Die Gründung einer Naturheilpraxis

Betriebswirtschaftliche Aspekte dargestellt an einem Fallbeispiel


Diplomarbeit, 2008

100 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

I. Abkürzungsverzeichnis

A. Grundlagen
0. Einleitung
1. Einführung zum Thema
1.1. Arbeitsschritte
1.2. Historischer Hintergrund
1.3. Aktuelle Umfragen zur Naturheilkunde
1.4. Zahlen und Fakten
1.5. Trends und Entwicklungen
1.6. Erfolgsfaktoren und Problemfelder des Berufsstandes
1.7. Persönliche Anforderungen
2. Rechtliche Erfordernisse
2.1. Rechtliche Grundlage des Heilpraktikerberufs
2.2. Relevante Gesetze und Vorschriften
2.2.1. Heilpraktikergesetz
2.2.2. Gesetzliche Einschränkungen
2.2.3. Wettbewerbsgesetze
2.2.4. Sonstige Vorschriften
2.3. Pflichten des Heilpraktikers
2.3.1. Berufsordnung
2.3.2. Aufklärungspflicht
2.3.3. Sorgfaltspflicht
2.3.4. Schweigepflicht
2.4. Behandlungsvertrag
2.5. Kontrollen
3. Betätigungsfelder
3.1. Haupttätigkeit als Therapeut
3.2. Nebentätigkeiten
3.2.1. Kurse, Seminare, Vorträge
3.2.2. Verband, Arzneimittelkommission, Prüfungsgremium
3.2.3. Veröffentlichungen
3.2.4. Lehrauftrag
3.2.5. Verkauf
4. Die Praxis
4.1. Ausbildung
4.2. Praxisneueröffnung
4.3. Rechtsform
4.4. Räumlichkeiten
4.5. Fortbildung
5. Praxisführung
5.1. Patientenmanagement
5.2. Mitarbeiterführung
5.3. Einkauf und Logistik
5.4. Arbeitsabläufe
5.5. Organisation der Praxis
5.6. Abrechnung
5.7. Netzwerke
6. Marketing
6.1. Marktforschung
6.1.1. Marktanalyse
6.1.2. Standortanalyse
6.2. Marketing - Mix
6.2.1. Die angebotenen Dienstleistungen
6.2.2. Preispolitik
6.2.3. Vertrieb der Dienstleistungen
6.2.4. Kommunikationspolitik
7. Finanzen
7.1. Finanzplanung
7.1.1. Planteil Investitionen und Abschreibungen
7.1.2. Planteil Fixkosten und variable Kosten
7.1.3. Planteil Markteinführungskosten und Gründungskosten
7.1.4. Planteil Einnahmen / Ausgaben und Gewinn / Verlust
7.1.5. Planteil Finanzierung und Liquidität
7.2. Steuern
7.2.1. Einkommenssteuer
7.2.2. Umsatzsteuer
7.2.3. Gewerbesteuer
7.2.4. Buchführung
7.2.5. Steuerberater
8. Risikomanagement
8.1. Krankenversicherung
8.2. Berufs- / Betriebshaftpflichtversicherung
8.3. Einrichtungs- / Betriebsversicherung
8.4. Berufsunfähigkeits- und Unfallversicherung
8.5. Strafrechtsschutzversicherung

B. Businessplan
1. Zeitpunkt der Gründung
2. Gründerperson
3. Gründungsvorhaben
4. Marktchancen
5. Marketingstrategie
6. Konkurrenz
7. Wettbewerbskonzepte
8. Zukunftsaussichten
9. Standort
10. Kostenplanung
11. Rentabilitätsvorschau
12. Gründungsfinanzplan
13. Rechtsform
14. Rahmenbedingungen

C. Schluss

II. Literaturverzeichnis

IV. Tabellenverzeichnis

V. Abbildungsverzeichnis

I. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Grundlagen

0. Einleitung

Zu Beginn der Arbeit möchte ich darauf hinweisen, dass im Text ausschließlich männliche Formen verwendet werden. Dies soll keine Diskriminierung des Weiblichen sein, sondern dient lediglich der besseren Lesbarkeit des Textes. Ziel der Arbeit ist die Erstellung eines schlüssigen und praktikablen Unternehmenskonzepts (Businessplans) für eine Naturheilpraxis auf der Basis eines fundierten, theoretischen Grundsteins, der im ersten Teil gelegt werden soll.

1. Einführung zum Thema

Bereits 1997 schrieb die damalige deutsche Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth im Heilpraktiker Jahrbuch, dass die Bedeutung der Naturheilkunde in den Jahren davor zugenommen habe [vgl. Foester 1997, 11]. Mittlerweile gehen an die zehn Millionen Bundesbürger regelmäßig oder gelegentlich zum Heilpraktiker. Das Bedürfnis nach Naturheilverfahren ist in den letzten Jahren nachhaltig gestiegen [vgl. VR 2003, 1]. „Heilpraktiker erkennen und heilen Krankheiten, die vor allem Störungen des seelischen und körperlichen Gesamtsystems sind, durch die Stärkung der natürlichen Abwehrkräfte. Dabei wenden sie Therapieverfahren an, die grundsätzlich aus der Natur- und Volksheilkunde übernommen sind, zum Beispiel Akupunktur[1], Irisdiagnose[2] und Homöopathie[3]." [Stat. BA 2006, 33] So lautet die Berufsdefinition die vom Statistischen Bundesamt verwendet wird. Zu den Aufgaben und Tätigkeiten eines Heilpraktikers gehören die Anamnese (Erfragen der Lebens- und Umweltbedingungen des Patienten) und das Erstellen einer Diagnose (Zuordnen von Beschwerden und Symptomen zu einem Krankheitsbild), das Führen von Beratungsgesprächen und das Durchführen therapeutischer Maßnahmen sowie die Organisation der Praxis. In der Auswahl der angewandten Diagnose und Therapieverfahren ist der Heilpraktiker völlig frei. Jedoch ist die zuständige Gesundheitsbehörde im Einzelfall ermächtigt, eine Behandlungsmethode, deren Wirksamkeit und Gefährlichkeit umstritten ist, durch Ordnungsverfügung zu untersagen (OVG NW, 4.12.1985, Az 13 A 959/84).

Während Ärzte und Heilpraktiker Heilberufen nachgehen, wird jeder anderen Tätigkeit am Patienten (z.B. Krankenschwester, Masseur, Physiotherapeut) die Bezeichnung Heilhilfsberuf zugeordnet. Die Unterscheidung liegt in der Verantwortung und der Entscheidungsfreiheit. Heilhilfsberufler dürfen nur auf Veranlassung eines Heilberuflers am Patienten tätig werden (BFH BStBl II 1998, 453). Diese Definitionen sind eine wichtige Voraussetzung für das Textverständnis und geben die Möglichkeit, nun genauer auf die Vorgehensweise dieser Arbeit einzugehen.

1.1. Arbeitsschritte

Zunächst werden im allgemeinen Teil der Arbeit die wichtigsten Punkte einer Existenzgründung als Heilpraktiker erläutert, Erfolgsfaktoren aufgezeigt und Problemfelder diskutiert. Im praktischen Teil der Arbeit wird dann ein Businessplan für einen Heilpraktiker erstellt, der sich in der Stadt X niederlassen möchte. Um der Arbeit einen überschaubaren Rahmen zu geben, müssen vorweg einige Annahmen getroffen werden, die nachfolgend aufgezählt und begründet werden.

Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei der zu gründenden Praxis um eine Einzelpraxis ohne Angestellte handelt. Deshalb werden die verschiedenen Rechtsformen und die Themen Mitarbeiterführung und Zusammenarbeit entsprechend kurz gehalten. Eine Umfrage, die das Wickert -Institut 1999 im Auftrag der Stiftung Deutscher Heilpraktiker zur wirtschaftlichen Situation von Heilpraktiker-Existenzen durchführte, ergab, dass 79 % aller Praxen Einzelpraxen ohne Angestellte sind [vgl. Kreß 2005, 5]. Der Anteil der Gemeinschaftspraxen beträgt dieser Umfrage zufolge 5 %, während eine Statistik zwei Jahre später nur 1 % zählte [vgl. Rebmann 2005, 5]. Im Folgenden wird auch nicht das Heilpraktikertum im Nebenerwerb diskutiert, sondern der Status der Vollexistenz, den der Wickert - Umfrage zufolge 70 % der Praxen erreichen [vgl. Kreß 2005, 5]. Es wird von einer Praxisneugründung ausgegangen. Das Thema Praxisübernahme wird aufgrund der geringeren praktischen Relevanz nicht diskutiert. Aufgrund der zahllosen Behandlungsmethoden und unterschiedlichen Philosophien ist die Übernahme einer Heilpraxis wesentlich komplexer als die Übernahme einer Arztpraxis. Gründe dafür sind die unterschiedliche Ausstattung, die für verschiedene Therapieverfahren benötigt wird, und das Phänomen, dass sich viele Heilpraxen in den Privathäusern der Praxisinhaber befinden, was eine Übernahme erschwert. Außerdem ist es sehr fraglich, ob die Patienten von einem Heilpraktiker zum anderen übergehen würden, oder ob sie sich ihren neuen Heilpraktiker nicht lieber selbst auswählen. Das Phänomen „Heilpraktiker" ist im übrigen kein neues, sondern blickt inzwischen auch in der Bundesrepublik auf eine lange Geschichte zurück.

1.2. Historischer Hintergrund

Die Gewerbeordnung von 1869 gab Bürgern im Deutschen Reich, die sich berufen fühlten, Krankheiten zu erkennen und zu heilen, die Möglichkeit, ein Schild an der Tür anzubringen und Kranke mit Schlangengift, Heilerde oder sonstigen, beliebigen Heilmitteln zu behandeln. Einzig das Ausüben der Heiltätigkeit im Umherziehen war verboten. Auf verschiedenen Jahrmärkten Heilelixiere anzubieten und Kranke zu behandeln, wie vormals üblich, war durch die Gewerbeordnung strafbar geworden. Unter dem nationalsozialistischen Regime wurde im Jahre 1939 ein Gesetz erlassen, das es für Heilkundige, die keine Ärzte waren, erforderlich machte eine Erlaubnis zu besitzen. Zugleich wurde den Heilern verboten, Ausbildungsstätten einzurichten. Somit war der Berufsstand auf Eis gelegt. Nur wenigen Ausnahmetalenten gelang es, durch ein Gutachtergremium zum Arzt für Naturheilkunde ernannt zu werden. Nach dem Krieg organisierten sich die Heilpraktiker und zogen vor Gericht. 1957 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass nach rechtsstaatlichen Grundsätzen jeder Bewerber einen Anspruch auf Erteilung der Berufserlaubnis besitzt [vgl. Mehler 1986, 121].

Abbildung 1: Zahl der Heilpraktiker mit eigener Praxis in der BRD

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: diverse Quellen des Literaturverzeichnis

Vor dem zweiten Weltkrieg betrug die Zahl der Heilpraktiker ca. 23 000, im Jahre 1960 gab es nur noch 2 700 zugelassene Heilpraktiker in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) [vgl. Engler 2007, 28]. Seit damals ist die Zahl der Heilpraktiker in der BRD stark angewachsen. Mehrere Statistiken belegen, dass es derzeit ca. 18 000 Heilpraxen gibt, bei jeder dritten handelt es sich jedoch um eine Teilzeitpraxis [vgl. Sparkasse 2004, 18].

Tabelle 1: Allgemeine Statistik für Heilpraktiker (Stand Januar 2008)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.adressen-im-trend.de/medizinadressen/heilberufe/heilpraktiker.html

Auffallend ist die starke Schieflage zwischen Praxen in Ost und West, was sich durch die gesetzliche Zulassung von Ausbildungsstätten in der BRD erklärt, die es in der DDR nicht gab. Zudem fällt auf, dass der Anteil an Praxen mit eigener Internetseite und E-Mail Adresse noch erstaunlich niedrig ist. Die Zahl derer, die eine Heilpraktikererlaubnis besitzen, dürfte hingegen über 100 000 liegen, so die Verbandsfunktionärin Monika Gerhardus in einem Telefongespräch. Dafür spricht auch Tabelle 2, die zeigt, dass in den Jahren 2000 bis 2006 allein in Bayern 4 673 Personen die Zulassung erfolgreich erworben haben.

Tabelle 2: Ergebnisse der zentralen Heilpraktikerüberprüfung in Bayern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Landratsamt Ansbach, Gesundheitsamt, Ansbach 2007

Viele, die eine Erlaubnis besitzen, beabsichtigen jedoch gar nicht, eine Heilpraxis zu gründen, beispielsweise Apotheker, die durch die Ausbildung nur ihr naturmedizinisches Wissen erweitern wollen. Andere scheitern an der Neugründung und müssen die Praxis bald wieder schließen. Trotzdem

bestätigen diverse Umfragen den Aufwärtstrend im Bereich der alternativen Medizin, was im Folgenden genauer dargelegt werden soll.

1.3. Aktuelle Umfragen zur Naturheilkunde

Prof. Dr. Josef Beuth vom Institut zur wissenschaftlichen Evaluation naturheilkundlicher Verfahren am Universitätsklinikum Köln belegt mit seiner repräsentativen PASCOE-Studie von 2007 die wachsende Bedeutung der Naturmedizin[4]: „80,9 % der Bevölkerung bevorzugen die Naturmedizin als Primärmedizin. 91,8 % versprechen sich eine bessere Wirksamkeit und weniger Nebenwirkungen. Fast ein Drittel der Befragten hält sich im Hinblick auf Naturmedizin für gut oder sehr gut informiert." [@Prof.Beuth 2007] Allerdings gilt das Vertrauen hinsichtlich der Informationen zur Naturmedizin vor allem Ärzten und Apothekern.

Dr. Edgar Piel vom Institut für Meinungsforschung in Allensbach veranschaulichte in seinem Eröffnungsreferat „Naturheilmittel im Spiegel der Demoskopie" beim 17. Deutschen Heilpraktikerkongress in Karlsruhe im Juni 2007 Einstellungen und Verbraucherverhalten im Trend. Seit 1970 ist der Anteil der Konsumenten von Naturheilmitteln von 52 % auf 66 % gestiegen, wobei der Anteil in den alten Bundesländern höher ist, als in den neuen. Unter den Verbrauchern befinden sich mehr Frauen als Männer. Vor allem in der Altersgruppe von 16 bis 44 Jahren hat sich der Anteil der Konsumenten von Naturheilmitteln seit 1970 deutlich erhöht. Freiberufler und Selbständige greifen häufiger zur Naturmedizin als beispielsweise Arbeiter. 66 % der Bevölkerung führen bei leichteren Erkrankungen eine Selbstmedikation[5] mit nicht verschreibungspflichtigen Mitteln aus der Apotheke durch. Vor 30 Jahren lag der Anteil bei nur 44 %. Sprachen sich damals noch 42 % gegen Selbstmedikation aus, sind dies heute nur noch 23 % der Bundesbürger. Naturheilkundlich stehen dabei vor allem Mineral- und Vitaminpräparate, sowie Arzneitees auf der Einkaufsliste. Nur in 9 % der Fälle wurden die Mittel von einem Arzt empfohlen; bei immerhin 14 % vom Apotheker. Überwiegend war die Kaufentscheidung aber durch Familientradition, Ratschläge von Freunden und den guten Ruf des Produkts beeinflusst. Die Gefahr von Nebenwirkungen

sahen 38 % bei chemischen Arzneimitteln als groß an, bei Naturheilmitteln jedoch nur 1 %. 69 % der Personen, die bereits Naturheilmittel benutzt hatten, erzielten gute Erfolge bei Erkältungskrankheiten. Bei allen anderen Beschwerdearten lagen die Erfolgsquoten nur zwischen 14 %> und 27 %>. Über 60 % der Bevölkerung greifen bei Krankheit und gesundheitlichen Beschwerden zum Teil auf Naturheilmittel zurück. Lediglich 4 - 5 % vertrauen ausschließlich den Naturpräparaten. Auch Kritik an den Ärzten und der Schulmedizin geht aus der Allensbach-Studie hervor. So beklagen 56 % der Bundesbürger den Zeitmangel der Ärzte und 45 %> den mangelnden Einsatz an alternativen Heilmethoden. Kritisiert werden zudem die mangelnde ganzheitliche Sichtweise, das fehlende Wissen über Naturheilmittel und die rasche Verordnung von starken Medikamenten.

