Gezähmte Erinnerungen und Sprachartistik. Eine Rezension des Werks "Die Letzten" von Katja Lange-Müller
Manege Frei
Gezähmte Erinnerungen und Sprachartistik / Die Letzten von Katja Lange-Müller
Als Umfeld ihrer Aufführung hat die Berliner Autorin ausgerechnet ihre Geburtsstadt auserkoren, genauer gesagt den Ostteil der heutigen Bundeshauptstadt. Der verweisende Untertitel Aufzeichnungen aus Udo Posbichs Druckerei konkretisiert den Ort der Handlung. „Die Letzten“ geben ihren finalen Auftritt in einer privaten Druckerei der späten Siebziger Jahre. Vier skurrile Gestalten bilden die Belegschaft dieser „kapitalistischen Einrichtung“, die Besitzer und Angestellte durch Herstellung von ideologischen Publikationen wie „Sport Frei“ das Dasein in einem sozialistischen Land ermöglicht. Zu einer Zeit, als der Eiserne Vorhang noch seinen Zweck erfüllte, jeden Hauch von Demokratie und Reformbewusstsein filterte und in braunen Umschlägen verpackt den endlosen Aktenschränken übergab.
Katja Lange-Müller, geboren 1951, hat diese Zeit miterlebt und verließ 1984 die DDR. Der aufmerksame Leser wird während der Lektüre gewiss feststellen, dass einige Ähnlichkeiten zwischen der Erzählerin und der im Klappentext erwähnten Autorin bestehen. Kann dieses Buch deshalb als eine Sektion ihrer Autobiografie gelesen werden? Die Schilderung von Beruf und Milieu ist konkret und detailliert. Es scheint auch so, als ob die schwarzhaarige Erzählerin mit der „hellen, gut durchbluteten Haut“, dem „runden, flachen Gesicht, aus dem traurig eine lange fleischige Nase hängt“ zeitweise mit der abgebildeten Autorin zu einer Person verschmelzen würde.
Doch Katja Lange-Müller spielt mit dem Leser ebenso geschickt wie mit ihren Figuren. In diesem Buch schwankt der Leser zwischen Fiktion und Realität wie ein Trapezkünstler, der sich meist in der Luft aufhält und das scheinbar sichere Netz wegen seines feinen Musters oft nicht erkennen kann. Der Roman scheint wie eine Kombination von Anekdotensammlung und Briefroman – doch es ergibt sich aus der geschickten Konstruktion ein Zusammenhang zwischen den fünf Kapiteln, die nach Pulp-Fiction-Manier zunächst Unterschiedliches zusammenfügen und die Aufmerksamkeit des Lesers fordern. Jedoch wird diese Aufmerksamkeit nicht zur Prüfungsaufgabe, da der Roman durch Umfang, Inhalt und Erzählstruktur kurzweilig und heiter erscheint. Katja Lange-Müller hält sich zudem nicht mit langen Gefühls- und Naturbeschreibungen auf.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in "Manege Frei" / "Die Letzten" von Katja Lange-Müller?
Der Text ist eine Sprachvorschau des Romans "Die Letzten" von Katja Lange-Müller. Er thematisiert die skurrilen Gestalten in einer Druckerei im Ostteil von Berlin in den späten Siebzigern. Die Handlung spielt in einer privaten Druckerei, in der ideologische Publikationen hergestellt werden. Die Protagonisten, als "Die Letzten" bezeichnet, geben ihren finalen Auftritt in dieser Umgebung.
Wo spielt die Geschichte von "Die Letzten"?
Die Geschichte spielt in Ost-Berlin, genauer gesagt in einer privaten Druckerei in den späten Siebzigern. Der Untertitel "Aufzeichnungen aus Udo Posbichs Druckerei" konkretisiert den Handlungsort.
Wer ist Katja Lange-Müller und inwiefern spiegelt sich ihr Leben im Roman wider?
Katja Lange-Müller, geboren 1951, hat die DDR-Zeit miterlebt und verließ sie 1984. Der Text deutet an, dass es Ähnlichkeiten zwischen der Erzählerin und der Autorin gibt, was die Frage aufwirft, ob das Buch als Teil ihrer Autobiografie gelesen werden kann. Die Schilderung von Beruf und Milieu ist detailliert, was diesen Eindruck verstärkt.
Wie ist der Roman "Die Letzten" aufgebaut?
Der Roman wird als eine Kombination von Anekdotensammlung und Briefroman beschrieben. Er besteht aus fünf Kapiteln, die zunächst Unterschiedliches zusammenfügen und die Aufmerksamkeit des Lesers fordern. Die Erzählstruktur wird als kurzweilig und heiter bezeichnet, wobei lange Gefühls- und Naturbeschreibungen vermieden werden.
Welche Art von Geschichte erwartet den Leser in "Die Letzten"?
Der Roman ist kein Action-, Sex- oder Gewaltroman. Er lädt zu einem Panoptikum der passiv-revolutionären Versager ein, die auf der Suche nach etwas sind, was sie möglicherweise bereits verloren haben. Unfähigkeit mündet oft ins Grotesk-Lächerliche, und Glück wird als erreichbar dargestellt, wenn man seine Ansprüche reduziert.
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- Marcel Heuwinkel (Author), 2001, Gezähmte Erinnerungen und Sprachartistik. Eine Rezension des Werks "Die Letzten" von Katja Lange-Müller, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125603