Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Figurationssoziologie nach Norbert Elias
2.1 Der Begriff Figuration
2.2 Machtbalancen
3. Das Etablierten-Außenseiter-Modell
4. Definition und Auswirkungen von Stigmatisierung
4.1 Definition von Stigmatisierung
4.2 Auswirkungen von Stigmatisierung
4.2.1 Die Stigma-Identitäts-These
5. Bildungsbenachteiligung & Stigmatisierung jugendlicher Ausländer
5.1 Entstehung eines gesellschaftlichen Leitbildes
5.2 Jugendliche Ausländer an deutschen Schulen
6. Anwendung des Etablierten-Außenseiter-Modells
7. Fazit
8. Literatur
1. Einleitung
Ja, ich bin ein Ausländer, unsre Narben sind die Markenzeichen. Darum wechselt ihr die Straßenseiten. Denn ich bin ein Ausländer, laufe durch Gassen und Seitenstraßen. Sitze im Benz oder im Streifenwagen, ja, ich bin ein Ausländer. Und sie gucken auf die schwarzen Haare. Weil ich das teure Auto bar bezahle, ja, ich bin ein Ausländer. Schon damals Päckchen im Hof gepackt. Wir haben nicht so gedacht, ihr habt uns so gemacht. Ja, ich bin ein Ausländer. Heh? Bin ich jetzt kriminell? (Mert/ Alpa Gun 2020: 0:30min-0:53min).
Dieses Zitat aus einem deutschen Rap Lied spiegelt die Stigmatisierung und das Bilden von Stereotypen gegenüber in Deutschland lebenden AusländerInnen und Menschen mit Migrationshintergrund wider. Diese richten sich insbesondere gegen (jugendliche) AusländerInnen. Zudem macht es die von Norbert Elias beschriebene These, dass Menschen ihr Verhalten an die an sie gerichteten Vorurteile anpassen deutlich („Gib einer Gruppe einen schlechten Namen und sie wird ihm nachkommen“ (Elias/ Scotson 1990: 24) – „Wir haben nicht so gedacht, ihr habt uns so gemacht“ (Mert/ Alpa Gun 2020: 0:30min-0:53min).
Schon seit Jahren richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit der Medien zunehmend auf Jugendliche und adoleszente Ausländer. Diese Diskussionen werden oftmals sehr emotional und generalisierend durchgeführt, wobei sie viele Vorurteile beinhalten. Diese sind oftmals mit Stigmatisierung verbunden, welche wiederum ein fester Bestandteil des Alltags einer jeden Gesellschaft ist. Sie kommt in formellen (Bildungseinrichtungen, Justiz,…), sowie in informellen Instanzen vor und bedeutet für die von Stigmatisierung Betroffenen sowohl Diskriminierung, als auch Einschränkungen ihrer Lebensqualität und ihrer Lebenschancen. Häufig werden in unserer Gesellschaft Menschen stigmatisiert, welche aufgrund sichtbarer oder unsichtbarer Merkmale eine durch die Gesellschaft abgewertete Personengruppe zugeordnet werden können (Vgl.: Goffman 1967; Vgl.: Crossman 2019).
Insbesondere die Schule stellt eine wichtige formelle Instanz dar. Das Schulleben ist oder war für jeden allgegenwärtig: keine SchülerIn könnte sich diesem entziehen. Dabei stellt das Schulleben eine wichtige Station der Sozialisation in der Gesellschaft dar. Sie prägt die SchülerInnen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeiten und bietet die Umwelt dieser Entwicklung und des Einflusses (Hurrelmann 2002: 11). Die Entwicklung der Menschen in ihrem sozialen Umfeld in Bezug auf die Bildung der Werte und Normen, geschieht also zu großen Teilen in der Schule (Veith 2008: 7). Wenn die Schule als Sozialisationsinstanz genauer betrachtet wird, kommen immer häufiger Vorwürfe der Bildungsbenachteiligung einzelner gesellschaftlicher Schichten zum Vorschein. Unter anderem sind ausländische SchülerInnen von der Bildungsungleichheit sowie der Bildungsbenachteiligung betroffen (Vgl.: Lösel). Dabei entstehen weitreichende Folgen für die Zukunft dieser SchülerInnen, da die Schulbildung prägend für den späteren Beruf und das soziale Leben der Menschen ist (Javaher Haghighi 2000: 50).
