Innovative mobile Führungsgeräte im Museum - Ein erfolgversprechendes Besucherserviceinstrument


Magisterarbeit, 2008

154 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung
1.1 Mehr als ein Audioguide
1.2 Inhaltlicher Überblick

2. Service im Museum
2.1 Bedeutung
2.2 Begriff
2.3 Zeitliche und inhaltliche Differenzierung
2.4 Einordnung mobiler Führungsgeräte
2.5 Servicemanagement
2.6 Ziele

3. Mobile Führungsgeräte im Museum
3.1 Begriff im Kontext der Neuen Medien
3.2 Der klassische Audioguide
3.2.1 Definition und Entstehung
3.2.2 Nutzen und Ziele
3.2.3 Technische Umsetzung
3.3 Der Multimedia-Guide
3.3.1 Definition und Entstehung
3.3.2 Nutzen und Ziele
3.3.3 Technische Umsetzung
3.4 Gruppenführungsgeräte
3.5 Zusatzfunktionen
3.5.1 Interaktion
3.5.2 Barrierefreie Nutzung
3.5.3 Bookmarking
3.5.4 Integrierte Nutzeranalysen
3.6 Kritische Überlegungen

4. Empirische Untersuchung
4.1 Ziel und Methode
4.2 Ergebnisse der Museumsuntersuchungen
4.2.1 Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
4.2.2 Das Kunsthistorische Museum Wien
4.2.3 Das Bank Austria Kunstforum Wien

5. Erfolgsfaktoren im Überblick

6. Kosten, Nutzen und Ziele im Überblick

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Andere Quellen

Anhang Übersicht

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Gesprächsleitfaden Herstellerfirmen

Gesprächsleitfaden Museumsmitarbeiter

Gesprächsleitfaden Museumsbesucher

Interview Nous Wissensmanagement GmbH Wien

Interview Acoustiguide GmbH Berlin

Interview Antenna Audio GmbH Berlin

Interview Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Interview Kunsthistorisches Museum Wien

Interview Bank Austria Kunstforum Wien

1. Einführung

1.1 Mehr als ein Audioguide

„Fasziniert sind die Museumsgänger vor allem von den Videos mit Künstler-Interviews oder Reden und Stellungnahmen von Prominenten. Auch Sprachen mit anderen Schriftzeichen, wie etwa Russisch oder Chinesisch, werden vom System unterstützt. Außerdem werden jetzt auch die Besucher in die Ausstellungen integriert. So ist es möglich, am Ende der Führung seine Email- Adresse zu hinterlegen, wenn man sich für die Newsletters der Museen interessiert.“ (Kurier Wien, 2007, S.24).[1]

Neue mobile Führungsgeräte bieten inzwischen wesentlich mehr als die klassischen Audioguides: Multimedia, Interaktion, Zielgruppen- spezifikation und Serviceorientierung sind die richtungweisenden Schlagwörter der neuen Geräte-Generation. Für die Museen können sich hieraus viel versprechende Chancen ergeben: Eine gelungene Erweiterung des Service- und Vermittlungsangebots kann zum Beispiel zur Steigerung der Besucherzufriedenheit, zur Imageverbesserung oder langfristig auch zur Sicherung der Legitimation der Einrichtung beitragen. Dennoch nutzen bisher nur wenige Museen die neuen Möglichkeiten. Gründe für diese Zurückhaltung sind vermutlich vor allem die Unkenntnis über den aktuellen Geräte-Markt und die bisherigen Erfahrungen in der Praxis, die Angst vor hohem Arbeitsaufwand und erheblichen Kosten sowie die bestehenden Vorurteile gegenüber moderner Technik im Museum.

Diese Arbeit möchte daher eine umfassende und strukturierte Darstellung der traditionellen und aktuellen mobilen Führungsgeräte und ihrer Leistungen bieten und anhand von Beispielen begründen, inwieweit sie in der Praxis erfolgreich sind. Die Herausarbeitung von Erfolgsfaktoren sowie die Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen sollen vorhandene Ängste und Vorurteile abbauen und die Anwendung transparent machen. Dabei wird die These vertreten, dass innovative mobile Führungsgeräte durchaus ein erfolgversprechendes Besucherserviceinstrument sind.

1.2 Inhaltlicher Überblick

Die Arbeit ist in einen theoretischen und einen empirischen Teil gegliedert. Der theoretische Teil ist in zwei große Themen aufgeteilt. Im ersten Abschnitt werden die Grundlagen zu Service im Museum erläutert. Neben einer Begriffs- und Bedeutungsklärung werden die Servicedimensionen, das Servicemanagement und die Ziele von Service im Museum dargestellt. Dabei wird auch die Fokussierung mobiler Führungsgeräte als Serviceinstrument in Abgrenzung zur Vermittlungs- und Lernperspektive begründet. Der zweite Abschnitt widmet sich den mobilen Führungsgeräten im Detail, das heißt sowohl die inhaltlichen als auch die technischen Leistungen von Audioguides, Multimedia-Guides und Gruppenführungsgeräten werden ausführlich beschrieben. Anschließend werden die neuen Trends und Zusatzfunktionen der Geräte wie beispielsweise Interaktion und Bookmarking schwerpunktmäßig vertieft. Die Daten zu diesen Detailinformationen konnten vor allem aus qualitativen Experteninterviews mit Herstellerfirmen gewonnen werden.

Nach einer abschließenden kritischen Auseinandersetzung zum Thema der mobilen Führungsgeräte werden im empirischen Teil der Arbeit drei Museen und ihre Geräte beispielhaft untersucht. Anhand von qualitativen Experteninterviews mit den verantwortlichen Mitarbeitern der Museen sowie qualitativen Kurzinterviews mit je 30 Besuchern[2] pro Museum konnte eine Tendenz herausgefunden werden, wie zufrieden Anbieter und Nutzer der Serviceleistung sind und welche Rolle dabei innovative Elemente spielen.

In den letzen Kapiteln werden die wichtigsten Erfolgsfaktoren sowie die Kosten und Nutzen mobiler Führungsgeräten noch einmal übersichtlich zusammengefasst.

2. Service im Museum

2.1 Bedeutung

Deutschland wird oft als „Servicewüste“ oder „Entwicklungsland im Servicebereich“ beschrieben. Im Ausland stellen deutsche Besucher immer wieder verwundert fest, welches Niveau und welcher Umfang an Services dort selbstverständlich sind. Ursache für diesen Rückstand soll unter anderem die Mentalität der Deutschen sein. Danach erbringen Deutsche Serviceleistungen nur ungern für andere und lassen diese auch eher ungern für sich erbringen (vgl. Pepels, 2005, S.1). Seit einiger Zeit ist ein Wandel dieser Einstellung erkennbar. In einer Zeit, in der fast alle Dinge käuflich erwerbbar sind, streben die Menschen nach außergewöhnlichen Ereignissen (vgl. Koch, 2002, S.29). Somit steigt auch das Verlangen nach einem höheren Maß an Kundennähe, Serviceorientierung und Flexibilität. Für die Museen stellt der Servicegedanke daher eine entscheidende Chance zur Positionierung in ihrem lokalen bzw. regionalen Umfeld dar (vgl. Dauschek, 2001, S.131). Nur wenn es die Museen schaffen, qualitativ hochwertige Erlebnisse und Erfahrungen zu bieten, werden sie auch dem wachsenden Konkurrenzdruck durch andere Freizeitangebote standhalten können:

„Life is a series of experiences – some we want to repeat, and some we´d like to forget. (…) create high-quality experiences that your visitors want to repeat. Your visitors have many other ways to spend their leisure time, so your experience must be unique and enjoyable. The nonprofit world is not immune to competition (…).” (Weaver, 2007, S.9)

Gerade neue Informationstechnologien wie mobile Führungsgeräte haben das Potential, das Spektrum an möglichen Erfahrungen im Museum zu erweitern und somit die Service- und Besucherorientierung zu verbessern (vgl. Dauschek, 2001, S.131).

Zudem können sich die Museen mangelnde Besucher- und Serviceorientierung in Zeiten knapper Kassen nicht mehr leisten (vgl. Günter, 1997, S.11). Dies bedeutet vor allem, dass die Museen ihre Legitimation auf Dauer sichern müssen, um weiterhin öffentliche Gelder und auch Gelder von Privatinvestoren zu erhalten (vgl. Klein, 2007, S. 118). Das beste Argument dafür sind immer noch zahlreiche zufriedene Besucher, denn nur, wenn der kulturpolitische Auftrag eines Museums einen Adressaten findet, kann er erfolgreich erfüllt werden (vgl. Klein, 2007, S. 99).

