Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bisherige Forschung zu Fake News
2.1. Der Begriff „Fake News“
2.2. Fake News und die Krise der etablierten Medien
2.3. Verbreitung von Fake News
2.3.1. Die Rolle des Rechten Milieus bei der Verbreitung von Fake News
2.4. Wirkung von Fake News
2.5. Wer erkennt eigentlich Fake News? - Bisherige Forschung, Forschungsfrage und Hypothesen
2.6. Politische Orientierung: Das Links- Rechts- Schema
3. Methode
4. Ergebnisse
4.1. Abhangige Variable: Fake News erkennen
4.2. Hypothese 1: Zusammenhang mit der Einstellung gegenuber Medien
4.3. Hypothese 2: Zusammenhang mit Alter und Geschlecht
4.4. Hypothese 3: Zusammenhang mit dem Bildungsabschluss
4.5. Zusammenhang mit dem Einkommen
4.6. Zusammenhang mit Social Media und Online-Nachrichtennutzung
4.7. Zusammenhang mit der politischen Orientierung
4.8. Zusammenhang mit der politischen Meinungskonformitat der Nachricht
4.9. Zusammenhang mit der Self-Efficacy
5. Schlussbetrachtung
6. Diskussion
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anhang: Fragebogen
Abstract
Fake News bzw. Desinformationen sind spatestens seit dem US-Wahlkampf 2016 medial present und den Burgern ein Begriff. Auch in Deutschland werden Fake News verbreitet und rezipiert. In der vorliegenden Forschungsarbeit wird zunachst ein Uberblick uber bis- herige Forschung zum Thema Fake News gegeben und deren Definition, Verbreitung, poli- tische Hintergrunde und Wirkung dargestellt. Mittels einer quantitativen experimentellen Befragung wird anschlieBend untersucht, wer Fake News erkennt und in welchem Zusam- menhang dies mit bestimmten Merkmalen steht. Die Ergebnisse zeigen auf, dass sich Zu- sammenhange zwischen dem Erkennen von Fake News und dem Geschlecht, dem Einkom- men, einer mit der politischen Orientierung meinungskonformen Darstellung der Nachricht und der internen Self-Efficacy der Probanden finden lassen. Nicht belegt werden konnen Zusammenhange mit dem Alter, der Einstellung gegenuber etablierten Medien, der Bil- dung, der politischen Orientierung an sich, der externen Self-Efficacy und der Mediennut- zung zu Informationszwecken der Probanden.
Fake news or disinformation has been present in the media since the US elections from 2016, and the citizens are aware of it. In Germany, fake news is also distributed and received. The following study first gives an overview of previous research on fake news and its definition, distribution, political background and impact. By a quantitative experimental survey, it is examined who recognizes fake news and how this relates to certain characteristics. The results show that connections can be found between the recognition of fake news and gender, income, a news representation in line with the political orientation, and the internal self-efficacy of the subjects. At the same time, it is not possible to confirm connections with age, attitudes toward established media, education, political orientation itself, external self-efficacy and media use for information purposes.
1. Einleitung
Desinformationen, bzw. Fake News, sind seit einigen Jahren Thema in den Medien. Beson- ders wahrend des US-Wahlkampfes 2016 traten sie gehauft in der Berichterstattung auf, fal- sche Nachrichten wurden im Vergleich zu wahren Nachrichten auf Twitter sogar doppelt so haufig geteilt (Vosoughi, Roy & Aral, 2018). Die meisten Falschnachrichten in den USA verfolgten damals eine bestimmte politische Richtung: Meist wurde Hillary Clinton Negatives unterstellt („Wikileaks bestatigt: Hillary hat Waffen an den IS verkauft“, Hamann, 2016), Donald Trump dagegen wurde haufig in einen positiven Kontext gesetzt („Papst schockt die Welt, befurwortet Prasidentschaft von Trump, Pressemitteilung folgt“, ebd.).
