In der Arbeit soll der erzählte Raum in Hedwig Dohms (1831 – 1919) "Sommerlieben" (1909) hinsichtlich seiner Teilräume analysiert werden. Unter erzählten Räumen sollen konstruierte Symbolräume nach Lotman (erstmals 1972, hier 1989) verstanden werden, die als kulturelle Bedeutungsträger fungieren und durch die subjektive Semantisierung der Erzählinstanz (hier: autodiegetische narrative Instanz) eine individuelle Raumerfahrung, die sich aus Normen- und Werthierarchien sowie Kollektivvorstellungen zusammensetzt, transportieren. Als Teilräume – ebenfalls nach Lotman (erstmals 1972, hier 1989) – werden hier der Naturraum, der naturnahe Raum und der soziale Raum aufgefasst.
Dohms Alterswerk "Sommerlieben" streift scheinbar beiläufig diverse Diskurse der Jahrhundertwende von Emanzipationsbestrebungen über Erziehungskonzepte bis hin zu schwelendem Antisemitismus, die durch teils wertende, teils ironische Beobachtungen und Kommentare in den Briefen der Erzählinstanz Marie Luise an ihren Schwager Ferdinand verhandelt werden. Die Novelle ist in monoperspektivischer Briefform gehalten und so scheint in Anlehnung an den Briefroman die Reflexion über die Ereignisse wichtiger als die Ereignisse selbst
.
Dohm entwirft einen intern fokalisierten Raum, der nach Hoffmann (1978) als gestimmter Raum aufgefasst werden kann. Meer, Strand und Badegesellschaft werden subjektiv von der Erzählinstanz erlebt, sind jedoch intersubjektiv nachvollziehbar, da den beschriebenen Orten und Gegebenheiten stets ein Verweischarakter als Symbol, Allegorie und Assoziationsstimulus“5 innewohnt. Das Seebad Salentin erschließt sich der Leseinstanz über soziale und natürliche Raumdimensionen: unverhohlene Milieubeschreibungen wechseln sich mit plastischen Betrachtungen der Ostsee und der ihr eigenen Wetterphänomene ab, belanglose Befindlichkeiten der Badegäste werden zwischen antisemitische Investigationen am Strand gestreut.
Die Textanalyse hat zum Ziel, die Nebenumstände der Meerthalattaschaft herauszuarbeiten. Dazu wird eingangs die Verflechtung der Teilräume diskutiert und danach gefragt, wie sich die ordnenden Raumdimensionen Haus, Park und Strand zum Meer verhalten. Abschließend soll die Badegesellschaft mit eben jenen ihr eigenen Nebenumständen besprochen und die Janusköpfigkeit des sozialen Raums – uniforme Gleichheit der Dominanzgesellschaft bei gleichzeitiger Exklusion einer jüdischen Minderheit – herausgearbeitet werden....
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Naturraum
- Ostseebeschreibungen
- Strand als Zwischenzone
- Sozialer Raum
- Uniforme Badegesellschaft
- Der Raum der Anderen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert den erzählten Raum in Hedwig Dohms (1831-1919)¹ Sommerlieben (1909) hinsichtlich seiner Teilräume. Der Fokus liegt auf der Konstruktion von Symbolräumen, die als kulturelle Bedeutungsträger fungieren und durch die subjektive Semantisierung der Erzählinstanz eine individuelle Raumerfahrung transportieren. Die Analyse untersucht den Naturraum, den naturnahen Raum und den sozialen Raum als Teilräume, um die Interaktion zwischen diesen und die Konstruktion von Identität und Alterität zu beleuchten.
- Analyse des erzählten Raums in Hedwig Dohms Sommerlieben
- Konstruktion von Symbolräumen als kulturelle Bedeutungsträger
- Untersuchung der Interaktion zwischen Naturraum, naturnahem Raum und sozialem Raum
- Bedeutung von Raum für die Konstruktion von Identität und Alterität
- Einordnung von Dohms Werk in den Kontext der Jahrhundertwende und ihrer Diskurse
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den erzählten Raum in Hedwig Dohms Sommerlieben und seine Teilräume vor. Im Kapitel "Naturraum" wird die Ostsee als "Alternative zur gesellschaftlichen Wirklichkeit" des sozialen Raums beleuchtet. Die verschiedenen Perspektiven auf die "Meerthalattaschaft" sowie die Rolle von Haus, Park, Strand und Meer als ordnende Raumdimensionen werden diskutiert. Das Kapitel "Strand als Zwischenzone" untersucht den Strand als Brücke zwischen Naturraum und sozialem Raum. Das Kapitel "Uniforme Badegesellschaft" beschäftigt sich mit der Badegesellschaft und ihren Normen, die gleichzeitig Identität und Alterität konstruieren. Das Kapitel "Der Raum der Anderen" analysiert, wie der soziale Raum für eine jüdische Minderheit zum exkludierenden, hostilen Raum wird.
Schlüsselwörter
Erzählter Raum, Symbolraum, Hedwig Dohm, Sommerlieben, Naturraum, Ostsee, Strand, Badegesellschaft, soziale Raum, Identität, Alterität, Antisemitismus, Jahrhundertwende, "Meerthalattaschaft", imagined geographies, "Bäder-Antisemitismus".
- Arbeit zitieren
- Felix Naundorf (Autor:in), 2022, Der erzählte Raum in Dohms "Sommerlieben", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1266413