Diese Arbeit untersucht die anfängliche Verbreitung des Tabaks und seiner Konsumformen im nordwestdeutschen Raum und erfasst wesentliche Rezeptionsphänomene in ihren ideengeschichtlichen Grundzügen, um sie in einen gesamteuropäischen Kontext einzubetten. Angelehnt an entscheidende Entwicklungslinien der gesamteuropäischen Tabakgeschichte, eröffnen dabei besonders medizin-, religions-, politik- und wirtschaftshistorische Fragestellungen geeignete Möglichkeiten, um nach den ideologischen "Motiven respektive Bedeutungskodierungen" zu forschen, die die Aufnahme und die weitere Popularisierung des Tabaks entweder zu fördern oder zu hemmen suchten, oder um mit Sandgruber zu fragen, inwiefern „über die kleinen Dinge“ rückbezüglich übergeordnete Bewertungsmaxime und "menschliche Verhaltensmuster […] verdeutlicht werden" können.
Im Einzelnen soll anhand ärztlicher, pietistischer und verwaltungsbehördlicher Einordnungsbemühungen erörtert werden, inwieweit der Tabak im Rahmen der frühneuzeitlichen Humoralpathologie als ein sogenanntes "Galenikum" Beachtung fand, und unter welchen Gesichtspunkten die Pflanze von Vertretern des Pietismus als eine weltliche Geißel angefeindet und innerhalb der Verordnungstätigkeit im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel als eine fiskalische Goldgrube ausgeschöpft wurde. Dieser Zielführung folgend, werden im Anschluss zunächst die außen- und innereuropäischen Vorläufer der nordwestdeutschen Tabakrezeption umrissen, bevor darauf aufbauend versucht wird, vornehmlich über die Auswertung medizinischer Fachabhandlungen, pietistischer Programm- und Predigtschriften sowie landesfürstlicher Verordnungsquellen die ausgewählten Beurteilungsstränge zu rekonstruieren und zu verknüpfen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Die Vorläufer der norddeutschen Tabakrezeption
- 2.1 Die Verwendung des Tabaks in Amerika
- 2.2 Die Verbreitung des Tabaks in Europa
- 2.2.1 Die Entstehung eines europäischen Heilmittelparadigmas
- 2.2.2 Erste Kritik an dem aufkommenden hedonistischen Tabakgebrauch
- 2.2.3 Die Anfänge herrschaftlicher Einflussnahmen
- 3 Der medizinische Tabakdiskurs im nordwestdeutschen Raum
- 3.1 Die theoretischen Grundlagen einer medizinischen Beurteilung des Tabaks
- 3.2 Die Verbreitung medizinischer Kenntnisse unter der Laienbevölkerung
- 3.3 Tabak als Allheilmittel
- 3.3.1 Giles Everard
- 3.3.2 Johannes Neander
- 3.3.3 Heinrich Barnstein
- 3.4 Die medizinische Tabakkritik
- 3.4.1 Jacob Tappius
- 3.4.2 Simon Paulli
- 3.4.3 Peter Lauremberg
- 3.5 Die Reaktionen der Befürworter
- 3.5.1 Cornelius Bontekoe
- 3.5.2 Stephan Blankaart
- 3.5.3 Johann Ignatius Worb
- 3.6 Der Erfolg der Tabakfürsprecher
- 3.7 Zwischenergebnis
- 4 Die pietistische Tabakkritik im nordwestdeutschen Raum
- 4.1 Entwicklungsstränge und theologische Merkmale der deutschen Frömmigkeitsbewegung
- 4.1.1 Die Anfänge bis zu der Wirksamkeit Speners
- 4.1.2 Philipp Jakob Spener als Leitfigur des deutschen Pietismus
- 4.1.3 August Hermann Francke als bedeutender Nachfolger Speners
- 4.1.4 Der radikale Pietismus
- 4.2 Pietistische Einflüsse im nordwestdeutschen Raum
- 4.3 Die Tabakkritik gemäßigter Pietisten
- 4.3.1 Philipp Jakob Spener
- 4.3.2 August Hermann Francke
- 4.3.3 Weitere Tabakkritik
- 4.4 Spiritualistische und radikalpietistische Tabakkritik
- 4.4.1 Johann Tennhardt
- 4.4.2 Weitere Tabakkritik
- 4.5 Zwischenergebnis
- 4.1 Entwicklungsstränge und theologische Merkmale der deutschen Frömmigkeitsbewegung