Auch in Deutschland wird seither intensiv uber Fake News diskutiert. Laut einer Umfrage (b4p trends, 2018) kennen 95 Prozent der Deutschen den Begriff „Fake News“, uber 50 Pro- zent sind mit eben diesen schon selbst in Beruhrung gekommen. Und ein GroBteil der Be- fragten halt Fake News fur eine Gefahr fur die Demokratie (ebd.). So kommt es beispiels- weise dazu, dass bekannten Politikern Statements zugeschrieben werden, die diese nie geta- tigt haben und die ihre Person diskreditieren. Ein bekannter Fall hierzu ist die Falschnach- richt um Renate Kunast (Bundnis 90/die Grunen), die angeblich uber einen Mehrfachmorder ausgesagt haben soll: „Der traumatisierte junge Fluchtling hat zwar getotet, man muss ihm aber trotzdem helfen“ (Der Tagesspiegel, 2017). Diese vermeintliche AuBerung schlug weite Wellen der Emporung in den Medien, konnte aber schnell korrigiert werden.
Doch wie kann man falsche Nachrichten als solche erkennen? Dafur braucht es gute Recherche, einen umfassenden Nachrichtenuberblick und eine objektive Betrachtung. Das Problem: Jeder Mensch bringt individuelle politische und soziale Einstellungen mit, einen beson- deren Hintergrund, eigene Erfahrungen und eine bestimmte Herangehensweise an die Infor- mationssuche. Diese Faktoren und weitere konnen einen Einfluss darauf haben, ob ein Mensch Fake News erkennen kann. Die vorliegende Forschungsarbeit soll untersuchen, wel- che Zusammenhange es mit dem Erkennen von Fake News gibt. Das fuhrt zu der Frage:
Wer erkennt eigentlich Fake News? Welche (Personen)Merkmale hangen mit dem Erkennen von Fake News zusammen?
2. Bisherige Forschung zu Fake News
2.1. Der Begriff „Fake News“
Unter dem Begriff „Fake News“ konnen unterschiedliche Arten von falschen Informationen verstanden werden. Gerade in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten hat sich der Begriff stark gewandelt.
Lange wurden unter dem Begriff „Fake News“ (ubersetzt: falsche Nachrichten) hauptsach- lich „Zeitungsenten“ verstanden, die irrtumlich falsch oder aber auch absichtlich falsch ver- offentlicht wurden (Deutscher Bundestag, 2017). Seit 2017 befindet sich das Wort auch im Duden und wird hier als „in den Medien und im Internet, besonders in den Social Media, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldung“ (b4p trends, 2018) erlautert. In der Wis- senschaft finden sich viele verschiedene Definitionsansatze zu Fake News, da der Begriff oft unterschiedlich interpretiert wird. Wardle (2017) unterteilt daher das Spektrum der Fake News in verschiedene Typen von „Desinformationen“ und „Missinformationen“. Unter Des- informationen versteht sie bewusst falsche Nachrichten mit dem Ziel zu tauschen, unter Mis- sinformationen hingegen versehentlich falsche Nachrichten. Unter diesen beiden grundle- genden Unterscheidungen finden sich folgende sieben Subtypen von Fake News:
1. False Connection: Uberschrift und/oder Bilder passen nicht zum Inhalt der Nachricht selbst.
2. False Context: Informationen werden in einem falschen Kontext prasentiert, und veran- dern somit die Auslegung der Nachricht.
3. Manipulated Content: Nachrichten und Bildmaterial werden absichtlich manipuliert, um den Leser zu tauschen.
4. Satire/ Parody: Eine erfundene Nachricht, die verspotten soll, nicht aber ernsthaft tau- schen. Diese ist in der Regel als Satire gekennzeichnet.
5. Misleading Content: Irrefuhrender Gebrauch von Informationen, um Personen oder In- halte auf eine bestimmte Art und Weise darzustellen.
6.Imposter Content: Original-Quellen werden imitiert.
