John Rawls gilt als Neubegründer der politischen Philosophie in der Gegenwart1. Mit
der „Theorie der Gerechtigkeit“ (1971) fasste er sein Lebenswerk in literarische Form.
Dabei hatte er sich zum Ziel gesetzt, eine Gerechtigkeitskonzeption zu entwerfen, die
eine gerechte Gesellschaft bilden könne. Das Ergebnis – eine Art „realistische Utopie“2
– wurde nicht nur aufgrund seines Umfangs mit „dem gewaltigen Unternehmen der Platonischen
Politeia oder der Nikomachischen Ethik des Aristoteles“ verglichen3, sondern
auch aufgrund seiner inhaltlichen Komplexität, die besonders durch die moralphilosophische
Komponente in der ansonsten nach vertragstheoretischen Mustern entworfenen
Theorie bewirkt wird: so kann eine rechtsphilosophische und eine moralphilosophische
Untersuchungsweise nachgewiesen werden, womit eine Trennung aufgehoben ist, die
für die neuzeitliche Philosophie als charakteristisch gilt 4. Das moralphilosophische Element
der „Theorie der Gerechtigkeit“ wird insbesondere im dritten Teil deutlich –
bewirkt durch Rawls`„Ausdehnung des Argumentationsansatzes auf die ethische Thematik“
5. Diese Vorgehensweise wurde oft kritisiert und als weniger überzeugend dargestellt,
als die vertragstheoretische Ableitung der Gerechtigkeitsprinzipien im ersten Teil.
Rawls führte später6 selbst an, dass er innerhalb der „Theorie der Gerechtigkeit“ keinen
Unterschied zwischen Moralphilosophie und politischer Philosophie7 macht und dass
somit „eine in ihrem Anwendungsbereich allgemeine moralische Gerechtigkeitslehre
nicht von einer im strengen Sinne politischen Gerechtigkeitskonzeption unterschieden“8
wird. Auch aus diesem Grund präzisierte er seine Theorie mehrmals in verschiedenen
Aufsätzen, die schließlich 1993 in gesammelter Form als „Political Liberalism“ („Die
Idee des politischen Liberalismus“ in der deutschen Übersetzung) erschienen. [...]
1 Pogge, John Rawls, 1994, S.177
2 Pogge, John Rawls, 1994, S.35
3 Kersting, Die Gerechtigkeit zieht die Grenze, S. 209
4 Kersting, Die Gerechtigkeit zieht die Grenze, S. 210
5 Kersting, Die Gerechtigkeit zieht die Grenze, S.211
6 Rawls, Die Idee des Politischen Liberalismus, S.11 (Einleitung, 1992)
7 Vgl. Rawls, Die Idee des Politischen Liberalismus, S.11 (Einleitung 1992)
8 Rawls, Die Idee des Politischen Liberalismus, S.11 (Einleitung, 1992)
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- Die,,Theorie der Gerechtigkeit“
- Rawls Legitimation seiner Gerechtigkeitskonzeption – seine Sicht der Rolle der Gerechtigkeit
- Grundriss der „Theorie der Gerechtigkeit“
- Kapitel 7 der „Theorie der Gerechtigkeit“
- Der moralphilosophische Aspekt der „Theorie der Gerechtigkeit“
- „Die Idee des politischen Liberalismus“
- Gerechtigkeit als Fairness - Rawls' politisch liberale Gerechtigkeitskonzeption
- Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten
- Die Grenzen des Politischen in „Die Idee des politischen Liberalismus“
- SCHLUSS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung von John Rawls' Gerechtigkeitskonzeption in seinen beiden zentralen Werken, „Theorie der Gerechtigkeit“ und „Die Idee des Politischen Liberalismus“. Der Fokus liegt auf der Analyse des moralphilosophischen Aspekts der „Theorie der Gerechtigkeit“ und der Veränderung dieser Theorie im Kontext von Rawls' politisch-liberaler Gerechtigkeitskonzeption.
- Legitimation der Gerechtigkeitskonzeption durch Rawls
- Die Rolle der Gerechtigkeit in der Gesellschaftsordnung
- Der Vorrang des Rechten gegenüber den Ideen des Guten
- Die Grenzen des Politischen und die Abgrenzung von umfassenden philosophischen Lehren
- Die Entwicklung von Rawls' Gerechtigkeitskonzeption
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in Rawls' Lebenswerk und seine „Theorie der Gerechtigkeit“ ein. Sie skizziert den Aufbau der Theorie und beleuchtet die moralphilosophische Komponente, die besonders im dritten Teil der „Theorie der Gerechtigkeit“ deutlich wird.
Kapitel 1.1 beleuchtet Rawls' Legitimation seiner Gerechtigkeitskonzeption und verdeutlicht seine Sicht der Rolle der Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Der Fokus liegt auf der Begründung des „Vorrangs der Gerechtigkeit“ und der Entwicklung von Gerechtigkeitsgrundsätzen als Fundament einer „wohlgeordneten Gesellschaft“.
Kapitel 1.2 stellt den Grundriss der „Theorie der Gerechtigkeit“ dar. Es behandelt die Abgrenzung von Rawls' Theorie gegenüber teleologischen Theorien, insbesondere dem Utilitarismus, und erläutert seine Ablehnung von Glückseeligkeit als Bewertungsmaßstab.
Kapitel 1.3 widmet sich dem siebten Kapitel der „Theorie der Gerechtigkeit“, in dem Rawls eine „Theorie des Guten“ entwirft. Diese Diskussion beleuchtet die Verbindung von Gerechtigkeitsgrundsätzen und der Definition des Guten in Rawls' Werk.
Kapitel 1.4 befasst sich mit dem moralphilosophischen Aspekt der „Theorie der Gerechtigkeit“ und untersucht die Bedeutung des moralphilosophischen Elements im Vergleich zur vertragstheoretischen Ableitung der Gerechtigkeitsprinzipien.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit behandelt wichtige Themen und Konzepte aus der politischen Philosophie. Zentral sind dabei die Gerechtigkeitskonzeption von John Rawls, seine „Theorie der Gerechtigkeit“ und „Die Idee des politischen Liberalismus“, der Vorrang des Rechten gegenüber den Ideen des Guten, die Grenzen des Politischen und die Abgrenzung von umfassenden philosophischen Lehren. Die Arbeit analysiert zudem den moralphilosophischen Aspekt der „Theorie der Gerechtigkeit“ und die Entwicklung von Rawls' Gerechtigkeitskonzeption.
- Arbeit zitieren
- Anja Rössner (Autor:in), 2002, John Rawls: Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten im Vergleich zur Theorie der Gerechtigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12700