2.2 Begriff

Die Servicepolitik eines Museums ist ein Teilbereich des Museumsmarketings. Daher ist es wichtig, die passende Marketing- Definition zu Grunde zu legen. Kotler stellt dabei vor allem den Austauschprozess im Museum in den Mittelpunkt:

„We (…) defined marketing as a process in which individuals and groups obtain what they need and desire through creating and exchanging products, services, experiences, and ultimately value with others.“ (Kotler, 1998, S. 349)

Doch welche Austauschbeziehung liegt in einem Museum genau vor? Das Museum hat nach ICOM (2007) einen Studien-, Bildungs-, und Unterhaltungszweck, dem es durch die Beschaffung, Bewahrung, Erforschung, Bekanntmachung und Ausstellung von materiellen Zeugnissen von Menschen und ihrer Umwelt gerecht werden soll. Als Gegenleistung bekommt das Museum die Eintrittsgelder seiner Besucher. Da der Eintrittspreis jedoch den Wert der Dienstleistung in keiner Weise widerspiegelt, muss es noch einen weiteren Transfer geben. Koch beschreibt dies sehr treffend mit einem Bildungs- oder Erlebniswert, also einen Wertetransfer, den der Besucher zusätzlich erhält (2002, S. 89). Im Museum liegen folglich spezielle Austauschbeziehungen vor.

Mc Lean geht noch einen Schritt weiter und betont, dass Marketing im Museum eine Einstellung, eine Philosophie ist, die gewissermaßen die Legitimation und das Überleben des Museums sichert:

„Marketing then is a set of tools used to achieve a philosophy – a philosophy that sees what museums are doing through the eyes of the people they are doing it for (…). A marketing orientation in a museum could by implication be the key to achieving the museum´s goals and to ensure survival.” (McLean, 1997, S.49)

McLean stellt mit dieser Philosophie vor allem auch die Besucherorientierung in den Mittelpunkt. Dies bedeutet jedoch nicht, die Inhalte von Kunst und Kultur vom Besucher dominieren zu lassen, sondern mit Hilfe von Museumsmarketing ihre Durchsetzung zu erleichtern (vgl. Koch, 2002, S.91). Die Definitionen von Kotler und McLean sollen die Besonderheiten des Museumsmarketings verdeutlichen und die grundlegende Denkweise dieser Arbeit widerspiegeln.

Servicepolitik ist neben Produktpolitik, Preispolitik, Distributionspolitik und Kommunikationspolitik ein Teilbereich des Marketing-Mix. Im Folgenden soll der Begriff des Service bzw. der Dienstleistung genauer definiert werden.

„Services (Dienstleistungen) sind selbstständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Serviceanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen oder deren Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung).“ (Bruhn, 2007, S.79).

Diese sehr komplexe Definition spiegelt alle relevanten Auffassungen von Service wider: Zum einen wird das Potenzial eines Anbieters hervorgehoben, bestimmte Leistungen beim Nachfrager zu erbringen. Im Museum könnten das beispielsweise ein schönes Museumsgebäude und ein ansprechender Eingangsbereich mit Sitzecke sein. Aber auch während dem Prozess, also in diesem Fall während dem Museumsbesuch, können Services eingesetzt werden. Ein interner Faktor könnte zum Beispiel freundliches Museumspersonal sein. Zuletzt kann Service auch als Ergebnis angesehen werden, die Bereicherung durch den Museumsbesuch wäre ein Beispiel hierfür.

Eine weitere Definition von Service (vgl. Klein, 2005, S. 473) hebt die Art der Leistung oder Tätigkeit, die gegenüber dem Kunden erbracht wird, hervor: Service kann eine eigenständige Leistung sein, wie beispielsweise eine Versicherung, und ist in diesem Fall die Hauptleistung. Möglich ist auch, ein Servicepaket als Gesamtleistung anzubieten, zum Beispiel eine Reise, bei der alle Ausflüge, Versicherungen und sonstige Kosten inklusive sind. Der häufigste Fall für den Museumsbetrieb ist die Ergänzung zu einer Kernleistung, das heißt, Services werden als Zusatzleistung bzw. Value-Added-Services erbracht. Das Angebot von diesen Services zielt darauf ab, den Nutzen bestehender Produkte oder Dienstleistungen für den Kunden zu erhöhen (vgl. Bruhn, 2007, S.80).

2.3 Zeitliche und inhaltliche Differenzierung

Serviceleistungen kann man sowohl zeitlich als auch inhaltlich differenzieren. Zeitlich gesehen kann man nach dem Zeitpunkt der Bereitstellung bzw. der Inanspruchnahme der Dienstleistung unterscheiden (vgl. Klein, 2008, S.109). Serviceleistungen, die vor der eigentlichen Kaufentscheidung erbracht werden, nennt man Pre-Sales- Services. In Bezug auf den Museumsbetrieb kann das zum Beispiel die umfassende Information des Besuchers durch eine ansprechende Website oder durch zielgerichtete Printmedien sein. Dienstleistungen, die während der Kaufentscheidung angeboten werden, sind die so genannten Sales-Services. Im Museum an der Kasse ist zum Beispiel freundliches Personal und eine eindeutige Beschilderung gewünscht. Nach der Kaufentscheidung kommen die After-Sales-Services zum Einsatz, von der anschließenden Zufriedenheits-Befragung bis zum Versand von Newslettern und Veranstaltungseinladungen (vgl. Klein, 2008, S.110).

Neben der zeitlichen Unterscheidung lässt sich auch eine inhaltliche Typologisierung von Serviceleistungen vornehmen. Diese Einteilung ist jedoch nur für die Value-Added-Services, das heißt für die Zusatzleistungen zum Kernprodukt sinnvoll. Ziel ist es, die zur Steigerung der Kundenorientierung relevanten Servicekategorien zu beschreiben (vgl. Bruhn, 2007, S.82). Dazu werden die zwei Dimensionen „Erwartungshaltung der Besucher“ und „Affinität zum Kernprodukt“ in Bezug zueinander gesetzt. Die Erwartungen der Besucher zur Existenz der Dienstleistung wird in drei Relevanz-Stufen eingeteilt: Zählt der Service bereits zum Standard, ist es eine Muss-Serviceleistung. Wird das Vorhandensein des Services als angenehm und komfortabel wahrgenommen, aber noch nicht als selbstverständlich angesehen, handelt es sich um eine Soll-Serviceleistung. Attraktive Dienstleistungen, mit denen der Besucher nicht gerechnet hat, werden als Kann- Serviceleistungen oder auch als Begeisterungsfaktoren bezeichnet (vgl. Bruhn, 2007, S.84). Je nach Dienstleistung ist zudem eine hohe, mittlere oder niedrige Affinität bzw. Nähe zum Kernprodukt festzustellen. Im Museum kann eine solche Profilierungsmatrix folgendermaßen aussehen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Value-Added-Services am Beispiel des Museumsbesuchs (vgl. Klein, 2005, S.478)

Nach Bruhn (2007, S.86) sind vor allem diejenigen Serviceleistungen zur Profilierung geeignet, die eine mittlere bis hohe Affinität zum Kernprodukt haben und als Kann- oder Soll-Leistung erbracht werden. Dabei ist zu beachten, dass Leistungen, die heute noch innovativ sind, morgen schon Standard sein können (vgl. Klein, 2005, S.480). Deshalb ist die Relevanz der Services immer wieder zu prüfen. Außerdem muss das Museum klar abwägen, ob diese zusätzlichen Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich angeboten werden sollen und muss sich auch hier immer wieder mit der Konkurrenz vergleichen (vgl. Klein, 2008, S.99).

2.4 Einordnung mobiler Führungsgeräte

„We could also debate about whether events and activities are part of visitor services or of the exhibit provision. The reality is they are an element of both” (Black, 2007, S.99)

Ebenso wie die meisten Museumsaktivitäten können auch mobile Führungsgeräte sowohl als Vermittlungs- als auch als Serviceinstrument betrachtet werden. Wenn man von der Produktpolitik ausgeht, ist die „Vermittlung kultureller Werte“ die Dienstleistung bzw. das Produkt des Museums (vgl. Simm, 2006, S. 61). Führungen und damit auch mobile Führungsgeräte werden nun häufig zu den klassischen Vermittlungsangeboten gezählt (vgl. Staudenmayer, 2004, S.39). Dies ist sicher richtig, aber nur ein Teil der Wahrheit. Mobile Führungsgeräte sind bei vielen Autoren auch explizit Serviceinstrumente. In einer umfassenden Tabelle zum Museum des 21st Jahrhunderts erwähnt Black, unter anderen Serviceleistungen, auch „Guided and self-guided tours“ (2007, S. 269). Eine eindeutige Zuweisung von mobilen Führungsgeräten zum Servicebereich wurde auch innerhalb eines Servicetests der Bertelsmann

Stiftung[3] 1998 vorgenommen: Elektronische Führungen zählen hierbei zu den Dienstleistungen des Museums (vgl. Kirchberg, 2003, S. 97). Dabei wurde der gesamte Prozess, der mit dem Ausleihen eines solchen Führungsgerätes zusammenhängt, als Serviceleistung beurteilt. Es wurde begutachtet, inwieweit eindeutige Hinweisschilder zu den Führungsgeräten vorliegen, ob die Ausleihmodalitäten- und gebühren verständlich sind und wie höflich das Ausgabepersonal ist (vgl. Schmidt, 2000, S. 8) Denn wie überall im Kontakt mit dem Besucher ist die Freundlichkeit des Personals ein ganz entscheidender Faktor. „At the heart of visitor services lies the front-of-house staff,” betont daher auch Black (2007, S.99). Den Servicetest hätte man in Bezug auf mobile Führungsgeräte noch ausweiten können: Sprachangebot und Barrierefreiheit der Geräte sind ebenfalls wichtige Komponenten für einen gelungenen elektronischen Führer. Interessant ist, dass gerade im Bereich der Bereitstellung und Handhabung von Audio-Führern ein schlechtes Ergebnis bei oben genanntem Servicetest erzielt wurde (vgl. Kirchberg, 2003, S.102). Hieraus kann man schließen, dass in diesem Bereich noch viel Verbesserungspotential für die Museen steckt. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass der Test bereits 1998 durchgeführt wurde und sich der Medienbereich seitdem deutlich weiterentwickelt hat.