7. Fabricated Content: Frei erfundene Nachrichten mit der Absicht zu tauschen und zu be- einflussen (Wardle, 2017).
Zimmermann & Kohring (2018) beschreiben ebenfalls, dass Fake News ein in der Forschung und im alltaglichen Gebrauch umstrittener Begriff ist. Bis vor ein paar Jahren noch wurde darunter politische Nachrichtensatire mit kritisch-aufklarerischer Funktion verstanden. Doch seit dem US-Wahlkampf 2016 hat der Begriff eine andere Bedeutung, steht fur manipulative Falschmeldungen. Zimmermann & Kohring stellen in ihrem Paper dar, worin sich die Defi- nitionen von Fake News unterscheiden, welche notwendigen und hinreichenden Bedingungen in der Forschung fur den Begriff festgelegt werden. Hinreichende Bedingungen sind zum Beispiel oft eine Online-Veroffentlichung, eine tauschend echte Aufmachung, frei er- fundene Fakten, manipulativ in einen anderen Bedeutungskontext gesetzte Fakten oder eine Tauschungsabsicht. Dabei sind besonders zwei Attribute immer Teil der notwendigen Bedingungen zur Identifikation als Fake News: Zum einen die Formatierung als „echte“ Nach- richt und zum anderen die Intention zu tauschen. Damit kommen Zimmermann & Kohring (2018) zu einer eigenen Definition von Fake News: „aktuelle Desinformation als Kommu- nikation wissentlich und empirisch falscher Informationen zu neuen und relevanten Sach- verhalten mit dem Anspruch auf Wahrheit“ (ebd., S.526). Sie beschreiben auBerdem, dass Falschnachrichten zwar am haufigsten online und auf Social Media verbreitet wurden, dies aber keine notwendige Bedingung fur eine Fake News sei. Der (Bedeutungs-)Inhalt sei im- mer empirisch falsch.
Osatuyi & Hughes (2018, S.6f) untersuchen in einer Inhaltsanalyse online in den USA be- kannte Fake News Plattformen und stellen sie in den direkten Vergleich mit etablierten Nachrichten Websites. Dabei stellen sie einige Eigenschaften von Fake News Websites fest: Diese berichten in geringerem MaBe ausgewogen und insgesamt in einem negativeren Ton als etablierte Nachrichtenmedien. Es werden weniger verschiedene Quellen verwendet, und kaum unterschiedliche Blickwinkel dargestellt. AuBerdem werden weniger Fakten, dafur aber mehr subjektive, meinungsbasierte Nachrichten prasentiert. Daher sind die Nachrichten leichter verstandlich und es benotigt weniger Zeit, diese zu lesen.
Wardle (2017) beschaftigt sich zusatzlich mit dem Ursprung solcher Falschnachrichten. Da- bei nennt sie einige mogliche Faktoren: Falsche Nachrichten konnen durch schlechten Jour- nalismus („Poor Journalism“) entstehen, z.B. wegen ungenugender Recherche oder groBem Zeitdruck. Ebenso kann Parodie („Parody“) Anlass zu einer Fake News sein, wie beispiels- weise bei Satiresendungen oder -zeitschriften wie dem Postillon. Ein ahnlicher Grund ware das bewusste Provozieren und Aufmerksam machen auf eine Problematik („to Provoke or to Punk“). Mit „Passion“ beschreibt Wardle einen weiteren Entstehungsgrund, die Leiden- schaft am Kreieren falscher Nachrichten. Diese Leidenschaft steht oft in Zusammenhang mit anderen Grunden, wie z.B. Parteilichkeit („Partisanship“). Aus politischer Motivation heraus werden beispielsweile bestimmte Personen oder Parteien diskreditiert und Fake News uber diese verbreitet. Politischer Einfluss („Political Influence“) und „Propaganda“ zielen beide darauf ab, Macht auszuuben auf Politik und die Burger und damit die offentliche Meinung im eigenen Sinne zu beeinflussen. „Profit“ ist im Gegensatz hierzu ein kommerzielles Ziel von Desinformationen und kann online durch das Sammeln von Klicks erreicht werden (Wardle, 2017).
Fur die nachfolgende Forschungsarbeit und den Forschungsuberblick wird vor allem mit dem Subtyp der Desinformation gearbeitet, dem „Fabricated Content“ (vgl. Wardle, 2017). Dieser wird auch fur das Experiment verwendet. Der Forschungsuberblick bezieht sich auf alle Formen der Desinformation, ausgenommen der Subtyp der Satire.
2.2. Fake News und die Krise der etablierten Medien
Fake News finden sich sowohl in klassischen Zeitungen als auch online. Allerdings ist der Anteil an falschen Nachrichten in Zeitungen und etablierten Medien uberschaubar (Sanger- laub, Meier & Ruhl, 2018). AuBerdem mussen diese, wenn bemerkt, umgehend in einem vorgegebenen Rahmen richtiggestellt werden (Presserat, 2018). Der klassische Journalismus steht fur die Aufgabe, aktuelle Themen zu sammeln, auszuwahlen, zu bearbeiten und dann den Lesern zur Verfugung zu stellen (Scholl & Weischenberg, 1998). Dabei geht es vor allem um die Einhaltung von journalistischen Qualitatskriterien und Normen wie Richtig- keit, Relevanz, Aktualitat, Vielfalt und Ausgewogenheit, Unabhangigkeit, sowie Trennung von Meinung und Nachricht (Schweiger, 2017, S.30-35).
