Finanzkrise – Wie verwundbar ist die Schweiz?


Seminararbeit, 2009

17 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Interdependenztheorie

3. Finanzkrise
3.1 Ursachen
3.1.1 Legislative Voraussetzungen
3.1.2 Niedrigzinspolitik
3.1.3 Das Subprime-Problem
3.2 Folgen
3.2.1 Hypothekenkrise
3.2.2 Bankenkrise - Liquiditatskrise oder Solvenzkrise?
3.2.3 Auswirkungen auf die Realwirtschaft
3.3 Risikofaktoren - Indikatoren der Interdependenz-Verwundbarkeit

4. Fall Schweiz auf dem Hintergrund pessimistischer Prognosen
4.1 Auspragungen der Interdependenz-Verwundbarkeit der Schweiz

5. Schlussfolgerungen

6. Literatur

1 Einleitung

Die gegenwartige Finanzkrise, welche im September 2007 in den USA als Hypothekenkrise ihren Anfang nahm, hat inzwischen zu einer beachtlichen Rezession der Weltwirtschaft gefiihrt. Die Auswirkungen bereits getroffener und antizipierter Massnahmen auf die Haushalte wie auch auf die politische Koharenz der Staaten sind noch nicht absehbar. Daher besteht ein offensichtlicher Bedarf an Risikoanalysen fiir Staaten, so auch fiir die Schweiz.

An Versuchen, die Krise abschliessend zu erklaren, mangelt es in der Literatur ebenso wenig wie an Prognosen zur finanziellen und politischen Zukunft. Wahrend die gegenseitige Abhangigkeit der Akteure USA und China einfach auf den Punkt gebracht werden kann1, scheiden sich im Falle der Verwundbarkeit des Kleinstaates Schweiz die Geister. Wo gewisse Exponenten bereits den Teufel in Gestalt eines Staatsbankrotts an die Wand malen2, schatzen andere das Gefahrenpotential fiir die Schweiz im internationalen Vergleich eher gering ein. 3 Die vorliegende Arbeit möchte die Verwundbarkeit der Schweiz in der Finanzkrise untersuchen. Als Analysewerkzeug wird der interdependenztheoretische Ansatz von Robert Keohane und Joseph Nye4 verwendet.

Eine Schwache der vorliegenden Arbeit liegt in der mangelnden Nachweisbarkeit von Kosteneffekten, die in einer Schwache des interdependenztheoretischen Ansatzes an sich zu verorten ist.5 Ein zweites Problem stellt der grossen Veranderungen unterworfene Untersuchungsgegenstand dar. Die Wirtschaftskrise ist in vollem Gange und als solche ein bewegliches Ziel.

Im ersten Teil wird das analytische Werkzeug, namentlich die Interdependenztheorie, vorgestellt. Im zweiten Teil werden Ursachen und Folgen der Wirtschaftskrise untersucht und daraus resultierende Faktoren der Interdependenz-Verwundbarkeit herausgearbeitet. Im dritten und hauptsachlichen Teil wird der Fall Schweiz untersucht. Abschliessend bespricht der vierte Teil, welche Massnahmen seitens der Schweiz Kosteneffekte und damit deren Verwundbarkeit in der Krise reduzieren können.

2 Interdependenztheorie

Die Interdependenztheorie wurde von Robert Keohane und Joseph Nye in den 70er Jahren als Reaktion auf die zunehmende Verflechtung und die beobachtbar zunehmende gegenseitige Abhängigkeit von Staaten geprägt. Ziel der Theorie war es zu erklären, wie sich unter der Annahme weltweit wachsender wechselseitiger Abhängigkeit und unter der Bedingung einer grundsätzlich anarchisch organisierten Struktur der internationalen Beziehungen die Art und Weise, wie Akteure Entscheidungen treffen, verändert. Eine höhere Verwundbarkeit schmälert die Macht von Staaten relativ zu anderen Akteuren, internationale Beziehungen zu strukturieren. Die Androhung von Kosteneffekten schwächt die Macht von Staaten, so dass eine Machtverschiebung zugunsten alternativer Akteure wie Nichtregierungsorganisationen oder internationalen Organisationen sowie die Schaffung von Regimen zu beobachten ist.

