Die Exklusivität von Ethnizität, Geschlecht und sozialer Klasse. Eine Diskussion ausgehend von Patricia Hill Collins feministischen Ansätzen


Essay, 2019

7 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Wie exklusiv wirken Ethnizität, Geschlecht und soziale Klasse?

Eine analysierende Diskussion ausgehend von Patricia Hill Collins feministischen Ansätzen

Bis heute gelten Ungleichheit und Ausgrenzung als gesellschaftlich verankerte Probleme, die unser alltägliches Leben maßgeblich begleiten und prägen. Jeder Mensch ist davon betroffen: aktiv durch persönliche Erfahrungen oder passiv durch Erzählungen, mediale Berichte oder mit Blick in die Historie. In der aktuellen amerikanischen Soziologie bilden daher „race“, „class“ und „gender“ zentrale Kriterien. In dieser Arbeit werde ich „class“ mit sozialer Klasse und „gender studies“ mit Geschlechterstudien übersetzen. Da die direkte Übersetzung von dem angelsächsischen „race“ „Rasse“ wäre und ich diesen Begriff im deutschen Sprachgebrauch mit Blick auf die nationale Vergangenheit als irreführend und unpassend betrachte, werde ich diese Komponente im Folgenden mit „Ethnie“ gleichsetzen.

Alle drei Aspekte werden von der Gesellschaft zur Ausgrenzung von Menschen instrumentalisiert. Die Segmentierung, also der Prozess eine große Einheit in mehrere Einheiten zu untergliedern und diese voneinander abzugrenzen, scheint von zentraler Bedeutung zu sein. Doch wie tief greift diese Wichtigkeit der Segmentierung? Wie exklusiv wirken Ehtnie, Geschlecht und soziale Klasse? Ich nehme an, dass diese Kriterien zwar stark exklusiv wirken können, die wahre Schwierigkeit jedoch darin liegt, wie die Gesellschaft sie ausspielt. Um diesen Diskurs näher zu untersuchen referiere ich auf den Aufsatz „Pushing the Boundaries or Business as Usual?“ aus dem Jahr 2007 von Patricia Hill Collins.

Die US-amerikanische Soziologin wurde 1948 in Philadelphia geboren und wuchs als Tochter dunkelhäutiger Eltern in einer von Rassismus geprägten Gesellschaft auf. Ihre eigenen Erfahrungen waren Grundlage zur intensiven Beschäftigung mit Themen wie Ethnie, soziale Klasse und Geschlecht im soziologisch wissenschaftlichen Kontext, (vgl. Lutz, S. 66) In ihrem Aufsatz „Pushing the Boundaries or Business as usual?“ aus dem Jahr 2007 konstatiert die einflussreiche Feministin vier grundlegende Annahmen der „logic of segrementation“ (Collins, S. 83). Im Folgenden werde ich diese nach Collins kurz erläutern und anschließend mit den Kategorien Ethnie, soziale Klasse und Geschlecht verbinden. Die erste Annahme beruht auf dem Prinzip der Hierarchie. Nach Collins hat jede Einheit einen bestimmten Platz, der mit den Plätzen der anderen Einheiten korrespondiert. Aus diesem Gefüge ergeben sich hierarchische Rangordnungen, (vgl. Collins, S. 83) Diese Hierarchie wird deutlich, wenn die Perspektive der Ethnie miteinbezogen wird. Obwohl dieses Hierarchiedenken vieler Menschen aus meiner Sicht moralisch nicht vertretbar ist, so wäre zu argumentieren, dass viele Menschen Personen, die sie einer anderen, fremden Ethnie zuordnen, gegenüber Personen, die sie der eigenen, vertrauten Ethnie zuordnen, sozial herabstufen. Je größer die Differenz zwischen der eigenen Ethnie und einer anderen Ethnie ist, sei es gemessen als Kultur, Werten und Normen oder sprachlichen Aspekten, desto weiter entfernt wird der Platz dieser Ethnie von der eigenen betrachtet. Auch unter Berücksichtigung der sozialen Klasse eines Menschen werden hierarchische Strukturen deutlich. Ein Mensch, der beispielsweise keiner Arbeit nachgeht, keine hohe Bildung genossen hat und über wenig finanzielle Mittel verfügt, wird einer sozial schwächeren Schicht zugeschrieben als jemand, der ein hohes Einkommen, eine wertvolle Immobilie und einen Akademikerabschluss nachweisen kann. Menschen werden demnach kategorisiert und bekommen von der Gesellschaft den Stempel einer höheren beziehungsweise niedrigeren sozialen Schicht aufgedrückt. Aus dem Blickwinkel der Geschlechterstudien ist die Hierarchie deutlich erkennbar: Auch wenn die Unterstützer des Feminismus gegen dietraditionellen Geschlechterrollen ankämpfen, galt die Frau dem Mann lange Zeit als unterworfen, war abhängig von seinem Einkommen und seinen Entscheidungen, durfte nur in seinem Sinne handeln und war zuständig für den Haushalt und die Kindererziehung, die gegenüber der Arbeit des Mannes als weniger wert betrachtet wurde. Auch aus dem heutigen Alltag sind diese tendenziellen Strukturen noch nicht gänzlich verschwunden: So verdienen Frauen in manchen Berufen immer noch weniger Geld als die männlichen Kollegen, die der gleichen Arbeit nachgehen. Noch immer wird jungen Mädchen, wenn auch nur unbewusst, vermittelt, sie müssten später einen Mann finden, der für sie sorgt. Der Hierarchieaspekt der Segmentierung lässt sich auf allen drei Ebenen klar identifizieren.

