Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kleiderordnungen im Mittelalter
3. Bedeutungsaspekte von Kleidung
4. Die Funktion der Kleidung des jungen Helmbrecht in der Erzählung Wernhers des Gärtners
5. Fazit
6. Anhang
a. Literaturverzeichnis
b. Erklärung
1. Einleitung
Kleidung – in ihrer ursprünglichen Funktion diente Kleidung dem Menschen als Schulz vor Kälte, Sonne und sonstigen Umwelteinflüssen. Diese schützende Funkti-on rückte in den Hintergrund und der Kleidungsbegriff vollzog einen Wandel, denn Kleidung bietet Menschen die Möglichkeit, ihren sozialen Status nonverbal darzus-tellen. Dieses Phänomen kann man nicht erst seit dem 21. Jahrhundert beobachten, sondern schon die Menschen im Mittelalter verstanden Kleidung als soziale Aus-drucksform. Es geht nicht mehr primär um die Schutzfunktion von Kleidung, son-dern Mode und das äußere Erscheinungsbild werden zu einem bestimmenden Element des menschlichen Lebens. Die Wirkung und Wahl von Kleidung spielt beson-ders in einer Ständegesellschaft eine wichtige Rolle, denn hier bestimmt Kleidung auf den ersten Blick die Zugehörigkeit zu einem definierten Stand.
Diese Wirkung von Kleidung ist auch dem jungen Bauernsohn Helmrecht in der gleichnamigen Erzählung „Helmbrecht“, von Wernher dem Gärtner, bewusst. Helmbrecht fühlt sich zu einem höheren Stand berufen, nachdem ihn Mutter und Schwester mit nicht standesgemäßer Kleidung ausgestattet haben.
In der vorliegenden Hausarbeit werde ich auf die Funktionen der Kleidung des jungen Helmbrecht näher eingehen. In meinen Ausführungen beschäftige ich mich zunächst mit der Kleiderordnung des Mittelalters im Allgemeinen, des Weite-ren beschäftige ich mich mit der Frage, was Kleidung ausdrücken kann und werde diesbezüglich mein Hauptaugenmerk auf die Interpretation der inhaltlichen Bedeu-tung bezüglich des zu behandelnden Gegenstandes, Helmbrecht, legen.
2. Kleiderordnungen im Mittelalter
In meinen Ausführungen bezüglich der Kleidung werde ich mein Hauptaugenmerk auf die männliche Bekleidungsweise legen, da für meine Ausführungen nur diese relevant ist.
Die Bauern des 12. und 13. Jahrhunderts kleideten sich „mit Kittel, Hose und Bundschuhen und verwendeten für ihre Kleidung nur Leinwand von grauer oder schwarzer Farbe“1. Vorschriften diktierten ihnen das Tragen einer kurzen Tunika, um sich somit von höher gestellten Ständen zu unterscheiden, diese trugen zunehmend lange Tuniken. Außerdem trugen Bauern einen kurzen Hemdrock, Hosen, die entwe-der eng oder weit geschnitten waren, und einen Umhang, der mit einer Kapuze aus-gestattet war. Dies zeichnete die eher schlichte und einfache Kleidung der Bauern aus.2 Die Kleiderordnungen wurden vom Adel gesetzlich festgelegt, so zum Beispiel im Bayrischen Landfrieden von 1244 oder in dem Landrecht Leopolds VI. Diese Erlasse enthielten unter anderem folgende Vorschriften: Bauern durften keine Waf-fen tragen, die Farbwahl der Kleidung beschränkt sich auf Schwarz oder Grau, die Materialauswahl für Schuhe beschränkt sich auf Rindsleder und Joppen durften nicht aus Ziegenleder gefertigt werden.3 Die Haarlänge der Bauern durfte nicht länger als schulterlang sein, das Recht längere Haare zu tragen wurde den höheren Ständen vorbehalten.
3. Bedeutungsaspekte von Kleidung
„Die Kleidung, in der sich ein Mensch seiner Umwelt präsentiert, informiert über Person und Persönlichkeit, Stand und Standard, Beruf und Berufung des Trägers.“4 Diese nonverbale Kommunikations- und Ausdrucksmöglichkeit, die ein Träger durch die Wahl seiner Kleidung vermittelt, wurde sowohl im Mittelalter, als auch in der heutigen Zeit benutzt, um seinen Mitmenschen Botschaften auf unterschiedlichster Ebene zu vermitteln. Diese Vermittlungsebenen können verschiedene Funktionen aufweisen: Soziale Verweisfunktionen, Prestige- und Signalfunktionen sowie Wer-bungsfunktionen. Einige Funktionsweisen möchte ich kurz näher erläutern, da diese in der Interpretation der Kleidungswahl Helmbrechts eine Rolle spielen, auf die ich in meinen späteren Ausführungen eingehen werde.
Soziale Verweisfunktionen: Im Mittelalter lag das Hauptaugenmerk der Men-schen nicht darauf, sich als eigenständige Person, als Individuum, zu verstehen, son-dern einen gewissen Stand zu repräsentieren. Besonders für die Angehörigen des Ritterstandes, die von der Bevölkerung als Kollektiv wahrgenommen wurden, wurde die repräsentative Funktion ihres Auftretens ein wichtiger Bestandteil nonverbaler Kommunikation. Dadurch, dass besonders der Ritterstand als Repräsentant einer ganzen Gesellschaftsschicht, nämlich des Adels, stand, lag auf ihnen ein besonderer Druck, ihren Stand angemessen zu vertreten und präsentieren. Diese Angemessenheit drückt sich besonders in der Art der Kleidung aus.5
Prestigefunktion: Die Kleidung des Menschen verweist auf dessen ökonomi-sche Verhältnisse und die gesellschaftliche Funktion und Position. So wurden beson-ders Ritter, die an ihrer Lebenswiese und ihren Idealen erkennbar waren, mit dem Attribut ‚Ehre‘ verbunden. Deshalb waren die Menschen vom Hof sehr darauf be-dacht, ihre gesellschaftliche Stellung halten zu können.6 „Die Legitimierung seiner (des höfischen Menschen) privilegierten Stellung wird durch permanente Demonstration von Reichtum und Geschmack erzielt, für die Kleidung einerseits wegen ihres materiellen und andererseits wegen ihres ästhetischen Wertes in besonderer Weise geeignet ist.“7
Signalfunktion: Im Mittelalter diente die Kleidung als Hilfestellung zur Ei-nordnung einer Person in einen bestimmten Stand. So konnten einander fremde Per-sonen auf den ersten Blick erkennen, ob das Gegenüber einen höheren, niederen oder den gleichen sozialen Status hatte. Diese Art der optischen Hilfe erleichterte den Menschen im Mittelalter den sozialen Umgang miteinander. Die Kleidung bestimmte also die Standeszugehörigkeit auf den ersten Blick.8
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1 Raudszus, Gabriele: Die Zeichensprache der Kleidung. Untersuchungen zur Symbolik des Gewandes in der deutschen Epik des Mittelalters. Hildesheim: Olms, 1985, Seite 8.
2 Vergleiche Raudszus, Seite 8-11.
3 Vergleiche Raudszus, Seite 166.
4 Vergleiche Raudszus, Seite 1.
5 Vergleiche Raudszus, Seite 183,184.
6 Vergleiche Raudszus, Seite 184.
7 Vergleiche Raudszus, Seite 184.
8 Vergleiche Raudszus, Seite 191-193.