Interdependenz ist klar von den Konzepten Verbundenheit und Abhängigkeit zu unterscheiden. Verbundenheit bezeichnet das quantitative Volumen der Interaktionen von Staaten, zum Beispiel das Total des wirtschaftlichen Handelsvolumens, das nicht zwingend politische Konsequenzen haben muss. Abhängigkeit wiederum bezeichnet ein einseitiges, asymmetrisches Verhältnis zwischen Staaten, in welchem Handlungen des einen, immer politische Konsequenzen auf den anderen Staat in Form von einseitigen Kosteneffekten haben.

Interdependenz hingegen meint ein zweiseitiges Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit, symmetrisch oder asymmetrisch, in welchem Handlungen politische Konsequenzen in Form von Kosteneffekten auf beiden Seiten erzeugen. Es werden zwei Arten von Kosteneffekten unterschieden: einerseits solche, die entstehen, wenn ein Staat trotz Vorliegen eines externen Schocks seine bisherige Politik beibehält — in diesem Falle spricht man von Interdependenz-Empfindlichkeit6 — und ande]rerseits solche, die entstehen, wenn ein Staat seine Politik externen Veränderungen anpasst. In letzterem Fall spricht man von Interdependenz-Verwundbarkeit7.

Die Interdependenztheorie war seit ihren Anfängen verschiedenen Vorwürfen ausgesetzt. Erstens dem Vorwurf der Tautologie: Interdependenz wird gleichzeitig als Ursache (Voraussetzung fir internationale Kooperation) und Wirkung (Kosteneffekte) gehandelt. Diese mangelnde Trennschärfe erschwert den Nachweis von Kosteneffekten als dem Resultat eines erlittenen externen Schocks. Zweitens dem Vorwurf der Unvollständigkeit: die Interdependenztheorie kann die Entstehung der Interdependenz nicht erklären und greift somit zu kurz. Drittens sind die Konstrukte Empfindlichkeit und Verwundbarkeit empirisch nur schwer zu operationalisieren und es lassen sich lediglich Aussagen iiber die Antizipation von Kosteneffekten machen. Aus diesem Grund ist eine griindliche Analyse der Finanzkrise unerlässlich. Aus der Analyse von Ursachen und Folgen der Krise können Risikofaktoren fiir Staaten in Form von Kosteneffekten identifiziert und so Faktoren der Interdependenz-Verwundbarkeit herausgearbeitet werden.

3 Finanzkrise

Die durch die Kommunikationsrevolution entstandene Senkung von Informations- und Transaktionskosten, gepaart mit politisch motivierter Offnung, ermöglichte seit den 90er Jahren einen reibungslosen internationalen Handel, welcher einen enorme Wachstumsschub der Weltwirtschaft zur Folge hatte.

3.1 Ursachen

Die Verortung der Finalursache der Finanzkrise in den US-amerikanischen Subprime-Hypotheken greift zu kurz, fusste die Immobilienblase doch ihrerseits auf einer Reihe legislativer und damit strategischer Voraussetzungen.

3.1.1 Legislative Voraussetzungen

Der einst im Zuge der Depression von 1929 in den USA erlassene Glass-Steagall Act (GSA) sollte Investmentbanken von Geschäftsbanken separieren. Als eine der Hauptursachen fiir die Krise von 1929 war die iibermässige Beteiligung von Geschäftsbanken an der Börse angesehen worden, welche durch den GSA kiinftig vermieden werden sollte. Eine weitere Regulation wurde 1956 mit dem Bank Holding Company Act eingefiihrt, der die Zeichnung von Versicherungsrisiken (underwriting) durch Banken verbot.

Die Limitierung des Bankensektors durch den GSA war Gegenstand langjähriger Kritik und Debatten. Es wurde argumentiert, dass im Falle einer Aufhebung der Restriktionen, eine moderate Diversifikation von Banken entgegen friiherer Annahmen Risiken reduzieren könnte.

Im November 1999 wurde vom US-amerikanischen Kongress schliesslich der Gramm-Leach-Bliley Act erlassen, welcher die Restriktionen des GSA und BHCA aufhob8.

Zusatzlich wurde 1995 unter der Prasidentschaft Bill Clintons der Community Reinvestment Act regulativen Änderungen unterzogen, welche im Sinne der Eigentumsförderung die Gewahrung von Krediten an schwache und schwachste Haushalte ermoglichte.