- 5 Die Tabakpolitik im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel
- 5.1 Administrative und wirtschaftstheoretische Grundlagen
- 5.2 Die Einflussnahmen der Landesführung auf das Tabakwesen
- 5.2.1 Die Anfangsphase bis zu der Errichtung der fürstlichen Tabakregie
- 5.2.2 Das Tabakmonopol des Alexander David
- 5.2.2.1 Die organisatorischen Grundlagen
- 5.2.2.2 Ergänzende Verordnungen
- 5.2.2.3 Die Auflösung des Tabakmonopols
- 5.2.3 Rauchverbote
- 5.3 Zwischenergebnis
- 6 Ergebnis der Untersuchung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Geschichte der Tabakrezeption in Nordwestdeutschland von den Anfängen bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie untersucht, wie der Tabak von einer Zier- und Medizinpflanze zu einem weit verbreiteten Genussmittel wurde und wie die gesellschaftlichen und medizinischen Debatten um den Tabakkonsum verliefen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel.
- Die Einführung des Tabaks in Europa und seine Verwendung als Heilmittel
- Die Entwicklung des medizinischen Diskurses über den Tabak und die Entstehung von Befürwortern und Kritikern
- Der Einfluss des Pietismus auf die Tabakdiskussion im nordwestdeutschen Raum
- Die Tabakpolitik des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel und die Einflussnahmen der Landesführung
- Die Entwicklung des Tabakkonsums zu einem gesellschaftlich akzeptierten Genussmittel
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 untersucht die Vorläufer der norddeutschen Tabakrezeption, beginnend mit der Verwendung des Tabaks in Amerika. Der Abschnitt beleuchtet die Verbreitung des Tabaks in Europa und die Entstehung eines europäischen Heilmittelparadigmas, das den Tabak als Wundermittel darstellte. Hierbei werden auch die ersten Kritiker des hedonistischen Tabakgebrauchs und die Anfänge herrschaftlicher Einflussnahmen auf die Tabakrezeption beleuchtet.
Kapitel 3 befasst sich mit dem medizinischen Tabakdiskurs im nordwestdeutschen Raum. Es werden die theoretischen Grundlagen einer medizinischen Beurteilung des Tabaks sowie die Verbreitung medizinischer Kenntnisse unter der Laienbevölkerung analysiert. Der Abschnitt beleuchtet die Verwendung des Tabaks als Allheilmittel durch verschiedene Mediziner und analysiert die medizinische Tabakkritik, die sich auf die negativen Folgen des Tabakkonsums konzentrierte. Die Reaktionen der Befürworter auf die Kritik werden ebenfalls beleuchtet, und es wird analysiert, warum die Tabakfürsprecher am Ende erfolgreich waren.
Kapitel 4 untersucht die pietistische Tabakkritik im nordwestdeutschen Raum. Zunächst werden die Entwicklungsstränge und theologischen Merkmale der deutschen Frömmigkeitsbewegung beleuchtet, um die Hintergründe der pietistischen Tabakkritik besser zu verstehen. Es werden die pietistischen Einflüsse im nordwestdeutschen Raum und die Tabakkritik gemäßigter Pietisten sowie die spiritualistische und radikalpietistische Tabakkritik analysiert. Dieses Kapitel stellt die Tabakkritik in den Kontext der theologischen und gesellschaftlichen Debatten des Pietismus.
Schlüsselwörter
Tabakrezeption, Nordwestdeutschland, Braunschweig-Wolfenbüttel, Heilmittelparadigma, Tabakdiskurs, medizinische Kritik, Pietismus, Tabakpolitik, Genussmittel.
- Arbeit zitieren
- Joschka Riedel (Autor:in), 2012, Galenikum, Geißel, Goldgrube. Der Beginn der Tabakrezeption in Nordwestdeutschland von den Anfängen bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts unter im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1248239