"Die Nazis nahmen Österreich mit Gewalt. Sie (die Österreicher) waren buchstäblich das erste Opfer des Nationalsozialismus", meint Wolfgang Schüssel, ÖVP-Politiker und zum damaligen Zeitpunkt Bundeskanzler, in einem Interview mit der "Jerusalem Post".
So extensiv die Historiografie zu diesem Thema gearbeitet hat, so klar sich der Ablauf der Ereignisse aus zeitgeschichtlicher Perspektive auch rekonstruieren lässt, so umstritten ist es nach wie vor auf dem politischen und publizistischen Feld, da die Frage nach dem Opferstatus noch immer das historische Selbstverständnis Österreichs und die daraus resultierenden Verpflichtungen nachfolgender Generationen tangiert.
Die Risse und Unterschiede in Bezug auf die Reflexion über Österreichs NS-Vergangenheit gehen quer durch alle Parteien und ohne „ideologische Scheuklappen“ lässt sich in Österreich nach wie vor keine Debatte führen. Innerhalb des politischen Parteienspektrums manifestiert sich in den jeweiligen Fraktionen ein ziemlich homogenes „Geschichtsbild“, da je nach Parteizugehörigkeit alle handelnden Akteure die gleiche Position im Opfer-Täter-Diskurs einnehmen. Der konkordanzpolitische Elitenkonsens zwischen SPÖ und ÖVP, der jahrzehntelang das Land geprägt und den Opfermythos einzementiert hatte, existiert in dieser Form schon seit einigen Jahren nicht mehr.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- 1. Einleitung
- 1.1 Problemstellung und Zielsetzung
- 1.2 Forschungs- und Quellenstand
- 1.3 Forschungsleitende Fragestellungen
- 1.4 Methodik und theoretische Ausrichtung
- 2. Historischer Teil
- 2.1 Die Genesis des Opfermythos
- 2.1.1 Die Moskauer Deklaration
- 2.1.2 Ursachen und Entstehungsgeschichte
- 2.1.3 Die Rezeption der Moskauer Deklaration nach 1945
- 2.1.4 Renners Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945
- 2.1.5 Die Person Dr. Karl Renner
- 2.1.6 Das „Rot-Weiß-Rot Buch“
- 2.1.7 Der Staatsvertrag
- 2.2 Der „Anschluss“
- 2.2.1 Darstellung und Rezeption
- 2.2.2 Der „Anschluss“ als Geschichtslüge
- 2.2.3 Dokumente des Jubels über den „Anschluss“
- 2.2.4 Der „Anschluss“ und die Opferthese im parteipolitischen Spektrum
- 2.2.4.1 Die Sozialdemokraten und der „Anschluss“
- 2.2.4.2 Die Volkspartei und der „Anschluss“
- 2.2.4.3 Die KPÖ und der „Anschluss“
- 2.3 Funktionen und Instrumentalisierung der Opferthese
- 2.3.1 Abzug der Besatzungsmächte
- 2.3.2 Abgrenzung zu Deutschland und Forcierung des Österreichpatriotismus
- 2.3.3 Abwehr von Entschädigungsansprüchen
- 2.3.4 Integration der „Ehemaligen“ ins Opferkollektiv und breite Auslegung des Opferbegriffs
- 2.3.5 Die Einstellung gegenüber den tatsächlichen NS-Opfern
- 2.3.6 Integration und Glorifizierung der Soldaten als Opfer und Helden
- 2.4 Der Opfermythos und seine Transformationen in der Zweiten Republik
- 2.4.1 Die österreichische Opferdoktrin von 1945 – 1986
- 2.4.2 Der Generationenkonflikt und die langsame Erosion der Opferthese
- 2.4.3 Die „Waldheim Affäre“
- 2.4.4 Das „Gedenkjahr“ 1988
- 2.4.5 Vranitzkys Erklärung vor dem Nationalrat
- 2.4.6 Wiederauferstehung der Opferthese
- 2.4.7 Schüssels Rede zur Opferrolle im Nationalrat
- 2.4.8 „Ich werde nie zulassen, dass man Österreich nicht als Opfer sieht“ – zur Aktualität der Opferthese
- 2.1 Die Genesis des Opfermythos
- 3. Theorie
- 3.1 Massenmedien und Geschichtsbewusstsein
- 3.2 Agenda Setting
- 3.2.1 Die Entwicklung des Agenda-Setting-Ansatzes
- 3.2.2 Die Chapel-Hill-Studie
- 3.2.3 Die Komponenten des Agenda-Setting-Prozesses
- 3.2.4 Wirkungsmodelle
- 3.2.5 Intervenierende Variablen
- 3.2.6 Agenda-Setting-Forschung
- 3.2.7 Leserbriefe als Instrument der „Meinungsmache“
- 4. Methode
- 4.1 Die Kritische Diskursanalyse nach Siegfried Jäger
- 5. Empirischer Teil
- 5.1 Forschungsleitende Fragestellungen
- 5.2 Analyse der medialen Berichterstattung zur Opferthese
- 6. Resümee und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit untersucht die Darstellung der Opferthese in Bezug auf Österreichs Rolle im Nationalsozialismus in drei großen österreichischen Tageszeitungen („Krone“, „Presse“, „Standard“). Ziel ist es, die Positionierung der Medien im Opfer-Täter-Diskurs zu analysieren und die Strategien aufzuzeigen, mit denen die Opferthese medial konstruiert und vermittelt wird.
- Die Genesis des Opfermythos in Österreich
- Funktionen und Instrumentalisierung der Opferthese in Politik und Gesellschaft
- Die mediale Konstruktion der Opferthese in ausgewählten Tageszeitungen
- Anwendung der kritischen Diskursanalyse zur Untersuchung der Medienberichterstattung
- Vergleichende Analyse der Berichterstattung der drei Zeitungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Problemstellung und die Forschungsmethodik ein. Der historische Teil beleuchtet die Entstehung und Entwicklung des österreichischen Opfermythos, beginnend mit der Moskauer Deklaration und dem „Anschluss“, bis hin zur „Waldheim-Affäre“ und der Rede von Wolfgang Schüssel. Kapitel 3 beschreibt die theoretischen Grundlagen, insbesondere die kritische Diskursanalyse und den Agenda-Setting-Ansatz. Kapitel 4 erläutert die angewandte Methodik. Kapitel 5 präsentiert die empirische Analyse der ausgewählten Zeitungen, konzentriert sich auf die Analyse der Berichterstattung und die Argumentationsstrategien der einzelnen Zeitungen.
Schlüsselwörter
Opferthese, Österreich, Nationalsozialismus, „Anschluss“, Medien, Diskursanalyse, Agenda-Setting, „Krone“, „Presse“, „Standard“, Geschichtsbewusstsein, Opfer-Täter-Diskurs, Parteien, Medienberichterstattung.
- Arbeit zitieren
- Mag. Oliver Mark (Autor:in), 2006, Die Opferthese im Spiegel der Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124999