Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
1.1 Frankreich im 17. Jahrhundert
2. „Querelle des Anciens et des Modernes“
2.1 Die Veränderung des Weltbildes
3. Das Kunstverständnis im Bezug auf:
3.1 Die Malerei
3.2 Die Skulptur
3.3 Die Architektur
4. Schlussbemerkungen
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die folgende Ausarbeitung setzt sich mit dem Streit zwischen den Modernes und den Altertumsanhänger, der „Querelle des Anciens et des Modernes“, welche im 17. Jahrhundert in Frankreich stattgefunden hat, auseinander. Nach einer kurzen geschichtlichen Einordnung soll der Verlauf der Querelle umrissen werden und die Einstellungen der Gegnerparteien dargelegt werden. Vor diesem Hintergrund soll das Kunstverständnis der Modernisten und der Anciens erklärt werden. Dabei soll die Entwicklung in der Malerei, der Skulptur und der Architektur beschrieben werden.
1.3 Frankreich im 17. Jahrhundert
König Ludwig XIV. übernimmt im März 1661, nach dem Tod seines Ersten Ministers, Kardinal Jules Mazarin, der seit 1643 für den unmündigen König die Geschäfte geleitet hat, als absolutistischer Herrscher die Regierungsgeschäfte. Unter ihm erreicht der Absolutismus die höchste Machtentfaltung nach innen und außen. Der Hof des „Sonnenkönigs“ in Versailles wird das Vorbild der höfisch-aristokratischen Gesellschaft Europas. Die Kunst des Barock (z.B. Schloss Versailles), die klassische Literatur (u.a. Molière, La Fontaine, Corneille, Racine), Philosophie und Malerei erleben ihre Hochblüte. Doch leitet die übersteigerte Expansionspolitik (Eroberungskriege u.a. gegen Spanien und die Niederlande) und die Verschwendungssucht von Ludwig XIV. zugleich die Schwächung des Königtums ein.
Ludwig XIV. beschränkt das Parlament und den Adel in ihren politischen Kompetenzen, verstärkt gleichzeitig die königliche Verwaltung und Armee. Auch die Künste entziehen sich nicht der Aufmerksamkeit des Königs. Von der Krone gefordert, geraten sie nach und nach unter das Diktat des Königs und dienen der Verherrlichung der Persönlichkeit Ludwigs XIV.
Unter Ludwig XIV. soll Paris zu einem neuen Rom werden. In der vom König. gegründeten Akademie in Rom werden die wichtigsten Statuen von französischen Künstlern nachgebaut, gezeichnet, gemessen und Marmorkopien erstellt. Ebenso werden alle wichtigen architektonischen Denkmäler Roms vermessen.[1] Christian Michel beschreibt die Funktion der Schätze der Antike als eine Grundlage für den neuen, zu entwickelnden Geschmack.
Elles sont les sources nécessaires pour acquérir la « grande manière » et le «grande goût», et pour permettre aux artistes de dépasser la simple imitation de la nature.[2]
Das Ziel Ludwigs XIV. ist es seine Macht zu Schau zu stellen, um der Menge zu imponieren, sich als Wesen besonderer Art zu geben, welches von Gottes Gnaden über die gewöhnlichen Sterblichen hinausgehoben ist.[3] Die Antike gilt als das große Vorbild, und durch die außerordentliche Kenntnis dieser glaubt man ein «ordre français» etablieren zu können. Die Geschichten der Antike, sowie die Fabel dienen als die Hauptquellen der Ikonographie. Sie gelten als universell und sind daher auch im 17. Jahrhundert anwendbar.[4]
In dem Kreis der sich um den damaligen Präsidenten der Académie, Colbert, bildet, ist man der Meinung, dass Frankreich es nicht nötig hat sich auf die antiken Vorbilder zu beziehen. Besonders der «Premier Commis» Colberts, Charles Perrault, setzt sich dagegen ein die antiken Vorbilder als die höchsten zu betrachten und sie nachzuahmen.[5] Es entwickelt sich eine neue philosophische Sicht, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll.
2. „Querelle des Anciens et des Modernes“
Die Aufhebung des Edikts von Nantes 1685, welcher seinerzeit die Religionsfreiheit zusicherte, entfacht eine neue theologische und politische Diskussion in Frankreich. Gegenstand dieser Diskussion ist u. a. die vermehrte Kritik an der Obrigkeit und die Frage nach der Einordnung der Gegenwart in den Rahmen der Geschichte. Die Betrachtung und Bewertung der eigenen Epoche wird zum Hauptstreitpunkt in der so genannten „Querelle des Anciens et des Modernes“, dem Streit zwischen den Altertumsanhängern und den Modernes, welcher außerdem von einer bisher unbekannten Geschichtsschreibung und -darstellung geprägt ist.
Den Auslöser für den Streit zwischen den Anhängern der Antike und den Modernisten gibt Charles Perrault am 27.1.1687, als er zur Eröffnung einer Sitzung der Académie Française sein Gedicht „Le Siècle de Louis le Grand“ vorträgt. In dem Gedicht wird die Zeit der Regentschaft Ludwigs XIV. der des Kaisers Augustus an Ruhm und Würde gleichsetzt.
La belle Antiquité fut toujours venerable;
Mais je ne crus jamais qu`elle fust adorable.
Je voy les Anciens sans plier les genoux,
Ils sont grands, il est vray, mais hommes comme nous ;
Et l`on peut comparer sains craindre d`estre injuste,
Le Siecle de LOUIS au beau Siecle d`Auguste.
(1687)[6]
Dieses Gedicht ruft Empörung hervor, welche besonders durch Boileau zum Ausdruck gebracht wird, welcher nach dem Vortrag ausruft, es sei eine Schande für die Akademie sich ein solches Gedicht überhaupt anzuhören.[7] Der Streit bringt ein neues Verständnis der Geschichte und ein neues Weltbild mit sich. Es findet ein Übergang von der klassischen, spekulativen, künstlerischer und ästhetischer Betrachtung zur historischen hin statt.[8]
[...]
[1] Michel 1996: S45.
[2] Ebd.: S45.
[3] Vgl. Gombrich 1986: S364.
[4] Vgl. Michel 1996:S46.
[5] Ebd.: S46.
[6] Perrault, zitiert nach Knabe 1972: S42, Fußnote 80/1.
[7] Vgl. Jauß 1964: S10.
[8] Vgl. Jauß 1964: S11.