Wenn man mobile Führungsgeräte nun genauer in den Servicebereich einordnen möchte, ist erst einmal festzustellen, dass es sich um einen Value-Added-Service handelt. Zusätzlich zum Kernprodukt Ausstellung und Vermittlung wird eine Sekundärleistung angeboten, die dem Besucher einen höheren Wert des Gesamterlebnisses Museumsbesuch ermöglichen soll. Diese Sekundärleistung hat eine hohe Affinität zum Kernprodukt, denn mobile Führungsgeräte vermitteln den Besuchern die ausgestellten Stücke. Je nach Größe und Bekanntheit des Museums wird inzwischen eine elektronische Führung als Angebot erwartet oder zumindest gerne gesehen. Es ist somit eine Soll-Leistung. In den letzten Jahren hat sich das Angebot solcher Geräte jedoch stark ausgebreitet, wodurch es schon bald zu einer Standard-Einrichtung werden könnte. Ein Mitarbeiter des Kunsthistorischen Museums in Wien beschreibt die Situation folgendermaßen:

„…die Leute wissen, was ein Audioguide ist, sie strömen automatisch zum Stand, man muss das nicht extra bewerben, das ist selbstverständlich, es ist jeder schon gewöhnt, die Leute kennen sich auch größtenteils damit aus, erwarten das auch von einem großen Museum, das gehört einfach dazu, das ist, als wenn wir Bilder aufhängen würden ohne Beschriftung…“. (Nr.5, Anhang S. 144, Z.317-322)

Vor allem in Sonderausstellungen sind Audioführungen sehr beliebt und schon fast ein Muss. In Dauerausstellungen sind sie seltener anzutreffen (vgl. Torunsky, 2001, S.34). Innovative Neuheiten wie beispielsweise Printing on demand (vgl. Kapitel 3.5.3) oder multimediale Inhalte sind allerdings noch im Kann-Bereich einzuordnen. Hierüber sind die Besucher noch überrascht und es besteht die Chance, sich eindeutig von der Konkurrenz abzusetzen. Die eben geschilderte Einteilung bedeutet jedoch nicht, dass alle Besucher mobile Führungsgeräte als persönliche Bereichung ansehen, sondern gibt nur eine grobe Einschätzung der Relevanz wieder. Des Weiteren ist die Dienstleistung im Bereich der „Sales-Services“ einzuordnen, da es sich um einen Service handelt, der während oder kurz nach der Kaufentscheidung zum Tragen kommt. Oft ist die Ausgabe der Geräte direkt neben der Kasse an einer zusätzlichen Ausgabestelle angesiedelt. In Museen mit weniger Besuchern übernimmt das Kassenpersonal häufig auch die Geräteausgabe, da die Gefahr von Warteschlangen geringer ist. Die Abgabe kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Meist wird eine geringe Leihgebühr[4] erhoben.

Untersuchungen haben ergeben, dass es die Besucher deutlich positiver einschätzen, wenn der Audioguide bereits im Eintrittspreis inklusive ist (vgl. Borkopp, 2001, S.54). Je nach Art und Wert des Gerätes wird zusätzlich oft noch ein Pfand in Form von Geld oder Hinterlegung des Personalausweises verlangt. Eine Alternative zur Pfandhinterlegung ist die elektronische Diebstahlsicherung des Gerätes oder die Einsammlung der Geräte durch Personal am Ausgang (vgl. Vorwerk, 2001, S.10). Abschließend kann festgestellt werden, dass mobile Führungsgeräte aus der Serviceperspektive betrachtet werden können und in dieser Arbeit auch in diesem Sinne beurteilt und bewertet werden. Vermittlungsaspekte werden ebenfalls mitberücksichtigt, stehen jedoch nicht im Vordergrund.

2.5 Servicemanagement

Serviceleistungen sollten grundsätzlich in ein umfassendes Servicemanagement eingebettet sein. Am Beispiel der mobilen Führungsgeräte könnte ein solcher Prozess folgendermaßen aussehen (vgl. Bruhn, 2007, S.107):

1) Serviceerwartungen analysieren: Welche Einstellung haben meine Besucher zu mobilen Führungsgeräten? Hat es für meine Besucher einen hohen Nutzen oder nicht? Welche Zusatzleistungen soll das Gerät haben? Um diese Fragen beantworten zu können, ist eine Besucherbefragung am Besten geeignet. Möglich ist auch, auf Erfahrungswerte eines ähnlichen Museums zurückzugreifen. Daneben sind alle anderen Serviceleistungen ebenfalls zu berücksichtigen, um die Relevanz der mobilen Führungsgeräte zu erkennen.
2) Profilierungsfelder im Servicemanagement festlegen: Eine Servicestrategie ist zu erarbeiten. Wo liegt der Profilierungsschwerpunkt? Wenn die Besucher beispielsweise sehr offen gegenüber mobilen Führungsgeräten sind, könnte dies ein Aspekt sein, sich gegenüber anderen Museen abzuheben und den Besuchern einen Mehrwert zu ermöglichen.
3) Verbindliche Servicestandards festlegen: Um eine Diskrepanz zwischen Kundenerwartungen und Umsetzung zu vermeiden, sollten klare Standards formuliert werden. Am Beispiel der mobilen Führungsgeräte kann dies bedeuten, das Ausgabepersonal regelmäßig zu schulen und Freundlichkeit und Geduld als oberstes Ziel bei der Ausgabe der Geräte festzulegen.
4) Informations- und Kommunikationstechnologien einführen: Welche Hinweisschilder sind notwendig, damit alle Besucher über die Möglichkeit elektronischer Führungen Bescheid wissen? Soll das Ausgabepersonal in die Bedienung der Geräte einführen oder soll ein einführender Text auf dem Gerät diese Aufgabe übernehmen? Wie groß müssen die Nummern an den Bildern sein? Welche Technik soll überhaupt eingeführt werden? Diese Fragen sind im Voraus zu klären.
5) Servicequalität entlang der gesamten Wertschöpfungskette bereitstellen: Alle vor- und nachgelagerten Bereiche müssen entsprechend der Zielsetzung mitziehen. Dies bedeutet, dass zum Beispiel mit der Hersteller-Firma der Geräte ein enger Kontakt gepflegt wird und somit technische und inhaltliche Probleme schon gar nicht erst auftreten können.
6) Servicequalität durch Maßnahmen des internen Marketing verbessern: Die Mitarbeiter sollten fortlaufend geschult und motiviert werden, um die Serviceorientierung permanent zu erhöhen. Dabei ist auch das Aufsichtspersonal zu berücksichtigen, denn gerade während dem Ausstellungsbesuch haben Besucher oft noch Fragen zu den mobilen Guides.
7) Anreizsystem zur Steigerung der Servicequalität einführen: Es ist zu überlegen, wie die Mitarbeiter zusätzlich motiviert werden könnten. Flexiblere Arbeitszeiten, leistungsgerechte Bezahlung und mehr Anerkennung von Freundlichkeit könnten solche Komponenten sein.
8) Serviceorientierung durch Projektteams implementieren: Bei der Einführung mobiler Führungsgeräte sollte ein Projektteam gebildet werden, das aus verschiedenen Hierarchiestufen zusammengesetzt ist. Probleme können schneller und effektiver behoben werden, wenn Ausgabepersonal und Projektverantwortliche auf höherer Ebene intensiv zusammenarbeiten.
9) Kundeninformation zur Leistungsverbesserung nutzen: Auch nach Einführung der mobilen Geräte sollten regelmäßig Besucherbefragungen zur Zufriedenheit mit den Guides durchgeführt werden. Oft ist es auch einfach schon sinnvoll, die Einträge im Gästebuch ernst zu nehmen. Bei den neueren Geräten erfolgt außerdem automatisch eine Nutzeranalyse (vgl. Kapitel 3.5.4).
10) Servicequalität kontinuierlich messen: Welche Auswirkungen hatte die Einführung der Geräte auf die gesamte Organisation? Sind die Besucher zufriedener? Konnten Besucher gebunden werden? Wie sind die Kosten der Geräte im Vergleich zu den Erlösen? Diese Fragen sind durch geeignete Messverfahren regelmäßig zu überprüfen.

