Mit MÉLO [1986], einer Adaption des gleichnamigen Theaterstückes von Henry Bernstein aus dem Jahr 1929 und den Zwillingsfilmen SMOKING/NO SMOKING [1993], die auf dem Stück INTIMATE EXCHANGES von Alan Ayckbourn beruhen, kreiert Alain Resnais mit filmischen Stilmitteln eine Inszenierung, die auf das Theater rekurriert, indem nicht über, sondern durch das Theater erzählt wird, wobei visuelle und auditive ästhetische Konventionen in dem Medium Film verwirklicht werden.1 Alle drei Filme können demnach per definitionem unter dem Genre "Theaterfilm"2, der nicht mit abgefilmtem Theater (théâtre en conserve) oder traditionellen Formen der Theateradaption gleichzusetzen ist denn in dieser Form würde Intermedialität einen schlichten Medienwechsel oder
eine Medientransformation implizieren subsumiert werden.
Von Intermedialität zwischen Theater und Film kann jedoch erst dann die Rede sein, wenn Theater aufgrund seiner "spezifischen Technologie der Darstellung"3 den Status eines Mediums zugesprochen bekommt. Dies jedoch würde eine Abkehr von der strikten Definition Erika Fischer-Lichtes implizieren, die die leibliche Präsenz der agierenden und zuschauenden Personengruppen als eines der charakteristischen Merkmale, durch die sich die Kategorie der "Live-Performance" in ihrer Einzigartigkeit und Unwiederholbarkeit auszeichnet, begreift.4 In Anbetracht dessen werde ich mich in vorliegender Arbeit auf die theaterwissenschaftliche Intermedialitätswissenschaft berufen, die den Fokus ihrer Forschungsperspektive auf mediale Transformationen der Seh-, Hör- und Verhaltenskonventionen auf den Ebenen der Repräsentation, Thematisierung und der Realisierung anderer Medien im Theater legt.5 Meiner Ansicht nach kann Theater nach der Erfindung des Buchdrucks, den dadurch verfügbaren Dramentexten und mit Friedrich Kittlers Medienparameter Übertragung, Speicherung und Verarbeitung zweifellos als ,,Hypermedium", das sich dadurch auszeichnet, dass andere Medien in ihm eingeschrieben sind, klassifiziert werden.
Den Fokus der Analyse auf MÉLO setzend, überprüfe ich zunächst unter Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit, ob Alain Resnais′ Konzept tatsächlich darin besteht, ästhetische Konventionen des Theaters umzufunktionieren, um sie in die Formensprache des filmischen Mediums zu transferieren und ob während dieses Strukturverschiebungsprozesses Differenzen generiert werden, die zu einer Formveränderung führen, ohne dass der Film selbst zum Medium der Intermedialität wird.6
Inhaltsverzeichnis
- Theatralisierung des Films, kinematographisches Theater – Theaterfilm
- Korrespondenzen, Korrelationen, Interferenzen und Differenzen zwischen Theater und Film in Inszenierung und Rezeption am Beispiel von MÉLO
- Zwischen Referenz und Reflexion: Alain Resnais’ Spiel mit den dispositiven Anordnungen von Theater und Film
- Montage und Mise en scène in MÉLO. Eine praktische Filmanalyse anhand markanter ästhetischer Stilmittel
- Kamera, Schnitt und Montage
- Die Mise en scène: Raumkonzeption, Dekoration, Requisiten und Beleuchtung
- Organisationsformen von Raum und Zeit in MÉLO und SMOKING/NO SMOKING
- Formen intermedialer Bildkomposition
- Organisationsformen der zeitlichen Struktur
- Resümee und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die intermedialen Transformationsprozesse in den Theaterfilmen MÉLO und SMOKING/NO SMOKING von Alain Resnais. Die Hauptziele sind die Analyse von Resnais' Umgang mit ästhetischen Konventionen des Theaters im filmischen Medium und die Erforschung der resultierenden Differenzen und Korrespondenzen zwischen beiden Medien.
- Intermedialität zwischen Theater und Film
- Transformation theaterästhetischer Konventionen im Film
- Strukturvergleich der visuellen und akustischen Wahrnehmungsbedingungen von Theater und Film
- Analyse der filmischen Organisation von Raum und Zeit
- Das Zeit-Bild in den Filmen von Resnais
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in die Thematik der Theatralisierung im Film ein und definiert den Begriff des Theaterfilms im Kontext von Resnais' Werk. Kapitel 2 analysiert MÉLO im Detail. Es untersucht Resnais’ Spiel mit den dispositiven Anordnungen von Theater und Film, indem es die Integration theatralischer Zeichencodes in die filmische Inszenierung beleuchtet. Eine praktische Filmanalyse von MÉLO folgt, die Kameraführung, Schnitt, Montage und Mise en scène untersucht. Kapitel 3 befasst sich mit den Organisationsformen von Raum und Zeit in MÉLO und SMOKING/NO SMOKING, analysiert intermediale Bildkompositionen und die zeitliche Struktur der Filme unter Bezugnahme auf Deleuzes Zeit-Bild.
Schlüsselwörter
Alain Resnais, Theaterfilm, Intermedialität, MÉLO, SMOKING/NO SMOKING, Mise en scène, Montage, Kameraführung, Raum, Zeit, Zeit-Bild, Theatralisierung, Filmanalyse, mediale Transformationen.
- Arbeit zitieren
- B.A. Arwen Haase (Autor:in), 2006, Intermediale Transformationsprozesse in den Theaterfilmen "Mélo" und "Smoking/No Smoking" von Alain Resnais , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125288