Warum muss der Mensch aufgefordert werden, moralisch zu handeln? Immanuel Kants "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten"


Hausarbeit, 2022

18 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung

2. Der Willensbegriff und die Vernunft
2.1. Der gute Wille
2.2. Abgrenzung von Natur- und Glücksgaben

3. Der Pflichtbegriff und die Vernunft
3.1. Der kategorische und der hypothetische Imperativ
3.2. Der 2. Kategorische Imperativ – Selbstzweckformel
3.3. Pflicht und Neigungen - Was bestimmt die Handlungen des Menschen?

4. Freiheit, Vernunft und die erste Formulierung des kategorischen Imperativs
4.1. Freiheit und Autonomie

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten leitet Immanuel Kant 1785 den bekannten Satz des kategorischen Imperativs ab und stellt seine Ausführung einer reinen Moralphilosophie dar. In dieser Moralphilosophie wird der Mensch als ein Doppelwesen dargestellt, das nicht nur den Umständen der Empirie unterworfen ist, sondern in seinen Handlungen zugleich und vollständig von der Vernunft motiviert werden kann. In dieser Hausarbeit wird zunächst mittels Bestimmung der Begriffe Wille und Pflicht die Moralphilosophie Kants dementsprechend der Fragestellungen und in dem vorgegebenen Rahmen einer Hausarbeit kurz umrissen und erläutert. Anschließend werden die Zusammenhänge der Begriffe Freiheit, Autonomie und Vernunft aufgezeigt. Während der Erläuterungen und Abgrenzungen wird schrittweise eine Verbindung zu den Fragen der Hausarbeit aufgebaut, wobei sich der kategorische Imperativ als ein Instrument der Beurteilung des moralischen Grades einer Handlung immer wieder aufzeigt und das Doppletmotiviertsein des Willens des Menschen immer wieder herausstellt.

Die Grundlagen dieser Arbeit sind, neben Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten aus der Akademie Ausgabe, der Kommentar von Horn et al. und der Kommentar von Klemme. Darüber hinaus werden folgende Werke von Anzenbacher (Ethik), von Irrlitz (Kant – Handbuch) und das philosophische Wörterbuch von Gessmann herangezogen.

Des Weiteren werde ich in dieser Hausarbeit die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten im Text und in den Fußnoten mit "GMS" abkürzen. Die Seitenangaben zu Kants GMS beziehen sich auf die Akademie Ausgabe.

Ziel dieser Hausarbeit ist mittels des Nachweises der Doppelmotivation des menschlichen Willens, aufzuzeigen, welche Vermögen und Umstände die Handlungen des Menschen bestimmen und warum der Mensch nach dem Konzept der Moralphilosophie Kants aufgefordert werden muss, moralisch zu handeln.

2. Der Willensbegriff und die Vernunft

In Kants GMS geht es um die Aufsuchung eines obersten Moralprinzips1, das als ein allgemeines Gesetz gelten soll, wenn die Handlungen des Menschen nach einem moralischen Wert zuerst reflexiv bemessen und dann vollzogen werden sollen. Dieses oberste Prinzip ist laut Kant a priori (nicht-empirisch)2 in der menschlichen Vernunft zu erkennen und nicht aus den, in der Erfahrung gewonnenen Erkenntnissen, auffindbar: „ Jedermann muß eingestehen, daß ein Gesetz, wenn es moralisch, […], gelten soll, […] nicht in der Natur des Menschen […] gesucht werden müsse, sondern a priori lediglich in Begriffen der reinen Vernunft, […].3 Die Vernunft hat einen mächtigen Einfluss auf den Willen des Menschen4 und ist somit nicht von den Bedingungen der Empirie abhängig. Außerdem ist das oberste Prinzip, welches ein moralisches Gesetz präsentiert, keine praktische Regel und gilt für alle Wesen, die über eine reine Vernunft verfügen5; es ist folglich für alle Menschen allgemein und ausnahmslos gültig; es wird durch die Vernunft nicht konstruiert, sondern ist ohne jeglicher sinneswahrnehmenden Grundlage, in der Vernunft als sich selbstgebend vorhanden.6

