Textuelle Realisierung des aristotelischen Ethoskonzepts. Bewerbungsrede zum Parteivorsitz der Christlich Demokratischen Union von Armin Laschet am 16.01.2021


Hausarbeit, 2021

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Hintergründe
2.1 Ethos
2.2 Topik
2.3 Affekte
2.4 Stilistik

3. Kontextualisierung und Problematisierung
3.1 Background der Rede
3.1.1 Lage der Pandemie
3.1.2 Situation der Partei
3.1.3 Rückhalt der Mitglieder
3.2 Setting der Rede
3.3 Textuelle Basisparameter der Rede
3.4 Rhetorische Kernstrategie

4. Analyse
4.1 Hervorhebung der Ungewissheit
4.2 Konstruktion des ethos
4.2.1 Topik
4.2.2 Affekte
4.2.3 Stilistik

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis
9.1 Wissenschaftliche Literatur
9.2 Internetquellen

Zur verwendeten Ausdrucksweise

In der folgenden Arbeit wird zugunsten der Lesbarkeit grundsätzlich auf das generische Maskulinum zurückgegriffen. Sämtliche anderen Geschlechteridentitäten seien hiermit ausdrücklich ebenso angesprochen, sofern dies für die jeweilige Aussage erforderlich ist.

Ich bitte um Verständnis für diese wenig elegante, aber leider aktuell sinnvollste Lösung eines leidigen Problems.

1. Einleitung

Schon Cato charakterisierte den idealen Redner als vir bonus dicendi peritus – einen Ehrenmann, der reden kann.1 Diesem Postulat kommt dabei eine doppelte Bedeutung zu: Einerseits fordert es die tatsächliche Tugendhaftigkeit des Redners als sozialethische Voraussetzung für dessen öffentliches Wirken.2 Andererseits enthält es die gänzlich praktisch ausgerichtete Handlungsempfehlung, den Anschein der Tugendhaftigkeit beim Zuhörer zu erwecken. Die fundamentale Bedeutung dieses Vorgehens bemerkte bereits Aristoteles: „Den Anständigen glauben wir nämlich eher und schneller, grundsätzlich in allem, ganz besonders aber, wo es eine Gewißheit nicht gibt, sondern Zweifel bestehen bleiben.“3 Dementsprechend verstand er den Anschein des rednerischen Charakters –ungeachtet dessen tatsächlicher Beschaffenheit – als strategisch einsetzbares Überzeugungsmittel: Das ethos. [4]

Selbiges ist der Gegenstand dieser Hausarbeit. Die Leitfrage lautet dabei wie folgt: Welche textuellen Strategien kommen bei der Realisierung des ethos zur Anwendung? Als Fallbeispiel dient dabei die Bewerbungsrede Armin Laschets zum Parteivorsitz der Christlich Demokratischen Union vom 16.01.2021. Sie erscheint thematisch besonders geeignet, da sie die Glaubwürdigkeit des Redners als zentrales Motiv behandelt: „Ich bin vielleicht nicht der Mann, der perfekten Inszenierung, aber ich bin Armin Laschet, und darauf können Sie sich verlassen.“5 Vor dem Hintergrund der Analyse soll anschließend die Hypothese evaluiert werden, ob die Empfehlungen der aristotelischen Rhetorik zum Rednerimage auch in der untersuchten zeitgenössischen Rede zur Anwendung kommen.

Hierfür werden zunächst die thematisch relevanten Aspekte der aristotelischen Rhetoriktheorie skizziert. In Anlehnung an die Textstrategieanalyse nach Luppold6 folgt anschließend eine Untersuchung des Backgrounds, Settings und textueller Basisparameter der Rede. Daraufhin werden einschlägige Textstellen analysiert und im Rahmen des finalen Fazits vor dem Hintergrund der vorausgegangenen Überlegungen reflektiert.

2. Theoretische Hintergründe

Da das System der antiken Rhetorik bis heute die Grundlage der Disziplin darstellt7, soll es auch den Ausgangspunkt dieser Arbeit bilden. Hierfür beabsichtigt das folgende Kapitel einen kompakten Abriss relevanter Theorieaspekte zu liefern und somit ein solides Fundament für das weitere Verständnis zu gewährleisten.