2.6 Ziele

Wesentlicher Bestandteil jeder strategischen Planung im Servicemanagement ist es, Serviceziele zu formulieren. Dies können sowohl ökonomische als auch psychologische Ziele sein (vgl. Bruhn, 2007, S.86f). Bei den ökonomischen Zielen sollen bestimmte Erwerbsziele erreicht werden. Auf das Museum übertragen könnte das bedeuten, eine bestimmte Anzahl von Eintrittskarten zu verkaufen oder die Anzahl der verliehenen Audioguides zu erhöhen, um im Endeffekt höhere Einnahmen und damit einen höheren Deckungsbeitrag zu erzielen. Da die meisten öffentlichen Museen ihre Haupteinnahmen jedoch aus öffentlichen Geldern beziehen, werden ökonomische Ziele oft nur am Rande beachtet. In diesem Fall ist es strategisch besser, durch psychologische Ziele und deren Verwirklichung die Legitimation der Organisation zu erhöhen und damit die Finanzierung zu erhalten. Zu den psychologischen Zielen zählen die Erhöhung der Besucherzufriedenheit, die Steigerung der Besucherbindung, die Imageverbesserung der Einrichtung, die Verbesserung der Qualitätswahrnehmung und die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit. Die Erreichung dieser Ziele trägt indirekt ebenfalls zur Realisierung von ökonomischen Zielen bei (vgl. Bruhn, 2007, S.87). Dabei ist der Zusammenhang zwischen Besucherorientierung, Besucherzufriedenheit und Besucherbindung zu beachten (vgl. Klein, 2008, S. 31). Ein Museum führt beispielsweise einen Multimedia-Guide ein, weil es herausgefunden hat, dass viele Besucher sich davon einen Mehrwert erhoffen. Es handelt also besucherorientiert. Nach der Einführung vergleichen die Besucher ihre Erwartungen an den Guide mit der subjektiv wahrgenommenen Leistung (vgl. Hausmann, 2001, S.70). Nur, wenn der Multimedia-Guide die Erwartungen der Besucher tatsächlich erfüllt oder übertreffen kann, wird sich Besucherzufriedenheit bezogen auf diese Servicemaßnahme einstellen. Ob die zufriedenen Besucher dann auch wirklich zu Stammgästen werden, hängt von sehr vielen Faktoren ab und kann nicht zwangsläufig erwartet werden. Hier muss ein umfassendes Besucherbindungskonzept anknüpfen, denn isolierte Einzelmaßnahmen führen sicher nur selten zur langfristigen Bindung des Besuchers (vgl. Klein, 2008, S.32f). Durch gezielte Serviceverbesserung kann auch das Image der Einrichtung verbessert werden. Mit einer offenen Einstellung zur neuesten Technik ist beispielsweise ein modernes Image leichter zu vermitteln als mit der strikten Ablehnung solcher Möglichkeiten. Ein weiteres Ziel kann zudem die Gewinnung neuer Zielgruppen sein. Zum Beispiel könnte sich gerade die junge Generation, die im Alltag ständig mit neuen Medien arbeitet, durch technische Neuerungen angezogen fühlen. Welche Ziele durch das Servicemanagement und speziell durch die Nutzung mobiler Führungsgeräte als Serviceinstrument erreicht werden sollen, hängt von den Prioritäten des einzelnen Museums ab.

3. Mobile Führungsgeräte im Museum

3.1 Begriff im Kontext der Neuen Medien

Unter dem Begriff „mobile Führungsgeräte“ werden im Folgenden Audioguides, Multimedia-Guides und Gruppenführungsgeräte verstanden. Doch in welchen übergeordneten Kontext lassen sie sich einordnen? Grundsätzlich gehören sie zu den Medien im Museum. Ein Medium dient der Kommunikation und vermittelt Inhalte zwischen einem Kommunikator und einem Rezipienten, deren Rollenverteilung stabil ist (vgl. Puppis, 2007, S. 32). Im Museum ist der Besucher der Rezipient, der über das Medium „mobiles Führungsgerät“ Inhalte vermittelt bekommt. Je nach Gestaltung des Führungsgerätes kann man das Medium auch zu den neuen Medien zählen. Unter diesem Begriff werden Medien zur Wissensvermittlung verstanden, die in digitalisierter Form erreichbar sind und sich durch eine hypermediale Struktur auszeichnen. Hypermedial bedeutet, dass es sich um einen nicht-linearen Text handelt, verschiedene Medien integriert sind und interaktive Elemente verwendet werden. (vgl. Reiter, 2001, S. 21). Ein nicht-linearer Text ist ein so genannter Hypertext, das heißt, seine Struktur ist nicht hierarchisch aufgebaut, sondern ist durch Querverweise vernetzt, so dass der Benutzter selbst darüber entscheiden kann, welche Verknüpfungen er verfolgt und wie tief er in die Struktur eintaucht (vgl. Reiter, 2001, S.22). Ziel neuer Medien im Museum ist neben den in Kapitel 2.6 beschriebenen Servicezielen vor allem eine gelungene kommunikative Strategie in der Vermittlungsarbeit. Denn wie Wohlfromm treffend feststellt: „Objekte erklären sich nicht von allein. Sie erzählen weder ihre Geschichte noch ihre Bezüge. Haben der Kurator oder das Ausstellungsteam eine Aussage im Sinn, müssen sie sich kommunikativer Strategien bedienen“ (2001, S.33). Neue Medien dienen somit vor allem als Informations- und Präsentationsinstrumente in der Ausstellung (vgl. Wohlfromm, 2001, S.54f). Neben den mobilen Führungsgeräten sind Informationsterminals, die an einem fest installierten Platz im Museum stehen und meist visuell mit dem Besucher in Interaktion treten, die bekanntesten Vertreter neuer Medien im Museum. Diese werden in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht näher betrachtet.

Prinzipiell lässt sich in den letzten Jahren eine stetige Zunahme der Medien im Museum feststellen (vgl. Wohlfromm, 2001, S.53). Dieser Trend ließ sich auch in den amerikanischen Museen erkennen, die für die deutschen Museen auch in diesem Bereich eine Vorreiterrolle spielen (vgl. Dauschek, 2001, S.121). Nach Simm, die eine Studie zu den Herausforderungen im Bereich Marketing und Kommunikation im Museum zitiert[5], stimmen 80 % der Museen der Aussage zu, dass Multimedia im Museum eine wichtige Methode ist, Kopf und Herz der Besucher anzusprechen (2006, S.90). Die Autorin geht daher davon aus, dass die Rolle der elektronischen Medien im Museum weiter zunehmen wird. Die Museen sind auf der einen Seite also motiviert, die Möglichkeiten der Medien im Museum zu nutzen, auf der anderen Seite bestehen viele Vorurteile und Bedenken. In den folgenden Kapiteln sollen zunächst die verschiedenen Führungsgeräte und ihre Nutzen und Chancen vorgestellt werden. Am Ende vervollständigen die kritischen Überlegungen zum Thema die derzeitige kontroverse Sichtweise.

3.2 Der klassische Audioguide

3.2.1 Definition und Entstehung

Der Begriff Audioguide wird in der Literatur nicht weiter beschrieben, vermutlich, weil er als selbsterklärend angesehen und als bekannt vorausgesetzt wird. Dennoch soll an dieser Stelle ein Definitionsversuch unternommen werden: Ein Audioguide ist eine Hörführung für die Besucher eines Museums oder einer Sehenswürdigkeit, die auf einem tragbaren mobilen Gerät abgerufen werden kann. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten hinsichtlich der zu Grunde liegenden Technik, der Gestaltung und Handhabung des Geräts sowie der inhaltlichen Ausarbeitung.