Um zu untersuchen inwiefern ausländische Jugendliche stigmatisiert werden und dadurch in ihrer Bildung benachteiligt werden, wird das Etablierten-Außenseiter Modell nach Norbert Elias angewendet. Dieses ist auch heute noch für die Forschung bezüglich sozialer Ungleichheiten und Machtungleichheiten anwendbar, da es Erkenntnisse über die Struktureigentümlichkeiten in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft liefert.
In dieser Arbeit soll dargelegt werden, dass sich jugendliche AusländerInnen und die deutsche Mehrheitsgesellschaft in einer ganz bestimmten Positionierung, beziehungsweise Hierarchie zueinanderstehen. Deshalb lautet die Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit: Anwendung der Etablierten-Außenseiter Figuration auf die Situation ausländischer Jugendlicher. Inwiefern lässt sich die Figuration jugendlicher AusländerInnen an deutschen Schulen auf die Etablierten-Außenseiter-Figuration nach Norbert Elias übertragen?
Zur Beantwortung dieser Frage wird im ersten Kapitel die Figurationssoziologie von Norbert Elias vorgestellt. Der Begriff Figuration wird zunächst definiert, außerdem wird in diesem Zusammenhang erklärt, was Elias unter Machtbalancen versteht und wie er seine theoretischen Schlüsse hierzu in seine Figurationssoziologie einbindet. In Kapitel drei wird das Etablierten-Außenseiter Modell konkret vorgestellt und es wird auf die von Elias, zusammen mit seinem Schüler John L. Scotson im Jahr 1960, durchgeführte Studie mit dem Titel ´Etablierte und Außenseiter´ eingegangen. Das darauffolgende Kapitel behandelt die Stigmatisierung junger AusländerInnen in Deutschland. Dabei wird zunächst unter Bezugnahme von Goffman (1967) der Begriff Stigmatisierung definiert. Anschließend wird auf die Auswirkungen von Stigmatisierung und die Stigma-Identitäts-These eingegangen. Um sich auf die Situation der jugendlichen AusländerInnen zu konkretisieren wird das gesellschaftliche Leitbild und die Situation in den Schulen erläutert. In Kapitel fünf wird das Etablierten-Außenseiter Modell auf die Situation ausländischer SchülerInnen angewendet. Abschließend werden die Ergebnisse im Fazit zusammengefasst. Die theoretische Ausarbeitung dieser Arbeit, geschieht anhand von themenspezifisch ausgewählter Literatur.
2. Figurationssoziologie nach Norbert Elias
Mit Elias Theorie der Figurationssoziologie, welche im Folgendem genauer beschrieben wird, versucht Elias, die Signifikanz des Zusammenhangs zwischen Individuum und Gesellschaft zu erläutern, sowie zu verdeutlichen. Dabei sieht er es als sinnvoll an Individuen als „sozialen Menschen“ zu verstehen. Sein Ziel war es, eine menschenwissenschaftliche Theorie darzustellen, welche auf gesellschaftliche Probleme angewandt werden kann. Dabei stellt die Verteilung der Macht einen zentralen Punkt in seiner Theorie dar (Baumgart/ Eichener 1995: 117f).
2.1 Der Begriff Figuration
Norbert Elias Theorie zufolge, existiere kein Mensch autonom. Demnach gäbe es keine völlig unabhängigen voneinander entscheidenden, agierenden und existierenden Menschen. Die Vorstellung solcher Einzelmenschen sei lediglich ein Kunstprodukt der Menschen (Müller 2006: 100).
Durch das Zusammenleben würden Menschen Figurationen, in Form von großen oder kleinen Gruppen, beziehungsweise Gesellschaften erzeugen. Diese würden durch die Wissensübertragung mitbestimmt und zwar „durch den Eintritt eines Einzelnen in die spezifische Symbolwelt einer schon vorhandenen Figuration von Menschen“ (Elias 2018: 115). Dabei sei es von höchster Wichtigkeit, dass Menschen bestimmte gesellschaftliche Symbole, wie beispielsweise das Erlernen einer bestimmten Sprache, verinnerlichen, da sie sich sonst in ihrer Umgebung nicht zurechtfinden würden. Ein Individuum, welchem es nicht möglich ist die für seine Menschengruppe spezifischen Sprech- und Wissenssymbole zu erlernen und zu verinnerlichen, würde keinen Zugang zu den meisten menschlichen Figurationen erlangen und sei somit mit einem „wilden Geschöpf“ gleichzustellen (Baumgart/ Eichener 1997: 105).
