In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurde die dramatische Form problematisch und führte, so Szondi in seiner Theorie des modernen Dramas, in eine Krise, die nur überwunden werden konnte, indem man die dramatische Form als historisch überholt – wie Prospero seinen Zaubermantel – abwarf und bewusst durchbrach. Der Dramatiker hatte sich neuen und immer schneller wirbelnden Realitäten künstlerischer und gesellschaftlicher Natur zu stellen, wobei Kunst und Gesellschaft zum Teil geradezu entgegengesetzte Pole bildeten. Anders bei Brecht. Während Piscator der Funktion des Menschen auf der Bühne eine vor allem gesellschaftliche Bedeutung zuschrieb (»Nicht sein Verhältnis zu sich, nicht sein Verhältnis zu Gott, sondern sein Verhältnis zur Gesellschaft steht im Mittelpunkt.«) und das Revue-Moment zum neuen Formprinzip erhob, ging es Brecht um die »Inthronisierung des wissenschaftlichen Prinzips.« Paradigmatisch dafür steht der Kaukasische Kreidekreis, den Brecht 1954 am Berliner Ensemble selbst inszenierte. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Komplexe. Der dramaturgischen Analyse im ersten Teil folgt im zweiten Abschnitt ein historischer Aufführungsvergleich.
Inhaltsverzeichnis
- I. Brechts Kreidekreis
- 1. Grundlagen zum Verständnis
- 1.1. Der Stoff
- 1.2. Formale Aspekte
- 1.2.1. Makrostruktur
- 1.2.2. Die Spiel-im-Spiel-Struktur
- 1.2.3. Die Personen der Handlung
- 1.2.4. Unterschiede in den Fassungen
- 1.3. Die Fabel
- 1.3.1. Die Vorspiel-Handlung
- 1.3.2. Die Grusche-Handlung.
- 1.3.3. Die Azdak-Handlung
- 1.3.4. Verknüpfung Grusche-/Azdak-Handlung
- 1.3.5. Verhältnis Vorspiel-/Kreidekreis-Handlung_
- 1.4. Theorie und Praxis
- 1.4.1. Explizite Theatertheorie im Vorspiel
- 1.4.2. Der Sänger
- 1.4.3. Theatralische Mittel der Verfremdung
- 1.4.4. Schwesternkünste
- 2. Das Vorspiel: Von der Nützlichkeit bei Brecht
- 2.1. Der Streit um das Vorspiel
- 2.2. Von Nutzen und Produktivität
- 3. Problematisierung
- 1. Grundlagen zum Verständnis
- II. Drei Aufführungen - ein Vergleich
- 1. Theoretische Vorüberlegungen
- 1.1. Drama vs. Theater
- 1.2. Interpretationsansätze und Bedeutungserzeugung
- 1.2.1. Textliche Interpretation
- 1.2.2. Szenische Interpretation
- 2. Brecht (Berlin 1954)
- 2.1. Die Vorbereitung der Aufführung
- 2.2. Aufführung und Kritik
- 2.2.1. Die Ost-Kritik
- 2.2.2. Die West-Kritik
- 3. Buckwitz (Frankfurt/Main 1955)
- 3.1. Aufführung und Kritik
- 4. Zusammenfassung: Die Inszenierungen Brechts und Buckwitz'
- 5. Exkurs: Natur vs. Vernunft
- 6. Langhoff (Berlin 1998)
- 6.1. Aufführung und Kritik
- 6.2. Brecht am Broadway – einen Oscar für Langhoff, Spielberg ans D.T.
- Literaturnachweis
- 1. Theoretische Vorüberlegungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Brechts Stück "Der kaukasische Kreidekreis" und untersucht die Entwicklung des Stoffes von der chinesischen Sage bis zur modernen Bühnenfassung. Sie beleuchtet die formalen Aspekte des Stückes, die Spiel-im-Spiel-Struktur und die verschiedenen Fassungen. Darüber hinaus werden drei Aufführungen des Stückes aus unterschiedlichen Epochen miteinander verglichen, um die Interpretation und Bedeutungserzeugung im Theater zu beleuchten.
- Die Entwicklung des Stoffes "Der Kreidekreis" von der chinesischen Sage bis zur modernen Bühnenfassung
- Die formalen Aspekte des Stückes, insbesondere die Spiel-im-Spiel-Struktur
- Die verschiedenen Fassungen des Stückes und ihre Unterschiede
- Der Vergleich von drei Aufführungen des Stückes aus unterschiedlichen Epochen
- Die Interpretation und Bedeutungserzeugung im Theater
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit den Grundlagen zum Verständnis des "kaukasischen Kreidekreises". Es beleuchtet die Herkunft des Stoffes, die verschiedenen Bearbeitungen und die Intentionen Brechts bei der Adaption der Sage. Das Kapitel analysiert die formalen Aspekte des Stückes, die Makrostruktur, die Spiel-im-Spiel-Struktur und die Personen der Handlung. Es untersucht die Fabel des Stückes, die Vorspiel-Handlung, die Grusche-Handlung, die Azdak-Handlung und die Verknüpfung der verschiedenen Handlungsstränge. Schließlich werden die theoretischen Aspekte des Stückes beleuchtet, insbesondere Brechts explizite Theatertheorie im Vorspiel, die Rolle des Sängers und die theatralischen Mittel der Verfremdung.
Das zweite Kapitel widmet sich dem Vorspiel des "kaukasischen Kreidekreises" und untersucht dessen Bedeutung und Funktion im Gesamtkontext des Stückes. Es beleuchtet den Streit um das Vorspiel und die Frage nach seiner Nützlichkeit im Sinne Brechts. Das Kapitel analysiert die produktive Funktion des Vorspiels und seine Bedeutung für die Interpretation des Stückes.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Problematisierung des "kaukasischen Kreidekreises" und untersucht die verschiedenen Interpretationen und Aufführungen des Stückes. Es beleuchtet die theoretischen Vorüberlegungen zur Interpretation von Drama und Theater und untersucht die verschiedenen Interpretationsansätze und Bedeutungserzeugung im Theater.
Das vierte Kapitel analysiert drei Aufführungen des "kaukasischen Kreidekreises" aus unterschiedlichen Epochen: die Inszenierung Brechts aus dem Jahr 1954, die Inszenierung Buckwitz aus dem Jahr 1955 und die Inszenierung Langhoff aus dem Jahr 1998. Es beleuchtet die Vorbereitung der Aufführungen, die Kritik und die Interpretation der jeweiligen Inszenierungen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den "kaukasischen Kreidekreis", Bertolt Brecht, Theatertheorie, Verfremdungseffekt, Spiel-im-Spiel-Struktur, Aufführungspraxis, Interpretation, Bedeutungserzeugung, Drama, Theater, Inszenierung, Kritik.
- Arbeit zitieren
- Dr. Levin Röder (Autor:in), 1998, Das Tal den Bewässerern – Brechts "Kreidekreis", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126800