Die allerersten Audioführungen sind vor ca. 50 Jahren auf den Markt gekommen. Bereits 1957 wurde im Hyde Park in New York, dem Landhaus des verstorbenen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, eine Tonbandführung angeboten. Die Geräte waren sehr sperrig und wurden wie eine Handtasche umgehängt, aber die Besucher waren begeistert. Eine Sensation war auch, dass die ehemalige First Lady, Eleanor Roosevelt, die Stimme für diese Tonbandaufnahme stellte (vgl. Acoustiguide GmbH, 2007, S.1). Die ersten klassischen Audioguides sind dann in den 80er Jahren entstanden. Damals wurden Kassettenspieler, das heißt noch analoge[6] Geräte für die Wiedergabe der Hörführung benutzt (vgl. Nr. 1). Allerdings hat es sich dabei nicht um die Standard- Kassettenspieler gehandelt, die in jedem Geschäft zu kaufen waren, sondern um speziell für den Museumsbetrieb gestaltete Geräte. Die Besucher konnten die Kassetten zum Beispiel nicht ohne weiteres aus dem Gerät entfernen oder vor- und zurückspulen (vgl. Nr. 2). Der Nachteil solcher Kassettengeräte im Gegensatz zu den heutigen Geräten war allerdings, dass die Besucher die Texte in einer festgelegten Reihenfolge anhören mussten. Die Inhalte bauten aufeinander auf und der Besucher folgte einem einheitlichen Pfad (vgl. Vorwerk, 2001, S.8). Dennoch waren die Museen in diesem Bereich absolute Vorreiter, denn der Kassettenspieler für Museen ist vor dem Walkman-Boom eingesetzt worden. Nach dem Kassettenspieler gab es noch verschiedene weitere Geräte, beispielsweise den CD-Player. Anfang der 90er Jahre wurde bereits das erste und älteste digitale[7] Audioführungssystem speziell für Museen im Louvre in Paris eingeführt. Dieses Gerät ist noch vor den MP3- Standards[8] auf den Markt gekommen und wird bis heute verwendet, da es gerade für kleinere Häuser eine preisgünstige Alternative darstellt (vgl. Nr. 2). Die Tonqualität entsprach damals ungefähr einem normalen Telefon, Stereo wurde noch nicht eingesetzt. Die digitale Technik hat sich seitdem stetig verbessert. MP2-Player[9] kamen auf den Markt, die schon eine wesentlich höhere Speicherkapazität und damit auch Mehrsprachigkeit ermöglichten. Der erste MP2-Player wurde in der Gemäldegalerie in Berlin ab 1999 verwendet. Ungefähr seit dem Jahr 2000 stehen MP3-Player für die Museen zur Verfügung. Das häufigste Prinzip war und ist bei digitalen Geräten die Abruffunktion durch den Besucher mittels eines Nummerneingabefeldes (vgl. Nr.1). Die Entwicklung der Geräte ging in Richtung Leichtigkeit, bessere Akkulaufzeit, Multifunktionalität und Infrarot- bzw. Radiofrequenz-Anbindung. Seit einigen Jahren werden auch Personal Digital Assistants (PDAs) und andere Multimedia-Guides im Museum eingesetzt. Diese werden in Kapitel 3.3 näher beschrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Geschichte der Audioguides am Beispiel der Firma Acoustiguide GmbH

Die Abbildung zeigt die Geschichte des Audioguides in seinen verschiedenen Phasen: Ganz links sieht man einen Besucher mit dem ersten Tonbandgerät im Landhaus von Roosevelt, es folgen der Kassettenspieler, der CD-Player, das erste digitale Gerät speziell für Museen, der erste MP3-Player und die Neuentwicklungen in Richtung Multimedia-Guide.

3.2.2 Nutzen und Ziele

Für viele Besucher, die kein oder wenig Vorwissen über die ausgestellten Gegenstände mitbringen, bleiben die Objekte sprachlos, wenn nicht ihre Kontexte entsprechend vermittelt werden (vgl. Graf/Wildung, 2001, S.1). Langeweile oder auch Frustration sind die Folgen, wenn „der Besucher sich lange Zeit vergeblich bemüht, aus den vorgeführten Gegenständen Bedeutung zu konstruieren“ (Schulze, 2001, S. 63). Aber auch Fachpublikum wünscht sich oftmals vertiefende Informationen. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, wurden in der klassischen Vermittlungsarbeit persönliche Führungen und Texte in der Ausstellung angeboten. Beides hat jedoch auch seine Nachteile: Für eine persönliche Führung muss der Besucher zu ganz bestimmten Zeiten im Museum sein, muss einer Gruppe folgen und kann die Objekte, die erläutert werden, nicht selbst auswählen. Texte können die Inszenierung der Ausstellung stören und sind oft mühsam zu lesen. Audioguides sind folglich eine sinnvolle Ergänzung, neue Möglichkeiten für die Besucher zu schaffen.

Zunächst sollen die inhaltlichen Gestaltungsvarianten erläutert werden. Hierbei unterscheidet man unterschiedliche Informationsarten, die vermittelt werden können (vgl. Terlutter, 2000, S.146):

- Informationen zum gesamten Museum, zur Geschichte und Architektur, zu aktuellen Zielen der Ausstellung
- Informationen, die für einen Teil der Ausstellung relevant sind, z.B. Erläuterungen zur Epoche der Modernen Kunst in einem Kunstmuseum
- Detailinformationen zu einem bestimmten Ausstellungsobjekt

Um diese Ebenen auf einem Audioguide zu strukturieren und somit für die Besucher verständlich zu machen, können die abrufbaren Texte in Raumtexte und detaillierte Exponattexte aufgeteilt werden. Hintergrundwissen kann durch eine vertikale Struktur angeboten werden, beispielsweise, indem man zunächst den Basistext zur Verfügung stellt und anschließend darauf aufmerksam macht, dass ein weiterer Hörtext zur Vertiefung angewählt werden kann (vgl. Vorwerk, 2001, S.8). Wichtig ist dabei immer, dass eine klare Informationshierarchie besteht. Je nach Ausstellungskonzept muss entschieden werden, ob sich Texte und Audioguide wiederholen, ergänzen oder unabhängig voneinander stehen. Empfohlen wird, dass die Wandtexte nicht einfach im Audioguide verlesen werden, sondern eine eigene Sprache für die Hörführung gefunden wird (vgl. Mrosek, 2001, S.17). Das Schöne bei der inhaltlichen Gestaltung der Führung ist, dass eine große Bandbreite an Quellen genutzt werden kann. Eine Mitarbeiterin der Kunsthalle Karlsruhe sieht in dieser Möglichkeit den größten Vorteil des Audioguides:

„Mir persönlich gefällt am Besten, dass wir Zitate einfügen konnten oder auch Buchtexte von aufgeschlagenen Büchern, (…) man hört sozusagen die Originalsprache der Zeit, und das ist eine wunderbare Gelegenheit, (…) weil das Texte sind, die zwar auf Deutsch geschrieben sind, aber häufig heute eben doch nicht mehr leicht zu lesen sind, (…), die eigentlich unmittelbar zum Verständnis und auch zum Einfühlen in die Zeit beitragen. Das könnte man über Schildchen oder andere traditionelle Beschriftung in dem Maße nicht leisten.“ (Nr. 4, Anhang S. 127, Z. 8-15)

Neben Zitaten und Originaltexten aus der jeweiligen Zeit können noch viele weitere Elemente eingefügt werden. Interviews mit Künstlern oder Fachwissenschaftlern, Dialoge und Diskussionsausschnitte, Musik und passende Geräusche machen die Hörführung lebendig und interessant. Prominente Sprecher der Hörtexte können die Besucher mitreißen und begeistern. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass oftmals hohe Kosten entstehen können: Ein Museum hatte sich Ottfried Fischer als prominenten Sprecher gewünscht, wodurch 20.000 Euro Kosten entstanden wären (vgl. Nr.2). Dennoch gibt es sicher auch günstigere und trotzdem spannende Möglichkeiten, diese Vielfalt an Quellen zu nutzen und den Besucher somit besser anzusprechen. Grundsätzlich ist bei der Ausarbeitung der Texte außerdem darauf zu achten, dass eine einfache, prägnante und leicht verständliche Sprache benutzt wird, die einzelnen Hörbeiträge nicht länger als maximal zwei Minuten sind und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Sachinformation und Unterhaltung vorhanden ist (vgl. Vorwerk, 2001, S.9). Gerade durch die oben genannten verschiedenen Quellen und Gestaltungsmöglichkeiten des Audioguides kann der Besucher besser unterhalten werden als durch Texttafeln. Auch die Wissensaufnahme durch Hören ist für viele Menschen angenehmer als das Lesen.

In der Kunsthalle Karlsruhe wurde dieser Aspekt der Hörführungen längst erkannt:

„...dass die Leute es eben wirklich als ein Informationsmedium annehmen, das auch vergnüglich sein kann, weil man mit Hören doch eine angenehmere Art der Wissensaufnahme verbindet als jetzt vielleicht mit Lesen und Einarbeiten müssen, es wird dem Besucher relativ leicht gemacht und das empfinden die Leute schon durchaus auch so.“ (Nr. 4, Anhang S. 132, Z. 203-208)

Audioguides können zudem eine wesentlich höhere Quantität an Informationen in der Ausstellung anbieten als Texttafeln oder persönliche Führer, wodurch Mehrfachbesuche für die Besucher interessanter werden (vgl. Vorwerk, 2001, S.7). Sie sind eine platzsparende Alternative und stören die Inszenierung der Ausstellung nicht, wenn man von den kleinen Nummern an den Ausstellungsobjekten absieht (vgl. Schulze, 2001, S.60). Ein weiterer Effekt ist, dass die Besucherströme gelenkt werden können. Meistens muss eine Auswahl an Objekten getroffen werden, die auf dem Audioguide erläutert werden. Dadurch kann bewusst vermieden werden, an Durchgängen oder ungünstigen Stellen Besucherstau zu erzeugen (vgl. Vorwerk, 2001, S.9). An besonderen Orten wie beispielsweise Freilichtmuseen, wo Schrifttafeln nur schwer einsetzbar sind, ermöglichen technische Lösungen auch hier den Einsatz des Audioguides (vgl. Vorwerk, 2001, S.7).