Abbildung 2: Kritik an Ärzten und Schulmedizin

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Allensbacher Archiv, IfD - Umfrage 6094

Zudem sind 72 % der Deutschen überzeugt, dass viele körperliche Krankheiten psychische Ursachen haben. Die Haltung gegenüber psychologischer Beratung ist aber zweigeteilt, während Massagen, Vitamine und Akupunktur von der Mehrheit befürwortet werden. Die Bewertung der Naturheilkunde ist gespalten. 58 % des Gesamtbevölkerung wünschen sich mehr Ärzte und Therapeuten, die in diesen Verfahren geschult sind und 57 % glauben, dass mit Hilfe dieser Verfahren häufiger Patienten geheilt wurden, die die Schulmedizin schon aufgegeben hatte. 54 %> sind der Ansicht, dass es auf dem Gebiet der alternativen Heilkunde viele Scharlatane und Pfuscher gibt und 39 % trauen diesen Methoden keine Wirksamkeit bei schweren Erkrankungen zu. 81 % sehen die Chance, dass sich Schulmedizin und alternative Verfahren gegenseitig ergänzen. Waren es im Jahre 2001 nur 7 % der Bevölkerung, die Informationen über Medikamente im Internet suchten, so stieg die Zahl bis 2006 auf 27 %.

Die zunehmende Bedeutung des Internets für den Gesundheitsmarkt bestätigte auch eine von T - Online im Jahre 2002 durchgeführte Umfrage unter Internetnutzern, die rezeptfreie Gesundheitspräparate wie Schmerzmittel oder Vitamine kauften. 35 % informierten sich übers Internet, das somit als Informationsquelle noch vor dem Fernsehen und Zeitschriften landete. Auch diese Befragung bestätigte, dass Frauen auf dem Gesundheitsmarkt als Zielgruppe klar vor den Männern liegen [vgl. @CoMed 2007]. Aussagen wie diese lassen sich jedoch nur schwer mit Zahlenmaterial untermauern.

1.4. Zahlen und Fakten

Es gibt zwar den Dachverband „Die Deutschen Heilpraktikerverbände" (DDH), in dem die sechs größten Berufsverbände zusammengeschlossen sind um gemeinsam Kongresse zu veranstalten, jedoch konkurrieren die Verbände beim Anwerben neuer Mitglieder. Nicht zuletzt diese Zerstückelung bewirkt, dass die Zahlen und Statistiken auf dem Heilpraktikermarkt enorm voneinander abweichen. Monika Gerhardus, Organisatorin des größten deutschen Heilpraktikerkongresses in Karlsruhe, an dem 2007 über 4 000 Heilpraktiker teilnahmen, sprach im Rahmen der Eröffnungsrede von 14 000 den Beruf ausübenden Heilpraktikern mit einem jährlichen Marktvolumen der Abrechnungen in Höhe von derzeit ca. 1 Mrd. EUR. Dies sei allerdings nur eine vorsichtige Schätzung. Eine andere Quelle gibt schon für das Jahr 2002 einen Branchenumsatz für Heilpraktiker von 2,6 Mrd. EUR an, bei 18 000 praktizierenden Heilpraktikern [vgl. Rebmann 2005, 5]. Die Zahl, der von der zuständigen Berufsgenossenschaft erfassten Heilpraxen, hat sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Versichert werden müssen nur Angestellte in einer Heilpraxis, was dafür spricht, dass es in Deutschland weniger als 1000 Angestellte in Naturheilpraxen gibt.

Tabelle 3: Entwicklung der Zahl der erfassten Naturheilpraxen und deren Mitarbeiter durch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistik der BGW, Hamburg 2007

Hier besteht ein signifikanter Widerspruch zum Branchenbericht der Sparkassen - Finanzgruppe, die in ihrem Bericht auf Zahlenmaterial des Statistischen Bundesamtes zurückgreift, und bei 18 000 Heilpraktikern für eine Durchschnittspraxis von einer Mitarbeiteranzahl von drei Personen inklusive Praxisinhaber ausgeht [vgl. Sparkasse 2004, 19].

Auch bzgl. des Durchschnittsverdienstes von Heilpraktikern ergibt sich aus dem vorhandenen Zahlenmaterial kein klares Bild. Der Informationsdienst für Freie Berufe errechnete für das Jahr 2002 einen Durchschnittsgewinn vor Steuern von 62 843 EUR [vgl. Rebmann 2005, 13] und bewegt sich damit auf demselben Niveau wie der Branchenbericht der Sparkasse, der für das Jahr 2000 von 61 619 EUR Gewinn je Praxis spricht [vgl. Sparkasse 2004, 21]. Andererseits gab das Statistische Bundesamt in seinem Jahrbuch 2006 einen Durchschnittsgewinn für Heilpraktiker von 16 790 EUR an, während das Statistische Landesamt in Hessen für 2003 einen Wert von 16 820 EUR ermittelte.

Dass es sich beim naturheilkundlichen Markt um einen Wachstumsmarkt handelt, darüber herrscht hingegen Einigkeit. Als Beweis dafür gelten neben den Zahlen auch Indizien wie die Eröffnung der Deutschen Klinik für Naturheilkunde und Präventivmedizin (DKNP) und die erstmalige Übernahme von Akupunktur- und Homöopathiebehandlungen, allerdings durchgeführt von Ärzten für Naturheilverfahren, durch die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) [vgl. HVB 2006]. Die GKV bieten inzwischen naturheilkundliche Zusatzversicherungen an, die je nach Anbieter zwischen 60 und 80 % der Beträge von Heilpraktikerrechnungen bis zu einem Höchstbetrag von 300 bis 750 EUR pro Jahr übernehmen. Die Techniker Krankenkasse offeriert das Tarifmodell TK - Kombi Praxis Extra wobei 80% der Aufwendungen im Rahmen der Gebührenordnung für Heilpraktiker (GebüH) übernommen werden [vgl. Sparkasse 2004, 9]. Bei Privatversicherern gehören Heilpraktikerleistungen zwar nicht zwingend zum Basistarif, jedoch bietet nahezu jeder Versicherer ein Tarifmodell an, in dem Heilpraktikerleistungen enthalten sind.

Bis zum Jahre 2002 gab es nur zwei Lehrstühle für Naturheilkunde in Deutschland, an den Universitäten Rostock und Witten/Herdecke. Insgesamt gab es bundesweit gerade einmal 59 Veranstaltungen zum Themenbereich Naturheilkunde an deutschen Universitäten. Von den 36 medizinischen Fakultäten bot genau ein Drittel keinerlei Veranstaltungen an. Hier gab es in den letzten fünf Jahren große Veränderungen. Beispiele dafür sind der erste Lehrstuhl für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, die Einrichtung des Instituts zur wissenschaftlichen Evaluation naturheilkundlicher Verfahren an der Universität Köln sowie die onkologische Ambulanz für Naturheilverfahren an der Universität Jena.