Als zweiten Ansatz konstatiert Collins den Einfluss von sozialen Praktiken auf die von der Gesellschaft vorgenommene Kategorisierung. Basierend auf dem sozialen Milieu eines Menschen werden ihm Eigenschaften zugeschrieben, positive als auch negative, (vgl. Collins, S. 83 - 84) Die Variable der sozialen Klasse ist hierbei von zentraler Bedeutung. Diese dient bei der Kategorisierung als eine Art Schublade, in die Menschen schonungslos hineingesteckt werden. Diese Form der Induktion lässt sich außerdem gut mit der Kategorie Ethnie verknüpfen: Vorurteile sind ein bekanntes gesellschaftliches Phänomen, die besonders mit nationalen und territorialen Grenzen operieren. Auch auf dieser Ebene geschieht Kategorisierung und das Zuschreiben spezifischer Eigenschaften aufgrund der Angehörigkeit einer bestimmten Gruppe.

Um dieses Argument zu untermauern wären das Bild vom Deutschen als Geizhals und Pünktlichkeitsfanatiker, das Bild vom Amerikaner, der sich nur von Pizza und Burger ernährt, oder das Bild vom Polen, der überall klaut, noch vergleichsweise harmlose Vorurteile und Verallgemeinerungen. Das grundsätzliche Problem dieses Generalisierens ist der Verlust von Individualität und Offenheit gegenüber Menschen im Allgemeinen. Auch in der Gender-Debatte in Kombination mit Geschlechterrollen spielt die Thematik der schichtbezogenen Assoziationen eine wichtige Rolle. So werden der Frau beispielsweise Eigenschaften wie Verletzlichkeit und Schwäche zugeschrieben, während ein Mann über Stärke, Macht oder auch Geld definiert wird. Selbst das Geschlecht kann ein Stempel sein, den man selbst durch radikale Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes meistens nicht entfernen kann. Eine weitgreifende Benachteiligung aufgrund von Zuschreibung verschiedener Merkmale wird beispielsweise in der Verteilung von Manager-Positionen deutlich: So ist im Vorstand oft ein männlicher Kollege erwünscht, da dieser kompetenter auftreten kann, lauter spricht und im Anzug mehr Seriosität vermitteln kann als eine Frau in Bluse. Natürlich handelt es sich auch bei diesen Beispielen um schreckliche Klischees, die jedoch zur Untermauerung meiner Argumente dienen und den Blick dahingehend öffnen, wie viel Segmentierung auch heute noch in unserer Gesellschaft etabliert ist. Nichtsdestotrotz erachte ich es an dieser Stelle als sinnvoll, auch aus der Perspektive des Feminismus, nicht nur die gesellschaftlich tiefgreifende Benachteiligung der Frau zu beachten, sondern auch die umgekehrte Seite in Betracht zu ziehen. So wird Frauen neben Verletzlichkeit eben auch die Fähigkeit zu starkem Mitgefühl zugeschrieben, während der Mann dem gesellschaftlichen Druck ausgesetzt ist, seine Stärke, die ihn eben so männlich macht, zu bewahren und beispielsweise nicht in der Öffentlichkeit zu weinen. Aus meiner Perspektive heraus ist es fraglich, ob in diesem Aspekt wirklich die Frau benachteiligt ist, wenn sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen kann und dahingehend sogar noch Zuspruch erhält, oder ob es nicht eher der Mann ist, dessen Gefühle in der gesellschaftlichen Erwartung keine Relevanz zu haben scheinen. Ein weiteres Beispiel wäre das Grundschulalter, wenn die Mädchen als die klugen Kinder mit der schönen Schrift den Jungen gegenüber in Sachen Intelligenz als überlegen gelten. Benachteiligung hat viele Gesichter und sie kennt mehr als nur eine Seite.