Ein großer Vorteil des mobilen Führungsgerätes ist außerdem die Unabhängigkeit des Besuchers. Zu jedem Zeitpunkt kann der Besucher eine Führung durch die Ausstellung erhalten. Er muss nicht warten, bis eine persönliche Führung angeboten wird. Zu welchen Objekten er sich Informationen anhört und zu welchen nicht, ist seine Entscheidung. Die Reihenfolge der abrufbaren Texte ist frei wählbar. Dafür ist es notwendig, dass ein digitales Gerät eingesetzt wird und die Texte nicht aufeinander aufbauen (vgl. Vorwerk, 2001, S.8). Sollte er einen Text nicht verstanden haben, kann die Information mehrmals angehört werden (vgl. Vorwerk, 2001, S.6). Die Zeit, die er vor den Objekten und insgesamt im Museum verbringen möchte, kann er selbst bestimmen. Dennoch wird es dem Besucher ermöglicht, trotz der individuell unterschiedlichen Pfade durch die Ausstellung die verschiedenen Exponate in einem gemeinsamen Kontext zu betrachten und einem thematischen roten Faden zu folgen (vgl. Noschka-Roos/ Hauser/Schepers, 2005, S.51).

Des Weiteren hat eine Audio-Führung den Vorteil, dass der Besucher gleichzeitig das Objekt betrachten und Informationen hören kann. Gerade in Kunstmuseen ist es sehr hilfreich, wenn die visuelle Kommunikation mit dem Kunstwerk bestehen bleibt, während zeitgleich die nötige „inhaltliche Augenöffnung“ über den akustischen Weg funktioniert (vgl. Wildung/Graf, 2001, S.3). Im Gegensatz zu Texttafeln muss der Besucher auch nicht ganz nah an das Exponat herantreten, um die Informationen erfassen zu können, sondern kann in angenehmen Abstand das gesamte Objekt überblicken (Schulze, 2001, S.60f). Viel eher als bei der Schriftform ist auch ein „gelenkter Blick“ möglich (vgl. Nr. 4). Der Blick des Besuchers kann zu bestimmten Bereichen des Exponats geleitet werden, spezifische Erläuterungen sind somit einfacher zu verstehen. Wenn man den naiven Annahmen über die Wirkung von Sinnesmodalitäten und Lernaktivitäten Glauben schenkt, erhöht sich außerdem das Behalten der Informationen durch diese Gleichzeitigkeit von Sehen und Hören. Während man durch Hören 20 Prozent der Informationen behalten kann und durch Sehen 30 Prozent, addieren sich diese Werte, wenn Hören und Sehen gleichzeitig erfolgen (vgl. Weidenmann, 2002, S.48).

Audioguides können zudem sehr zielgruppenorientiert gestaltet werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Museum seine Besucher kennt. Ein wichtiger Bestandteil sind hierbei die Sprachen. Das Mercedes-Benz- Museum in Stuttgart hat beispielsweise erkannt, dass Touristen und Interessierte aus aller Welt anreisen. Folglich wird der Audioguide in acht Sprachen angeboten (vgl. Daimler-AG, 2008): Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch, Japanisch und Chinesisch. Diese Vielfalt wäre auf Texttafeln nicht leistbar. Gruppenführungen und Begleithefte in diesen Sprachen sind eine mögliche Alternative. Hier muss der Besucher selbst entscheiden, welche Art der Führung er bevorzugt. Weiterhin kann man den Audioguide für verschiedene Alters- und Interessengruppen gezielt gestalten: Kinderführungen, Highlight- Führungen, Führungen für Leute mit oder ohne Vorwissen sowie Spezialführungen zu bestimmten Themen können auf dem Audioguide installiert werden und je nach Besucher ausgegeben werden. In immer mehr Museen wird außerdem auf eine barrierefreie Nutzbarkeit geachtet (vgl. Kapitel 3.5.2).

Zusätzlich sollen mit einem Audioguide Vermittlungsziele erreicht werden. Das Rezeptionsverhalten von Museumsbesuchern wird folgendermaßen geschildert (vgl. Schulze, 2001, S.78ff): Die Besucher selektieren sehr stark, was sie sich anschauen. Es wird keinen vorgeschriebenen Routen gefolgt, sondern sie entscheiden nach ihren eigenen Interessen und Fähigkeiten, mit welchen Exponaten sie sich beschäftigen. Die meisten Besucher bereiten ihren Besuch nicht vor, da sie nicht auf der Suche nach spezifischen Informationen sind. Sie möchten größtenteils nur „herumschauen“ und verweilen länger bei einer kleiner werdenden Anzahl von Objekten. Die Geduld und Aufmerksamkeit hält dabei nur kurz an. Die Verweildauer an den Exponaten wurde in unterschiedlichen Studien getestet. Die Ergebnisse sind nicht deckungsgleich, dennoch ist eine Tendenz zu extrem schnellem Durchgehen durch die Ausstellung festzustellen. Bei einer Studie an der Münchner Pinakothek zwischen 1991 und 1993 lag die Betrachtungszeit eines Exponates in der Regel unter 20 Sekunden. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Verweildauer durch eine Hörführung verlängert werden soll (vgl. Nr.4). Ebenso soll die Intensität der Auseinandersetzung mit den Objekten und damit auch der Lernerfolg erhöht werden (vgl. Schulze, 2001, S.62). Prinzipiell kommen Audioguides dem Rezeptionsverhalten der Besucher sehr entgegen: Unabhängigkeit und gebündelte, unterhaltsame Information steht im Mittelpunkt.

3.2.3 Technische Umsetzung

Bei den meisten Audioguides handelt es sich inzwischen um MP3-Player. Als Abspielgeräte kommen hierfür entweder handelsübliche Geräte oder extra für den Museumsbetrieb angefertigte Varianten in Frage. Größtenteils haben sich die Museen in den vergangenen Jahren für die spezifisch angefertigten Geräte entschieden. Diese sind robust, für den Massengebrauch geeignet und können zeitlich unbegrenzt ersetzt werden (vgl. Nr. 1). Nachteil war oftmals, dass es sich um proprietäre Geräte gehandelt hat, das heißt, sie durften nur vom Betreiber bespielt und beladen werden. Die handelsüblichen Geräte stellen eine Alternative zu den Spezialanfertigungen dar: Sie sind oft kostengünstiger in der Anschaffung, die Abhängigkeit zu einer bestimmten Herstellerfirma wird aufgelockert, und das Image, gerade bei jüngeren Leuten, kann verbessert werden. Ein typisches Beispiel ist der erfolgreiche IPod der Firma Apple. Dieser tragbare Musikspieler wurde bereits mehrfach im Museum eingesetzt. Auf der documenta 12 in Kassel konnten die Besucher ihren eigenen IPod mitbringen. Im Internet standen die Hörführungen als Podcast[10] zum Herunterladen zur Verfügung. Zusätzlich wurden Leihgeräte angeboten. Eine Besucherin formuliert das Erlebte wie folgt:

„Mein persönlicher Sachverständiger ist sehr geduldig, und wenn nötig, gibt der das eben Gesagte noch ein drittes Mal wieder. Dabei ist mein exklusiver Kunstvermittler niemand Geringeres als Roger M. Buergel, der künstlerische Leiter der documenta 12, selbst. Im Taschenformat habe ich ihn für drei Euro ausgeliehen“ (Hessische- Niedersächsische Allgemeine Zeitung, 2007, S. 4).

Leicht, intuitiv und modern – jeder, der einen IPod hat, weiß die Vorteile zu schätzen. Wer jedoch noch nie einen IPod bedient hat, ist zunächst vollkommen überfordert (vgl. Nr.2). Das Ausgabepersonal muss jedes Mal von vorne erklären, wie ein Click-and-touch-wheel funktioniert. Das ist im Grunde auch der entscheidende Nachteil handelsüblicher Geräte:

„…sie erwarten, dass die Leute das innerhalb von ein paar Sekunden erfasst haben und durch die Ausstellung gehen, sich auf die Objekte konzentrieren und gleichzeitig mit der Technik klarkommen. Das ist das größte Manko an all diesen Produkten, die auf dem Markt sind, sie sind zu komplex.“ (Nr. 2, Anhang S. 119, Z. 309-313)

Eine weitere Schwachstelle ist die kurze Akkulaufzeit, die Fehleranfälligkeit und damit auch die hohe Ausfallquote solcher Geräte.