Einerseits war es von Vorteil, dass viele Gebiete der Naturheilkunde bisher komplett den Heilpraktikern überlassen wurden, andererseits ist es für die naturheilkundliche Branche insgesamt von großer Bedeutung, dass die Forschung wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise für alternative Heilverfahren erbringt, um die Skepsis der Patienten zu dämpfen, und die Krankenkassen zur Ausweitung der Kostenübernahme zu zwingen. Die Carstens - Stiftung, gegründet und geleitet von der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Carstens, deren Zielsetzung die Integration von Naturheilverfahren an deutschen Hochschulen ist, hat im April 2007 eine Stiftungsprofessur zur Forschung in der Komplementärmedizin an der Berliner

Charite bewilligt. Der Schwerpunkt soll dabei in den Bereichen Naturheilverfahren, Homöopathie und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) liegen [vgl. Naturheilpraxis 2007, 737].

Auch im Profisport gibt es Tendenzen hin zur Naturmedizin. Der Mannschaftsarzt des Fußball - Bundesligisten 1. FC Schalke 04, Dr. med. Thorsten Rarreck, der Facharzt für Naturheilverfahren ist, setzt bei den Profis u.a. auf Entspannungstechniken, Kneipp-Anwendungen[6] und Phytotherapie[7] zur optimalen Vorbereitung auf den Leistungssport und zur nachhaltigen Ausheilung von Verletzungen [vgl. DHZ 2006, 27-30].

1.5. Trends und Entwicklungen

Im Zuge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) befindet sich auch die ambulante Krankenversorgung im Umbruch. Um wirtschaftliche Defizite auszugleichen entstehen neue Organisationsformen, wie z.B. interdisziplinär ausgerichtete medizinische Versorgungszentren (MVZ) [vgl. Sparkasse 2004, 1]. Unter Heilpraktikern ist die Spezialisierung und somit die Beteiligung an Formen der Zusammenarbeit noch weitgehend verpönt, wie sowohl aus der Literatur als auch aus Gesprächen mit diversen Heilpraktikerverbänden hervorging. Zudem ist eine Heilpraxis auch weniger kostenintensiv als eine Arztpraxis, weil weniger an teure Geräte gebunden und somit wirtschaftlich weniger auf Kooperationen angewiesen.

Trotzdem ist das Modell des MVZ auch für Heilpraktiker zukunftsweisend, da es sich hier nicht, wie bei einem Ärztehaus, um ein Modell der integrierten Versorgung handelt, sondern um eines der ganzheitlichen Versorgung. MVZ können auch von Heilpraktikern gegründet werden. Dabei können sich neben Ärzten auch Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Apotheken, Pflegediensten, Heilhilfsberufen und nicht zuletzt Heilpraktiker einer MVZ -Konstruktion anschließen und von den Synergie- und Spezialisierungseffekten profitieren. MVZ werden in Zukunft eine dominante Marktstellung einnehmen [vgl. Sparkasse 2004, 14].

Im nordamerikanischen Raum etablieren sich seit Jahren naturheilkundliche Zentren, die auf die Behandlung von Krebs spezialisiert sind. Organisatorisch und vermarktungspolitisch ist im Bereich der Versorgungszentren ein großes Aufholpotenzial für den deutschen Markt gegeben [vgl. Sparkasse 2004, 17].

1.6. Erfolgsfaktoren und Problemfelder des Berufsstandes

Trotz modernster Verfahren und gigantischen Forschungsausgaben, entwickelte sich der Anteil der Menschen, die an Krebs sterben von einem von 27 im Jahre 1900, über einen von 7 im Jahre 1940 auf einen von zwei im Jahr 2000. Auch bei den chronischen Erkrankungen zeigt sich das Versagen der Schulmedizin. Chronisch Kranke, ca. 20 % der Versicherten, verursachen 80 % der Gesamtausgaben für Gesundheit [vgl. Sparkasse 2004, 3/15]. Auf dem Gebiet der chronischen Erkrankungen werden von der Naturheilkunde große Erfolge erzielt. Als hoffnungslos abgeschriebene Fälle werden geheilt, der letzte Strohhalm für schulmedizinisch austherapierte Patienten ist der Heilpraktiker. Diesen wohl wichtigsten Erfolgsfaktor für die Heilpraktikerzunft mit Studien wissenschaftlich zu untermauern, könnte den Berufsstand nachhaltig etablieren und regelmäßig aufkeimenden Diskussionen über die Abschaffung des Heilpraktikertums die Grundlage entziehen. Vom Standpunkt des Patienten aus gesehen, ist ein weiterer Erfolgsfaktor des Heilpraktikers der Zeitaufwand. Wie bereits zuvor verdeutlicht, beklagen viele Bundesbürger den Zeitmangel der Ärzte. Der Zeitaufwand pro Patient beim Heilpraktiker ist ungleich höher. 30 bis 60 Minuten werden veranschlagt [vgl. VR 2003, 6]. Dadurch kann der Heilpraktiker zusätzlich eine seelsorgerische Aufgabe erfüllen und stärkt so das Vertrauen und die Beziehung zu den Patienten.

Zukunftsforscher sehen im Gesundheitsmarkt den boomenden Wirtschaftszweig der nächsten 20 Jahre. Dieser Markt umfasst nicht nur die Beseitigung von Krankheiten, sondern die Erhaltung der Gesundheit, Wellness, Fitness, Ganzheitlichkeit, Umweltbewusstsein und Spiritualität. Vom Heilpraktiker der Zukunft wird erwartet, sich dieser Themen anzunehmen, sie in seine Therapie einfließen zu lassen und diese Tendenz zu einem Erfolgsfaktor des gesamten Berufsstandes zu machen [@Businessletter 2005]. Eines der zentralen Problemfelder für Heilpraktiker ist die Berichterstattung in den Medien. Naturheilkundlich orientierte Zeitschriften erreichen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung - sie schaffen es nicht einmal in die Zeitungsläden - während die Pharma- und Ärztelobby sich der Massenmedien bedient, um Interessen durchzusetzen. Eindrucksvolle Beispiele hierfür sind das Buch „Die andere Medizin" von Krista Federspiel und Vera Herbst für die Stiftung Warentest in Berlin im Jahr 2005 erschienen, und der Heilpraktiker -Test im Öko-Test Jahrbuch „Gesundheit für 2006, herausgegeben von der Öko-Test Verlags GmbH in Frankfurt im Jahr 2007, in denen nahezu alle alternativen Heilverfahren und Therapeuten mit Etiketten wie „nutzlos", „nicht nachweisbar" bis hin zu „gefährlich" versehen werden und nur wenige Verfahren, die ergänzend zur Schulmedizin eingesetzt werden können, das Prädikat „geeignet" erhalten. Das Image der Heilpraktikerschaft bleibt dadurch schlecht, die Seriosität der Branche wird angezweifelt. Hier ist die Arbeit der Verbände gefragt, ihren Einfluss geltend zu machen und das Bild der Öffentlichkeit positiv zu beeinflussen.

Seit dem 1.1.2004 wurden nahezu alle naturheilkundlichen Präparate von Seiten der Gesundheitspolitik aus dem Leistungskatalog der GKV ausgegliedert. Experten befürchten, dass nicht nur natürliche Arzneien, sondern auch die Behandlungen von Heilpraktikern, nicht nur aus dem gesetzlichen, sondern auch aus dem privaten Gesundheitsmarkt gedrängt werden, da möglicherweise die Herstellung vieler pflanzlicher Heilmittel aufgrund sinkender Verkaufszahlen eingestellt werden muss und somit vielen Heilpraktikern die Therapiebasis entzogen wird [vgl. Sparkasse 2004, 3-4]. Denn, wie die Continentale - Studie 2003 zur Ausgabenbereitschaft für Zusatzversicherungen zeigte, sind nur 13 % der Bevölkerung bereit 10 EUR oder mehr im Monat zusätzlich für Naturheilkunde auszugeben [vgl. Sparkasse 2004, 10].

