Panafrikanismus

Die Rolle schwarzer Intellektueller bei der Bildung schwarzer Identifikation und Nationenbildung in Afrika


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Umfang und Gegenstände dieser Untersuchung
1.2 Forschungsstand

2. Untersuchung
2.1 Zeitliche und inhaltliche Einordnung
2.2 Die afrikanische Intellektuellenbewegung
2.3 Schüler Europas: Schwarze Denker
2.4 Hindernisse und Uneinigkeiten

3. Fazit

4. Literatur

1. Einleitung

Die Entstehung des Panafrikanismus fußt auf zwei grundsätzlichen Bewegungen: Zum einen war da der Widerstand schwarzer Arbeiter und Soldaten und den in den Industriestaaten ausgebildeten Intellektuellen gegen Rassenhierarchie und Ausbeutung.[1] Zum anderen der Traum von der Teilhabe am Weltgeschehen und die Verwirklichung schwarzer Potentiale im Kulturellen, Politischen und Sozialen – Potentiale, die Afrika und seine Bewohner bis dahin nicht hatte entfalten können. Immanuel Geiss sieht einen Proto-Panafrikanismus bereits im ideologisch untermauerten Widerstand gegen Sklaverei und Rassenhierarchie im 18. Jahrhundert, der sich vor allem in Agitation und aufständischer Gegenwehr gegen Arbeitsbedingungen und Ungerechtigkeiten zeigte.[2] Eine präzisere Bestimmung der Anfänge bleibt hingegen unmöglich. Man verfiele auf die Datierung von Einzelereignissen wie Kongressen, Buchveröffentlichungen oder Aufständen, die doch nur die Wegbereiter des Panafrikanismus blieben, nicht aber einen konkreten Beginn festlegen lassen. Grund hierfür sind zwei Eigenarten des Panafrikanismus: Erstens, dass Panafrikanismus stets zugleich politisches Programm und Zukunftstraum ist und zweitens, dass seine Akteure sich über viele Nationen und Kontinente verteilen, ihren Wirkungsort wechselten und vergleichsweise wenige schriftliche Quellen hinterließen.

Der Kampf der Schwarzen um Gleichberechtigung in ihren neuen Heimatländern[3] einerseits und um die Emanzipation und Entwicklung Afrikas andererseits ist zwar von einem Trend hin zur Gleichberechtigung gezeichnet, erfuhr auch Unterstützung durch weiße Sympathisanten, doch erlitt man auch herbe Rückschläge. Dies galt vor allem in den Südstaaten der USA für diejenigen Schwarzen, die sich durch Anpassung, Bildung und Organisation in jener Gesellschaft zu integrieren versuchten, in die ihre Ahnen einst als Sklaven verschleppt worden waren.

Panafrikanismus war demnach mehr als bloßes Aufbegehren gegen unterdrückerische Zustände – es ging nicht nur um bessere Lebensbedingungen oder rassische Gleichbehandlung. Panafrikanisten versuchten auch, die unter Weißen verbreitete Ansicht zu widerlegen, Afrika sei politisch unorganisiert, inaktiv und unfähig sowie ein weitgehend geschichts- und kulturloser Kontinent.[4] Eben diese Besonderheit erklärt die Führungsrollen Intellektueller im Panafrikanismus und macht deren engagierte Beteiligung so bedeutend.

