Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit den persuasiven Techniken der Lobrede, jener dritten Redegattung des antiken Rhetoriktheoretikers Aristoteles, bei der scheinbar kein strittiger Gegenstand zur Disposition steht. Scheinbar. Mit Aristoteles wird die Rhetorik als die Kunst (téchnē) verstanden,
mit deren Hilfe jeder Redner imstande sei, die Mittel zu finden, beim Publikum Überzeugung zu der durch ihn unterbreiteten strittigen These zu schaffen. Die Rhetorik ist auf die Persuasion des Auditoriums ausgerichtet. Die "Neue Rhetorik" von PERELMAN/OLBRECHTS-TYTECA – welche das Ende einleitete, sich mit der Rhetorik als bloßem Studium des schönen Stils und der rhetorischen Figuren zu beschäftigen – macht deutlich dass das Gelingen einer persuasiven Sprechhandlung von der Zustimmung
des Publikums zur strittigen These abhänge. Als Rezipient innerhalb dieser Kommunikationssituation ist das Publikum also nach wie vor zentraler Angelpunkt rhetorischen Handelns. Insbesondere rückte mit der neuen alten Rhetorik die Argumentationstheorie und –analyse mehr ins Blickfeld des Interesses, die das logische Rückgrat der Rhetorik bildet. Auch die Sprachwissenschaft hat sich dieser neuen interdisziplinären Forschungsrichtung angenommen. In dieser Seminararbeit gilt
es aber, nach den persuasiven Mitteln zu suchen, die in erster Linie nicht dem Logos zuzuschreiben sind. Neben dem Logos sind seit Aristoteles Pathos und Ethos die beiden anderen Wirkungsstrategien der rhetorischen Handlungen. In diesem Zusammenhang spielt auch das Verhältnis der Dichotomie überzeugen/überreden (lat. convincere/persuadere) eine Rolle. Die Lobrede – it. elogio – umfasst das Problemfeld der Epideixis, in der es immer noch unklar ist, inwieweit diese dritte Redegattung, der von Aristoteles als eigentlicher Beurteilungsgegenstand nur
die rhetorische Leistung des Redners zugewiesen wurde, eine persuasive Handlung darstellt. Rhetorisches Handeln ist zudem aber grundsätzlich pragmatisch, also handlungsspezifisch ausgerichtet. Deshalb ist hier die Frage zu stellen, inwieweit in der heutigen Medienwelt, insbesondere im Bereich der Politik, Lobes- und Tadelhandlungen stattfinden, die durchaus auf Überzeugung angelegt sind und schließlich später in eine Handlung übergehen können/sollen. Journalisten verfassen solche persuasiven
Texte und sprechen ein Lob oder einen Tadel aus: Modern gesprochen geben sie eine Kritik über einen allen Lesern bekannten Sachverhalt oder eine Person ab – ... [...]
Inhaltsverzeichnis
I.Persuasion und Rhetorik
1.1 Die retorica dell’elogio in persuasiven monologischen Texten
1.2 Tadel in den italienischen Tageszeitungen la Repubblica und Corriere della Sera
II. Die Persuasion im Spannungsfeld von Argumentationstheorie und Linguistik
III. Die Lehrgebäude der Antiken Rhetorik
3.1 Ein Überblick: Die historische Entwicklung der Antiken Rhetorik
3.2 Die aristotelische Systematik öffentlicher Redehandlungen
3.2.1 Die Einteilung der drei Redegattungen nach Aristoteles
3.2.2 Die Interpretationsansätze im Problemfeld der Epideixis
3.3 Die rhetorischen Wirkungsbereiche Logos, Ethos und Pathos
IV. Die retorica dell’elogio unter linguistischer Betrachtung und Analyse
4.1 Die Lobrede als Operationsfeld von Ethos und Pathos
4.2 Linguistische Analyse von Kommentaren am Beispiel der Minutio
V.Diepersuasiven Strategiender Epideixis
Literaturverzeichnis
Anhang
I.Persuasion und Rhetorik
Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit den persuasiven Techniken der Lobrede, jener dritten Redegattung des antiken Rhetoriktheoretikers Aristoteles, bei der scheinbar kein strittiger Gegenstand zur Disposition steht. Scheinbar. Mit Aristoteles wird die Rhetorik als die Kunst (téchnē) verstanden, mit deren Hilfe jeder Redner imstande sei, die Mittel zu finden, beim Publikum Überzeugung zu der durch ihn unterbreiteten strittigen These zu schaffen. Die Rhetorik ist auf die Persuasion des Audito- riums ausgerichtet. Die Neue Rhetorik von PERELMAN/OLBRECHTS-TYTECA – welche das Ende einleitete, sich mit der Rhetorik als bloßem Studium des schönen Stils und der rhetorischen Figuren zu beschäftigen – macht deutlich dass das Gelingen einer persuasiven Sprechhandlung von der Zustim- mung des Publikums zur strittigen These abhänge. Als Rezipient innerhalb dieser Kommunikationssi- tuation ist das Publikum also nach wie vor zentraler Angelpunkt rhetorischen Handelns.