Online jedoch kann jeder zum Urheber von Nachrichten werden und es kann unvermittelt vom Leser darauf reagiert werden. Diese direkte Art der Kommunikation ohne einen jour- nalistischen Vermittler nennt man Disintermediation. Die Nachrichten werden demnach vor Veroffentlichung nicht mehr uberpruft (Neuberger, 2009). Vor den Moglichkeiten des Internets fungierte der klassische Journalist als eine Art „Gatekeeper“ (Bruns, 2009, S.110f). Er bestimmte, welche Nachrichten relevant waren, filterte diese heraus und bereitete sie mog- lichst objektiv fur ein disperses Publikum auf. Dadurch, dass online nun zahllose Nachrichtenquellen nebeneinandertreten, wird diese Aufgabe erschwert. Dies fuhrt dazu, dass „Ga- tekeeper“ mehr und mehr zu „Gatewatchern“ werden. Diese beobachten die Nachrichten und Geschehnisse, wahlen die fur die Rezipienten relevanten und wahren Nachrichten aus und bereiten sie auf. So sollen sie Qualitat und Orientierung bieten sowie eine Bandbreite an verschiedenen Meinungen (Bruns, 2009, S.111ff).
Schweiger (2017) beschreibt, dass fur den User online allerdings nur schwer eingesehen werden kann, welche Qualitat die vorliegende Nachricht aufweist. Sogenannte Aggregato- ren, vor allem Social Media und Suchmaschinen, stellen einzelne Nachrichten ebenburtig nebeneinander dar, ohne Verweis auf Qualitatsunterschiede bzw. die Reliabilitat der Quelle. Etablierte journalistische Medien werden neben unseriose Nachrichtenwebsites gestellt. So kann eine Orientierungslosigkeit des Users online entstehen, da die Anzahl verschiedener Nachrichten sehr zahlreich ist. AuBerdem lassen sich die Rezipienten durch die Intranspa- renz der Nachrichtenherkunft und -qualitat leichter desinformieren. Dieser Effekt wird be- gunstigt durch die Personalisierung der Nachrichten durch Algorithmen von Google, Facebook und ahnlichen Webseiten (Schweiger, 2017, S.80). Durch diese Algorithmen entstehen „Filterblasen“, in denen dem Rezipienten die Inhalte angezeigt werden, die anhand seiner bisherigen Aktivitaten online als fur ihn relevant eingestuft werden (ebd., S.88f). Menschen mit Verschworungstheorien beispielsweise oder einem starken Misstrauen gegenuber den klassischen Medien suchen verstarkt nach den entsprechenden Angeboten und bekommen dadurch auch beinahe ausschlieBlich solche angezeigt (Schultz et al., 2017).
Tatsachlich haben etablierte Medien in den letzten Jahren stark an Image eingebuBt. Das verdeutlicht auch das Wort des Jahres 2014, „Lugenpresse“. Es wurde zu einer Art Kampf- begriff der rechtspopulistischen Demonstrationen, um journalistische Gegendarstellungen ihrer Ansichten und Forderungen zu unterminieren, als unglaubwurdig zu deklarieren (Probst, 2018). Ahnlich verhalt es sich in den USA, wo Donald Trump ihm unbequeme Wahrheiten schlicht als ..(that's) fake news“ abtut. Eine Studie von Prochazka & Schweiger (2016) arbeitet heraus, dass diese Medienkritik besonders in Nutzerkommentaren online zu spuren ist. Dort wird den etablierten Medien oft eine von den politischen Eliten gelenkte Berichterstattung vorgeworfen. Dennoch handelt es sich bei den Kommentierenden um eine Minderheit, die meisten User verhalten sich eher passiv (Prochazka & Schweiger, 2016, S.23).
