis zum Ende dieses Jahrhunderts ist damit das Resultat der erheblichen Zunahme an Menschen mittleren (25-64 Jahre, +35%) und insbesondere hohen Alters (65+ Jahre, +238%).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Entwicklung der Weltbevölkerung nach Altersgruppen, 1950-2100 (Ritchie/Roser 2019)[13]
2.3 Entwicklung von Lebenserwartung und Kindersterblichkeit
Die mittlere Lebenserwartung ist nach UN-Daten von 1950-2020 weltweit im Durchschnitt beider Geschlechter von 47 auf 72,3 Jahre angestiegen.14
Wie Roser et al.15 in Abbildung 6 für die historischen Zeitpunkte 1800, 1950 und 2015 zeigen, betraf diese Entwicklung alle Länder dieser Erde. Während der globale Mittelwert in 1800 einheitlich bei 29 Jahren lag, hat er sich bis 1950 deutlich auf 46 Jahre erhöht (+59%) und dabei regional stark differenziert mit negativen Abweichungen in Afrika und dem südlichen Asien. Bis 2015 trat eine weitere deutliche Erhöhung der mittleren Lebenserwartung auf 71 Jahre ein (+54%), an der alle Länder signifikant partizipierten. In den reichsten Ländern liegt sie mittlerweile bei über 80 Jahren, in Australien, Italien, Spanien und der Schweiz sogar bei über 83 Jahren, jedoch in den ärmsten Ländern des südlichen Afrikas nur zwischen 50 und 60 Jahren. Die wesentlichen Ursachen dafür sind die nach wie vor großen Unterschiede in der Ernährung, Hygiene (Mangel an sauberem Wasser) und Gesundheitsversorgung in diesen Ländern.
Wie Roser et al.16 an anderer Stelle ausführen, ist die deutliche Reduzierung der Sterblichkeit von Jugendlichen bis zum 15. Lebensjahr einer der wichtigsten Gründe für die Erhöhung der mittleren Lebenserwartung. Im 19. Jahrhundert starben ein Viertel aller Säuglinge im ersten Lebensjahr und die Hälfte der Jugendlichen vor dem Ende der Pubertät. Durch höheren Wohlstand und Schulbildung, Verbesserungen der Hygiene, der medizinischen Versorgung und der Einführung von Impfungen konnte die globale Jugendsterblichkeit von ca. 43% im Jahr 1800 auf 22,5% in 1950 und weiter auf 4,5% in 2015 verringert werden. Davon haben alle Länder weltweit signifikant profitiert.
Jedoch sterben trotz aller Fortschritte in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara durchschnittlich noch immer knapp 10% aller Kinder bis zum Alter von fünf Jahren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Entwicklung der weltweiten Lebenserwartung, 1800 – 1950 – 2015 (Roser et al. 2013c)[15]
Die UN haben in 2015 ihre „17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung“ (Sustainable Development Goals, SDG) für das Jahr 2030 formuliert.17 Im Kontext von Ziel 3, der »Gewährleistung eines gesunden Lebens und Förderung des Wohlbefindens für alle Menschen jeden Alters«, wurde eine konkrete Zielsetzung zur Senkung der Kindersterblichkeit formuliert. Das Ziel SDG 3.2 fordert das »Ende aller vermeidbaren Todesfälle von Neugeborenen und Kindern unter 5 Jahren« und wurde dahingehend weiter spezifiziert, die Rate der Kindersterblichkeit in allen Ländern bis zum Jahr 2030 auf unter 2,5% und die der Säuglingssterblichkeit auf unter 1,2% abzusenken. Dieses Ziel ist äußerst ambitioniert, denn die Kindersterblichkeit lag 2019 global bei 3,8%. In den hochentwickelten Ländern wie USA und in Europa, die heute deutlich unter der Rate von 2,5% liegen, nahm eine vergleichbare Absenkung mehrere Jahrzehnte in Anspruch.[12] Darüber hinaus hat die COVID-19-Pandemie Fortschritte aufgrund von Unterbrechungen wesentlicher Gesundheitsdienste gestoppt oder rückgängig gemacht.18
Zu den Ausführungen in Kap. 2.2 gibt es folgenden Anknüpfungspunkt. Sollte die Jugendsterblichkeit auf dem Wert von 2015 bei 4,5% stagnieren, werden von 2015 ÷ 2030 ca. 100 Mio. Jugendliche sterben (16 Jahre x 6,3 Mio.). Wird das UN-Ziel SDG 3.2 hingegen erfüllt, sollte ihre Zahl bis 2030 auf 2,66 Mio. jährlich sinken. Die Gesamtzahl 2015 ÷ 2030 vermindert sich dann bei unterstellt linearer Abnahme auf ca. 72 Mio. Sterbefälle (- 28%)19, siehe die Szenarien bei Roser20, Abbildung 7.
