Kindheit und Jugend im Wandel: Die Familie


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
Vom „Herrschaftssystem Familie“ zur „bürgerlichen Kernfamilie“

2. Definition: Familie
Der rechtliche Familienbegriff
Der psychologische Familienbegriff
Der soziologische Familienbegriff
Römisch-katholische Kirche
Blutsverwandtschaft

3. Funktionen der Familie
Biologischer Aspekt der Familie
Soziale Funktionen der Familie

4. Heutige Familienformen
Eheähnliche Lebensgemeinschaft
Wohngemeinschaft
Eingetragene Lebensgemeinschaft (=homosexuelle Lebenspartnerschaft)
"Patchworkfamilien" − Meine, Deine, unsere Kinder
Polyamore Familien

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Mann ist der Ernährer und der Herr im Haus, die Frau kümmert sich hingebungsvoll um das leibliche Wohl von Gatte und Kindern. Die lieben Kleinen streben danach, den in sie gesetzten Erwartungen gerecht zu werden, und natürlich haben sich alle lieb. So stellen wir uns eine traditionelle, richtige Familie vor. Aber worauf basieren diese Vorstellungen? Denn dieses "traditionelle" Familienbild ist gar nicht so traditionell. Das was wir heute im westlichen Kulturkreis unter Familie verstehen, begann sich erst langsam im 18. Jahrhundert herauszubilden. Durch den raschen gesellschaftlichen Wandel im 19. Jahrhundert auf Grund der industriellen Revolution, hat sich die Kernfamilie, bestehend aus Vater, Mutter und Kind, herausgebildet. Hierbei darf die „Kernfamilie“ nicht mit der „Kleinfamilie“ verwechselt werden, die wenige Mitglieder umfasst (eine „Kernfamilie“ mit zwölf ehelichen Kindern ist keine „Kleinfamilie“). Bevor man diese Gemeinschaft Familie nannte, sprach man vom „ganzen Haus“ (Peuckert 1996, S.21).

Vom „Herrschaftssystem Familie“ zur „bürgerlichen Kernfamilie“

Die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Wortes familia ist „die Hausgemeinschaft“. Familia ist abgeleitet vom lateinischen famulus (der Haussklave), bezeichnete den Besitz eines Mannes (des pater familias), den gesamten Hausstand: seine Ehefrau, Kinder, Sklaven und Freigelassene sowie das Vieh. Familia und Pater waren keine Verwandtschafts-, sondern Herrschaftsbezeichnungen. Der biologische Erzeuger (Vater) hieß genitor. Der Vater hatte absolute Gewalt über die Kinder und konnte sie nach Gutdünken bestrafen. Diese patria potestas endete normalerweise erst mit dem Tod des Vaters. Töchter konnten bei der Heirat zwar der väterlichen Gewalt entkommen, aber nur, wenn sie sich dafür in die Hand des Ehemanns begaben. Ehen waren auch nur bedingt für die Ewigkeit gemacht. Paare konnten sich ohne Umstände vermählen und genauso leicht wieder scheiden lassen. Dann nahmen beide Parteien die eingebrachten Güter wieder mit. Dies änderte sich im Mittelalter, als die Kirche zunehmend versuchte, ihren Einfluss auf das anfänglich vom römischen System geprägte Eherecht auszudehnen. Die Kirche verkündete die Unauflöslichkeit der Ehe und gab auch neue Regelungen zur Eheschließung heraus. Ehen mussten von einem Priester und vor einem Kirchentor geschlossen werden. In den Zeiten der Reformation, um 1563, instrumentalisierten die Theologen die Ehe als Machtmittel. Sie wurde zum heiligen Sakrament verklärt, und nur noch eine Trauung im Inneren des Gotteshauses besaß Gültigkeit. Mit dieser Entwicklung ging auch eine Verteufelung der vor- und außerehelichen Sexualität einher. Doch mit ihrer Vorstellung, dass die Sexualität auf die Ehe beschränkt sein sollte, konnte sich die Kirche nicht durchsetzen. Freizügige Badehäuser und Bordelle hatten in den Städten weiterhin reichlich Zulauf. Auf dem Land waren "Probenächte" und "Fensterln" üblich. Meistens waren es nämlich keine Liebesheiraten, da die Eheschließung innerhalb des eigenen Standes stattfinden mussten - und so holte man sich die Sinnenfreuden außerhalb der Ehe.

