Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2 Plotins Betrachtung des Bösen
2.1 Beschreibung des Guten
2.2 Das resultierende notwendige Böse
3 Das Böse bei Augustinus
3.1 Die Beschreibung des Guten
3.2 Das Vorhandensein und Nichtvorhandensein des Bösen
4 Vergleichende Betrachtung der Argumentationen
4.1 Gemeinsamkeiten
4.2 Unterschiede
5 Resümee
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Böses zerstört ohne Sinn, Ziel und Verstand,
und weil es sinnlos schädigt, ist es böse“
(Dalferth, 2008: 15)
Das Böse umgibt alles, kennt „unzählige Variationen im menschlichen Leben“ (Dalferth, 2008: 15) aber eines hat es doch in allem gemein – es schädigt Leben auf scheinbar sinnlose Weise. Vermutlich ist es genau diese Betroffenheit, aber auch Faszination, welche die Außeinandersetzung mit dem Bösen und die Suche nach dessen Ursprung vorantreibt. Philosophen sämtlicher Epochen versuchten Begründungstheorien zu entwickeln, weshalb es das Böse gibt, wenn es doch auch nur das Gute geben könnte. Eine tragende Rolle bei der Frage nach Gut oder Böse stellt auch die Außeinandersetzung mit dem Theodizeeproblem dar. Gibt es einen guten, allmächtigen Gott? Und wenn ja, warum gibt es dann das Üble oder das Böse? Scheint Gott also entweder gar nicht gut oder gar nicht allmächtig zu sein? (vgl. Dalferth, 2008: 10)
Plotin als Neuplatoniker und Aurelius Augustinus als Theologe sahen Gott als das höchste Gut, das über allem stehe und das rein Gute verkörperte (vgl. Möller, 2021). In der vorliegenden Arbeit soll sich deshalb damit befasst werden, wie die beiden Philosophen das Sein einer höchsten guten Instanz mit der Existenz des Bösen miteinander vereinbaren können und worin in ihrer Argumentation Gemeinsamkeiten und Unterschiede auftreten.
Um diese Frage zu beantworten, soll mit einer ausgiebigen Betrachtung der jeweiligen Positionen begonnen werden um im Anschluss eine strukturierte Gegenüberstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden Texte ansprechend darstellen zu können.
Die Literaturrecherche umfasste sich zu Beginn mit der Suche nach geeigneten Primärquellen. Dazu wurden sowohl die Aufzeichnungen aus dem Seminar „Das Böse“ von Herr Sebastian Böhme herangezogen, als auch die Bestände der sächsischen Landes und Universitätsbibliothek in Dresden.
Als Primärquellen bezieht sich diese Arbeit folglich auf „Plotins Schriften Band Va“ und Augustinus „13 Bücher Bekenntnisse“. Als Sekundärquelle wurden das „Malum“ von Ingolf Dalferth, sowie von Christian Schäfer die Texte zur Betrachtung des Bösen in „Was ist das Böse?“ herangezogen.
2 Plotins Betrachtung des Bösen
Das Böse wird bei Plotin im Stil des Neuplatonismus als logisches Problem aufgearbeitet (vgl., Schäfer, 2014: 45). Die Frage, wie man das Böse letztlich erkennen kann beantwortet er mit dem Begriff des „Bastardschluss[es]“ (ebd.) welcher besagt, dass man lediglich von dem primären Seienden auf das sekundäre Irreale schließen kann.
Folgt man dieser Logik, so bedarf es erst der Definition des Guten um auf das Böse schließen zu können.
2.1 Beschreibung des Guten
Ausgangspunkt für diese Argumentation ist ein einsichtiges Prinzip, welches besagt, dass ein Grund alles das erfüllt, was „das vom ihm Begründete auch ist“ (ebd.) Dabei ist zu betonen, dass dennoch eine Differenzierung zwischen dem Begründeten und dem Grund vorliegt (vgl. ebd.).
Wendet man dieses Prinzip auf die Wirklichkeit an, so ist die das was geläufig als Welt beschrieben wird „in ihrem Grund zu finden“ (ebd.) wobei der Grund nichts Weltliches an sich darstellt. Plotin führt dies an einem Beispiel aus: Die Welt stellt eine Vielheit dar, deren Grund wiederum das „Prinzip der Vielheit“(ebd.) darstellt. Da diese „überseiende Eine“ ohne Relation zur Welt gedacht sein muss, ergibt sich an dieser Stelle ein theoretisches Problem, welches seine Lösung in der Einführung unterschiedlicher Betrachtungsweisen wiederfindet. (vgl. ebd.: 46) Es wird zum einen „für sich“ (ebd.) und zum anderen als „dem Betrachter gemäß“ (ebd.) unterschieden. Somit ist „das Eine“ (ebd.) für das menschliche Denken „gänzlich jenseitig und beziehungslos [und] unerreichbar“ (ebd.) zu betrachten.
„Das Eine“(ebd.) wird an dieser Stelle als „Das Gute“ (ebd.) definiert, welches allerdings nicht den Grund der Wirklichkeit darstellt. Vielmehr ist es „das Primäre für alle Wirklichkeit“(ebd.), aber auch die „wirklichkeitsbildende Erstwirkung des Einen“ (ebd.) und dazu „Grund und Voraussetzung […] aller Realität“ (ebd.).