1.1 Umfang und Gegenstände dieser Untersuchung

Die vorliegende Arbeit wird sich mit den Errungenschaften, Schwierigkeiten und Versäumnissen der schwarzen intellektuellen Elite des 18. und 19. Jahrhunderts beschäftigen. Eine umfassende Untersuchung ist im Rahmen einer Hausarbeit nicht möglich, daher ist das Ziel ein Überblick über die wichtigsten Argumente und Probleme sowie Anregungen zu weiterer Forschung. Weiterhin werden wo es sich anbietet Vergleiche zu anderen großen Sozial-, National- und Befreiungs-Ideologien der letzten Jahrhunderte gezogen – namentlich Sozialismus, Kommunismus, Nationalismus und Zionismus, obwohl diese Bewegungen den Panafrikanisten nicht nur als Vorbilder sondern oft genug auch als Konkurrenz erschienen.[5] Diese Ideologien glichen in den wesentlichsten Punkten den Forderungen und Träumen des Panafrikanismus – beziehungsweise können in den vielfältigen Verästelungen und Ausprägungen linksgerichteter Ideologien einige Parallelen zu den Entwicklungen des schwarzafrikanischen Freiheitskampfes gefunden werden. Vor allem sind zu nennen: die Forderung nach Gleichbehandlung und Beendigung unterdrückerischer Systeme und die Vision einer besseren, gerechteren Welt – nicht selten in Verbindung mit der Fixierung auf eine bestimmte Gesellschaftsform, in der dies verwirklicht werden sollte.

Vor allem die durchaus wichtigen Einflüsse der populären Kultur und der Religionen können nicht berücksichtigt werden. Sie stellen jedoch bis in die heutige Zeit ebenso brisante wie katalysierende Faktoren dar. In kultureller Hinsicht sind die heutigen Formen des Hip Hop und Rap ebenso feste Größen der schwarzen Aufklärung und Identitätsfindung wie vor einigen Jahrzehnten der Reggae und das ungleich politischere, beinahe religiöse Rastafari. Im Bereich des Religiösen gab es – und das ist ein wesentlicher Unterschied zur Geschichte der arabischen Völker und der Europäer – keine afrikanische Konfession oder kirchliche Institution an sich, die eine gemeinsame Identität hätte begünstigen können. Die schwarze Welt ist bis heute religiös zersplittert in Muslime, Christen, Anhänger von Naturkulten und entsprechende Synkretismen daraus sowie eine relativ kleine Gruppe schwarzer Juden. Eine Untersuchung dieser beiden Einflussgrößen würde den Rahmen der Hausarbeit schnell sprengen.

Um der Frage der Rolle Intellektueller bei der Identitätsfindung und politischen Agitation zu untersuchen, bieten sich vor allem die teils autobiographischen Aufzeichungen der Beteiligten an.[6] Sie geben nicht nur Auskunft über die Ziele und Forderungen des Panafrikanismus, sondern auch über die Organisation des Alltags und die Probleme der Beteiligten sowie die Unterschiedlichkeit der politisch aktiven Personen in Afrika und im Exil.

1.2 Forschungsstand

Rolf Italiaanders Werke[7] zeigen eine frühe Auseinandersetzung mit den Vorurteilen Europas und der USA gegenüber dem ‚schwarzen Kontinent’. Italiaander bemerkt bereits 1960, dass „die alte Vorstellung, Afrika sei nur ein Kontinent willenloser Massen und kenne nicht [...] die Persönlichkeit“, sich „Jahr zu Jahr mehr als großer Irrtum“ erweist.[8] An anderer Stelle beschreibt er, wie „widerspruchsvoll [...] selbst viele anerkannte Quellen“ waren, die ihm zur Verfügung standen und wie sich „die Widersprüche durch zahlreiche Nachschlagewerke [...] schleppen“.[9] Ende der Siebziger Jahre gibt Emanuel Geiss einen hervorragenden Überblick über Literatur und Quellen seiner Zeit, eine Schwierigkeit dabei war der „unbefriedigende(r) Forschungsstand“.[10] Geiss setzt sich frei von ideologischen und politischen Aufladungen mit dem komplexen Thema auseinander[11], dies ist angesichts der Tendenz zur ideologischen Literatur in den sechziger und siebziger Jahren bemerkenswert.