Insgesamt bringt die Figuration also die wechselseitige Interdependenz der Menschen untereinander zum Ausdruck (ebd.: 108). Menschen könnten demnach lediglich als Pluralität betrachtet werden und seien von Natur aus abhängig von anderen Menschen (ebd.). Diese Abhängigkeit stelle sich folgendermaßen dar: In Gesellschaften würden verschiedene Individuen miteinander zusammenleben. Dabei habe jedes Individuum eigene Ziele und Pläne, welche jedoch von denen der anderen beeinflusst werden würden (ebd.: 77). Norbert Elias trifft dabei eine Unterscheidung zwischen affektiven, sozialen, ökonomischen und räumlichen Interdependenzen (ebd.: 109). Demnach sei die Persönlichkeit das Produkt gesellschaftlicher Prozesse (ebd.: 105f.).
Durch die Figurationen würden verschiedene Gruppen und Gesellschaften entstehen. Menschen könnten nicht ohne eine Gesellschaft existieren und Gesellschaften würden ohne Menschen nicht entstehen. De facto bedeute dies, dass die Gesellschaft „nicht außerhalb oder jenseits der Individuen existiert, sondern gerade aus deren interdependenten Verflechtungen in den menschlichen Beziehungen besteht“ (Ebers 1995: 177). Demnach sei die Gesellschaft ein von Individuen erbautes Interdependenzgeflecht. Figurationen könnten sich dabei auch in sogenannte „Unterfigurationen“ gliedern (Elias 1995: 33).
Menschen innerhalb der Figurationen würden sich im Laufe der Zeit verändern und damit auch die die Figuration selbst. Dies sei eine „normale Eigentümlichkeit der Figurationen“ (Ebers 1995: 176). Dies mache deutlich, dass Figurationen nicht als statische Gebilde betrachtet werden dürfen. Die Prozesshaftigkeit zeichne sie aus (Baumgart/ Eichener 1997: 111).
2.2 Machtbalancen
Die wechselseitige Abhängigkeit innerhalb der Verflechtungszusammenhänge, mache deutlich, dass Menschen nicht frei Handeln können. Dies sei eng mit dem Begriff der Macht verbunden. Die Abhängigkeiten würden die Machtbeziehungen darstellen, da die Macht „eine Struktureigentümlichkeit menschlicher Beziehungen“ sei (Elias 1970/2006: 174). Deshalb stelle die Macht das Schlüsselkonzept bei der Analyse der Figurationen dar und sei eine Struktureigentümlichkeit einer jeden zwischenmenschlichen Beziehung (Baumgart/ Eichener 1997: 114).
Die jeweiligen Machtbalancen seien ein Teil einer jeden menschlichen Beziehung und könnten ausgewogen sein oder starke Differenzen aufweisen. Je größer die Abhängigkeit, desto höher sei die Macht. Dabei entstehe eine bestimmte Machtbalance mit einem Machtsaldo zu Gunsten einer Person gegenüber der anderen (Vgl.: Baumgart/ Eichener). Es gäbe auch dann Machtbalancen, wenn das Machtgleichgewicht sehr ungleich verteilt sei. Machtbalancen gäbe es demnach immer dort wo es funktionale Interdependenzen gäbe (ebd.). Macht würde immer mindestens zwei Personen, welche in Beziehung zueinanderstehen erfordern. Trotz des Ungleichgewichts der Abhängigkeiten in Beziehungen, gehe die Macht immer von allen Mitgliedern der Figuration aus.
Aber selbst der Schwächere […] kann stets ein wenig Macht auch über den Stärkeren ausüben, solange er einen Wert für ihn darstellt und der Stärkere deshalb auch ein wenig von dem Schwächeren abhängig ist (ebd.: 115).
Macht könne sich sowohl negativ, als auch positiv in der Art der Abhängigkeit niederschlagen. Sie erweise sich als positiv, wenn sie als Chance gesehen werde und die Handlungen der Personen mit denen man in einer Interaktion steht in eine bestimmte Richtung bewusst oder auch unbewusst steuern könne (ebd.: 114).