In der UN-Projektion ist also die pessimistische Erwartung inkludiert, dass das UN-Ziel 3.2 nur teilweise erreicht wird, mit weiterhin ca. 4,4 Mio. jugendlicher Sterbefälle pro Jahr.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Zahl der weltweit sterbenden Jugendlichen bis 15 Jahre - fünf Szenarien 2015 – 2030 (Roser 2019)[20]
2.4 Kennzahlen zur historischen Entwicklung globaler Lebensbedingungen
Roser definiert sechs Kennzahlen zur Beschreibung der historischen Entwicklung der globalen Lebensbedingungen vom Jahr 1800 bis 2020.21 Sein Motiv ist insbesondere, falschen Annahmen und Wahrnehmungen über einige der wichtigsten Weltprobleme datenbasiert entgegenzutreten. Wichtige Merkmale dieser Kennzahlen werden zunächst kurz beschrieben.
(1) Armut
„Extreme Armut“ betrifft nach UN-Definition Menschen mit Prokopf-Einkommen von unter 1,90 INT$ pro Tag.22 Ihr Anteil an der Weltbevölkerung ist von fast 100% in 1820 stetig auf 9% in 2018 gefallen. Wenn die Grenze der „Armut“ aus Sicht der reicheren Länder realistischer mit 30 INT$ pro Tag und Person gezogen wird, gelten noch immer 85% aller Menschen als arm. Dies mindert jedoch tendenziell die Brisanz, die Lebenswirklichkeit der Ärmsten der Armen wahrzunehmen.
Die fortschreitende Senkung des Armenanteils zeigt sich im Übrigen unabhängig von der spezifischen Festlegung der Armutsgrenzen.23 Wie Rosling erklärt, sind die Ursachen dafür enorme Fortschritte bei Wirtschaftswachstum und steigende Produktivität, die die über siebenfache Zunahme der Weltbevölkerung in den letzten 200 Jahren deutlich überkompensiert haben.24
Bei Gapminder erläutert Rosling auch den wichtigen Aspekt der Einkommensverteilung innerhalb einer Gesellschaft. Obwohl die Einkommensunterschiede zwischen dem minimalen und maximalen Einkommen meist sehr hoch sind, liegen die allermeisten Einkommen in der Regel breitverteilt zwischen den Extremen, »es gibt keine Lücke!«.25 Der Aufstieg in den mittleren Einkommensregionen ist möglich und findet offensichtlich in der Praxis aller Länder statt.
(2) Gesundheit
Der Zugang zu verbesserter Hygiene, grundlegenden Gesundheitsleistungen, Medikamenten wie Antibiotika und Impfungen ermöglichte die Umwälzung der globalen demographischen Entwicklung.
[...]
1 Vgl. Roser et al. (2013a), URL.
2 Vgl. UN DESA – WPP (2019a), URL.
3 Vgl. Gapminder v6 (2019), URL.
4 Vgl. HYDE 3.2 (2016), URL.
5 Vgl. UN DESA (2021), S.22-28, URL.
6 Vgl. UN DESA (2021), URL, S. 36-48.
7 Vgl. UN DESA (2021), URL, S. 13-56.
8 Vgl. Roser (2014), Update 2019, URL.
9 Begriffe für Menschen unter 15 Jahren: „Säuglinge“ < 1, „Kinder“ < 5, „Jugendliche“ < 15 Jahre.
10 Rosling (2018), S. 99-116.
11 Vgl. UN DESA (2021), URL, S. 43-48; Geburten 2020-2050-2100: 140-140-132 Mio./a, Ø135,3 Mio./a.
12 Vgl. Roser et al. (2013b), updated 2019, URL.
13 Vgl. Ritchie/Roser (2019), URL.
14 Vgl. UN DESA – WPP (2019b), URL; Excel-File MORT/7-1: Life expectancy at birth (both sexes combined) by region, subregion and country, 1950-2100 (years).
15 Vgl. Roser et al. (2013c), URL.
16 Vgl. Roser et al. (2013b), URL.
17 Vgl. UN SDG 2030 Agenda (2015), URL.
18 Vgl. UN SDG Target 3.2 (2015), URL.
19 Bei linearer Abnahme 2015-2030: 16 Jahre x [2,66 + (6,3 - 2,66) / 2] Mio. = 71,68 Mio.
20 Vgl. Roser (2019), URL.
21 Vgl. Roser (2020), URL.
22 Der ”International Dollar” entspricht dem kaufkraft- und inflationsangepassten Gegenwert von 1 US$ in 2011; berücksichtigt auch nicht-monetäre Subsistenzeinkommen bei eigener Nahrungsproduktion.
23 Vgl. Roser (2017), URL.
24 Rosling (2018), S. 31-62.
25 Gapminder (2022a), URL.