Der GroBteil der Deutschen dahingegen erlebt laut einer reprasentativen Befragung (Schultz et al., 2017) keinen dramatischen Vertrauensverlust in die Medien. Vor allem der offentlich- rechtliche Rundfunk und die Tageszeitungen werden zum GroBteil als glaubwurdig einge- stuft. Allerdings fallt in dieser Befragung auch auf, dass die Meinungen zur Glaubwurdigkeit der Medien in den letzten Jahren starker polarisieren. Das heiBt, dass diese entweder als sehr hoch oder sehr niedrig wahrgenommen wird. Weitere Ergebnisse von Schultz et al. (2017) zeigen, dass Gegner der Volksparteien und Nutzer alternativer Medien uberdurchschnittlich kritisch gegenuber etablierten Medien eingestellt sind. Vor allem AfD-Wahler, Menschen aus Ostdeutschland, Politikverdrossene und Altere tendieren zum Gedanken der Lugen- presse. Ebenso neigen Menschen mit niedrigerer Bildung statistisch gesehen eher dazu, den Medien zu misstrauen und Verschworungstheorien zu glauben. Die Studie erhebt auBerdem die Haufigkeit der Nachrichtensuche uber verschiedene Medien. Dabei wird festgestellt, dass sich uber die Halfte der Befragten taglich uber Nachrichten informiert. Dafur nutzen 60% der Probanden das Fernsehen, 57% informieren sich Online und 46% uber eine Tages- zeitung. Etwa 6% der Befragten informieren sich taglich uber alternative Medien, die ein Gegenangebot zu etablierten Nachrichtenangeboten darstellen. Dennoch raumen die Autoren ein, dass die Kritik an den Medien nicht ganz ungerechtfertigt sei: Teilweise finden sich durch den Zeitdruck der neueren Nachrichtenangebote Recherchefehler, ungenugende In- formationen, Gewichtung bestimmter Themen und unzureichend vielfaltige Sichtweisen. Deshalb glauben laut eben dieser Umfrage 19% der Befragten, dass etablierte Medien die Bevolkerung systematisch belugen. Rund 31% empfinden die Medien als Sprachrohr der Machtigen und kommen sich nicht ausreichend reprasentiert vor. Etwa 37% der Befragten sind der Meinung, dass in den Medien nicht uber unerwunschte Sichtweisen berichtet wird (Schultz et al., 2017).
Dieses Misstrauen hat zur Folge, dass die alternativen Medien einen starken Aufschwung erfahren. Sie bedienen bestimmte Einstellungen und Richtungen und stellen die Ereignisse so meinungsgefarbt dar (Schweiger, 2017, S.46). Sie verstehen sich selbst als offen, unab- hangig und glaubwurdig - im Gegensatz zu den etablierten klassischen Medien (Magnet, 2017). Damit bilden sie eine Art „kritische Gegenoffentlichkeit“ zu journalistischen Medien (Schweiger, 2017, S.16). Dennoch kommt auffallend haufig vor, dass sich bei diesen Porta- len Fake News finden lassen.
Zwischenfazit
Durch die Krise der etablierten Medien und die Moglichkeit der Disintermediation ist es sehr viel leichter, Fake News zu verbreiten. Besonders in personalisierten Nachrichtenangeboten und Aggregatoren werden die einzelnen Nachrichten ohne Qualitatshinweis prasentiert und bieten so keine Orientierung. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in die etablierten Medien, besonders bei Politikverdrossenen und Alteren. Insgesamt polarisiert die Einstellung gegen- uber Medien in den letzten Jahren in der Bevolkerung. AuBerdem steigt gleichzeitig die Be- deutung von Social Media und alternativen Medien als Nachrichtenlieferant.
2.3. Verbreitung von Fake News
Eine Studie von Vosoughi, Roy & Aral (2018) beschaftigt sich mit der Verbreitung von Fake News online. Hierbei wurden in den USA rund 4,5 Mio. Tweets der vorhergehenden zwolf Monate analysiert. Uber verschiedene Informationskategorien wurden die Nachrichten als wahr oder unwahr kategorisiert und von sechs unabhangigen Organisationen gepruft. Social Bots, also kunstliche, nicht reale Profile, wurden aus der Studie ausgenommen. Vosoughi, Roy & Aral beschreiben, dass Falschmeldungen im Vergleich zu wahren Nachrichten dop- pelt so haufig geteilt werden, auBerdem verbreiten sie sich deutlich schneller: 1500 Leser werden laut Studie bis zu sechsmal schneller durch falsche als durch wahre Nachrichten generiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine falsche Nachricht weiterverbreitet, ist um 70% hoher als bei einer wahren Nachricht. Die Effekte sind besonders ausgepragt bei poli- tischen Falschmeldungen, etwas weniger bei Falschmeldungen zu Terrorismus, Naturkata- strophen, Wissenschaft oder Finanzen (Vosoughi, Roy & Aral, 2018). Silverman (2016) stellt in einer Analyse bezogen auf die USA fest, dass die popularsten wahren Nachrichten (gemessen an Klicks, Shares, Likes) auf Facebook sogar weniger oft rezipiert werden als die popularsten Falschnachrichten.