Auch die Kommunikation zwischen den Heilpraktikern und dem naturheilkundlich orientierten Bevölkerungsanteil klappt nicht reibungslos. Wie eine Studie des Europäischen Gesundheitszentrums für Naturheilverfahren zeigte, wurden viele klassische Naturheilverfahren auf Anraten Dritter oder auf Empfehlung des Arztes in Anspruch genommen, darunter auch die Akupunktur. Lediglich bei eigenständigen Therapierichtungen wie Homöopathie, TCM und ayurvedischer Medizin[8] waren Heilpraktiker die primären Ansprechpartner [vgl. Sparkasse 2004, 8].

Dieses Problem verdeutlichen auch die Zahlen zu den Marktanteilen einzelner Therapieformen auf dem Markt für Naturheilkunde. Dabei hat die Akupunktur einen Marktanteil von über 40 %, während die Homöopathie lediglich auf ca. 16 % kommt [vgl. Rebmann 2005, 7]. Aber nicht nur gesellschaftliche

Gegebenheiten nehmen Einfluss auf die Möglichkeiten von Heilpraktikern, auch persönliche Charakteristika spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg einer Praxis.

1.7. Persönliche Anforderungen

Studien der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) haben verdeutlicht, dass die Gründerperson die Schlüsselrolle für den Gründungserfolg spielt. Studien weltweit haben ähnliche Merkmale hervorgebracht, die Aussagen zum Profil von Gründerpersonen ermöglichen. Es wurden dabei soziologische und demographische Faktoren ermittelt. In der Regel ist das Alter bei der Gründung Anfang 30, oft ist die Person das Erstgeborene unter Geschwistern und stammt eher aus einer Familie von Selbstständigen als aus dem Arbeiter- oder Angestelltenmilieu. Der überwiegende Anteil der Gründer ist männlich, besitzt einen akademischen Abschluss und realisiert eine Idee aus dem jeweiligen Fachgebiet. Die Ausbildung nimmt somit eine Schlüsselposition für das Gründungsverhalten ein. Psychologische Merkmale lassen ebenfalls Rückschlüsse auf den Erfolg von Gründerpersonen zu. Die statische Verhaltensforschung hebt drei zentrale Faktoren (Leistungs-, Planungs- und Machtmerkmale) hervor: Zu den Leistungsmerkmalen zählen Chancenwahrnehmung, Engagement, Ausdauer und Risikofreude. Planungsmerkmale hingegen enthalten Zielbildung, Planung, Kontrolle und Informationsbeschaffung während bei den Machtmerkmalen Überzeugungskraft, Netzwerkfähigkeit und Selbstvertrauen im Vordergrund stehen. Als allgemeingültig werden fünf Bereiche genannt, über die erfolgreiche Gründer verfügen müssen: Demnach sollten Gründerpersonen über eine feste Wertebasis, ökonomische Kreativität, Entscheidungsfähigkeit, betriebswirtschaftliche Kompetenz und eine Führungsqualifikation verfügen. Die situative Verhaltensforschung gibt zudem Aufschluss über die Umweltfaktoren, die die Gründermotivation beeinflussen: Zu den sieben signifikanten Ursachen gehören die Frustration über die Möglichkeiten in der bisherigen Arbeitsumgebung, ein hohes Kündigungsrisiko bzw. Arbeitslosigkeit, der Wunsch ein höheres Einkommen zu erzielen, eigenverantwortliches Arbeiten, die Möglichkeit sich zu beweisen, eigene Ideen zu verwirklichen und nicht zuletzt das Prestige das ein eigenes Unternehmen mit sich bringen kann [vgl. Kollmann 2005, 171].

Neben den persönlichen Anforderungen, spielen auch rechtliche Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle bei der Unternehmensgründung.

2. Rechtliche Erfordernisse

Wie jeder andere anerkannte Berufsstand, unterliegt auch die Tätigkeit des Heilpraktikers der Gesetzgebung. In diesem Kapitel werden alle berufsspezifisch wichtigen Gesetze, die aktuelle Rechtsprechung und die Standesregeln aufgeführt und erläutert.

2.1. Rechtliche Grundlage des Heilpraktikerberufs

Ein interessanter Aspekt der Gesetzgebung im Allgemeinen ist die oft nicht vorhersehbare Wirkung. So geschehen im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Heilpraktikergesetzes (HeilprG) im Jahre 1939. Grund des Erlasses war ursprünglich die Abschaffung des Berufsstandes, welche durch das Verbot von Ausbildungsstätten gewährleistet werden sollte. Der damalige Reichspropaganda - Minister Dr. Joseph Goebbels bezeichnete das Gesetz dementsprechend als „Wiege und Grab des Heilpraktikerstandes" [vgl. Speicher 1974, 262].

„Die zunächst in „besonders begründeten Ausnahmefällen" erteilte Erlaubnis der Berufsausübung des Heilpraktikers ist seit der Entscheidung des BVerwG vom 24.01.1957 (BVerwGE 4, 250) jedem zu erteilen, der die Voraussetzungen erfüllt." [Wilcke 2005, 7]

2.2. Relevante Gesetze und Vorschriften

In diesem Abschnitt werden vor allem die für die Praxiseröffnung maßgeblichen Gesetze, Verordnungen und Richtlinien erklärt.

2.2.1. Heilpraktikergesetz

Das Heilpraktikergesetz (HeilprG) vom 17.02.1939 regelt die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Approbation). Wer diese nicht besitzt, bedarf nach § 1 (1) HeilprG der Erlaubnis. Unter der Ausübung der Heilkunde wird laut § 1 (2) HeilprG jede berufs- oder gewerbsmäßige Tätigkeit verstanden, die zur Feststellung, Heilung und Linderung von Krankheiten, Leiden und Körperschäden beim Menschen dient.

Das Ausüben der Heilkunde im Umherziehen ist nach § 3 HeilprG untersagt und wird als Ordnungswidrigkeit gemäß § 5a HeilprG geahndet. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines festen Praxisstandortes. Wer ohne Erlaubnis die Heilkunde betreibt, macht sich nach § 5 (1) HeilprG strafbar. Sinngemäß wird die Erlaubnis nur erteilt, wenn der Antragssteller laut § 2 (1) DVO - HeilprG mindestens 25 Jahre alt ist, eine abgeschlossene Volksschulausbildung nachweisen kann, sittlich zuverlässig sowie körperlich und geistig gesund ist und sich aus dem Nachweis seiner Kenntnisse und Fähigkeiten bei der amtsärztlichen Überprüfung beim Gesundheitsamt ergibt, dass er keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Die sittliche Zuverlässigkeit sieht der Gesetzgeber nicht gegeben, wenn ein Bewerber innerhalb von viereinhalb Jahren wegen verschiedener Delikte straffällig geworden ist (VGH Mannheim v. 19.12.1986, 9 S 1385/85). Zu einer Rücknahme der Erlaubnis gemäß § 7 DVO - HeilprG kommt es, wenn nachträglich Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis rechtfertigen würden. Das Verabreichen von Rauschmitteln an Patienten während einer Therapiesitzung begründet Zweifel an der sittlichen Zuverlässigkeit eines Heilpraktikers (VG Stuttgart v. 1.2.1999, MedR 2000, 277).

