Zur Integration der Pragmatik in eine erweiterte Grammatikkonzeption

Linguistische und fremdsprachendidaktische Überlegungen und Zusammenhänge


Seminararbeit, 2006

28 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsdefinitionen und –beschreibungen
2.1 Pragmatik
2.2 Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik
2.3 Teilbereiche und Kategorien der Pragmatik
2.3.1 Kontext
2.3.2 Deixis
2.3.3 Präsupposition
2.3.4 Sprechakt
2.3.5 Implikatur
2.3.6 Konversationsstruktur
2.3.6.1 Kooperatives Prinzip
2.4 Der Grammatikbegriff

3 Argumente für oder gegen die Integration der Pragmatik in eine erweiterte Grammatikkonzeption
3.1 Überlegungen und Zusammenhänge aus linguistischer Sicht
3.2 Funktionale Grammatik
3.3 Argumente aus (fremdsprachen)didaktischer Sicht

4 Pragmatische Kompetenz
4.1 Pragmatische Kompetenz im Unterricht
4.1.1 Beispiel 1: Aufforderungssätze (aus: Götze 1993, 5)

5 Der Zusammenhang von Pragmatik und Grammatik
5.1 Satztypen
5.2 Pragmatik und Syntax
5.2.1 Passiv
5.2.1.1 Beispiel 2: Passiv (vgl. Thornbury 2001, 95)
5.3 Beispiel 3: Physical distance (aus: Thornbury 2001, 88-89)

6 Ein alternatives (modulares) Modell

7 Resümee

8 Bibliographie

1 Einleitung

Die folgende Seminararbeit behandelt die Fragestellung, ob eine Erweiterung des Grammatikbegriffs um Pragmatik sowohl von linguistischen und fremdsprachendidaktischen[1], als auch und damit verbunden theoretischen und praktischen Überlegungen und Zusammenhängen ausgehend legitimiert werden kann und sinnvoll erscheint. Um eine möglichst umfassende und klare Darstellung des Themas zu gewährleisten, werden zuerst die Begriffe Pragmatik und Grammatik definiert und beschrieben. Da eine vollständige Auseinandersetzung mit diesen Termini den Rahmen dieser Seminararbeit überschreiten würde, wird im Folgenden versucht, einen, wenn auch möglichst aufschlussreichen, zusammenfassenden Überblick zu geben, dessen Fokus auf den vor allem für diesen Text relevanten Begriffen und Teilgebieten liegt. Danach werden Argumente, die für oder gegen die Integration von Pragmatik in eine erweiterte Konzeption von Grammatik sprechen, vorgestellt und diskutiert. Hierbei sollen sowohl sprachwissenschaftliche – auch unter Bezugnahme auf verschiedene Grammatiktypen (insbesondere der funktionalen Grammatik) –, als auch fremdsprachendidaktische Perspektiven berücksichtigt werden. Daran anknüpfend werden Überlegungen zu(r) pragmatisch-kommunikativen Kompetenz(en) und deren Relevanz für den Fremdsprachenunterricht dargestellt. Ausgehend davon soll der Zusammenhang von Pragmatik und Grammatik auch auf praktischer Ebene durch Bezugnahme auf Grammatikregeln und deren mögliche Vermittlung anhand von Beispielen veranschaulicht werden. Abschließend soll mit den im Text präsentierten Ansätzen und Argumenten als Grundlage versucht werden, die dieser Seminararbeit zu Grunde liegende Fragestellung zusammenfassend zu erörtern und zu beantworten.