Wie dem vorangegangen zu entnehmen ist, wird der Begriff der Macht von Elias im Sinne von Machtbeziehungen beschrieben und kann keinen Besitz darstellen (ebd.: 115). Auch diese hätten einen dynamischen Charakter und würden Wandlungen unterlaufen (ebd.: 116).
3. Das Etablierten-Außenseiter-Modell
Das im folgendem beschriebene Modell der Etablierten-Außenseiter-Figuration, ist das Ergebnis einer Fallstudie von Norbert Elias, in welcher er in den 1960er Jahren eine kleine englische Vorstadtgemeinde („Winston Parva“) untersuchte (Elias/ Scotson 1990: 7). Bei dieser sei ein „universal menschliches Thema“, nämlich die strikte Trennung zweier Gruppen zu beobachten (ebd.). Zudem diene das Modell als „empirisches Paradigma“ und liefere Erkenntnisse über Struktureigentümlichkeiten (ebd.: 10).
In der untersuchten englischen Vorstadtgemeinde kam es zu einer Trennung zwischen der „alteingesessenen Gruppe“ und der „Gruppe von spät Zugewanderten“ (ebd.). Dabei wurden letztere von den Etablierten als Außenseiter und somit als Menschen von geringerem Wert wahrgenommen, da ihnen die Bürgertugend und somit ein kollektives Charisma fehlen würde (ebd.). Dabei sehen sich die Etablierten, welche die machtstärkere Gruppe darstellen, als bessere Menschen (ebd.: 8). Grund für die Zuschreibung von „gut“ und „schlecht“ zu den jeweiligen Gruppen, seien sogenannte pars-pro-toto Verzerrungen. Dabei würden die „schlechten“ Eigenschaften der „schlechtesten“ Menschen der Außenseitergruppe für deren Wahrnehmung verantwortlich sein. Umgekehrt würde das Selbstbild der Etabliertengruppe durch die Minorität ihrer „besten“ Mitglieder bestimmt werden (ebd.: 13).
Die Etablierten schließen aufgrund ihres Selbstbildes die Mitglieder anderer Gruppen aus und außerberuflicher Kontakt stellt ein Tabu dar. Die Kontrolle dafür seien entweder Lob oder Ausschluss, sowie Lästereien und damit verbunden sozialer Abstieg (ebd.: 9). Triebkraft sind also sowohl die Zwänge des Einzelnen (dem Selbstzwang), als auch die Zwänge welche sich aus der Gruppenmeinung und der Angst vor sozialem Abstieg entwickeln (dem Fremdzwang). Dies steht in engem Zusammenhang zum sogenannten „Prozess der Zivilisation“ nach Norbert Elias, welcher besagt, dass Menschen im Laufe der Entwicklung immer mehr Selbstzwänge und Fremdzwänge erlernen (Vgl.: Kuzmics 1991). Die Gruppenmeinung habe die Funktion der Bildung eines „persönlichen Gewissens“. Wobei das „Wir-Bild“ und das „Wir-Ideal“ dem Einzelnen für sein Selbstbild, sowie sein Selbstideal, genauso prägend sei wie „das Bild und Ideal seiner selbst als der der einzigartigen Person, zu der er Ich sagt.“ (Elias/ Scotson 1990.: 44).
Immer wieder lässt sich beobachten, daß Mitglieder von Gruppen, die im Hinblick auf ihre Macht anderen, interdependenten Gruppen überlegen sind von sich glauben, sie seien im Hinblick auf ihre menschliche Qualität besser als die anderen (ebd.: 7).
