Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1 Die Gabe der Glossolalie im Neuen Testament
1.1 γλωσσα im NT
1.2 Synonyme Ausdrücke
2 Was bewirkt die Gabe der Glossolalie?
3 Widerspricht Paulus sich?
3.1 Die widersprüchlichen Aussagen
3.2 Ein Lösungsweg
4 Die Gabe der Glossolalie in der privaten Anwendung
5 Die Gabe der Glossolalie in der öffentlichen Anwendung
Fazit und Ausblick
Bibliographie
Einführung
Die Gabe der Glossolalie gehört zu den Gaben, die der Heilige Geist den Gläubigen schenkt. In dieser Kursabschlussarbeit werde ich die Aussagen des Neuen Testamentes untersuchen und der Frage nachgehen, welche Rolle diese Gabe für die Entwicklung einer Gemeinde spielt.
Nach einer Übersicht der Bibelstellen werde ich untersuchen, wie der Begriff „Auferbauung“ konkret zu füllen ist. Im Weiteren geht es um zwei Aussagen des Apostels Paulus, die einen Widerspruch darstellen, zumindest auf den ersten Blick.
Im abschließenden Fazit und Ausblick lege ich einige Anschlussgleise, die zur weiteren Reflektion für den Gemeindebau dienen können.
1 Die Gabe der Glossolalie im Neuen Testament
Der Begriff Glossolalie leitet sich von den beiden Worten „γλϖσσα“ und „λαλειν“ ab. Ersteres kann sowohl „Zunge“ als auch „Sprache“ bedeuten1. Letzteres heißt „reden“ oder „sprechen“. Aufgrund der Doppelbegrifflichkeit wird diese Gabe sowohl als Zungenrede oder Zungengebet, als auch mit Sprachenrede oder Sprachengebet übersetzt. Eine klare und deutliche Aussage zur Verwendung des Begriffes "Zungenrede" ist bei Reinhold Ulonska zu finden. „Es fällt bestimmt auf, dass ich ... immer noch die Übersetzung „Zungenrede“ statt „Sprachenrede“ gebrauche. Das geschieht nicht nur aus Pietät gegen unsere pfingstliche Tradition. Paulus selber macht ... einen Unterschied ...“2 Ulonska begründet es u.a. damit, dass auf diese Weise deutlich zu erkennen ist, dass es sich um eine nicht erlernbare Sprache handelt. Jack Hayford hingegen benutzt bewusst einen anderen Begriff. Er nennt sie „geistliche Sprache“ und begründet dies damit, dass „es der leichtere Weg ist, das Zungenreden zu beschreiben. Obwohl „in Zungen reden“ ein biblischer Ausdruck ist, werden damit oft seltsame Bilder und Gedanken bei den Menschen ausgelöst.“3
In dieser Kursabschlussarbeit werde ich den theologischen Fachbegriff Glossolalie verwenden. Nach dieser Begriffsklärung gebe ich einen kurzen Überblick über die Vorkommnisse im Neuen Testament.
1.1 γλωσσα im NT
Die Gabe der Glossolalie wird erstmalig im Markusevangelium erwähnt. „Diese Zeichen aber werden die begleiten, die gläubig geworden sind: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden.“4 „Sie werden in neuen Sprachen reden“ ist die Übersetzung des Griechischen „ γλώσσαις λαλήσουσιν καιναῖς.“ 5
Im NT kommt der Begriff γλώσσα 50 mal vor6, 27 mal geht es um die Glossolalie, in den restlichen 23 Stellen geht es um die Zunge oder um Sprache im allgemeinen. Die 27 Vorkommnisse von γλώσσα im Sinne der Glossolalie finden wir in diesen Versen: Mk 16,17; Apg 2,4.11; 10,46; 19,6; 1Kor 12,10.28.30; 13,1.8; 14,2.4.5.6.9.13.14.18.19.22.23.26.27.39.