3.1.2 Niedrigzinspolitik

Die vor allem durch den ehemaligen Vorsitzenden der Federal Reserve (FED) Allan Greenspan9 betriebene monetare Akkommodation hatte bis 2007 die Wirkung einer impliziten Staatsgarantie. Tiefe Risikopramien10 sorgten fiir geringe Kosten fiir Finanzinstitute. Die Kreditmarkte strotzten vor billigem Geld. Der Erfolg dieser Geldpolitik war stark vom Technologieschub und der weltweiten politischen Offnung seit Anfang der 90er Jahre begiinstigt. Der iiber Jahre hinweg bestehende negative Output Gap11 verhinderte den Teuerungsdruck.12 Die Niedrigzinspolitik fiihrte unter anderem zu giinstigen Hypothekarkrediten. Billige Hypothekarkredite aufgrund tiefer Hypothekarzinssatze, gepaart mit mangelnder Vergaberichtlinien sowie steigende Immobilienpreise, auf deren weiteren Anstieg zusatzlich spekuliert wurde, fiihrten zur Vergabe von sogenannten Subprime-Krediten 13 welche eine spekulative Immobilienblase zur Folge hatten.

[...]


1 Prof. Dr. Dieter Ruloff ausserte sich dahingehend in einem Interview im Unimagazin: „Fiir Chinesen wie fiir Amerikaner gilt im wirtschaftlichen Bereich, was wahrend des Kalten Krieges fiir die USA und die Sowjetunion galt: Sie konnen sich gegenseitig vernichten." (GULL 2009: 26)

2 In einem Interview mit dem Tagesanzeiger ausserte sich der Wirtschaftskybernetiker Arthur P. Schmidt: „Der Schweiz droht wie Island der mogliche Staatsbankrott. Eine Folge davon ware, dass die schweizerische Wahrung massiv an Wert verlieren konnte, moglicherweise sogar crasht. Eine andere ware, dass die Schweiz in ihrer Kreditfahigkeit massiv zuriickgestuft wiirde. Das ware ein Trauma fiir das Land: Die Schweiz galt immer als Hort der Stabilitat. Der Franken konnte zu einer instabilen Weichwahrung werden. Dann wiirde die Schweiz vielleicht gezwungen sein, den Franken aufzugeben und den Euro zu iibernehmen." (HABICHT 2009)

3 Jan Poser, Chefokonom bei der Bank Sarasin, meinte in einem Interview mit 20Minuten Online: „Selbst wenn die Schweiz die UBS nochmals und die CS ebenfalls mit 50 Mrd. Franken unterstiitzen miisste, wiirde der Staatsverschuldungsgrad nicht iiber 60 Prozent steigen — das Land ware also nicht zahlungsunfahig.", In: „Steht die Schweiz vor dem Staatsbankrott?" (scc/rmd 2009)

4 KEOHANE/NYE (1989)

5 Siehe diesbeziiglich Abschnitt 2 zur Interdependenztheorie

6 KEOHANE/NYE (1989): S. 12.

7 KEOHANE/NYE (1989): S. 13.

8 HEAKAL (2009)

9 Anna Schwartz, Okonomin am National Bureau of Economic Research in New York, ausserte sich dahingehend eindeutig in einem Interview mit dem Wall Street Journal: „Der Boom der Hauspreise begann mit den sehr niedrigen Zinssatzen in den friihen Jahren der Dekade unter dem ehemaligen Vorsitzenden Alan Greenspan." (CARNEY 2009)

10 Unter Risikopramie versteht man den Zinssatz, den ein Darlehensgeber aufgrund von offensichtlichen Risiken eines Projektes erhebt, die iiber das normale Marktrisiko einer Finanzierung hinausgehen.

11 Liicke zwischen effektiver und potentieller Kapazitat einer Volkswirtschaft. Im Fall eines negativen Output Gaps liegt der realisierte Output unter der vollen Kapazitat.

12 HUMMLER (2008): S.1f

13 Hypotheken von Schuldnern mit niedriger Bonitat

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Finanzkrise – Wie verwundbar ist die Schweiz?
Hochschule
Universität Zürich  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Vertiefung Internationale Beziehungen: Theorien der Internationalen Beziehungen
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V126454
ISBN (eBook)
9783640324231
ISBN (Buch)
9783640326037
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzkrise, Politikwissenschaft, Internationale Beziehungen
Arbeit zitieren
Elena Holzheu (Autor:in), 2009, Finanzkrise – Wie verwundbar ist die Schweiz?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126454

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