2.1 Ethos

Bei der Kategorisierung der Überzeugungsmittel unterschied Aristoteles grundlegend zwischen pisteis atechnoi und pisteis entechnoi. Während erstere bereits beispielsweise in Form von Zeugen oder Schriftstücken vorliegen, müssen letztere erst durch den Redner hervorgebracht werden. Dieser zweiten Kategorie – den technischen Beweisen – ordnet Aristoteles drei Arten von Überzeugungsmitteln zu: Den logos, das pathos und das ethos. Der logos bezeichnet die rationale oder pseudorationale Beweisführung mittels Argumenten, das pathos die Affekterregung beim Publikum und das ethos schließlich den vom Charakter des Redners erweckten Anschein der Glaubwürdigkeit.8 Dieser wird nach Aristoteles wiederum durch den (scheinbaren) Besitz dreierlei Eigenschaften gewonnen: Phronesis, arete und eunoia. Phronesis meint dabei den Eindruck der Sachkompetenz und der Fähigkeit, umsichtige Entscheidungen treffen zu können. Arete bezeichnet den Anschein der Integrität und der Tugendhaftigkeit. Zuletzt drückt eunoia die vom Publikum wahrgenommene gute Gesinnung des Redners aus.9,10 Eine besondere Bedeutung misst Aristoteles dem ethos im Rahmen des genos symbouleutikon bei – also der beratenden bzw. politischen Rede.11

2.2 Topik

Trotz teils divergierender Auffassungen lässt sich die topik grundsätzlich als ein System von Suchkategorien begreifen, welches der möglichst vollständigen Auffindung von geeigneten Beweismitteln dient.12 Eine solche Liste von einzelnen topoi liefert Aristoteles im ersten Buch seiner Rhetorik für jede der drei von ihm beschriebenen Redegattungen.13 Einem Teil der topik zur Behandlung des genos epideiktikon kommt dabei eine doppelte Funktion zu: Neben der Stoffauffindung im Rahmen der Vorzeigerede ist sie gleichzeitig auch gattungsunabhängig zur Inszenierung von phronesis und arete des Redners vorgesehen – also zwei der drei zuvor festgelegten Elemente des ethos.14,15

Gestalt und Funktion der topoi lassen sich anhand eines einfachen Beispiels veranschaulichen: Ein unvorsichtiger Autofahrer erfasst mit seinem Fahrzeug einen Passanten. Da es sich bei diesem zufälligerweise um einen Bankräuber auf der Flucht handelt, ermöglicht der Fahrfehler die Festnahme des Verbrechers. Ist der Fahrer im Gespräch mit der Presse nun auf seine charakterliche Außenwirkung bedacht, kann er auf einen entsprechenden topos des Aristoteles zurückgreifen: „Da [...] es zur Wesenseigenheit eines ernstzunehmenden Menschen gehört, mit Überlegung zu handeln, so muß man in der Rede auch zu zeigen versuchen, dass jemand mit Überlegung handelt. [...] Daher sind auch zufällige und bloß glückliche Ereignisse so darzustellen, als wären sie purer Absicht entsprungen [...]“16 Indem er seine Handlung also als das Ergebnis eines kühnen Kalküls statt eines gemeingefährlichen Fahrfehlers präsentiert, erweckt er bei seinen Zuhörern den Eindruck eines ernstzunehmenden Menschen.

2.3 Affekte

Zu Beginn des zweiten Buchs seiner Rhetorik entfaltet Aristoteles die von ihm entwickelte Affekttehorie.17 In diesem Abschnitt nimmt er sich unter anderem der verbliebenen, dritten Komponente des ethos an: Der eunoia.18 Dabei versteht er Wohlwollen im Sinne eines Gefallens, den ein Wohltäter einem Bedürftigen ohne Aussicht auf eigenen Vorteil oder Gegenleistung erweist.19 Als die drei Einflussfaktoren auf die Stärke der eunoia identifiziert er die Größe des Gefallens, das Ausmaß der Bedürftigkeit und die Exklusivität der Wohltat.20 Dass die Erkenntnisse im Allgemeinen praktischer Natur und im Speziellen für die rednerische Selbstdarstellung von Belang sind, macht der Verweis auf diesen Abschnitt bei der Behandlung des ethos deutlich.21