Ras Makonnens[12]Pan-Africanism from within[13] gibt 1973 eine Übersicht über den Panafrikanismus aus der Introperspektive. Makonnen verfasst keine chronologische Abhandlung der Geschichte des Panafrikanismus, sondern beschreibt eher die zu seiner Zeit unter Panafrikanisten vorherrschenden Einstellungen, Wünsche und Ziele mit eigenen Worten.[14] Kenneth King – Übersetzer und Editor der Aufzeichnungen Ras Makonnens – merkte an, dass Historiker als Objekte ihrer Untersuchungen eher schriftliches Material denn das gesprochene Wortheranzögen; er sah hierin einen deutlichen Nachteil für die Erforschung des Panafrikanismus. Die geringe Zahl der Veröffentlichungen der Aktivisten und ihr relativ geringes publizistisches Engagement verschleiere durch geringere Beachtung der Forscher den langjährigen und zeitintensiven Einsatz der Panafrikanisten. Die große Bedeutung der „Conversation“ würde, so King, von der Wissenschaft oft verkannt[15]. Gegen die Sichtweise, in ihrer Arbeit wenig Schriftliches hinterlassen zu haben, spricht hingegen seine eigene Einschätzung George Padmores und Ras Makonnens[16] als ‚Generäle ohne Armee’, die sich und ihren Kampf lediglich auf ihr Schreiben stützen konnten: “He and Padmore are just generals without an army, they have no base and must depend on their pens”.[17]

Im Laufe des 20. Jahrhunderts kann aufgrund der politischen und internationalen Perspektivwechsel und einschneidender Veränderungen im Zuge der Dekolonisation Afrikas von einer wissenschaftlichen und politischen Neuentdeckung Afrikas gesprochen werden. Dieser tragen moderne Aufsätze, Monografien und Lexika Rechnung, die die politische, kulturelle und geschichtliche Komplexität Afrikas speziell berücksichtigen.[18] Ein Pionier schwarzer Wissenschafter, die ihren Teil zur Erforschung Afrikas beitrugen, war Cheikh Anta Diop. Er erforschte die Geschichte Afrikas aus einem nicht-europäischen Blickwinkel und kam zu dem Ergebnis, dass frühe Hochkulturen Afrikas von Schwarzen begründet oder zumindest stark beeinflusst worden waren.[19] Seine Ergebnisse gelten zwar in einigen Punkten als umstritten[20], doch Diops Leistung bleibt, den Blickwinkel der internationalen Forschung infrage gestellt und letztlich zu seiner Modifizierung beigetragen zu haben. Bisher behandelte eine traditionell eurozentrische Geschichtsschreibung die heutigen Länder der Dritten Welt aus präkolonialem, kolonialem und postkolonialem Blickwinkel – jeweils mit starkem Fokus auf die europäischen Leistungen und Einwirkungen auf Afrika. Afrika war bis dahin an sich ein „geschichtsloser Kontinent“.[21] Schwarze sahen die Weißen einst weder intellektuell, wissenschaftlich und politisch noch auf dem Bereich der Kultur als Partner auf Augenhöhe. Vielmehr sahen die Europäer – die Erben Herodots und Aristoteles´ – in ihnen den typischen Wilden, einen geschichtslosen, halbgebildeten und illusionären Träumer, durch und durch unzivilisiert und exotisch bis komisch anzusehen – allenfalls vorbildhaft im Sinne einiger edler Vorzüge, die man einem ‚Naturmenschen’ so andichtete.[22]

[...]


[1] Bereits vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg bemühten sich Schwarze um Emanzipation, in dieser Frühphase Abolition genannt; hierbei ging es um die Abschaffung der Sklaverei. Im Bürgerkrieg wandelte sich der Begriff, nicht aber das eigentliche Thema: Emanzipation. Auch weit später noch – bis in die heutige Zeit – fanden Emanzipations- und Gerechtigkeitsforderungen ihren Ausdruck in Soldatenaufständen schwarzer GIs, Rassenunruhen nach politischen Ungerechtigkeiten und in dem Engagement herausragender Schwarzenrechtler.