Sie sind oftmals nicht für den Dauereinsatz hergestellt worden. Die Garantiezeit ist häufig nicht sehr lange, und wenn Geräte nachgekauft werden sollen, sind sie vielleicht schon vom Markt verschwunden (vgl. Nr. 2). Umso kleiner die Geräte sind, umso höher ist auch die Diebstahlgefahr. Es gibt keine Alarmsicherung wie bei einem spezifischen Audioguide, und die Besucher müssen daher oft ein hohes Pfand hinterlegen (vgl. Nr. 5). Dennoch entscheiden sich immer wieder Museen bewusst für den Einsatz des IPod classic. Ein aktuelles Beispiel ist das Jüdische Museum in Berlin (vgl. Jüdisches Museum Berlin, 2008). Dort wurde im Herbst 2007 eine Hörführung in acht Sprachen mit Beiträgen zur Architektur und zur Dauerausstellung auf dem IPod eingeführt. Zielgruppe sind vor allem die Schulklassen (vgl. Nr. 2). Als Diebstahlsicherung wird der Personalausweis der Besucher hinterlegt. Auch das Museum für Kommunikation in Frankfurt hat seit Anfang 2008 IPods als Hörführungs- Geräte angeschafft. Angeboten werden eine Highlight-Führung, eine Kinderführung, eine Kunstführung und der freie Rundgang mit Nummernanwahl. Online stehen alle Hörbeiträge im MP3-Format zur Verfügung, so dass der Besucher sich vorab die Informationen auf seinen IPod oder auf jeden anderen MP3-Player, beispielsweise auch auf sein Handy, herunterladen kann (vgl. Museum für Kommunikation Frankfurt, 2008).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Besucherin mit IPod (Jüdisches Museum Berlin, 2008)

Neben dem IPod classic können noch andere handelsübliche MP3-Player im Museum eingesetzt werden. Beispielsweise gibt es Abspielgeräte in der Größe einer Batterie. Hier scheitert die Umsetzung oft an der Bedienbarkeit und der Fehleranfälligkeit dieser Geräte (vgl. Nr. 1).

Das Museum kann außerdem zwischen verschiedenen Tragevarianten entscheiden. Bei Kopfhörern brauchen die Besucher den „Hörer“ nicht die ganze Zeit zu halten, diese Variante ist somit bequemer. Durch die beidseitige Einspielung ist auch die Tonqualität besser. Allerdings erschweren die Kopfhörer die Kommunikation unter den Besuchern (vgl. Nr.4). Auch bestehen oft Bedenken, inwieweit die Hygiene gewährleistet werden kann. Hinzu kommt das Bedürfnis gerade bei den Damen, die Frisur aufrecht zu erhalten. Für das Museum sind Kopfhörer teurer, da sie öfter auszutauschen sind und geeignete Reinigungsmaßnahmen getroffen werden müssen (vgl. Nr. 5). Hörer, die mit Lautsprecher wie ein Handy an das Ohr gehalten werden, sind derzeit noch verbreiteter. Es ist zwar umständlicher, den Hörer zu halten, aber für das Museum ist diese Variante deutlich einfacher und günstiger. Die Besucher fühlen sich gegenüber anderen nicht so sehr abgeschottet (vgl. Nr. 5). Ein interessanter Kompromiss stellt der Einohr-Kopfhörer dar: Dabei wird die Bequemheit der Kopfhörer mit der freieren Kommunikation der Lautsprecher kombiniert (vgl. Nr.5).

Bei der Dateneinspielung hat sich das klassische Nummerneingabe- Verfahren bewährt (vgl. Nr.1). An den Ausstellungsobjekten werden Nummern angebracht. Der Besucher gibt dann die gewünschte Nummer in das Abspielgerät über eine Tastatur ein, die einem Telefonhörer sehr ähnlich ist, und kann anschließend den Beitrag anhören. Hierbei ist zu beachten, dass die Nummern an den Objekten groß genug sein müssen, damit nicht jeder Besucher nah an das Objekt herantreten muss, um die Nummer zu erkennen. Dies hätte zur Folge, dass sich die Besucher vor den Objekten im Weg stehen oder die Nummern gar nicht gefunden werden (vgl. Nr.4). Dieses einfache und bewährte Verfahren stellt die Selbstbestimmung des Besuchers in den Vordergrund. Hierbei ist es auch möglich, die Hörtexte an einem anderen Ort unabhängig vom Objekt erneut anzuhören, beispielsweise im Museumscafé (vgl. Nr. 4). Neben dieser klassischen Datenübertragung gibt es viele weitere Möglichkeiten, die aber vor allem im Bereich der Multimedia-Guides eingesetzt werden. Daher erfolgt eine nähere Erläuterung in Kapitel 3.3.3.

Grundsätzlich ist bei der technischen Umsetzung darauf zu achten, dass es sich um ein leichtes und handliches Gerät handelt, die Bedienung für alle Besucher einfach verständlich ist und eine gute Tonqualität vorliegt. Eine lange Akku- bzw. Batterielaufzeit, eine geringe Ladezeit und Störanfälligkeit, ein robustes Gehäuse und eine hohe Speicherkapazität sind wichtig für ein funktionierendes Gerät. Der Guide sollte außerdem kompatibel sein mit anderen Medien der Ausstellung. Beispielsweise kann zur Beruhigung von Räumen der Ton von Videofilmen, die auf Bildschirmen in der Ausstellung abgespielt werden, in den Audioguide übertragen werden (vgl. Nr.2).

3.3 Der Multimedia-Guide

3.3.1 Definition und Entstehung

Multimedia wurde im Zusammenhang mit den Neuen Medien vielfach definiert. Dabei werden immer wieder die gleichen Grundanforderungen beschrieben:

- Das Gerät muss computergestützt, das heißt digital funktionieren (vgl. Wohlfromm, 2001, S.56)
- Es werden mindestens zwei Medien integriert, das heißt zum Beispiel gesprochener Text, geschriebener Text, Bilder, Videos, Animationen, Musik und Geräusche (vgl. Schulze, 2001, S.5) .
- Daten können vom Nutzer mittels entsprechender Eingabegeräte wie Touchscreen oder Tastatur abgerufen werden (vgl. Schulze, 2001, S.5).
- Die Anwendungen reagieren interaktiv, das heißt die Software muss dem Nutzer eine Reihe von Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten eröffnen. Die aktive Rolle des Benutzers und die Freiheitsgrade der Auswahl sind dabei die

Messindikatoren für die Interaktivität eines Computer- programms. Im Idealfall kommt es zur wechselseitigen Dialoginitiative von Mensch und Maschine. (vgl. Haack, 2002, S.128).

Mobile Führungsgeräte, die den obigen Anforderungen genügen, werden Multimedia-Guides genannt. Die Besucher können dabei über einen Touchscreen sowohl die klassischen Hörbeiträge als auch Videos, Bilder oder Animationen abrufen. Informationsart und –tiefe kann der Benutzer oftmals selbst beeinflussen.

Angefangen hat diese Entwicklung Anfang der 90er Jahre, als die ersten Personal Digital Assistants (PDAs) auf den Markt kamen. Diese tragbaren Computer dienten vor allem der persönlichen Kalender, Adress- und Aufgabenverwaltung (vgl. Nr. 7). Einige Jahre später wurden entsprechende Software-Lösungen für den Museumsbereich entwickelt und die PDAs wurden meist probeweise parallel zu Audioguides oder als Pilotprojekte eingesetzt (vgl. Nr. 2). Die Akzeptanz des Gerätes durch die Besucher sowie der Mehrwert durch Bildinformation wurden somit getestet. Inzwischen gibt es neben den weiterentwickelten PDA-Lösungen auch eigene Multimedia-Geräte, das heißt, hier wurde nicht nur eine eigene Software, sondern auch eine neue Hardware für den Museumsbereich entwickelt. Nach Aussage der Herstellerfirmen wird der Trend Multimedia in den nächsten Jahren immer mehr zunehmen (vgl. Nr. 1/Nr. 2/ Nr. 3).

3.3.2 Nutzen und Ziele

Prinzipiell sind alle Nutzen und Ziele, die der Audioguide bietet, selbstverständlich auch bei einem Multimedia-Guide gegeben. Dieser geht jedoch entschieden darüber hinaus:

„Erstmals in Berlin können Besucher einer Sonderausstellung bei „Cennino Cennini“ eine Multimediaführung erleben! Die Ausstellung findet (…) in der Gemäldegalerie Kulturforum Potsdamer Platz statt. Der kleine tragbare Computer (…) liefert neben Audiokommentaren Bilder, Videos und Animationen, die bislang ungeahnte Einblicke in die Herstellung spätmittelalterlicher Kunstwerke geben. Detail- und Makroaufnahmen machen sichtbar, was mit bloßem Auge kaum erkennbar ist – wie etwa die Punzierung der Goldgründe (…) oder den Farbauftrag in mehreren Schichten. Zeichnungen rekonstruieren den ursprünglichen Aufstellungsort bestimmter Werke und lassen so ihren kontextuellen Zusammenhang wiedererstehen. Darüber hinaus vollziehen Vergleichsabbildungen den künstlerischen Werdegang der Künstler nach. Und schließlich öffnen Videos die sonst verschlossenen Türen zu Depot und Restaurierungswerkstatt der Gemäldegalerie.“ (Antenna Audio GmbH, 2008a)

Dieses Beispiel aus der Gemäldegalerie Berlin macht anschaulich deutlich, welche neuen Möglichkeiten durch einen Multimedia-Guide entstehen können. Interessant sind außerdem Videos, die den Künstler in seinem Atelier bei der Arbeit zeigen oder ganz praktische Informationen wie Raumpläne zur besseren Orientierung der Besucher. Dennoch sollte man sich immer bewusst sein, dass der Besucher vor allem wegen dem Original in die Ausstellung kommt (vgl. Nr. 2). Eine unterhaltsame und informative Mischung, die den Stellenwert des Originals unterstreicht, kann jedoch zu einem gelungenen Museumserlebnis beitragen. Vorab ist außerdem zu bedenken, dass die Rechte an Bildern, Videos und Musik abzuklären sind und dafür Kosten eingeplant werden müssen.