Die Zulassung als Heilpraktiker ist nur für Nichtärzte möglich (VG München v. 27.6.1995, MedR 1996, 229; Taupitz, MedR 1996, 234). Zahnärzte und Tierärzte können die Erlaubnis erhalten (BVerwG v. 2.3.1967, BVerwGE 26, 254). Verfassungswidrig ist die Forderung nach deutscher Staatsangehörigkeit, um Heilpraktiker werden zu dürfen (BVerfG v. 10.5.1988, MedR 1988, 299) [vgl. Wilcke 2005, 7].

Aus § 1 (3) HeilprG ergibt sich die Pflicht, die Berufsbezeichnung Heilpraktiker zu führen. Dies gilt jedoch nicht für die eingeschränkte Zulassung zur Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie. Hier ist eine der Berufsbezeichnungen „psychotherapeutischer Heilpraktiker" oder „Heilpraktiker (Psychotherapie)" zu führen. Aus Gründen des Patientenschutzes dürfen die Bezeichnungen „Psychotherapeut" bzw. „Psychologischer Psychotherapeut" nicht mehr von psychotherapeutisch tätigen Heilpraktikern geführt werden (BVerfG v. 16.3.2000, NJW 2000, 1779). Die eingeschränkte Zulassung auf dem Gebiet der Psychotherapie besteht seit dem „Psychologenurteil" des Bundesverwaltungsgerichts Berlin vom 10.02.1983 (BVerwGE 66, 367). Die Bezeichnungen „Tier"-, „Sport"- oder „Kinderheilpraktiker" stellen keinen gesetzlich legitimierten Berufsstand dar, sondern sind reine Fantasieschöpfungen [vgl. Rittmeyer 1998, 128].

Aber auch der allgemein zugelassene Heilpraktiker unterliegt weiteren gesetzlichen Einschränkungen.

2.2.2. Gesetzliche Einschränkungen

Die weitreichenden Befugnisse, die dem Heilpraktiker durch das Heilpraktikergesetz eingeräumt werden, sind in der Praxis durch zahlreiche andere Gesetze beschnitten. Die folgenden Einschränkungen sind für die amtsärztliche Heilpraktikerprüfung relevant [vgl. Richter 1996, 12-17]:

Die Ausübung der Leichenschau und die Ausstellung von Totenscheinen ist auf Basis der 3. Durchführungsverordnung (DVO) zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens den Ärzten vorbehalten.

Polizeilich angeordnete Blutentnahmen und deren Untersuchung dürfen laut § 81 a u. c Strafprozessordnung (StPO) nur von Ärzten durchgeführt werden.

Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) dürfen von Heilpraktikern nicht verordnet bzw. verabreicht werden. Schon die Verschreibung gemäß § 29 (1a) BtMG ist strafbar.

Die Behandlung von Erkrankungen im Mundbereich sind dem Heilpraktiker durch § 1 (1) des Zahnheilkundegesetzes (ZHG) verboten.

§ 4 des Hebammengesetzes (HebG) behält die Geburtshilfe Ärzten und Hebammen vor. Notfälle sind davon ausgenommen.

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) löste 2001 das Bundesseuchengesetz (BSG) ab und schließt das frühere Geschlechtskrankheitengesetz (GeschlKrG) mit ein. Aufgeführt werden u.a. alle Krankheiten und Erreger, bei denen der Heilpraktiker Behandlungsverbot bzw. Meldepflicht hat.

Der Personenkreis, der in Berufsausübung Röntgenstrahlen auf Menschen anwenden darf, ist in § 23 der Röntgenverordnung (RöV) aufgelistet. Der Heilpraktiker zählt nicht dazu.

Der Heilpraktiker darf nur frei verkäufliche Arzneimittel, wie z.B. Heiltees,

Johanniskraut etc. und apothekenpflichtige Medikamente, die nicht verschreibungspflichtig sind, gemäß § 48 Arzneimittelgesetz (AMG)[9] verordnen.

2.2.3. Wettbewerbsgesetze

Für Arzneimittel und Therapie gelten spezifische Wettbewerbsregeln. Die Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH) nennt in Artikel 8 die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Werbung, die zu beachten sind. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) von 1965 dient dazu, dem Verbraucher möglichst sachliche Informationen auf dem Gebiet des Heilwesens zu gewährleisten. Hervorzuheben sind der § 4 HWG, der Irreführung und Täuschung bei der Werbung für Arzneimittel[10], andere Mittel und Behandlungsverfahren regelt, sowie § 9 HWG, der Fernbehandlungen verbietet [vgl. Vormwald 2004, 95].

Ansonsten betreffen die Regelungen die Werbung innerhalb und außerhalb der Fachkreise. Für Ordnungswidrigkeiten werden Geldbu ßen gemäß § 15 (3) HWG auferlegt, bei Irreführung muss laut § 14 HWG mit Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr oder Geldstrafen gerechnet werden.

Der stellvertretende Sprecher der Arzneimittelkommission (AMK) Arne Krüger wies kürzlich darauf hin, dass auf Homepages und in Werbemedien von Heilpraktikern Folgendes per HWG verboten ist: Werbung mit nicht anerkannten Berufsbezeichnungen (Osteopath, Akupunkteur oder Homöopath); Reklame mit der Krankengeschichte von Patienten; die bildliche Darstellung von Veränderungen des menschlichen Körpers im Laufe der Behandlung; Werbung mit Dankschreiben von Patienten und das Anbieten von Gutscheinen für die Behandlung [vgl. HP/VH 2007, 48-49]. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 03.07.2004 beinhaltet allgemeinere Regelungen zum Thema Werbung. § 3 UWG verbietet unlauteren Wettbewerb. In § 4 UWG werden dann Beispiele für unlauteres Handeln genannt. § 5 UWG regelt die unzulässige Irreführung des Verbrauchers, wohingegen sich § 6 UWG mit nicht gestatteter vergleichender Werbung beschäftigt.

Das HWG und das UWG unterscheiden sich insofern, dass das HWG speziell auf Heilberufe abgestimmt wurde, wohingegen das UWG allgemeiner gefasst und für sämtliche Märkte von Bedeutung ist. Es gibt aber auch Vorschriften die unmittelbar mit dem Betreiben einer Praxis in Zusammenhang stehen.

2.2.4. Sonstige Vorschriften

Anmeldungen einer Naturheilpraxis müssen beim Gesundheitsamt, beim Finanzamt sowie bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) erfolgen. Falls in der Praxis Musik gespielt werden soll, und sei dies nur über das Radio im Wartezimmer, müssen an die Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte (GEMA) Gebühren bezahlt werden [vgl. Schicke 2006, 78-82].

Weitere relevante Gesetze und Vorschriften sind die Bayerische Hygieneverordnung, deren Einhaltung der Überprüfung durch das Gesundheitsamt unterliegt, die Unfallverhütungsvorschriften für Kleinbetriebe, welche die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung regeln, das Medizinproduktegesetz[11] (MPG), welches das AMG ergänzt, Abfallverordnungen zur Entsorgung von Praxismüll, die Verordnung über das Mess- und Eichwesen für medizinische Messgeräte (z.B. Fieberthermometer, Blutdruckmessgerät) und relevante Bauvorschriften bei Umbaumaßnahmen oder Nutzungsänderungsanträgen[12] [vgl. Zizmann 1998, 58-66]. Das Markenrecht kann in der Praxis dann eine Rolle spielen, wenn eine bestimmte Therapie markenrechtlich geschützt ist. Rolfing[13] ist beispielsweise ein eingetragenes Warenzeichen. Nur wer die vorgeschriebene Ausbildung absolviert und abgeschlossen hat, darf den Namen benutzen und die Methode anwenden [vgl. Wagner 2004, 34-35]. Auf die Einhaltung des Markenrechts muss auch in Veröffentlichungen und bei Werbemaßnahmen geachtet werden. Falls ein Internetauftritt geplant wird, ist zusätzlich das Teledienstgesetz (TDG) zu beachten. § 6 TDG regelt die allgemeinen Informationspflichten, also die persönlichen Daten, die das Impressum der Seite enthalten muss.

