„Das Schicksal des Staates hängt vom Zustand der Familie ab" (Alexandre Rudolphe Vinet). Die Erfüllung der Funktion, die diese Aussage eines schweizerischen Theologen und Literaturhistorikers der Familie unterstellt, wird heute angesichts von ansteigenden Scheidungszahlen, immer mehr Ein-Elternfamilien und vermehrter Erwerbstätigkeit beider Elternteile in Folge von Differenzierungs- und Pluralisierungstendenzen zunehmend hinterfragt. Wie unter anderem der Sozialarbeiter und Soziologe Martin Hafen (2003, S.6) anführt, werden gewisse offenkundig erkennbare Verhaltensweisen der Kinder und Jugendlichen wie „übermäßiger Medienkonsum", „Herumlungern" und „Respektlosigkeit gegenüber Erwachsenen" in Verbindung mit noch problematischer wahrgenommenen Erscheinungen, wie Sucht und Gewalt, in Beziehung zum oben genannten Wandel der familiären Situation gebracht. Als Folge der veränderten familiären Betreuungssituation sucht die Öffentlichkeit nach „funktionalen Ersatzäquivalenten, also nach Ersatzangeboten für die Familie als Sozialisations- und Erziehungsinstitution". Diese scheint das Erziehungssystem angesichts der allgemeinen Schulpflicht und der großen Zeitspanne, die Kinder und Jugendliche in der Schule verbringen, zu offerieren. Die vorliegende Arbeit soll dazu dienen, diese Vermutungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Im Verlauf der vorliegenden Analyse sollen unter anderem folgende Fragen beantwortet werden:
- Muss Schule als Erziehungs- und Sozialisationsersatz für die Familie dienen? Wie hat sich Familie im Laufe der Zeit verändert und welche Folgen hatten diese Veränderungen? Inwiefern ist sie auf Hilfe angewiesen?
- Kann Schule als Erziehungs- und Sozialisationsersatz für die Familie dienen? Wie ist das Erziehungssystem entstanden? Welche Erwartungen werden an das System Schule gestellt, und gelingt es ihm, diese zu erfüllen?
- Welche Rolle kann die Soziale Arbeit übernehmen? Inwiefern kann sie Familie und Schule unterstützen? Welche Kriterien müssen beachtet werden, damit dies erfolgreich geschieht?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Sozialisation, Erziehung, Selektion - eine Begriffsbestimmung nach Luhmann mit Ergänzungen durch Hurrelmann
- 2.1 Grundlegende „gesellschaftstheoretische Annahmen“
- 2.2 Der Sozialisationsbegriff
- 2.3 Der Erziehungsbegriff
- 2.3.1 Funktion von Erziehung
- 2.3.2 Zum Verhältnis zwischen Erziehung und Wissen
- 2.4 Der Selektionsbegriff
- 2.5 Zum Verhältnis zwischen Selektion und Erziehung
- 2.6 Vorläufige Zusammenfassung und Abgrenzung zur Theorie Hurrelmanns
- 3. Die Ausdifferenzierung des Gesellschaftssystems
- 3.1 Segmentäre Differenzierung
- 3.2 Stratifikatorische Differenzierung
- 3.3 Funktionale Differenzierung
- 3.4 Die Ausdifferenzierung des Erziehungssystems
- 4. Die Funktion der Familie im Wandel der Zeit
- 4.1 Der Begriff der Familie und ihre Formen
- 4.2 Funktion und Aufgabenbereich der Familie
- 4.2.1 Aus makrosoziologischer Perspektive
- 4.2.2 Aus mikrosoziologischer Perspektive
- 4.3 Gesellschaftliche Veränderungen im Bereich der Familie
- 4.4 Auswirkungen der Veränderungen auf die Bedeutung der Familie als Sozialisationsinstanz
- 4.5 Zusammenfassung zum Wandel der Familie
- 5. Schule als Erziehungs- und Sozialisationsinstanz
- 5.1 Zur Entstehung
- 5.2 Funktion und Funktionieren aus makrosoziologischer Perspektive
- 5.3 Die Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen
- 5.4 Zur Beziehung zu anderen Funktionssystemen mit besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zum System Familie
- 5.5 Problemlagen der heutigen Schule
- 5.6 Zusammenfassung zur Schule als Erziehungs- und Sozialisationsinstanz
- 6. Die Rolle der Sozialen Arbeit für das Erziehungssystem
- 6.1 Soziale Arbeit als soziales System
- 6.2 Zur Zusammenarbeit von Sozialer Arbeit und Schulpädagogik
- 6.3 Voraussetzungen für und Arbeitsfelder von gelingender Schulsozialarbeit
- 6.4 Andere Angebote der Sozialen Arbeit und ihre Bedeutung für Schule und Familie als Erziehungs- und Sozialisationsinstanz
- 7. Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Bachelorarbeit untersucht die Frage, ob und inwieweit die Schule als Ersatz für die Familie in Bezug auf Erziehung und Sozialisation fungieren kann. Die Arbeit analysiert den Wandel der Familie und seine Auswirkungen auf die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen. Sie beleuchtet die Rolle der Schule als Erziehungs- und Sozialisationsinstanz und die Bedeutung der Sozialen Arbeit in diesem Kontext.
- Wandel der Familie und ihre veränderten Funktionen
- Schule als Erziehungs- und Sozialisationsinstanz
- Systemtheoretische Betrachtung von Erziehung und Sozialisation nach Luhmann
- Rolle der Sozialen Arbeit im Zusammenspiel von Familie und Schule
- Herausforderungen und Problemlagen im Bildungssystem
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 (Einleitung): Die Einleitung stellt die Forschungsfrage auf und skizziert den methodischen Ansatz der Arbeit. Sie beleuchtet den gesellschaftlichen Wandel im Bereich Familie und die daraus resultierende Suche nach Ersatzangeboten.
Kapitel 2 (Sozialisation, Erziehung, Selektion): Dieses Kapitel definiert die zentralen Begriffe Sozialisation, Erziehung und Selektion nach Luhmann und vergleicht diese mit Hurrelmanns Theorie.
Kapitel 3 (Ausdifferenzierung des Gesellschaftssystems): Hier wird die Ausdifferenzierung des Gesellschaftssystems und die Entstehung von Schule und Sozialer Arbeit im Kontext der funktionalen Differenzierung erläutert.
Kapitel 4 (Funktion der Familie im Wandel): Dieses Kapitel behandelt den Wandel der Familie, ihre Funktionen und die Auswirkungen dieser Veränderungen auf ihre Rolle als Sozialisationsinstanz.
Kapitel 5 (Schule als Erziehungs- und Sozialisationsinstanz): Es werden Entstehung, Funktion und Herausforderungen der Schule als Erziehungs- und Sozialisationsinstanz diskutiert.
Kapitel 6 (Rolle der Sozialen Arbeit): Dieses Kapitel beschreibt die Rolle der Sozialen Arbeit im Kontext von Familie und Schule, beleuchtet die Zusammenarbeit und benennt mögliche Arbeitsfelder.
Schlüsselwörter
Sozialisation, Erziehung, Selektion, Familie, Schule, Systemtheorie (Luhmann), Funktionale Differenzierung, Soziale Arbeit, Schulsozialarbeit, Gesellschaftlicher Wandel, Persönlichkeitsentwicklung.
- Quote paper
- Janina Baierle (Author), 2009, Schule als Erziehungs- und Sozialisationsersatz für die Familie? , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125624