Besonders leicht verbreiten sich Fake News uber Social Media und Aggregatoren. Schweiger, Weber, Prochazka & Bruckner (2018) untersuchen mithilfe einer quantitativen Befra- gung, wer solche algorithmisch personalisierten Nachrichtenangebote (kurz: APN), wie sie beim Facebook Newsfeed oder auch bei Google News zu finden sind, am haufigsten nutzt. Die Studie ergab, dass 25% der Befragten am Vortag diese Nachrichtenangebote nutzten. Uber ein Drittel (33,8%) der Befragten nutzen APN gar nicht und uber zwei Drittel (66,2%) nutzen sie selten oder haufig. Je junger die User, desto haufiger nutzen sie APN (Schweiger et al., 2018). Wie bereits Schweiger (2017, S.167f) feststellt, ist hier ein besonderes Augen- merk auf die politische Bildungsmitte zu legen: Diese ist zwar politisch interessiert, aber aufgrund mangelnder Informationssuchbereitschaft und Fachwissen auch leicht zu desori- entieren. Die Bildungsmitte informiert sich uber etablierte, aber auch uber alternative Me- dien. Sie tendiert zu Politikverdrossenheit und fuhlt sich nicht gut reprasentiert. Dagegen ist die niedrig gebildete Schicht kaum politik- oder nachrichteninteressiert und nutzt daher kaum APN. Die hoher Gebildeten wiederum interessieren sich fur Politik, informieren sich aber meist uber Nachrichtenuberblicke von mehreren etablierten Medien und rezipieren so verschiedene Sichtweisen zu einer Thematik. Zudem hangt auch das Einkommen mit der Nutzung von APN zusammen, Niedrigverdiener konsumieren sie haufiger als besser Ver- dienende (Schweiger et al., 2018, S.61-63). Des Weiteren ist die politische Orientierung eine Variable, die sich auf die Nutzung von APN auswirkt: Je eher sich die Befragten dem Rech- ten Spektrum zuordnen, desto mehr nutzen sie APN als Nachrichtenquelle (ebd, S.64).
Obwohl vor allem jungere Personen personalisierte Nachrichtenangebote nutzen, sind es Personen ab 65 Jahren, die besonders haufig Falschnachrichten online teilen (Guess, Nagler & Tucker, 2019). In der aus den USA stammenden Studie wurden 1200 Personen befragt und deren geteilte Nachrichtenlinks untersucht. Dabei wurden diejenigen als „fake“ dekla- riert, die von bekannten US-Fake News-Websites stammten. Das Ergebnis: Die uber 65- Jahrigen Befragten teilten fast siebenmal haufiger Falschnachrichten als die Gruppe der 18 bis 29-jahrigen. Insgesamt wurden bei 8,5% der Testpersonen falsche geteilte Nachrichten gesichtet. Dem Ergebnis wurde aber von den Forschern selbst eine mangelnde Medienkom- petenz der alteren Generationen als mogliche Ursache zugeschrieben (Guess, Nagler & Tucker, 2019).
Die Frage, warum Menschen dazu tendieren, falsche Nachrichten zu verbreiten, kann man sich so erklaren: Online gibt es eine Flut an Nachrichten aus den unterschiedlichsten Quel- len. Die Auswahl ist so riesig, dass es schwer ist, sich aus der Masse abzuheben, die meisten Klicks zu generieren, damit Profit zu machen und Aufmerksamkeit zu erlangen. Das errei- chen Nachrichten meist nur durch reiBerische Uberschriften, die schockieren, uberraschen oder verwirren (Ludke & Holter, 2017). Und genauso verhalt es sich auch mit Fake News. Sie emotionalisieren, dramatisieren und nutzen Angste aus. Die Nachricht unterteilt die Welt meist in Schwarz und WeiB und bietet dem Rezipienten so eine scheinbare Klarheit und Einfachheit, die ihm in der heutigen Masse an Informationen und Grauzonen fehlt (Welty, 2018). In manchen Fallen werden lediglich die Uberschriften der (Falsch)Nachrichten gele- sen und diese anschlieBend geteilt. Durch die Funktion des Teilens auf Social Media werden immer mehr Menschen erreicht, die mit dieser Nachricht in Kontakt kommen. Trotz der schnelleren Verbreitung haben Fake News aber im Vergleich zu regularen Nachrichten in Deutschland keine so groBe Reichweite. Die groBen, etablierten Medien erreichen mit Ab- stand immer noch die groBten Leserzahlen (Sangerlaub, Meier & Ruhl, 2018).