2.3. Pflichten des Heilpraktikers

Für den Heilpraktiker besteht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) keine Sozialversicherungspflicht aber seit dem 1.1.2009 Krankenversicherungspflicht. Es müssen keine Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung bezahlt werden. Dies induziert jedoch die Notwendigkeit einer privaten Vorsorge für Alter und Arbeitslosigkeit [vgl. Kreß 2006, 18]. Weitere Pflichten ergeben sich aus der Rechtssprechung und der Berufsordnung.

2.3.1. Berufsordnung

Die Berufsverbände der Heilpraktiker sind Vereine ohne hoheitliche Befugnisse. Diese Befugnisse hat zum Beispiel die Ärztekammer gegenüber allen Ärzten, wobei die Mitgliedschaft verpflichtend ist. Heilpraktiker können jedoch unter verschiedenen Berufsverbänden auswählen oder auch keinem Verband angehören.

Die Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH) umfasst 29 Artikel. Sie wurde von den Deutschen Heilpraktikerverbänden[14], die 90% aller berufsausübenden Heilpraktiker vertreten, beschlossen und trat am 1. Oktober 1992 in Kraft. „Kein Heilpraktiker kann gezwungen werden, sich an diese Regeln zu halten. Allerdings kann ein Verband ein Mitglied ausstoßen, wenn es dagegen verstößt." [Schicke 2006, 138]

Dass die BOH keine gesetzliche Bindung hat, geht aus dem Umkehrschluss des BGH - Urteil vom 29.06.1989, Az I ZR 166/87, hervor. Demnach werden die guten Sitten des Wettbewerbs durch die übereinstimmende Auffassung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise - also dem einheitlichen Empfinden aller Heilpraktiker festgelegt [vgl. Vormwald 2004, 100].

2.3.2. Aufklärungspflicht

Artikel 4 der BOH nennt drei wesentliche Aspekte der Aufklärungspflicht des Behandlers gegenüber dem Patienten. Zunächst muss über die Art und

voraussichtliche Dauer sowie die Risiken der Behandlung Auskunft gegeben werden. Wirtschaftlich ist der Patient über die möglichen Kosten zu informieren und ggf. über die Kostenübernahme durch die privaten Krankenkassen. Falls eine schulmedizinische Behandlung durch Medikamente, spezielle Untersuchungen oder eine Operation indiziert ist, und diese vom Heilpraktiker nicht durchgeführt werden kann, ist der Kranke darüber nachdrücklich aufzuklären. Sinnvoll ist es darüber hinaus, alle getroffenen Maßnahmen in der Patientenakte zu dokumentieren. Nicht zuletzt deshalb wird in Artikel 4 der BOH auch die Dokumentationspflicht angesprochen; denn der Patient einer Heilpraxis hat Anspruch auf Einsichtnahme in die ihn betreffenden Behandlungsunterlagen (LG Köln v. 16.6.1993, MedR 1994, 408). Wird ein Patient nicht ausreichend informiert, ist die Einwilligung in die Behandlung unwirksam. Daraus können sich haftungsrechtliche, strafrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen für den Therapeuten ergeben [vgl. Zizmann 1998,171]. Es gilt allgemein die regelmäßige Verjährungsvorschrift nach § 195 (1) Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von drei Jahren. Im Falle einer Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne kann es dann zu Schadenersatzforderungen kommen, die von der Berufshaftpflichtversicherung aufgrund der Verletzung der Aufklärungspflicht nicht übernommen werden.

Hinsichtlich der Anforderungen an die Aufklärungspflicht gelten die für Ärzte entwickelten Grundsätze (OLG München v. 26.4.1989, VersR 1991, 471; OLG Hamm v. 5.11.1986, VersR 1987, 1019; kritisch Taupitz, NJW 1991, 1505). Dem Urteil des OLG Hamm zufolge muss aber der Patient den Beweis erbringen, dass der Gesundheitsschaden auf dem Eingriff beruht, über den er nicht aufgeklärt wurde [vgl. Wilcke 2005, 10]. Neben der Aufklärung des Patienten, werden auch an die anzuwendende Sorgfalt hohe Ansprüche von Seiten des Gesetzgebers gestellt.

2.3.3. Sorgfaltspflicht

„Der Heilpraktiker stellt sein ganzes Wissen und Können in den Dienst seines Berufes und wendet jede mögliche Sorgfalt in der Betreuung seiner Patienten an." So steht es in Artikel 4 der BOH. Ein Verstoß gegen die gebotene Sorgfalt liegt vor, wenn der Heilpraktiker eine Methode anwendet, mit deren Handhabung und Risiken er sich nicht in erforderlichem Maße vertraut gemacht hat (BGH v. 29.1.1991, NJW 1991, 1536; Eberhardt, VersR 1986, 110 mit Belegen und weiterführenden Nachweisen). Er ist weiterhin verpflichtet, sich über die Fortschritte der Heilkunde zu unterrichten und Erkenntnisse zu Nutzen und Risiken der von ihm angewandten Heilverfahren zu berücksichtigen (BGH v. 29.1.1991, NJW 1991, 1536). Wenn bei einem Krebspatienten ein bestimmtes Heilverfahren praktiziert wird, übernimmt der Heilpraktiker die therapeutische Verantwortung und muss mindestens den Sorgfaltsstandard eines Arztes für Allgemeinmedizin garantieren (OLG Stuttgart v. 21.4.1998, VersR 1999, 1027) [vgl. Wilcke 2005, 10]. Stellt der Heilpraktiker fälschlicherweise die Diagnose „Krebs" und teilt dem Patienten dies mit, stellt dies eine Gesundheitsverletzung nach § 823 BGB dar und begründet einen Schmerzensgeldanspruch (OLG Braunschweig v. 7.10.1988, VersR 1990, 57). Weiterhin haftet der Heilpraktiker z.B. für die Folgen eines Abszesses durch eine Spritze, wenn die Injektion eines Aufbaupräparates nicht indiziert war und durch eine entsprechende orale Zuführung ersetzt werden hätte können (OLG Bamberg v. 27.11.2000, VersR 2002, 323). Die geforderte Sorgfalt in der Tätigkeit wird auch im Bezug auf das Bewahren von Berufsgeheimnissen vom Heilpraktiker verlangt.

2.3.4. Schweigepflicht

Zum einen ergibt sich die Pflicht zur Verschwiegenheit aus Artikel 3 der BOH, worin u.a. geregelt ist, dass auch die Mitarbeiter über die Schweigepflicht zu belehren sind. Auch gegenüber Familienangehörigen ist diese einzuhalten. Berufsgeheimnisse dürfen nur in notwendigem Maße gegenüber den Krankenversicherungen und bei Entbindung von der Pflicht durch den Patienten selbst an Dritte weitergegeben werden.

Rechtlich besteht die Schweigepflicht durch die vertraglichen Nebenpflichten aus dem Dienstvertrag[15]. Dabei hat der Therapeut über alles, was er im Zusammenhang mit der Behandlung erfährt, Stillschweigen zu bewahren. Durch das für den Behandlungserfolg erforderliche besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Heilpraktiker und dem Patienten ergibt sich die sogenannte Leistungstreuepflicht. Eine Verletzung dieser Pflicht durch das Weitergeben von Berufsgeheimnissen kann zivilrechtlich zu Schadensersatzansprüchen für den betroffenen Patienten führen [vgl. Zizmann 1998, 170].

Der Heilpraktiker unterliegt aber keiner strafrechtlich sanktionierten Schweigepflicht nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB). Im Strafprozess besteht somit kein berufsspezifisches Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO. Im Zivilprozess besteht dieses Recht jedoch nach § 383 (1) Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO).