2 Begriffsdefinitionen und –beschreibungen

2.1 Pragmatik

Kann die Konzeption Pragmatik bis in der griechischen Antike[2] im Sinne von der „unmittelbaren Beziehung [der Wissenschaften] zur gesellschaftlichen Realität“ (Braunroth 1975, 15) zurückverfolgt werden (vgl. Braunroth 1975, 14-15), entstand der Begriff in seiner sprachwissenschaftlichen Konzeption aus der Semiotiktheorie von Morris (vgl. Levinson 2000, 1) und meinte zuerst allgemein die Verwendung eines Zeichens und deren Beziehung zum/zur InterpretIn (vgl. Steiger, 1 zit.n. Morris, 1938). Das Duden Fremdwörterbuch beschreibt auch aktuell Pragmatik als die „das Verhältnis zwischen sprachlichen Zeichen und interpretierendem Menschen untersuchende linguistische Disziplin“ (Duden Fremdwörterbuch 1997, 650). Essentiell ist für die Definition von Pragmatik auch der Begriff des Kontextes, dessen Bedeutung seit den 1960er Jahren vor allem durch die angloamerikanische Forschung hervorgehoben wurde (vgl. Steiger, 1). So lautet die Definition des Begriffs Pragmatik im Glossar des linguistischen Überblicks von Widdowson „The study of what people mean by language when they use it in the normal context of social life” (Widdowson 1996, 130). Konziser findet sich häufig auch als Erklärung, dass Pragmatik die „vom Sprecher intendierte Bedeutung“ (u.a. Meibauer 2001, 4) oder „the study of invisible meaning“ (Yule 2002, 127) sei.

2.2 Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik

Die Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik erscheint oft nicht ganz eindeutig, da sich beide Begriffe mit der Bedeutungsebene von Sprache als zentrales Element befassen (vgl. Meibauer 2001, 4). Nichts desto trotz wird „im allgemeinen … davon [ausgegangen], dass die wörtliche Bedeutung einer [Äußerung[3] ] in der Semantik untersucht wird, während Bedeutungsaspekte, die nur aufgrund des Kontextes zustande kommen, Gegenstand der Pragmatik sind“ (Meibauer 2001, 4). Somit sind „die Bedeutungen semantischer Einheiten im Allgemeinen kontextunabhängig, [während] die Bedeutungen … pragmatische[r] Einheiten im Allgemeinen kontextabhängig“ (Meibauer 2001, 5) sind.

2.3 Teilbereiche und Kategorien der Pragmatik

2.3.1 Kontext

Der Einfluss des Kontextes ist, wie auch bereits angesprochen, einer der wichtigsten die Pragmatik definierenden Kriterien (vgl. Yule 2002, 129). Unterschieden werden prinzipiell der sprachwissenschaftliche Kontext oder Ko-text, also die ein Wort oder, allgemeiner, eine Äußerung umgebende konkrete Sprache (vgl. Thornbury 2000, 70/Yule 2002, 129) und der physische Kontext, also der „Sach- und Situationszusammenhang“ (Duden 1997, 442) aus dem heraus eine Äußerung zu erschließen ist, vor allem auf deren Zeit und Ort (vgl. Yule 2002, 129), sowie die „Identität der Beteiligten“ (Steiger, 1), bezogen. Unter Umständen kann auch der kulturelle Kontext in dem eine Äußerung getätigt wird zur vollständigen Interpretation dieser notwendig sein (vgl. Thornbury 2000, 70-71). Besonders relevant scheint für diese Seminararbeit die folgende zusammenfassende Aussage zu sein: „Language is context-sensitive, [which means] that an utterance becomes fully intelligible only when it is placed in its context“ (Thornbury 2000, 89).

2.3.2 Deixis

Unter Deixis wird die Eigenschaft von Ausdrucksmitteln, wie beispielsweise ich, hier, gestern, verstanden, für deren Interpretation ihr unmittelbarer physischer Kontext notwendig ist (vgl. Yule 2002, 129-130). „Deixis bezieht sich [demzufolge] auf grammatikalische Phänomene, die in direktem Zusammenhang mit den Umständen der Äußerung stehen“ (Levinson 2000, 59). Um bei den bereits genannten Beispielen zu bleiben stellt ich ein Beispiel für Personal-, hier für Lokal- und gestern für Temporaldeixis dar (vgl. Yule 2002, 130)‚ denn ‚wer ich’, ‚wo hier’ und ‚wann gestern’ ist, kann außerhalb eines dazugehörigen Kontextes nicht erschlossen werden. Der Vorgang in dem ein Sprecher diese deiktischen Ausdrücke verwendet um sich auf einen bestimmten Kontext zu beziehen wird als Referenz bezeichnet (vgl. Yule 2002, 130-131).