Insbesondere rückte mit der neuen alten Rhetorik die Argumentationstheorie und –analyse mehr ins Blickfeld des Interesses, die das logische Rückgrat der Rhetorik bildet. Auch die Sprachwissenschaft hat sich dieser neuen interdisziplinären Forschungsrichtung angenommen. In dieser Seminararbeit gilt es aber, nach den persuasiven Mitteln zu suchen, die in erster Linie nicht dem Logos zuzuschreiben sind. Neben dem Logos sind seit Aristoteles Pathos und Ethos die beiden anderen Wirkungsstrategien der rhetorischen Handlungen. In diesem Zusammenhang spielt auch das Verhältnis der Dichotomie überzeugen / überreden (lat. convincere/persuadere) eine Rolle.
Die Lobrede – it. elogio – umfasst das Problemfeld der Epideixis, in der es immer noch unklar ist, inwieweit diese dritte Redegattung, der von Aristoteles als eigentlicher Beurteilungsgegenstand nur die rhetorische Leistung des Redners zugewiesen wurde, eine persuasive Handlung darstellt. Rhetori- sches Handeln ist zudem aber grundsätzlich pragmatisch, also handlungsspezifisch ausgerichtet. Des- halb ist hier die Frage zu stellen, inwieweit in der heutigen Medienwelt, insbesondere im Bereich der Politik, Lobes- und Tadelhandlungen stattfinden, die durchaus auf Überzeugung angelegt sind und schließlich später in eine Handlung übergehen können/sollen. Journalisten verfassen solche persuasi- ven Texte und sprechen ein Lob oder einen Tadel aus: Modern gesprochen geben sie eine Kritik über einen allen Lesern bekannten Sachverhalt oder eine Person ab – sie schreiben Kommentare, Kritiken, eine Laudatio oder auch einen Nachruf. Hier ist es wirklich zu überprüfen, in welcher Art und Weise Linguisten solche persuasiven Texte beschreiben können. Deshalb muss die Linguistik auf die Fragen und Antworten der antiken Rhetorik zurückgreifen, um zu erfahren, wie sich die Mittel linguistisch beschreiben lassen, die jene persuasive Kraft besitzen.
1.1 Dieretorica dell’elogio in persuasiven monologischen Texten
Das Ziel dieser Seminararbeit ist es zunächst, die Frage zu stellen, inwiefern die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts neu einsetzende Beschäftigung im Bereich der Argumentationstheorie und Per-suasion – unter Berücksichtigung der Aufarbeitung der antiken Rhetorik – die moderne Linguistik beeinflusst hat. Weiterhin ist die Frage zu stellen, was die antiken Rhetoriktheoretiker mit ihrer eigens geschaffenen Disziplin bezweckten, wie sie grundsätzlich aufgebaut ist und welche Ziele sie schließ- lich verfolgte. Dabei ist zu klären, wie sich das Phänomen der Persuasion – mit dem sich die antiken Rhetoriktheorien ja befassten – auch mit den modernen kommunikationswissenschaftlichen Methoden beschreiben lassen.
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- Arbeit zitieren
- Magister Artium Andreas Reimann (Autor:in), 2006, Die "retorica dell'elogio" in Texten der italienischen Tageszeitungen "La Repubblica" und "Corriere della Sera", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125969