Wir finden diese Gabe also nur in einem schmalen Spektrum des NT vor, einmal in einem Evangelium, dreimal in der Apostelgeschichte und in drei aufeinanderfolgende Kapitel im ersten Brief an die Korinther. Wie wir später noch sehen werden, äußert sich der Apostel Paulus sehr positiv, wenn es um die Gabe der Glossolalie geht. Kann es sein, dass dieselbe Gabe im NT auch anders bezeichnet wird? Gibt es vielleicht synonyme Ausdrücke? Bevor dieser Frage nachgegangen wird, schiebe ich einen Gedanken ein, der – im Rahmen dieser Hausarbeit - hier am besten platziert ist:
Hat Jesus Christus zu Erdenzeiten die Gabe der Glossolalie angewandt? Detmar Scheunemann schreibt dazu: „Ob Jesus im Geist gebetet hat oder nicht, lässt sich aus keiner Stelle beweisen; jedoch legen verschiedene Stellen der Evangelien diese Möglichkeit nahe.“7 Als Beleg nennt er Mk 7,34: „Dann blickte er zum Himmel auf, seufzte und sprach ...“8 und Mk 8,12: „Und er seufzte in seinem Geist und ...“9 Scheunemann untermauert seine These mit einer kurzen Studie des Wortes „Seufzen“: „Nach C. Schneider ist das griechische Wort steanazein bzw. anastenazein = seufzen, laut tönen (Paulus gebraucht in Römer 8,26 das Hauptwort stenagmos) in der hellenistischen Umwelt des Neuen Testaments Fachausdruck für ein Beten, das nicht vom Verstand, sondern vom Geist hervorgebracht wird.“10
Dieser Gedanke ist eine willkommene Überleitung zum nächsten Punkt, der bereits angeschnittenen Frage nach synonymen Ausdrücken für Glossolalie.
1.2 Synonyme Ausdrücke
Die Gabe der Glossolalie finden wir im Zusammenhang mit dem Begriff γλώσσα. Im ersten Korintherbrief schreibt Paulus: „Wie soll es nun sein? Ich will mit dem Geist beten, ich will aber auch mit dem Verstand beten; ich will mit dem Geist lobsingen, ich will aber auch mit dem Verstand lobsingen.“11 Dem Beten bzw. Singen mit dem Verstand wird das Beten und Singen mit dem Geist gegenübergestellt. Der Kontext zeigt, dass es sich hier um die Gabe der Glossolalie handelt. „Mit dem Geist“ (griechisch: τϖ πνευματι) kann also als Alternativbegriff zur Glossolalie gesehen werden.
Analog zu Pauli Aussage in 1Kor 13,1 kann auch der Begriff „Engelsprache“ als Synonym gesehen werden.12 „Wenn ich in Sprachen der Menschen und der Engel redete, aber keine Liebe hätte, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.“ 13 Diese Verse stehen im direkten Kontext der Gabe der Glossolalie. Paulus beschreibt in den Kapiteln 12 und 14 des ersten Korintherbriefes wie der gesunde Umgang mit den Geistesgaben – und insbesondere mit der Gabe der Glossolalie - zur gesunden Auferbauung der Gemeinde führt.
Die Wirklichkeit der Glossolalie wird also mit verschiedenen Ausdrücken beschrieben. Die intensive Auseinandersetzung mit einigen Fehlentwicklungen und Fehlhaltungen (Zitate in Fußnoten zu Lieblos, Unordnung, nicht verstehen, Gästeunsensibel) in der Gemeinde in Korinth haben Paulus dazu veranlasst, zu korrigieren.
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1 Artikel „γλωσσα“: „1. d. Zunge ... 2. d. Sprache“ aus: Walter Bauer. Wörterbuch zum Neuen Testament. Berlin: Walter de Gruyter & Co., 1971, 321.
2 Reinhold Ulonska. Geistesgaben in Lehre und Praxis. Der Umgang mit den Charismen des Heiligen Geistes, 4. Auflage, Erzhausen: Leuchter-Verlag, 1993, 133f.
3 Jack Hayford. Gott gibt Gutes. Von der Schönheit und Bedeutung des Sprachengebets, Erzhausen: Leuchter-Verlag, 1996, 227.
4 Schlachter Bibel, Mk 16,17.
5 Eberhard & Erwin Nestle mit Kurt & Barbara Aland. Das Neue Testament – Griechisch und Deutsch, 26. Auflage, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 1986, 149.
6 H. Bachmann & W. A. Slaby. Konkordanz zum Novum Testamentum Graece. Berlin: Walter de Gruyter & Co., 1987, 334f.
7 Detmar Scheunemann. Und führte mich hinaus ins Weite, 108.
8 Schlachter Bibel, Mk 7,34.
9 Schlachter Bibel, Mk 8,12.
10 Detmar Scheunemann. Und führte mich hinaus ins Weite, 108.
11 Schlachter Bibel, 1Kor 14,15.
12 so auch Ralf Luther. Wörterbuch. Eine Einführung in Sprache und Sinn der urchristlichen Schriften, 5. Auflage, Gütersloh: GTB Siebenstern, 1984, 63: „ ... die Gabe des Zungenredens, das ist die Fähigkeit, zu Zeiten in unbekannten Sprachen (seien es menschliche Sprachen, sei es die Sprache der Engel, ...) zu sprechen ...“
13 Schlachter Bibel, 1Kor 13,1.