2.3.3 Präsupposition

Als Präsupposition werden Voraussetzung bzw. Annahmen zusammengefasst, die, um eine Äußerung interpretieren bzw. erschließen zu können, entweder von Hörerseite erfüllt bzw. als wahr angenommen werden oder von denen der Sprecher eben dieses annimmt und seine Äußerung dementsprechend gestaltet (vgl. Yule 2002, 132). Die Frage des Richters an den Angeklagten: ‚ Wie schnell sind sie denn unterwegs gewesen als sie die Ampel bei Rot überfahren haben?’ beinhaltet beispielsweise die Präsupposition, dass der Angeklagte bei rot die Ampel überfahren hat und dies grundsätzlich wahr ist (vgl. Yule 2002, 132).

2.3.4 Sprechakt

Sprechakte sind die Funktionen von Sätzen in der menschlicher Verständigung (vgl. Steiger, 2), also die durch die Verwendung von Sprache erzeugte Kommunikationsform (vgl. Widdowson 200, 131). Diese beinhalten beispielsweise Aktionen wie informieren, behaupten, fragen, befehlen, bitten oder drohen (vgl. Yule 2002, 132). Sprechakte können sowohl direkt als auch indirekt sein, wobei es sich beispielsweise bei der Entscheidungsfrage ‚Kannst du auch Klavier spielen’ um einen direkten Sprechakt, da als Antwort entweder mit ‚Ja’ oder ‚Nein’ gerechnet wird, handelt. Hingegen wird die Frage ‚Kannst du mir bitte das Salz reichen?’ üblicherweise nicht als Entscheidungsfrage ob diese Tätigkeit prinzipiell gekonnt, sondern als Aufforderung die Tätigkeit durchzuführen, also das Salz weiterzugeben, verstanden und stellt somit einen indirekten Sprechakt dar (vgl. Yule 2002, 132).[4]

2.3.5 Implikatur

Unter Implikatur wird ein Bedeutungsaspekt verstanden, der durch eine Äußerung zwar kommuniziert wird, darin aber nicht explizit vorkommt und „mit Hilfe von allgemeinen Annahmen, Handlungsmaximen, kulturellen Konventionen, usw. rekonstruiert werden [kann]“ (Steiger, 2). Durch Implikatur wird also etwas anderes oder mehr mitgeteilt, als wortwörtlich kommuniziert wird. So kann die Äußerung von A an B ‚Mir ist kalt’ bei geöffnetem Fenster von A in erster Linie als Aufforderung, ‚Schließe das Fenster!’ gemeint sein und kann üblicherweise von B in diesem Zusammenhang auch als solche implikatiert bzw. erschlossen werden.

2.3.6 Konversationsstruktur

Die Konversationsstrukur befasst sich mit der Analyse von Gesprächen und demzufolge meist mit gesprochener Sprache (vgl. Levinson 2000, 309). Behandelt werden darin u.a. Sprecherwechsel, Gesprächseröffnung, Gesprächspartikel, Reparaturmechanismen und Gesprächsklassifikation (vgl. Widdowson 2000, 66-68), also „Regularitäten bzw. Muster …, die aus den Redebeiträgen der Beteiligten bestehen und der Interaktion eine Geordnetheit verleihen“ (Steiger, 2).

2.3.6.1 Kooperatives Prinzip

Ein weiteres bedeutendes Konzept der Konversationsstrukur stellt das kooperative Prinzip, das erstmals vom Philosophen Paul Grice in seinem 1975 erschienen Aufsatz ‚Logic and Conversation’ beschrieben wurde, dar, und folgendermaßen lautet: „Make your conversational contribution such as it is required, at the stage at which it occurs, by the accepted purpose or direction of the talk exchange in which you are engaged“ (Grice 1975, 45). Darin wird also angenommen, dass alle an einer Konversation beteiligten Personen zusammenzuarbeiten versuchen, um sich auf (eine) etablierte Bedeutung(en) zu einigen (vgl. Widdowson 2000, 126).