Hinzukommt, dass sie die Machtschwächeren durch Ausschluss und Stigmatisierung selbst davon überzeugen können, dass sie minderwertige Menschen seien (ebd.: 8/ 12). Dabei sei Stigmatisierung stets als ein Gruppengeschehen zu betrachten, bei welchem das Muster der Interdependenz der betroffenen Gruppen untersucht werden müsse (ebd.: 14). Eine Gruppe würde eine andere Gruppe nur solange stigmatisieren, solange sie sich ihrer Machtposition sicher sei und die Mitglieder der anderen Gruppe keinen Zugang zur Macht haben (ebd.). Sobald die Machtbalance ausgeglichen sei, würden sich die Außenseiter rächen und mit einer Gegenstigmatisierung beginnen (ebd.: 15). Konflikte zwischen den Etablierten und den Außenseitern könnten hierbei unmerklich oder aber auch durch offene Kämpfe ausgetragen werden (ebd.: 27). Der Kampf könne sich dabei durch das veränderte Bewusstsein der Außenseiter, bezüglich ihres erhöhten Einkommens und ihres Lebensstandards, vom Kampf des bloßen Überlebens zu einem Kampf weitreichender menschlicher Bedürfnisse entwickeln (ebd.: 29f). Dabei stelle der Konflikt um die Sicherung des Lebensunterhalts nicht die „letzte Quelle des Zielkonflikts zwischen machtstärkeren und machtschwächeren Gruppen“ dar (ebd.: 30f). Jede Art von Spannungen und Konflikten zwischen den Gruppierungen sei ein Machtbalance-Kampf (ebd.: 36).
Obwohl solche beschriebenen Figurationen häufig in Zusammenhang mit ethischen oder nationalen Gruppenunterschieden auftreten, gab es zwischen den beiden Gruppen von Winston Parva keine Differenzen bezüglich der Nationalität, ethnischen Herkunft oder der sozialen Klasse. Der einzige Unterschied war die Dauer der Sesshaftigkeit in dieser Gemeinde (ebd: 10f).
Hier konnte man beobachten, daß das bloße einer Formation mit allem, was es in sich schließt, einen Grad an Gruppenzusammenhalt, kollektiver Identifizierung und Gemeinsamkeit der Normen zu schaffen vermag, der genügt um bei Menschen das befriedigende Hochgefühl zu erzeugen, das mit dem Bewußtsein, einer höherwertigen Gruppe anzugehören, und der komplementären Verachtung für andere Gruppen verbunden ist (ebd.: 11).
Dieser Grund, nämlich die Dauer der Sesshaftigkeit, reiche aus um das Gefühl der Zugehörigkeit einer höherwertigen Gruppe zu erzeugen und andere Gruppen zu verachten (ebd.). Dadurch würden sich enorme Machtdifferentiale erkennen lassen (ebd.: 12). Ein wesentliches Element der Machtüberlegenheit stelle der höhere Kohäsionsgrad und der stärkere Zusammenhalt der Etablierten dar. Durch diese sind sie dazu in der Lage Mitglieder anderer Gruppen auszuschließen „und genau das ist der Kern einer Etablierten-Außenseiter-Figuration“ (ebd.). Diese weisen in verschiedenen Kontexten Gemeinsamkeiten und Regelmäßigkeiten auf.
Während die Etabliertengruppe durch langjährige gemeinsame Entwicklung über Generationen hinweg eine homogene Gruppe darstellt, weist die Außenseitergruppe eine höhere Heterogenität auf. Die Etablierten haben „eine gemeinsame Lebensweise und einen Normenkanon ausgebildet“, welchen die Außenseiter, welche vor Kurzem hinzugezogen sind unbewusst stören würden, da sie die ortsüblichen Verhaltensmuster und Kodexe nicht kennen würden (ebd.: 16).
Dadurch, dass die Außenseitergruppe die Stigmatisierung und Ausgrenzung durch die Etablierten spürt, entsteht eine beidseitige Gegnerschaft. Interessanterweise lässt sich feststellen, dass sich Teile der Außenseitergruppe tatsächlich so verhalten, wie die Etabliertengruppe sie verurteilt. Dazu schreibt Elias folgendes: „Gib einer Gruppe einen schlechten Namen und sie wird ihm nachkommen“ (ebd.: 24). Dadurch können sich beim Aufwachsen in einer Außenseitergruppe emotionale und intellektuelle Defizite aufweisen lassen (ebd.: S. 26).
Es lässt sich also feststellen, dass das Verhalten von den beiden Gruppen im interdependenten Zusammenhang miteinander steht. Während sich die Außenseitergruppe selbst am Maßstab der Verurteilung durch die Etablierten misst, setzt das Selbstbild der Etabliertengruppe die Existenz der Außenseiter voraus (ebd.: 22).
Das Modell der Etablierten-Außenseiter-Figuration beschreibt also die Grundstruktur der Entstehung und des Fortbestehens sozialer Ungleichheiten und Machtunterschieden in der Gesellschaft.
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