Auch typisch für das Mittelalter: die "Patchworkfamilie“. Durch die hohe Sterblichkeit, insbesondere von Müttern und Kindern, wohnten in den meisten Haushalten Stiefeltern, Halb- und Stiefgeschwister. Die hohe Sterblichkeit war auch dafür verantwortlich, dass die Großfamilie, wie wir sie uns heute vorstellen, mit vielen Kindern und drei Generationen in einem Haus eher die Ausnahme war. Stattdessen herrschten Kleinfamilien mit vier bis fünf Personen und unvollständige Familien vor.

Besonders für die Bauern- und Handwerkerfamilien war diese Lebensform charakteristisch. Hierzu zählte man nicht nur die zur Familie gehörenden Personen, sondern auch das Gesinde beziehungsweise die Gesellen. Diese Art des Zusammenlebens ermöglichte es, die Produktion und das Familienleben zu verbinden. Gesinde und Gesellen bildeten mit der eigentlichen Familie eine Gemeinschaft, die zusammen lebte und arbeitete. Durch die fehlende Intimität und Privatsphäre herrschten gefühlsarme Beziehungen. Dies galt nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern betraf auch das Verhältnis zu den Kindern.

Jeder Familienzugehörige hatte eine bestimmte Position und Rolle, wobei der Familienvater die höchste Stellung hatte und die anderen zur Familie gehörenden Personen sich ihm unterordnen mussten. Die Nachkommen einer Familie waren gleichzeitig auch die Erben, ihre Arbeitskraft war für die Familie sehr wichtig, außerdem hatten sie die Pflicht, ihre Eltern im Alter zu versorgen. Die Auswahl des Partners richtete sich nach bestimmten Kriterien. Diese waren vorwiegend der gesundheitliche Zustand, die Arbeitsfähigkeit sowie die Besitztümer des zukünftigen Partners. Eine Ehe beruhte demnach weniger auf Emotionalität als auf ökonomischen Nutzen. Der Einfluss der Eltern war dabei sehr wichtig. Eine Heirat stellte keine Selbstverständlichkeit dar, da sie einem Großteil der Bevölkerung rechtlich verboten wurde oder finanzielle Bedingungen nicht ausreichend waren.

Die Familien der Bauern und der Handwerker des 18. Jahrhunderts bestanden meist aus zwei Generationen. Die Kinderzahl wurde durch die hohe Säuglingssterblichkeit gering gehalten, so dass die meisten Familien nicht mehr als drei Kinder hatten.

Durch die einsetzende Industriealisierung im 19. Jahrhundert änderte sich die Familienstruktur im gehobenen Bürgertum in einem solchen Maß, das sie dem heutigen Bild von Familie sehr nahe kommt. Diese Veränderung konnte in der gebildeten und wohlhabenden Gesellschaftsschicht stattfinden, da hier die Familien nicht auf die Erwerbstätigkeit der Frauen und Kinder angewiesen waren. Das Leben in einer bürgerlichen Familie lässt sich dabei deutlich von dem im „ganzen Haus“ unterscheiden. Ein wichtiges Merkmal ist dabei die Trennung von Beruf und Familie, die durch den Übergang zur Lohnarbeit erzielt wurde. Angestellte wurden nicht mehr als zur Familie gehörende Personen gezählt, weshalb sich auch eine räumliche Trennung zwischen ihnen und den Familienmitgliedern vollzog. Dies betraf auch die zu einer Familie gehörenden Personen, die nicht mehr innerhalb der Familie tätig waren. Die Familie als Produktionsgemeinschaft war daher rückläufig.