Einer der zentralsten Begriffe dieses moralischen Prinzips ist neben dem Begriff der Vernunft, der Begriff des Willens. Der Wille wird von Kant in mehreren Klassifikationen unterteilt. Es gibt einen schlechterdings (absolut und unbedingt) guten und heiligen Willen, einen nicht schlechterdings guten Willen und einen bösen Willen. Ersterer ist den heiligen Wesen zuzuordnen von denen Kant „Gott“ [7] aufzählt. Diese Wesen verfügen über einen vollkommenen und heiligen Willen, mit welchem sie stets, mit dem allgemeinen und obersten Gesetz eingestimmt, immer und von allein objektiv und uneingeschränkt gut handeln; sie bedürfen folglich keine Imperative und Befehlsformen, die sie auf ein absolut gutes Handeln hinweisen und sie dorthin leiten sollen8; sie sind auch subjektiv moral- und vernunftgeleitet. Der menschliche Wille hingegen ist unvollkommen und kann folglich sowohl uneingeschränkt gut als auch mäßig bis hin zu nicht gut in Handlungen motiviert sein9 und den beiden letzterwähnten Willensarten zu zuordnen. Es stellt sich hier zunächst die Frage, was der Wille überhaupt ist?

Kant klärt auf und sagt: „Der Wille wird als ein Vermögen gedacht, der Vorstellung gewisser Gesetze gemäß sich selbst zum Handeln zu bestimmen.“10 Gemeint ist also eine Gabe, mit der es möglich ist, sich selbst bestimmte Gesetze vorzustellen, diese sich auch zu erteilen, danach Handlungen zu klassifizieren und zu vollziehen. Der Wille ist nach Kant ausschließlich in vernünftigen Wesen anzutreffen.11 Aus diesem Grund ist der Wille gleich der Vernunft zu setzen und repräsentiert die praktische Vernunft:

„Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen. Nur ein vernünftiges Wesen hat das Vermögen, […], oder einen Willen. Da zur Ableitung der Handlungen von Gesetzen Vernunft erfordert wird, so ist der Wille nichts anderes als praktische Vernunft.12

Im nächsten Kapitel dieser Hausarbeit wird der Begriff des „guten Willens“ näher erläutert.

2.1. Der gute Wille

Als nächstes muss der Frage nachgegangen werden, was ein uneingeschränkt guter Wille ist. Daher beginnt Kant den ersten Abschnitt der GMS mit der Hauptthese, dass der gute Wille das einzig auffindbar gute Vermögen ist: „Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille“.13 Er fügt hinzu, dass der Wille nicht das einzige und das Ganze, aber das höchste Gut sei.14 Folglich kann allein dem Willen das Prädikat „gut“ zugeschrieben werden. Kant meint, dass andere Güter (werden im nächsten Abschnitt der Hausarbeit behandelt) auch als gut bezeichnet werden können, aber nur in Abhängigkeit zu dem Willen. Ob diese Güter uneingeschränkt gut sind, hängt immer davon ab, ob der Wille gut oder nicht gut ist. Von dieser zentralen These ausgehend formuliert Kant weitere Thesen, die in den nächsten Kapiteln kurz umrissen werden.

Des Weiteren beschreibt er den guten Willen, wie folgt: “Der Wille ist schlechterdings gut, der nicht böse sein, mithin dessen Maxime, wenn sie zu einem allgemeinen Gesetze gemacht wird sich selbst niemals widerstreiten kann.“15 Dementsprechend ist der gute Wille ein moralisches Bewusstsein, das als ein Ding an sich ( ens in se ist das durch sich selbst Existierende oder die Substanz.)16, objektiv und uneingeschränkt gut vorhanden ist und sich selbst nicht widersetzt. Zudem ist der gute Wille nicht gut, weil er eine Wirkung - einen Zweck - hat, sondern allein sein moralisch guter Aspekt als sein Wesen und Kern stimmt ihn gut. Demzufolge meint Kant, dass der gute Wille unabhängig von jeglichem Zweck „gut“ ist und von einer Nützlichkeit unbeeinflusst bleibt.17 Der neigungsaffizierte Wille, der der Gegenpart des guten Willens ist, verfolgt hingegen des guten Willens stets einem bestimmten Zweck und hat keine alleinige Motivation eine Handlung aus Moralität auszuführen. Dieser Wille ist nicht aus der Pflicht, sondern aus entweder pflichtgemäßen oder pflichtwidrigen Motiven bestimmt. Auf den Begriff Pflicht wird im 3. Kapitel der Hausarbeit näher eingegangen.