[2] Imanuel Geiss: „Panafrikanismus – Zur Geschichte der Dekolonisation“, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt 1968, S. 13.

[3] Im selbstgewählten oder durch die Sklaverei bedingten Exil in den USA, Westindien und Europa.

[4] Ras Makonnen: „Pan-Africanism from within – as recorded and edited by Kenneth King“, Oxford University Press, Nairobi 1973, S. Xiii.

[5] Ebd.

[6] Ras Makonnen: „Pan-Africanism from within – as recorded and edited by Kenneth King“ und Kwame Nkrumah: „Sprung über zwei Jahrtausende“, Econ-Verlag, Düsseldorf 1963.

[7] Italiaander, Rolf: „Die neuen Männer Afrikas“, Econ-Verlag, Düsseldorf 1960; und: „Der ruhelose Kontinent“, Econ-Verlag, Düsseldorf 1958.

[8] Ebd., S. 5.

[9] Italiaander, Rolf: „Der ruhelose Kontinent“, S. 9.

[10] Imanuel Geiss: „Panafrikanismus – Zur Geschichte der Dekolonisation“, S. 19.

[11] Ebd., S. 15.

[12] Ras Makonnen, geboren 1852 in Äthiopien, war ein bedeutender Panafrikanist und Vater des später als Haile Selassie I. bekannt gewordenen Tafari Makonnen.

[13] Ras Makonnen: „Pan-Africanism from within – as recorded and edited by Kenneth King“.

[14] Ebd., S. XXii.

[15] Ras Makonnen: „Pan-Africanism from within – as recorded and edited by Kenneth King“, S. XXif.

[16] Der gebürtige Trinidader George Padmore und der Äthiopier Ras Makonnen waren zwei bedeutende Pan-Afrikanisten.

[17] Ras Makonnen: „Pan-Africanism from within – as recorded and edited by Kenneth King“, S. 157f.

[18] Dearborn, Fitzroy (Hg.): “Encyclopedia of African History”, Tyler & Francis Group, New York 2005; und: Mabe, Jacob E (Hg.): „Das Afrikalexikon – Ein Kontinent in 1000 Stichwörtern“, Peter Hanner Verlag, Wuppertal 2001.

[19] http://www.raceandhistory.com/Historians/cheikh_anta_diop.htm, Stand: 6.1.2009

[20] Zur Diskussion der Thesen Cheikh Anta Diops siehe: Harding, Leonhard (Hg.): “Afrika - Mutter und Modell der europäischen Zivilisation? : Die Rehabilitierung des schwarzen Kontinents durch Cheikh Anta Diop”, Reimer, Berlin 1990.

[21] Imanuel Geiss: „Panafrikanismus – Zur Geschichte der Dekolonisation“, S. 10.

[22] Imanuel Geiss: „Panafrikanismus – Zur Geschichte der Dekolonisation“, S. 10.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Panafrikanismus
Untertitel
Die Rolle schwarzer Intellektueller bei der Bildung schwarzer Identifikation und Nationenbildung in Afrika
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Historisches Institut / Neuere Geschichte)
Veranstaltung
Hauptseminar „Gesellschaft und Kultur im kolonialen Afrika“
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V126918
ISBN (eBook)
9783640332823
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bewertung 2,0: Die Arbeit ist sprachlich sehr gut und beleuchtet viele wichtige Aspekte der Rolle Intellektueller im Panafrikanismus. Allerdings hätte der Autor neben Nkrumah und Diop weitere maßgebliche Persönlichkeiten dieser Bewegung einbeziehen sollen.
Schlagworte
Schwarze, Afrika, Panafrikanismus, Nkrumah, Diop, Sheikh, Anta, Intellektuelle, Kolonie, Nation, Nationbuilding, Postkolonial, postcolonial, post-colonial, Imperialismus, Raggae, Black, Emanzipation, Imperialism
Arbeit zitieren
Patrick Wilke (Autor:in), 2009, Panafrikanismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126918

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