Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsbestimmung „Pflegende Angehörige“
2.2 Konzeption des Seminars
3. Ablauf und Inhalte des Seminars
3.1 Modul „Ernährung“
3.2 Modul „Bewegung“
3.2.1 Theorieteil des Bewegungsmoduls
3.2.2 Praxisteil des Bewegungsmoduls: Bewegungsberatung
4. Evaluation des Seminars und Transfer in den Alltag
4.1 Evaluation
4.2 Transfer in den Alltag
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis (Artikel und Bücher)
Literaturverzeichnis (Internetquellen)
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Ein Thema, das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit immer weiter zunehmen wird, ist die Pflegebedürftigkeit von alten Menschen. Betrachtet man aktuelle Statistiken und Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes, sprechen die Zahlen für sich:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Prognostizierte Anzahl von Pflegebedürftigen in Deutschland nach den Bundesländern in den Jahren 2015 bis 2060 (in 1000); (Quelle: Statistisches Bundesamt).
Die Statistik zeigt eine Prognose des Statistischen Bundesamtes zur Entwicklung der Anzahl von Pflegebedürftigen in Deutschland nach Bundesland bis zum Jahr 2060. Gab es bei der Erhebung im Jahre 2015 noch knapp über 2,7 Millionen pflegebedürftige Personen im Sinne des Pflegeversicherungsgesetztes in Deutschland, so werden es bis zum Jahr 2060 voraussichtlich über 4,5 Millionen sein. Allein in Bremen könnte so die Zahl der Pflegebedürftigen von rund 23.000 im Jahr 2015 auf rund 36.000 im Jahr 2060 ansteigen. Neben einer starken Belastung des Sozialversicherungssystems geht es jedoch auch um die einzelnen Menschen, die im Alter noch angemessen behandelt und in Würde leben sollen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass bereits heute über einen angemessenen Umgang mit dieser gesellschaftlichen Herausforderung gesprochen wird, sowohl aus dem Blickwinkel der Pflegebedürftigen selbst, als auch aus dem der Sozialversicherungen.
Die Bevölkerung in Deutschland wird vor allem aufgrund verbesserter Lebensbedingungen, wozu der medizinische Fortschritt, eine bessere Hygiene und die Ernährung zählen, immer älter. Dementsprechend ist die Betreuung und Pflege älterer Menschen in unserer Gesellschaft eines der meistdiskutierten politischen Themen (Bold & Deußen, 2013, S. 11). Ein Punkt, der hierbei sehr wichtig ist und den Hauptteil dieser Fallstudie bildet, ist der Umgang mit den Angehörigen, welche die Pflege übernehmen. Nach der Continentale-Studie (2016) gaben etwa 74 % der befragten Personen an, am liebsten zu Hause gepflegt zu werden – bevorzugt durch persönliche Angehörige. Nach einer DAK-Umfrage (Abb. 2) klagten jedoch 73% der zwischen 40- und 59-Jährigen unter ihnen über psychische Überforderung. Über körperliche Überforderung berichtete ebenfalls mehr als jeder Zweite. Diese Belastungssituation kann sich bis zu mehreren Jahren hinziehen und die Betroffenen vor enorme Herausforderungen stellen. Aufgrund dieser Beobachtungen sind pflegende Angehörige eine relevante Zielgruppe für Gesundheitsförderung, da sie physisch und psychisch stark beansprucht sind und außerdem eine tragende Säule pflegerischer Versorgungsstrukturen darstellen. Es ist für sie von besonderer Notwendigkeit, durch einen gesunden Lebensstil die Bedingungen zu setzen, den kräftezehrenden Alltag gut zu bewältigen und gesund zu bleiben. Es stellt sich also die Frage, wie man am ehesten den anstehenden Herausforderungen begegnet, um allen Betroffenen möglichst gerecht zu werden. Dies möchte die vorliegende Arbeit am Beispiel eines Ernährungs- und Bewegungskonzeptes für die pflegenden Angehörigen erreichen. Der Fokus soll dabei auf deren Gesunderhaltung liegen mit dem Ziel, Pflegebedürftige möglichst lange zu Hause pflegen zu können. Von diesem Ziel profitieren sowohl die Betroffenen selbst, als auch das Sozialversicherungssystem.
Vor diesem Hintergrund geht es im Folgenden um die Idee einer gesetzlichen Krankenkasse, ein Kompaktseminar für pflegende Angehörige als Pilotprojekt zu starten, das im Anschluss ausgewertet werden soll. Es soll darum gehen, die Gesundheit der pflegenden Angehörigen durch Teilnahme an diesem Seminar zu erhalten oder zu verbessern, wobei es Ziel dieser Arbeit ist, ein dreistündiges Ernährungs- und Bewegungsmodul für dieses Seminar zu erstellen.
Der folgende Abschnitt zu den theoretischen Grundlagen klärt zunächst die Rahmenbedingungen der Zielgruppe und des Seminars, woraufhin im dritten Abschnitt das Seminarkonzept vorgestellt wird. Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit den Möglichkeiten zur Evaluation und wie der Praxistransfer der Module in den Alltag am besten gewährleistet werden kann. Den Schluss der Arbeitet bildet ein kurzes Fazit sowohl Empfehlungen für künftige Seminare.
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Abbildung 2: Umfrage zur Überforderung durch eine Pflegetätigkeit in Deutschland nach Altersgruppen im Jahr 2015; (Quelle: DAK, 2015).
2. Theoretische Grundlagen
Der folgende Abschnitt beginnt mit der Beschreibung der Zielgruppe der pflegenden Angehörigen, woraufhin die Konzeption des Seminars vorgestellt wird.