2.3.1. Die Rolle des Rechten Milieus bei der Verbreitung von Fake News
Sangerlaub, Meier & Ruhl (2018) untersuchten im Zeitraum von sechs Monaten vor der Bundestagswahl 2017 die prominentesten Fake News aus Facebook, Twitter, Nachrichten- websites, Blogs, etc. Dabei stellten sie fest, dass die meisten Falschnachrichten aus dem politisch Rechten Milieu stammten. Der AfD als Rechts gesinnter Partei kam bei deren For- schung eine besondere Rolle zu: Sieben von zehn Fake News wurden auf Plattformen der AfD verbreitet, sie fungiert daher als ein Hauptverteiler solcher Nachrichten. Auffallend ist, dass die meisten Fake News inhaltlich kaum russisch-propagandistisch oder linkspopulis- tisch motiviert sind, sondern hauptsachlich rechtspopulistisch. Auch ist bei falschen Nach- richten das Themenfeld „Fluchtlinge und Kriminalitat“ besonders haufig zu finden. Dies ist unter anderem ein Grund, weshalb sich Fake News besonders erfolgreich unter den Anhan- gern der Rechten Parteien verbreiten (Sangerlaub et al., 2018). Andere Grunde dafur konnten laut Sangerlaub et al. (2018) sein, dass AfD-Wahler sich weniger uber offentlich-rechtliches Fernsehen, Online-Nachrichten oder Tageszeitungen informieren. Teilweise verzichten sie sogar ganz darauf, aktuelle Nachrichten regelmaBig zu konsumieren. Der groBte Teil der AfD-Wahlerschaft aber bezieht seine Informationen uber Social Media oder alternative Me- dien. Dort befinden sie sich wiederum in einer „Echokammer“, in der sich hauptsachlich Menschen mit ahnlichen Interessen und konsonanten Meinungen und Einstellungen begeg- nen. Die Nachrichten mit einstellungskonformen Inhalten werden dann haufig geteilt, um sich gegenseitig Bestatigung zu geben, oder aber um sich gegenuber der AuBenwelt zu recht- fertigen (Sangerlaub, 2017, S.9).
Auch in den USA lasst sich eine politische Farbung von Fake News erkennen. Allcott & Gentzkow (2017) untersuchten in ihrer Studie 156 als falsch identifizierte Nachrichten aus den Monaten vor der US-Wahl 2016, die sich auf jene beziehen. Darunter fanden sich 115 Desinformationen, die Donald Trump als Prasidentschaftskandidat begunstigten. Diese wur- den auf Facebook uber 30 Millionen Mal geteilt. Nur 41 Nachrichten dagegen bezogen sich in einem positiven Kontext auf Hillary Clinton, diese wurden lediglich 7,6 Millionen Mal geteilt. Das bedeutet, dass die Fake News inhaltlich dreimal mehr fur Trump sprachen als fur Clinton, auBerdem wurden diese online ofter geteilt. Fake News Seiten, worunter Allcott & Gentzkow (2017) Nachrichtenseiten mit einem desinformativen Anteil von uber funfzig Prozent verstehen, wurden in den Wahlmonaten etwa 159 Millionen Mal aufgerufen. Das sind umgerechnet 0,64 Aufrufe pro US Burger.
Ebenfalls lasst sich in dieser Studie feststellen, dass die meisten falschen Nachrichten poli- tisch Rechts zuzuordnen sind, ahnlich wie in Deutschland. Die etablierten Medien in den USA sind allerdings meist eher politisch Links gepolt und Clinton-favorisierend, weshalb die Fake News sowie die alternativen Medien dort einen Gegenpol bilden (ebd.).
