Der 1959 veröffentlichte Roman Die Blechtrommel von Günter Grass
handelt von den Deutschen vor und während der zwölfjährigen Naziherrschaft
sowie in der Nachkriegszeit. Der Roman thematisiert jedoch weder Krieg,
Soldatenschicksale, Ideologien noch historische Großereignisse, sondern
beschreibt eine durch Passivität geprägte deutsche Gesellschaft in ihrer
Konfrontation mit dem Dritten Reich und mit ihrer anschließenden
Vergangenheitsbewältigung.
Aus der Sicht des Protagonisten Oskar Matzerath beschreibt Grass das
Verhalten der Deutschen in dieser Zeit, das sich neben Passivität auch
insbesondere durch ein hohes Maß an Widersprüchlichkeit und Ambivalenzen
auszeichnet. Trennlinien werden verwischt, Gegensätze aufgehoben und Dinge
und Aussagen verlieren ihre Eindeutigkeit. Ambivalenzen ziehen sich wie ein roter
Faden durch den Roman und sind Auslöser des schizophrenen Zustands, in dem
sich die Deutschen nach den Kriegserlebnissen unweigerlich wiederfinden. Die
Blechtrommel bringt das Dilemma der Deutschen zur Sprache: Ihre Unfähigkeit,
aktiv Stellung zu ihrer Vergangenheit zu beziehen, ihre Rolle im Krieg eindeutig zu
definieren, Verantwortung zu übernehmen und individuelle Schuld zu bekennen. In
der Unfähigkeit der Deutschen zu einer eigenen eindeutigen Positionierung
insbesondere im Umgang mit ihrer eigenen Geschichte und in der Täter/Opfer Frage bezüglich des Zweiten Weltkrieges sieht Grass eine Charaktereigenschaft,
die er in seinem Roman durch Ambivalenzen unterschiedlichster Art darstellt.
Grass sieht in der Passivität der Romanfiguren den Ursprung ihrer ambivalenten
Situation: Ihre Passivität hat fatale Folgen, die sie von Opfern zunächst zu Zeugen
und schließlich zu aktiven Tätern werden lassen. In der erzählten Geschichte des
Romans reichen sie bis zurück in die Zeit vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Ambivalenzen und die Auflösung von Gegensätzen in Günter Grass' Roman Die Blechtrommel
- Einleitung
- Oskars Geburt und die Aufhebung zeitlicher Bezugspunkte
- Zeugung und Konstruktivität gleichbedeutend mit Tod und Destruktion
- Oskars Stimme als Ausdruck von Kreativität und Destruktion
- Geschichte als eine von Zerstörung, Verlust und Tod geprägte Vergangenheit
- Oskars Trommel als Werkzeug seiner Kunst sowie seiner Zerstörungskraft
- Die Aufhebung von Gegensätzen in der Karfreitagsepisode
- Die Verweigerung eindeutiger Identitäten
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Ambivalenzen und die Auflösung von Gegensätzen in Günter Grass' Roman Die Blechtrommel. Der Fokus liegt auf der Darstellung der deutschen Gesellschaft vor, während und nach der Naziherrschaft aus der Sicht des Protagonisten Oskar Matzerath. Die Arbeit untersucht, wie Grass die Widersprüchlichkeit und Ambivalenz des deutschen Verhaltens in dieser Zeit durch die Auflösung von Gegensätzen wie Kreation-Destruktion, Ordnung-Chaos und Anfang-Ende darstellt.
- Die Auflösung von Gegensätzen als Mittel der Darstellung der deutschen Gesellschaft im Kontext des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit
- Die Rolle der Ambivalenz in der Gestaltung der Romanfiguren und ihrer Handlungsweisen
- Die Bedeutung von Symbolen und Metaphern für die Vermittlung der zentralen Themen des Romans
- Die Darstellung von Geschichte als ein zirkulärer Prozess, der die ständige Konfrontation mit der Vergangenheit beinhaltet
- Die Verbindung von Kreativität und Destruktion in der Figur des Oskar Matzerath
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Ambivalenzen und der Auflösung von Gegensätzen in Günter Grass' Roman Die Blechtrommel ein. Sie stellt die zentrale These der Arbeit vor, dass Grass die Widersprüchlichkeit und Ambivalenz des deutschen Verhaltens in der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit durch die Auflösung von Gegensätzen darstellt.
Das Kapitel „Oskars Geburt und die Aufhebung zeitlicher Bezugspunkte“ analysiert die Bedeutung von Oskars Geburt und seiner Weigerung zu wachsen für die Darstellung der Zeitlichkeit im Roman. Die Aufhebung zeitlicher Bezugspunkte wird als Symbol für die zirkuläre Geschichtsauffassung des Romans interpretiert.
Das Kapitel „Zeugung und Konstruktivität gleichbedeutend mit Tod und Destruktion“ untersucht die Verbindung von Zeugung und Konstruktivität mit Tod und Destruktion im Roman. Es werden Beispiele aus dem Text analysiert, die diese Verbindung verdeutlichen, wie die Zerstörung der Polnischen Post und der Bau eines Kartenhauses.
Das Kapitel „Oskars Stimme als Ausdruck von Kreativität und Destruktion“ analysiert die Rolle von Oskars Stimme als Ausdruck von Kreativität und Destruktion. Es wird gezeigt, wie Oskar seine Stimme sowohl für künstlerische Zwecke als auch für zerstörerische Handlungen einsetzt.
Das Kapitel „Geschichte als eine von Zerstörung, Verlust und Tod geprägte Vergangenheit“ untersucht die Darstellung von Geschichte im Roman als eine von Zerstörung, Verlust und Tod geprägte Vergangenheit. Es wird gezeigt, wie die Vergangenheit im Roman nicht überwunden werden kann, sondern die Figuren immer wieder mit ihr konfrontiert wird.
Das Kapitel „Oskars Trommel als Werkzeug seiner Kunst sowie seiner Zerstörungskraft“ analysiert die Rolle von Oskars Trommel als Werkzeug seiner Kunst sowie seiner Zerstörungskraft. Es wird gezeigt, wie Oskar seine Trommel sowohl für künstlerische Zwecke als auch für zerstörerische Handlungen einsetzt.
Das Kapitel „Die Aufhebung von Gegensätzen in der Karfreitagsepisode“ analysiert die Bedeutung der Karfreitagsepisode für die Darstellung der Auflösung von Gegensätzen im Roman. Es wird gezeigt, wie die Episode die Verbindung von Tod und Leben, sowie die Verweigerung eindeutiger Kategorien wie männlich und weiblich symbolisiert.
Das Kapitel „Die Verweigerung eindeutiger Identitäten“ untersucht die Darstellung der Romanfiguren als Personen, denen eine eindeutige Identität verwehrt wird. Es wird gezeigt, wie Grass die Trennlinien zwischen Kategorien wie männlich und weiblich, Kindsein und Erwachsensein verwischt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Ambivalenz, die Auflösung von Gegensätzen, die deutsche Gesellschaft im Kontext des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit, die Figur des Oskar Matzerath, die Darstellung von Geschichte, Kreativität und Destruktion, sowie die Verweigerung eindeutiger Identitäten.
- Arbeit zitieren
- M.A. Bastian Heinsohn (Autor:in), 2004, Ambivalenzen und die Auflösung von Gegensätzen in Günter Grass’ Roman "Die Blechtrommel", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126183