Ein weiterer Mehrwert entsteht durch den Touchscreen des Führungsgerätes. Durch das Display können Auswahlmöglichkeiten für den Besucher visuell dargestellt werden und somit die Interaktivität erhöht werden (vgl. Nr. 1). Verschiedene Profile wie Kinder- oder Highlightführungen müssen nicht mehr vorab durch das Museumspersonal programmiert und eingestellt werden, sondern der Besucher kann selbst wählen, welche Führung er bevorzugt und kann zwischen den Führungen wechseln. Auch an den Objekten hat er die Möglichkeit, eine individualisierte Themenvertiefung zu realisieren, die seinem Vorwissen und seinen Interessen entspricht (Noschka-Roos/Hauser/Schepers, 2005, S.50). Mögliche Vertiefungsgebiete können Künstlerbiographien, geschichtliche Hintergründe oder Entstehungsbedingungen sein.

In Zukunft ist außerdem eine weitere Dimension der Interaktivität denkbar: Neue Führungssysteme ermöglichen die genaue Ortung des Besuchers, die Speicherung seiner Aktivitäten und somit auch die gezielte Reaktion des Führungsgerätes auf seinen Nutzer (vgl. Stock/Zancanaro, 2007, S.271). Wird beispielsweise immer die Biographie des Künstlers als vertiefendes Wissen durch den Besucher gewählt, könnte der Guide bei den nächsten Exponaten von sich aus die Biographie anzeigen. Dieser Grad der Interaktivität ist derzeit in keinem Museum realisiert, wird jedoch bereits in Projekten erprobt und könnte in Zukunft eine zentrale Rolle für besucherorientierte Führungsgeräte darstellen.

Quizspiele für Kinder oder auch Erwachsene sind des Weiteren eine Möglichkeit, interaktive Elemente einzubauen. Der Besucher bekommt hierbei Fragen zur Ausstellung mit verschiedenen Antwortvarianten. Die gewählte Antwort wird dann als richtig oder falsch bewertet und im Anschluss erklärt (vgl. Nr. 1 und Nr. 6). Gerade für Kinder stellt dies einen unterhaltsamen und gleichzeitig lernorientierten Weg der Vermittlung dar. Am Kunstforum in Wien wurde bereits ein Quiz eingesetzt (vgl. Kapitel 4.3.3).

Zusätzlich kann der Bildschirm auch für das Marketing eingesetzt werden: Hintergrundbilder und Farbauswahl können an das Cooperate Design angepasst werden (vgl. Nr.1).

Entscheidende Vorteile bietet der Multimedia-Guide in Bezug auf Barrierefreiheit und Interaktion zwischen Museum und Besucher. Diese Aspekte werden in den Kapiteln 3.5.1 und 3.5.2 eingehend erläutert.

3.3.3 Technische Umsetzung

Grundlage für jeden Multimedia-Guide ist ein MP4-fähiges Endgerät, das in der Lage ist, Videodateien abzuspielen (vgl. Straub, 2007, S. 162). Als Hardware kommen hierfür entweder handelsübliche Geräte wie PDAs oder spezifisch hergestellte Multimedia-Guides in Frage. Im Laufe des Jahres 2008 soll beispielsweise das handelsübliche Multifunktionsgerät von Apple, der neue IPod touch, in verschiedenen Museen in Wien erstmals eingesetzt werden. Der Vorteil dieser Geräte liegt in der hohen Qualität von Multimediaelementen und einem sehr sensiblen und einfach bedienbarem Display (vgl. Computerwoche, 2007). Zusätzlich zu den Anforderungen, die bei einem Audioguide zu berücksichtigen sind (vgl. Kapitel 3.2.3), spielen also vor allem die Bildqualität und die Empfindlichkeit des Touchscreens eine entscheidende Rolle.

Multimedia-Guides können selbstverständlich auch ohne multimediale Inhalte zum Einsatz kommen. Dies kann dann sinnvoll sein, wenn ein Museum die Vorteile der Wissensvermittlung und der Bedienbarkeit eines Touchscreens nutzen möchte, aber Aufwand und Kosten für Videos und Bilder noch nicht tragbar sind. Auch neue Dateneinspielungsmöglichkeiten sind bei einem Multimedia-Guide besser einzusetzen. Eine solche Lösung wurde beispielsweise für das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart gewählt: Derzeit wird ein PDA eingesetzt, der jedoch keine multimedialen Inhalte bietet. Ursprünglich waren anscheinend auch Videoeinspielungen von Motoren geplant, aber die Kosten standen am Ende in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen (vgl. Nr. 2).

Die Dateneinspielung kann zunächst ganz klassisch organisiert sein wie bei einem Audioguide auch: Auf dem Touchscreen wird eine Tastatur abgebildet und die Besucher wählen die Objektnummern selbst an. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Exponate mit Infrarotbakens auszustatten. Hält dann der Besucher sein infrarotfähiges[11] Führungsgerät an den Baken, findet die Datenübertragung statt und der Besucher bekommt die gewünschten Informationen. Bei dieser Einspielungslösung muss die Technik besonders genau und fehlerfrei funktionieren, da sonst schnell eine hohe Frustration entsteht, wenn die Datenübertragung nicht oder nur sehr fehlerhaft möglich ist. Wenn alles reibungslos abläuft kann es aber eine gute Möglichkeit darstellen, um den Besucher zu entlasten, indem die Nummernsuche und -eingabe umgangen wird.

[...]


[1] Die gesamte Arbeit ist nach den Regeln der neuen Rechtschreibung verfasst.

[2] Die männlichen Formen werden nur der Einfachheit halber benutzt, im gesamten Text stehen sie für die männlichen und weiblichen Formen gleichermaßen.

[3] Bei dem Servicetest der Bertelsmann Stiftung wurden in insgesamt 21 Museen in neun Städten 126 Testbesuche in Form von „Mystery Visitors“ durchgeführt (vgl. Schmidt, 2000, S.2).

[4] Der Begriff Leihgebühr ist umgangssprachlich und steht für die zeitweilige Überlassung einer Sache zum Gebrauch gegen ein Entgelt. Im rechtlichen Sprachgebrauch ist eine Leihe jedoch immer unentgeltlich, wodurch es keine Leih-, sondern nur eine Mietgebühr geben kann. Eine Ausnahme liegt dann vor, wenn die Höhe der Gebühr nicht die Kostendeckungsgrenze für den Ausleihvorgang überschreitet. Dies ist in Museen bei der Ausleihe der Führungsgeräte meistens der Fall, weshalb in dieser Arbeit der Begriff Leihgebühr weiterhin verwendet wird (vgl. Beger, 2005, S.232).

[5] Zitiert wird eine Studie aus dem Jahr 1997 an über 150 Museen in Deutschland. Nachzulesen angeblich in Pantos (Hrsg.) (1998): Museum und Marketing. Diese Literatur konnte jedoch nicht gefunden werden.

[6] Analog ist definiert als „die kontinuierliche Darstellung durch Werte beliebiger Größe“ (Janssen, 2004a)

[7] Digital ist definiert als „die Darstellung von Größen durch ganze Zahlen. Dabei existieren keine Zwischenwerte. In einer binären Digitaldarstellung gibt es nur die Ziffern 0 und 1.“(Janssen, 2004b)

[8] MP3 ist ein Dateiformat zur verlustbehafteten Audiokompression (vgl. Scholl, 2004).

[9] MP2 ist ein „standardisiertes Verfahren zur Audiokompression von digitalen Audiodaten“. Es wurde im PC- und Internetbereich im Wesentlichen durch das Dateiformat MP3 abgelöst (Janssen, 2004c).

[10] „Der Begriff Podcasting setzt sich zusammen aus dem Namen des populären MP3-Players IPod von Apple, und Broadcasting, der englischen Bezeichnung für ausstrahlen, und bezeichnet das Produzieren und Anbieten von Audio- und Videodateien über das Internet“ (Straub, 2007, S.162).

[11] Als Infrarotstrahlung bezeichnet man unsichtbare elektromagnetische Wellen. Diese werden oft zur Datenübertragung genutzt (vgl. Nr. 8).

Ende der Leseprobe aus 154 Seiten

Details

Titel
Innovative mobile Führungsgeräte im Museum - Ein erfolgversprechendes Besucherserviceinstrument
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg  (Institut für Kulturmanagement)
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
154
Katalognummer
V126848
ISBN (eBook)
9783640327805
Dateigröße
1122 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Innovative, Führungsgeräte, Museum, Besucherserviceinstrument
Arbeit zitieren
Christine Lechner (Autor:in), 2008, Innovative mobile Führungsgeräte im Museum - Ein erfolgversprechendes Besucherserviceinstrument, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126848

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