2.4 Der Grammatikbegriff

Der Terminus Grammatik bezeichnete in der Antike die erste der sieben freien Künste[5], deren Inhalt Sprache und ihre Erlernung darstellte. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war der Grammatikbegriff in erster Linie ein historisch ausgerichteter, der sich hauptsächlich an den Vorbildern des Griechischen und des Lateins orientierte. (vgl. Götze 2001, 187 teilweise zit.n. Grimm 1958) Aus aktueller Sicht beinhaltet der Begriff Grammatik eine „Vielzahl [an] Bedeutungen“ (Götze 2001, 187), die sich im Wesentlichen „auf drei Sachverhalte [beziehen]“ (Helbig 2001, 175): „Auf die dem Objekt Sprache selbst innewohnenden Regeln …, [deren] wissenschaftlich-linguistische Beschreibung … [oder aber] … auf das im Kopf des Lernenden [vorhandene] Regelsystem“ (Helbig 2001, 175). Darüber hinaus müssen laut Helbig „zwei Konzepte von Grammatik differenziert werden“ (Helbig 2001, 175 zit.n. Helbig 1988, 161):

„Grammatik im engeren Sinne als Lehre von den morphologischen und syntaktischen Regularitäten, … die [also in erster Linie] die Bildung verschiedener Formen gleicher Wörter ([=]Morphologie) und [deren] Verknüpfung … zu Wortgruppen und Sätzen ([=]Syntax) zum Gegenstand hat“ (Helbig 2001, 175)

und

„Grammatik im weiteren Sinne als Abbildung des gesamten Sprachsystems, als Regelsystem, ... unter Einbeziehung [des Wortschatzes (=Lexikon), der – kontextunabhängigen Bedeutungslehre (=Semantik) und der Lautbildungs- und Lautfunktionslehre (=Phonetik/Phonologie), die] die Zuordnungsbeziehungen zwischen Lauten/Formen und Bedeutungen[, also zwischen der] Ausdrucks- und Inhaltsseite beschreibt“ (Helbig 2001, 175).

So kann Grammatik zusammenfassend und modular[6] auch folgendermaßen dargestellt und der Pragmatik gegenübergestellt werden (vgl. Meibauer 2001, 59, 67):

[...]


[1] Die meisten der in dieser Seminararbeit angesprochenen Punkte besitzen allgemeine Gültigkeit für den Fremdsprachenunterricht. Im Bedarfsfall wird in dieser Seminararbeit aber einerseits (Sprach)unterricht generell und andererseits der Unterricht DaF/DaZ im speziellen als hauptsächlicher Bezugspunkt verwendet.

[2] Pragmatik stammt vom griechischen Wort ‚pragma’ ab, das die Handlung sowie die allgemeine Lehre vom sprachlichen Handeln bedeutet (vgl. Steiger, 2).

[3] ‚Äußerung’ wird in dieser Seminararbeit grundsätzlich als Überbegriff für sowohl kontextunabhängige als auch kontextabhängige Wörter, Phrasen, Sätze oder längere Äußerungen verwendet (vgl. Levinson 2000, 20).

[4] Der Begriff Sprechakt geht auf die von John Langshaw Austin begründete und in seinem 1955 veröffentlichten Werk ‚How to Do Things With Words’ beschriebene Sprechakttheorie zurück.

[5] Grammatik war neben Rhetorik und Dialektik das erste Fach des so genannten Triviums innerhalb der sieben angesprochenen artes liberales (vgl. Götze 2001, 187 teilweise zit.n. Grimm 1958).

[6] Die folgende modulare Darstellungsweise – im Sinne von „eine sich aus mehreren Elementen zusammensetzende Einheit“ (Duden Fremdwörterbuch 1997, 526) – wird im Laufe dieser Seminararbeit verwendet, um die jeweilige Grammatikkonzeption übersichtlich und in Zusammenhang mit Pragmatik gesetzt darzustellen.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Zur Integration der Pragmatik in eine erweiterte Grammatikkonzeption
Untertitel
Linguistische und fremdsprachendidaktische Überlegungen und Zusammenhänge
Hochschule
Universität Wien
Veranstaltung
Seminar: Sprachtheorie und Formorientierung im Fremdsprachenunterricht
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V125593
ISBN (eBook)
9783640312740
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Integration, Pragmatik, Grammatikkonzeption, Linguistische, Zusammenhänge
Arbeit zitieren
Mag. Andreas Raab (Autor:in), 2006, Zur Integration der Pragmatik in eine erweiterte Grammatikkonzeption, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125593

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