2.4 Stilistik

Neben den inhaltlichen Faktoren eröffnet sich dem Redner mit der Stilistik eine weitere Möglichkeit, auf das ethos einzuwirken. Auch hierzu spricht Aristoteles einige Empfehlungen aus. Dazu zählen einerseits die Angemessenheit – das sogenannte prepon [22] – von Ausdruck und Inhalt23 sowie von Ausdruck und Persönlichkeit24, andererseits die Eigenschaft der stilistischen Undurchschaubarkeit.25 Die Angemessenheit von Ausdruck und Inhalt meint, dass die Art des Sprechens mit dem Inhalt des Gesprochenen übereinstimmen muss: Nichtige Themen müssen schlichter formuliert werden als wichtige. Die Angemessenheit von Ausdruck und Persönlichkeit artikuliert ein Zusammenpassen von Sprechweise und Sprechendem: Ein Bauer muss einen anderen Stil aufweisen als ein Adeliger. Zuletzt bezeichnet die Undurchschaubarkeit den Verzicht auf synchronen Einsatz aller Gestaltungsmittel: Es dürfen nicht bei jedem bedeutsamen Inhalt sowohl Wortwahl und Satzbau als auch Stimme und Gestik gleichzeitig intensiviert werden, sondern stets nur einige von ihnen.26

3. Kontextualisierung und Problematisierung

Die besonderen Anforderungen der zu analysierenden Redesituation mit ihrer individuellen Charakteristik lassen sich nur aus dem Kontext heraus erschließen. Dementsprechend ist eine Untersuchung von Background, Setting und textuellen Basisparametern als obligatorisch zu betrachten. Erst dadurch werden die zuvor noch schemenhaften Umrisse der rhetorischen Kernstrategie erkenn- und somit auch analysierbar. Grundlage des Vorgehens bildet die Textstrategieanalyse nach Luppold.27

3.1 Background der Rede

Jede rhetorische Interaktion steht in enger Wechselwirkung zu vorausgegangenen, zeitgleichen oder zukünftigen Ereignissen.28 Dementsprechend soll nun eine eingehende Betrachtung des Backgrounds der zu analysierenden Rede erfolgen.

[...]


1 Vgl. Knape, Joachim: Allgemeine Rhetorik. Stuttgart 2000. S. 143.

2 Vgl. ebd. S. 143.

3 Aristoteles Rhetorik I, 2, 4.

4 Vgl. Knape, Joachim: Allgemeine Rhetorik. Stuttgart 2000. S. 42.

5 Vgl. CDU NRW: Bewerbungsrede Armin Laschet. 2021. S. 4.

6 Vgl. Luppold, Stefanie: Textrhetorik und rhetorische Textanalyse. Berlin 2015. S. 286.

7 Vgl. Udeing, Gert: Klassische Rhetorik. München 2011. S. 9.

8 Vgl. Aristoteles Rhetorik I, 2, 2 f.

9 Vgl. ebd. II, 1, 5.

10 Vgl. Knape, Joachim: Allgemeine Rhetorik. Stuttgart 2000. S. 43 f.

11 Vgl. Aristoteles Rhetorik II, 1, 3.

12 Vgl. Ueding, Gert/ Steinbrink, Bernd: Grundriß der Rhetorik. Stuttgart 2011. S. 239.

13 Vgl. Aristoteles Rhetorik I, 3, 9.

14 Vgl. ebd. II, 1, 7.

15 Vgl. ebd. I, 9, 1.

16 Ebd. I, 9, 32.

17 Vgl. ebd. II, 1, 8.

18 Vgl. ebd. II, 7, 1.

19 Vgl. ebd. II, 7, 2.

20 Vgl. ebd. II, 7, 2.

21 Vgl. ebd. II, 1, 8.

22 Vgl. Ueding, Gert / Steinbrink, Bernd: Grundriß der Rhetorik. Stuttgart 2011. S. 221.

23 Vgl. Aristoteles Rhetorik III, 7, 1.

24 Vgl. ebd. III, 7, 6.

25 Vgl. ebd. III, 7, 10.

26 Vgl. ebd. III, 7, 1 f.

27 Vgl. Luppold, Stefanie: Textrhetorik und rhetorische Textanalyse. Berlin 2015. S. 285 f.

28 Vgl. ebd. S. 286.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Textuelle Realisierung des aristotelischen Ethoskonzepts. Bewerbungsrede zum Parteivorsitz der Christlich Demokratischen Union von Armin Laschet am 16.01.2021
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Veranstaltung
Grundlagen der antiken Rhetoriktheorie
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
19
Katalognummer
V1244597
ISBN (eBook)
9783346671141
ISBN (Buch)
9783346671158
Sprache
Deutsch
Schlagworte
textuelle, realisierung, ethoskonzepts, bewerbungsrede, parteivorsitz, christlich, demokratischen, union, armin, laschet
Arbeit zitieren
Tommy Flohr (Autor:in), 2021, Textuelle Realisierung des aristotelischen Ethoskonzepts. Bewerbungsrede zum Parteivorsitz der Christlich Demokratischen Union von Armin Laschet am 16.01.2021, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1244597

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