Die dritte grundlegende Annahme erkennt Collins in der Idee, dass Menschen der gleichen zugeschriebenen sozialen Gruppe auch die selben Eigenschaften und Merkmale haben. In diesem Kontext wird auch die Exklusivität der Elite thematisiert, der die beste Bildung, der beste Beruf und die besten sozialen Milieus zugeschrieben werden, in denen sie als homogene Einheit bestehen, (vgl. Collins, S. 84) Dieser Punkt knüpft deutlich an den vorangegangen Aspekt an und erweitert den Gedanken von Kategorisierung aufgrund sozialer Merkmale insofern, dass alle Menschen, die diese soziale Merkmale aufweisen gemeinsame Eigenschaften zugeschrieben werden können.

Dies wirkt immer stark exklusiv und trägt zur Segmentierung, als Abgrenzung von anderen Gruppen, maßgeblich bei. So wird beispielsweise die eigene Ethnie dazu benutzt, um sich zu identifizieren und diese Identifikation zu nutzen, um sich deutlich von Menschen anderer Ethnien abzuheben. Mit der aufstrebenden Idee der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert wurde bewusst versucht, solche kollektiven Identitäten zu schaffen, indem man sich auf gemeinsame Werte, Traditionen und kulturelle Gegebenheiten berufen hat (vgl. Thiemeyer, S. 55 - 59) Auch den unterschiedlichen sozialen Klassen werden bestimmte Eigenschaften und Merkmale zugewiesen. Kriterien wie Arbeit, Wohlstand und Bildung sind dabei von zentraler Bedeutung. So können Menschen einer höher angesehenen sozialen Schicht ihren sozialen Status betonen, in dem sie beispielsweise ein teures Auto fahren oder auf mehrere Doktortitel hinweisen und sich von anderen gesellschaftlichen Gruppen abgrenzen. Auch die Gender-Kategorie kann hier inkludiert werden. So gibt es zum Beispiel „Mädelsabende", an denen Sekt getrunken und Chips gegessen werden, und „Männerabende" mit Fußball und Bier. Es ist ein alltägliches Beispiel, bei dem das Geschlecht von elementarer Bedeutung ist. Es erfolgt eine Abgrenzung zum anderen Geschlecht und betont außerdem die Idee, dass Menschen eines Geschlechtes gemeinsame Merkmale teilen, die das andere Geschlecht eventuell nicht hat.

Abschließend betont Collins die Bedeutung dieser Abgrenzung. Um die eigene Gruppe zu stärken und verschiedene Ressourcen innerhalb ihrer Mauern zu verteilen, ist es notwendig zu wissen, wer dieser Gruppe zugehörig ist und wer nicht, (vgl. Collins, S. 84) Dieser Ansatz ist besonders wichtig für das Kriterium der Ethnie in Verbindung mit der Idee der Nationalstaaten und territorialen Grenzen. So ist es beispielsweise für den Wohlfahrtsstaat als große soziale Einheit wichtig zu wissen, wer privilegiert ist, Unterstützung zu unterhalten, und wer nicht dazu gehört. Auch für soziale Klassen ist diese strikte Differenzierung von zentraler Bedeutung, wenn beispielsweise Stipendien oder Studienkredite für angehende Studenten verliehen werden, deren Eltern keinen akademischen Abschluss besitzen und über ein unterdurchschnittliches Einkommen verfügen. Auch unter Betrachtung von Geschlechtern wird diese Abgrenzung deutlich. Wenn beispielsweise Arbeitsstellen auf die Besetzung eines bestimmten Geschlechtes abzielen, wie beispielsweise die Chefetage mit dem Wunsch nach einem männlichen Kollegen und die Reinigungsfirma mit dem Wunsch nach einer weiblichen Reinigungskraft. Während im deutschen Grundgesetz verankert ist, dass niemand aufgrund „seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse (...)" (GG, Art. 3, Abs. 3) benachteiligt werden darf und außerdem eine grundsätzliche Gleichheit von Mann und Frau garantiert ist (vgl. GG, Art. 3, Abs. 2), sind solche Klauseln nicht weitweilt Normalität und finden sich außerdem nicht zwanghaft in der alltäglichen Realität einer Gesellschaft wieder.

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Details

Titel
Die Exklusivität von Ethnizität, Geschlecht und sozialer Klasse. Eine Diskussion ausgehend von Patricia Hill Collins feministischen Ansätzen
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
7
Katalognummer
V1245818
Sprache
Deutsch
Schlagworte
exklusivität, ethnizität, geschlecht, klasse, eine, diskussion, patricia, hill, collins, ansätzen
Arbeit zitieren
Lara Peters (Autor:in), 2019, Die Exklusivität von Ethnizität, Geschlecht und sozialer Klasse. Eine Diskussion ausgehend von Patricia Hill Collins feministischen Ansätzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1245818

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