2.1 Begriffsbestimmung „Pflegende Angehörige“
Da die Funktion des pflegenden Angehörigen sehr komplex ist, wird sie zunächst im Folgenden näher erklärt: Wird in dieser Arbeit vom Personenkreis der pflegenden Angehörigen gesprochen, so ist damit die Definition von Segmüller, Zegelin und Schnepp (2017, S. 20-30) gemeint: „Menschen, die als nicht professionelle Bezugspersonen unentgeltlich im häuslichen Bereich für Pflegebedürftige tätig sind.“
Der pflegende Angehörige ist eine Einzelperson, die die Pflege und Betreuung einer nahestehenden Person übernimmt. Diese Aktivitäten erfolgen in den meisten Fällen ehrenamtlich. Pflegende Angehörige sind von professionellen Pflegedienstleistern abzugrenzen. Die Aufgaben unterscheiden sich in sozialer, rechtlicher, finanzieller und pflegerischer Hinsicht. Der Begriff der Hauptpflegeperson betrifft in der Regel den pflegenden Angehörigen, der ständig präsent ist und die Pflegeverantwortung auf sich nimmt (Huber, 2009, S. 17). Die Versorgung und Betreuung eines Pflegebedürftigen sind sehr zeitintensiv, denn diese benötigen in vielfacher Hinsicht Unterstützung. Zu den Aufgaben, die in diesem Zusammenhang übernommen werden müssen, zählen beispielsweise die Bewältigung des Haushalts, die Organisation der Pflege, die Aufrechterhaltung der Mobilität des Gepflegten, Unterstützung bei Gesundheits- und Finanzfragen oder ggf. auch die Leistung finanzieller Unterstützung (berufundfamilie, 2012, S. 4). Die Gründe für die Übernahme der Pflege eines Angehörigen sind sehr unterschiedlich. In den meisten Fällen haben Pflegebedürftige und der Pflegende bereits vor Eintritt des Pflegefalls nahe zusammengelebt (Huber, 2009, S. 20).
Holuscha nennt drei Hauptgründe für die Übernahme der Pflegetätigkeit. Hierzu zählen sowohl moralische und finanzielle Motive als auch die Sozialisationsfunktion der Frau (Holuscha, 1992, S. 48f.).
Angehöriger und Pflegebedürftiger können auf eine gemeinsame Biografie und Beziehungsgeschichte zurückblicken. Dadurch ist die Pflege durch die Nähe und Beziehung zwischen den beiden betroffenen Personen geprägt. Dennoch können Angehörige nicht den Pflegeumfang einer professionellen Pflegekraft ersetzen, denn meist fehlt ihnen neben der fachlichen Kompetenz die Zeit, den Angehörigen rund um die Uhr zu betreuen. Ebenfalls ist es für Angehörige oft sehr schwierig, sich mit den Themen Tod und Krankheit auseinanderzusetzen. Auch der sichtbare Verfall und die Tatsache, dass Schmerzen nicht oder nur teilweise gelindert werden können, erschüttert den Angehörigen. Es ist daher sehr ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen (Herold, 2002, S.155 ff.).
Ferner wünschen sich Menschen häufig Unterstützung bei der Pflege ihrer Angehörigen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Familie. Im optimalen Fall können sie dabei auf ein Unterstützungsnetzwerk zurückgreifen, das medizinische und psychosoziale Hilfe anbietet. Laut Befragungsergebnissen der Kassler-Studie ist die Pflegebereitschaft der jüngeren Generation an das Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerkes geknüpft (Blinkert & Klie, 2004, S. 30).
Rund 66 Prozent der 40- bis 59-jährigen Befragten gaben außerdem an, sich aus Verbundenheit entschieden zu haben, selbst zu Hause zu pflegen (DAK, 2015). Dass das Pflegenetzwerk auch bei der häuslichen Pflege relativ groß ist, zeigt eine Umfrage der Techniker Krankenkasse (2014). Demnach teilen sich 54% der Angehörigen die Pflegeaufgaben mit anderen Angehörigen, inklusive Bekannten, Freunden oder Nachbarn. Die überwiegende Mehrheit pflegt dabei ein bis drei Stunden am Tag, jeder Vierte sogar ganze drei bis sechs Stunden (DAK, 2015). Je höher dabei der Grad der Pflegebedürftigkeit ist, desto höher ist auch die täglich benötigte Zeit für die Pflege.
Eine Erhebung durch die DAK (2015) betrachtete die Verbreitung von Muskel-Skelett-Erkrankungen bei pflegenden Angehörigen in Deutschland im Vergleich zu Nicht-Pflegenden im Jahr 2015. In diesem Jahr litten rund 16 Prozent der pflegenden Angehörigen unter Muskel-Skelett-Erkrankungen, wohingegen nur 11 Prozent der Vergleichsgruppe diese Erkrankung angab. Jeder Dritte ist der Ansicht, dass die eigene Gesundheit durch die Pflege angegriffen würde und über 60 Prozent sprechen davon, dass sie die Pflege viel ihrer eigenen Kraft kosten würde. Auch die ständige Verpflichtung, in dauernder Bereitschaft sein zu müssen, ist für mehr als die Hälfe der Befragten eine große Belastung (TK, 2014). Aufgrund dieser erschreckenden Zahlen wird deutlich, dass es durchaus Sinn macht, ein angepasstes Bewegungs- und Ernährungskonzept zur Gesunderhaltung der Pflegenden einzusetzen, welches im Folgenden genauer erläutert wird.
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