Zwischenfazit
Fake News werden vor allem uber Social Media verbreitet und rezipiert. Falsche Nachrich- ten werden gerade in den USA online schneller verbreitet als wahre und erreichen eine groBe Leserschaft. Besonders haufig werden Desinformationen von alteren, politikverdrossenen Personen geteilt. Die politische Bildungsmitte spielt hierbei eine groBe Rolle, sie lasst sich leichter desinformieren. Ebenfalls fallt auf, dass die Themen der Fake News meist politisiert sind und das Rechte Milieu ansprechen bzw. aus diesem stammen.
2.4. Wirkung von Fake News
Die Wirkungskraft von Falschnachrichten ist umstritten, Wissenschaftler beschreiben sie als geringer als von der Offentlichkeit empfunden. Nach Sangerlaub (2017, S.7) werden Fake News als viel zahlreicher und einflussreicher wahrgenommen, als diese tatsachlich sind. Auffallend ist hier, dass AfD-Wahler die Masse an falschen Nachrichten in der Offentlich- keit als am groBten empfinden. Dabei sind es wie oben beschrieben gerade deren Kanale, uber die Fake News am haufigsten verbreitet werden (Sangerlaub et al., 2018). Diese Des- informationen etablieren dann beim jeweiligen Rezipienten ein politisch gewolltes, verzerr- tes Bild der Realitat. Gerade in der Rechten Szene sind es deshalb oft Nachrichten von Fluchtlingen, die kriminell und ungebildet sind und in Massen einwandern (Sangerlaub, 2017, S.3).
Nicht nur Anhanger der Rechten Szene schreiben laut Sangerlaub (2017) Falschnachrichten eine groBere Rolle zu, als diese in der Realitat einnehmen. Jeder dritte Wahler geht davon aus, dass Fake News einen relevanten Einfluss auf die Bundestagswahl 2017 gehabt haben. Der Eindruck entsteht laut Sangerlaub (2017, S.7) vermutlich durch die groBe mediale The- matisierung, gerade auch wahrend des US-Wahlkampfes 2016. Mithilfe von Fake News wer- den gezielt politische Themen gesetzt und der Versuch unternommen, die Leser dadurch zu beeinflussen. Allerdings scheint der Einfluss der Medien keine grundlegenden Uberzeugun- gen andern zu konnen, meist bestatigen sie diese nur (Boberg, Schatto-Eckrodt & Frischlich, 2018).
Eine Befragung von Februar/Marz 2017 testet die Zustimmung der Befragten zu bestimmten Aussagen bezuglich Fake News in Deutschland (Nier, 2017). Hierbei glauben 89% der Be- fragten, dass Fake News zur Diskriminierung von diversen Gruppen fuhren, 83% glauben, dass sie Wahlen beeinflussen konnen. Fake News machen es laut den Befragten schwieriger, Nachrichten zu vertrauen (85%) und tragen auBerdem zur Verbreitung von Verschworungs- theorien bei (83%). Rund 77% glauben, dass Fake News Populisten an Zustimmung gewin- nen lassen (ebd.).
Diese Umfrage lasst erkennen, fur wie gefahrlich und relevant Fake News gehalten werden. Daher ist es wichtig, Wege zu finden, diese einzudammen. Gerade Facebook steht hierbei in der Kritik, nicht ausreichend gegen Fake News vorzugehen. Mittlerweile hat sich das Unter- nehmen Hilfe geholt (Reinbold, 2017): Das Unternehmen Correctiv soll nun falsche Nach- richten herausfiltern und identifizieren und dann mit einem entsprechenden Vermerk verse- hen. Ebenso wird ein Link geliefert, der die Falschnachricht entlarven und den Fakten ge- genuberstellen soll (Ludke & Holter, 2017). So hofft man, Menschen vom Verbreiten der Nachricht abzuhalten und zu einem genaueren Blick auf die Fakten anzuhalten. AuBerdem gibt es noch sogenannte „Faktenfinder/-checker“ wie den der ARD. Diese sind allerdings nur begrenzt einsetzbar und maBig praktikabel. Sie konnen nicht auf alle Informationen zu- ruckgreifen und sind auch nur uber die jeweiligen Internetseiten prasent. Da ist es fraglich, ob der Aufwand betrieben wird, hier jede Nachricht auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prufen (Sangerlaub, Meier & Ruhl, 2018). Auch ist eine Tatsache, dass die Richtigstellung einer Falschnachricht meist deutlich weniger Reichweite generiert als die Fake News an sich (Ga- vrilis, 2018).
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