2.2. Abgrenzung von Natur- und Glücksgaben

Es existieren nach Kant wie bereits erwähnt weitere Güter als nur einen guten Willen. Diese sind „Naturgaben“ und „Glücksgaben“ und aus seiner Sicht nur eingeschränkt gut.18 Diese These wird in diesem Abschnitt belegt. Zuerst muss man aber erwähnen , dass die Aufzählung und die Darstellung dieser Güter wichtig sind und zu einem entscheidenden Aspekt des guten Willens führen, und zwar, zu seinem uneingeschränkten Gutsein. Bei den Naturgaben handelt es sich um Talente des Geistes, wie Verstand, Witz, Urteilskraft und die positiven Eigenschaften des Temperaments, wie Mut und Entschlossenheit, die Kant als Charakter und dem Begriff zufolge von der Natur hergegeben, bezeichnet. Nach Kant haben diese Charaktere gute und erstrebenswerte Absichten. Da aber nicht die Vernunft und der gute Wille die Handlungen dieser Charaktere bestimmen, sondern eigennützige Zwecke, wie Selbstliebe und Leidenschaften, können diese äußerst böse und schädlich werden.19 Bei den Glücksgaben, die zu einem Wohlbefinden und zu einer Zufriedenheit namens Glückseligkeit führen können, erwähnt Kant verschiedene soziale Statusmöglichkeiten, wie Macht, Reichtum, Ehre und Gesundheit.20 Diese Status haben für Kant keinen absoluten inneren Wert21, der den guten Willen ausmacht, sondern einen beschränkten inneren Wert und führen nicht zur Glückseligkeit, weil sie nicht aus dem reinen und guten Willen entstammen.22 Allein der gute Wille ist die einzige Bedingungen, die dazu beiträgt, dass der Mensch würdig wird Glück zu empfinden.23

Man kann sagen, dass Kant hier von einer Glückswürdigkeit spricht, da die reine Glückseligkeit nicht erreichbar sein kann. Hierzu bringt Kant das Argument, dass die Glückseligkeit nicht der Zweck der menschlichen Natur ist,24 denn sonst wäre der Mensch von Natur aus instinktiv glückselig geworden. Und weiter fügt er hinzu, dass, wenn das der Fall, wäre, würde der Mensch mit seinem Begehrensvermögen nicht in dieser Naturabsicht eingreifen und doch Dinge vollbringen, die nicht glückselig eingestimmt sind.25 Statt eines Naturinstinkts verfügt der Mensch über eine praktische Vernunft, die den Willen beeinflussen kann.26 Der höchste Zweck ist es, den Willen von der Vernunft bestimmen zu lassen und nach dem guten Willen zu handeln, auch wenn die gedachte und ersehnte Glückseligkeit dabei einbüßen muss.27

[...]


1 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten in Kant‘s gesammelte Schriften. Hg. von der königlich preussischen Akademie der Wissenschaften [=AA] bd. 4, S.392, 3-5.

2 Anzenbacher, Arno: Ethik. Eine Einführung. Ostfildern 42012 [= GMS], S. 48.

3 Kant, GMS, S. 389f.

4 Vgl., ebd., S. 410, 20f.

5 Vgl., ebd., S. 433, 26ff.

6 Vgl. Klemme, Heiner F.: Kants ››Grundlegung zur Metaphysik der Sitten‹‹. Ein systematischer Kommentar. Ditzingen 2017, S. 46.

7 Vgl., Kant, GMS, S. 414, 6.

8 Vgl., ebd., S. 414, 1-9.

9 Vgl. ebd., S. 414, 9 passim.

10 Ebd., S. 427, 19.

11 Vgl., ebd., S. 427, 2.

12 Ebd., S. 412, 26.

13 Ebd., S. 393, 5-7.

14 Vgl., ebd., S. 396, 24f.

15 Ebd., S. 437, 5-9.

16 Irrlitz, Gerd: Kant – Handbuch. Leben und Werk. Stuttgart 32015, S. 166.

17 Vgl., Kant, GMS, S. 394, 13ff.

18 Vgl., ebd., S. 393.

19 Vgl., ebd., S. 393, 7-14.

20 Vgl., ebd., S. 393, 14.

21 Vgl., ebd., S. 394, 4f.

22 Vgl., ebd., S. 393, 25f. und S. 395, 28f.

23 Vgl., ebd., S. 393, 23.

24 Vgl., ebd., S. 395, 4ff.

25 Vgl., ebd., S. 395, 14f.

26 Vgl., ebd., S. 396, 17f.

27 Vgl., ebd., S. 396, 24f.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Warum muss der Mensch aufgefordert werden, moralisch zu handeln? Immanuel Kants "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten"
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,0
Jahr
2022
Seiten
18
Katalognummer
V1248759
ISBN (Buch)
9783346682741
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kant, Metaphysik, Moral, Grundlegung, philosophie, kategorischer imperativ, pflicht, der gute wille, freiheit, Autonomie, Pflichtbegriff, Grundlegung der Metaphysik
Arbeit zitieren
Anonym, 2022, Warum muss der Mensch aufgefordert werden, moralisch zu handeln? Immanuel Kants "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1248759

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