„Infolge der Trennung der Bereiche von Produktion und Konsumtion wurde die Familie privatisiert, und dieser neue Bereich des Privaten wurde zugleich intimisiert und emotionalisiert“ (Herrmann 1994, S.192). Die emotionale Verbundenheit der Ehepartner rückte immer mehr in den Vordergrund. Zudem veränderten sich die Beziehungen gegenüber den Kindern. Die Kindheit wurde als eigener Lebensabschnitt anerkannt. Somit schwand der Stellenwert der Kinder als Erben und Arbeitskräfte. Ihre Erziehung gewann zunehmend an Bedeutung und wurde zur wichtigsten Bestimmung der Frau. Meist erhielten jedoch nur die Jungen eine Schul- und Berufsausbildung, da es für sie als spätere Ernährer einer Familie als notwendig angesehen wurde. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde schließlich der Begriff des „ganzen Hauses“ von dem der Familie abgelöst. Die bürgerliche Familie war entstanden, geprägt von dem gehobenen Bürgertum. Im Gegensatz zu Bauern- und Handwerkerfamilien trat diese Gesellschaftsschicht nur vereinzelt auf. Das Bürgertum war nicht an Stände und Zünfte gebunden und war so weniger abhängig und mehr für sich selbst verantwortlich. Die Familie entwickelte sich von einem öffentlichen zu einem privaten Ort.

Das Ideal einer bürgerlichen Familie konnte jedoch von vielen auf Grund der ökonomischen Lage so nicht verwirklicht werden. Für Arbeiterfamilien war diese Lebensweise unmöglich, da wegen der schlechten finanziellen Situation, die Frauen und auch Kinder arbeiten mussten. Zudem bestanden größtenteils karge Wohnverhältnisse, die die Familien oft einschränkten. Eine vermehrte Orientierung an dem Ideal der bürgerlichen Familie ließ sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts in allen Schichten beobachten. (Gross 1996 S.6ff; Herrmann 1994 S.187; Peuckert 1996 S.20ff; Saur 2000 S.17ff;)

2. Definition: Familie

Schlägt man den Begriff Familie nach, stößt man oft auf sehr unterschiedliche Definitionen. Jede Gesellschaft, Kultur und Zeit hat ihren eigenen Familienbegriff geprägt. Außerdem hängt es davon ab, von wem Familie definiert wird. Denn jede Wissenschaft, ob die Psychologie oder die Rechtswissenschaft, ob Religion, definiert den Begriff Familie unterschiedlich. Im Folgenden sind einige dieser Definitionen aufgeführt.

Der rechtliche Familienbegriff

„In den Rechtswissenschaften wird unter Familie eine legalisierte, soziale Institution verstanden. Die Familie steht unter dem Schutz des Staates, sie erhält vom Staat viele Vergünstigungen. Die Voraussetzung für eine ,vollständige Familie’, die aus Vater, Mutter, Kind oder Kindern besteht, stellt die Erlangung der Ehe auf rechtlichem Wege dar. Eine ,unvollständige Familie’ ist ein Vater mit seinem Kind oder seinen Kindern oder eine Mutter mit ihrem Kind oder ihren Kindern. Dieser Familienbegriff ist sehr eng gefasst“ (Schneewind, 1999).

Der psychologische Familienbegriff

„Als wichtigstes Merkmal der Familie im psychologischen Sinne nennt Schneewind das Prinzip des ,gemeinschaftlichen Lebensvollzugs’. Allerdings wird dieses Prinzip auch durch andere Gruppen (Arbeits-, Sport- und Freizeitgruppen) erreicht. Als weiteres Kennzeichen nennt Schneewind den hohen Grad an ,interpersoneller Involviertheit’. Liebe und Streit sind zum Beispiel ein Zeichen für interpersonelle Involviertheit, die durch die beiden Pole der symbiotischen Überinvolviertheit und autistischen Unterinvolviertheit gekennzeichnet sind. Ist diese interpersonelle Involviertheit gegeben, so ist auch zugleich die wichtigste Voraussetzung für die Familie als ,intimes Beziehungssystem’ gegeben.

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Details

Titel
Kindheit und Jugend im Wandel: Die Familie
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Mittelseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V125876
ISBN (eBook)
9783640313822
ISBN (Buch)
9783640317561
Dateigröße
603 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kindheit, Jugend, Wandel, Familie
Arbeit zitieren
Martin Gehres (Autor:in), 2008, Kindheit und Jugend im Wandel: Die Familie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125876

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