Aus diesen Aussagen lässt sich schließen, dass es nichts gibt, „was sich nicht dem Guten verdankte“ (ebd.).
Das Wesen des Guten ist „das, wonach >alles Seiende trachtet<“ (Harder, 1960: 201, H.i.O.), denn es ist der Ursprung und die Bedürftigkeit, welche selbst jedoch unbedürftig und sich selbst genug ist. Aus sich selbst gibt das Wesen des Gute den Geist und die Substanz dar, aber auch die Seele, das Leben und die Bestätigung (vgl. ebd.). Das heißt, all diese Anteile sind schön, nur das Wesen selbst steht darüber und ist somit „König des geistigen Reiches“ (ebd.). Während der Geist, welcher nichts Böses inne hat, jedoch in allem ist und Alles Teil des Geistes ist, so sind doch die Teile verschieden voneinander (vgl. ebd.: 203). Das Böse ist folglich nicht unter dem Seienden, „denn dies alles ist ja gut.“ (ebd.)
Was also ist dann das Böse?
2.2 Das resultierende notwendige Böse
Wenn das Böse nicht in Form des Seienden anzutreffen sein kann, dann muss es also von ihm abgegrenzt sein (vgl. ebd.: 205). Plotin führt an dieser Stelle den Vergleich eines Schattens an, welcher eine Gestalt des Nicht-Seienden gegenüber dem Seienden darstellt (vgl. ebd.). Es ist das Gegenteil, das Unwirkliche und damit „der Erkennbarkeit entzogen“ (Schäfer, 2014: 47). Das heißt, zum einen ist alles Wirkliche „Ausdruck des Guten“ (ebd.) und zum anderen ist das Üble oder Böse jenseits der Wirklichkeit und „unterhalb der Seinsgrenze“ (ebd.) zu konzipieren, also nicht in der Wirklichkeit zu finden. Darunter fallen auch die durch Plotin vorgenommenen Gegenüberstellungen von Ungemessenheit gegenüber dem Maß, die Ungestaltetheit gegenüber der gestaltenden Kraft und die Bedürftigkeit gegenüber der Selbstgenügsamkeit, welche alle die Substanz des Böse ausmachen, aber selbst nicht das Wesenhafte des Bösen verkörpern (vgl. Harder, 1960: 205).
Daraus ergibt sich die Frage nach der Wesenheit des Bösen (vgl. ebd.). Diese Frage soll Aufschluss darüber geben, worin der Ursprung des Bösen liegt, wem es innewohnt und ob es „in der Wirklichkeit vorhanden ist“ (ebd.: 201).
Da das Böse in Abwesenheit des Guten auftritt, scheint es keine Gestalt zu besitzen, im Gegensatz zum Guten (vgl. ebd.). Das Gute ist die Gestalt, ist der Urbeginn (vgl. ebd.). Das Böse ist die Beraubung, ist das Letzte (vgl. ebd.). Die Materie als das Böse ist „in seiner ganzen Unwirklichkeit“ (Schäfer, 2014: 47) vor der Strukturierung kein Seiendes, sondern eine „reine Möglichkeit zur Verwirklichung“ (ebd.) wodurch jede Wirklichkeit möglich wird.
Für Plotin stellt die Materie als „Schattenbild im Vergleich mit dem Seienden“ (Harder, 1960: 207) als Unterlage von Formen und Figuren, welche selbst nichts Gutes in sich hat, die Wesenheit des Bösen dar. Sie ist die Substanz des Bösen, welche „unseren Gedankengang […] als das erste Böse und das an sich Böse“ (ebd.) aufdeckt. Wenn die Materie das erste Böse darstellt, so folgen aus ihr die Körper, welche das zweite Böse darstellen, „denn die Gestalt, die sie in sich tragen, ist nicht wahrhaft Gestalt, sie sind des Lebens beraubt“ (ebd.).
Die Seele an sich ist nicht böse, doch ein vernunftloser Seelenabschnitt kann das Böse in sich aufnehmen (vgl. ebd.). Daraus ergibt sich die Frage, wer dann die Bosheit erzeugt hat (vgl. ebd.). Die Beantwortung der Frage ergibt sich wie folgt. Die Seele wurde in einen Leib gegeben. Der Leib wiederum, welcher die Materie darstellt, trägt das Böse in sich (vgl. ebd.: 209). Folglich hat die Materie des Leibes die Seele beeinflusst (vgl. ebd.). Weiterhin wird das Denken durch das Sehen, oder auch Wahrnehmen beeinflusst und das was der Mensch wahrnimmt, ist die Materie (vgl. ebd.). Plotin beschreibt an dieser Stelle, dass der Mensch eine „Neigung zur Materie“ (ebd.) hat und deshalb sein Denken nicht zum Sein schaut, sondern zum Werden. In dieser „Welt des Werdens“ (Dalferth, 2008: 145) herrscht Konkurrenz und Beeinträchtigung, Schädigung und Behinderung. „Die geistige Tätigkeit vergibt sich […] der Materie“ (Schäfer, 2014: 48) da ihre Strukturlosigkeit zur Gestaltung einlädt.
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