„Für die Verarbeitung personenbezogener Daten ist zudem das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu beachten." [Wilcke 2005] Wichtig in diesem Zusammenhang sind auch die Regelungen bzgl. des Behandlungsvertrages.

2.4. Behandlungsvertrag

Wenn nicht explizit ein Behandlungsvertrag zwischen dem Therapeuten und dem Patienten abgeschlossen wurde, entsteht der Vertrag dann, wenn ein Patient um Behandlung bittet und der Heilpraktiker diese beginnt. Die rechtliche Konsequenz ist ein Dienstvertrag gemäß § 611 BGB. Er kann schriftlich, mündlich oder, wie oben beschrieben, durch konkludentes Handeln entstehen.

Der Heilpraktiker wird zur Leistung von Diensten verpflichtet und erhält daraus einen Anspruch auf Vergütung durch den Patienten. Soweit nichts anderes vereinbart wurde, kann der Patient von der üblichen Vergütung ausgehen, die sich an der Gebührenordnung für Heilpraktiker (GebüH) orientiert. Die Fälligkeit des Honorars ist jedoch nicht vom Erfolg der Behandlung abhängig. Der Patient kann die Behandlung jederzeit abbrechen. Der Therapeut kann dies tun, wenn der Patient wichtige Maßnahmen oder Medikamente verweigert oder sein Verhalten das Ziel der Behandlung gefährdet oder sogar kontraproduktiv wirkt. Hier könnte dann allenfalls eine sittliche Verpflichtung zur Weiterbehandlung bestehen, wenn ein anderer Therapeut nicht oder nur unter unzumutbarem Aufwand erreichbar wäre. Der Heilpraktiker muss den Patienten an Ärzte und Kollegen weiterverweisen, sobald er sich selbst außerstande fühlt, dem Kranken zu helfen. Eine Behandlungspflicht ergibt sich lediglich aus § 323c StGB, wenn es sich um Unglücksfälle, Gefahr oder Not handelt, also Situationen, in denen jedermann zur Hilfe verpflichtet ist. Unterlassene Hilfeleistung wird bei Angehörigen von Heilberufen ungleich strenger ausgelegt [vgl. Zizmann 1998, 137 u. 169-170]. Es werden aber nur solche Verrichtungen vom Vertrag erfasst, die ärztliche und medizinische Fachkenntnisse erfordern. Z.B. stellt das Anbringen eines Piercings unter Verwendung von örtlicher Betäubung die Ausübung der Heilkunde dar (VGH Kassel v. 2.2.2000, NJW 2000, 2760). Geringfügige

Heilmaßnahmen, wie das Messen von Körperfunktionen oder das analysieren von Körperflüssigkeiten fallen nicht darunter. Die Ausübung der Geomantie[16] wird ebenso wenig als Heilbehandlung angesehen (BGH v. 29.6.1987, NJW 1987, 2928). Da das Handauflegen zum Zwecke der Heilung und Linderung von Krankheiten und Beschwerden durchgeführt wird und medizinische Fachkenntnisse erfordert, fällt die Behandlung mit Reiki unter die Ausübung der Heilkunde (OVG NRW v. 2.12.1998, MedR 2000, 46) und ist somit Teil des Behandlungsvertrags [vgl. Wilcke 2005, 9-10].

Die Ausübung bestimmter therapeutischer Verfahren zu überprüfen ist nicht vorgesehen, trotzdem kann der Praxisinhaber hinsichtlich der Einhaltung gewisser Vorschriften kontrolliert werden.

2.5. Kontrollen

Kontrollen einer Naturheilpraxis können von verschiedenen Stellen ausgehen. Gemäß Artikel 21 BOH unterstellt sich der Heilpraktiker im Sinne des Berufsstandes der Aufsicht durch seinen Berufsverband, der somit berechtigt ist, Auskünfte einzuholen und sich von der Art der Ausübung der Heilkunde ein Bild zu machen. Artikel 22 BOH räumt dem Verband zusätzlich das Recht der Prüfung des Heilpraktikers bei erheblichen Zweifeln an Wissen und Befähigung ein. Artikel 23 ermahnt zur Standesdisziplin und Kollegialität. Die Trinkwasserverordnung und die Durchführungsverordnung zur Kontrolle der Berufsausübung des Heilpraktikers geben dem Gesundheitsamt ein Betretungs- bzw. Untersuchungsrecht der Praxisräume. Im Normalfall wird der Besuch vorher angekündigt und mit dem Praxisinhaber abgestimmt. Im Auftrag des Gesundheitsamts kann zudem das Ordnungsamt eingeschaltet werden. Das Bauordnungsamt ist zur Kontrolle der Einhaltung aller baurechtlichen Vorschriften berechtigt. Möglicherweise kann es aufgrund von Umbau- und Renovierungsarbeiten in der Praxis zu einer Kontrolle kommen. Diese ist vorher vom Bauordnungsamt anzukündigen. Kleinbetriebe wie Naturheilpraxen werden vom Finanzamt in der Regel alle 10 Jahre oder seltener überprüft. Eine Außenprüfung wird vorher angekündigt.

[...]


[1] Heilmethode der Traditionellen Chinesischen Medizin durch Einsetzen von Metallnadeln

[2] Diagnose von Krankheiten aufgrund von Veränderungen der Farb- und Strukturmuster der Regenbogenhaut des Auges

[3] Heilbehandlung mit hoch verdünnten, dynamisierten Arzneimitteln

[4] Unter Naturmedizin versteht man alle Medikamente aus dem Bereich der Homöopathie und der pflanzlichen Arzneimittel.

[5] Unter Selbstmedikation versteht man, dass jemand bei Erkrankung das Medikament, das zur Besserung führen soll, selbst auswählt und kauft.

[6] Wasseranwendung wie Wechselbäder, Güsse und Trockenbürsten

[7] Alle pflanzlichen Präparate, Kräuter und homöopathische Mittel

[8] Traditionelle Medizin Indiens

[9] Das AMG regelt die Verschreibungspflicht von Medikamenten.

[10] im Sinne des § 2 Arzneimittelgesetz

[11] Das MPG regelt den Umgang mit Medizinprodukten die nicht unter das AMG fallen.

[12] Ein Nutzungsänderungsantrag beim Bauamt wird notwendig wenn Privaträume im eigenen Haus zu gewerblichen Praxisräumen umfunktioniert werden sollen.

[13] Beim Rolfing handelt es sich um eine tiefe manuelle Behandlung des Bindegewebes begründet durch die amerikanische Biochemikerin Ida Rolf.

[14] Zu den Deutschen Heilpraktikerverbänden zählen die sechs großen Berufsverbände: Bund Deutscher Heilpraktiker (BDH), Fachverband Deutscher Heilpraktiker (FDH), Freie Heilpraktiker (FH), Freier Verband Deutscher Heilpraktiker (FVDH), Union Deutscher Heilpraktiker (UDH), Verband Deutscher Heilpraktiker (VDH)

[15] siehe Kapitel 2.4. Behandlungsvertrag

[16] Unter Geomantie versteht man das Aufspüren von Erdströmungen und Erdstrahlen, sowie die Abschirmung dagegen.

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Die Gründung einer Naturheilpraxis
Untertitel
Betriebswirtschaftliche Aspekte dargestellt an einem Fallbeispiel
Hochschule
Fachhochschule Regensburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
100
Katalognummer
V125314
ISBN (eBook)
9783640300662
ISBN (Buch)
9783640306978
Dateigröße
1459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gründung, Naturheilpraxis
Arbeit zitieren
Diplom Betriebswirt (FH) Ulrich Andrös (Autor:in), 2008, Die Gründung einer Naturheilpraxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125314

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