Cochemer Praxis vs. Integrierte Mediation - Vergleich der methodischen Ansätze

Bei hochstrittigen Trennungs- und Scheidungsverfahren vor Gericht


Diplomarbeit, 2009

274 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 PAS – Parental Alienation Syndrome

2. Mediation - eine Übersicht
2.1 Bedeutung und Anwendungsbereiche Mediation heute
2.2 Die Situation in Rheinland-Pfalz - LKTS
2.3 Tradition ohne Einheitlichkeit
2.4 Mediation im Kontext Cochemer Praxis
2.5 Mediation im Kontext Integrierte Mediation

3 Vergleichende Darstellungen verschiedener Ansätze – Hypothese: Der Erfolg eines Modelles entscheidet sich in der Umsetzung
3.1 Systematik des Vergleichs
3.1.1 Theoretischer Hintergrund – konzeptionelle Hintergründe
3.1.2 Methodische Ansätze
3.1.3 Formale und informelle Kooperation
3.1.4 Stellenwert Vernetzung
3.1.5.1 Kostenfaktoren für die Betroffenen
3.1.5.2 Kostenfaktoren für die Professionen
3.2 Cochemer Praxis – Fakten + Zahlen
3.3 Integrierte Mediation – Fakten + Zahlen
3.4 Gänzlich verschieden oder doch Gemeinsamkeiten?
3.4.1 Erfolge / Misserfolge

4 Folgerung / Konsequenzen
4.1 Diskussion – Der Erfolg eines Modells entscheidet sich in der Umsetzung
4.2 Kann man beide Methoden kombinieren?
4.3 Abschließende Bewertung

5. Literatur

Anhang:

Interviews mit den Akteuren „Cochemer Praxis“, „integrierte Mediation“ und Vertreter des LSJV - Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung - Landesjugendamt

1 Einleitung

„Der Begriff „Hochstrittigkeit“

Noch liegt über diese Elterngruppe, die ihren Kindern einen langjährigen psychischen Ausnahmezustand zumutet, in Deutschland kaum gesichertes Wissen vor. Definitionen lehnen sich an US-amerikanische Referenzen an. Eine Defintion von Homrich, Muenzenmeyer-Glover und Blackwell-White (2004) etwa zählt folgende Merkmale solcher Hoch- Konflikt-Trennungs-Familien auf: wiederholte Gerichtspräsenz, emotionale Probleme der Eltern stehen deutlich im Vordergrund, Partner sind unfähig oder nicht willens, kleinere Konflikte, die andere Scheidungspaare autonom regeln, ohne Hilfe des Gerichts zu lösen, die Eltern beziehen ihre Kinder in die Paarkonflikte ein, belasten deren Beziehung zum anderen Elternteil, Kinder tragen potenziell emotionale und physische Schäden davon und mehrere Versuche sind gescheitert, den Konflikt mit außergerichtlichen Standard-Interventionen (Beratung, Mediation) zu beenden“ (DJI, Wenn zwei sich streiten, 2007)

Zur Ausarbeitung der Arbeit führte ich mit den Akteuren aus Cochem und den Initiatoren der integrierten Mediation in Altenkirchen Interviews. Über die Cochemer Praxis konnte man weit mehr Literatur erhalten, als über die integrierte Mediation. Die Überlegung, beide Methoden miteinander zu vergleichen entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit.

In einer Selbsthilfegruppe „Väteraufbruch für Kinder Mainz e.V.“ arbeite ich seit Gründung 2004 in beratender Funktion mit Eltern, die erschwert oder gar keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern nach Trennung und Scheidung haben. Die Erfahrungen, die diese Eltern in die Gruppe mitbringen sind haarsträubend, wenn der Kontakt zwischen ihnen und den Kindern abgerissen ist, bis rührend, wenn der Kontakt zu ihren Kindern wieder hergestellt wird und funktioniert. Immer häufiger fiel „Cochemer Praxis“ oder „Cochemer Modell“ und ich bekam Auszüge der dortigen Arbeitsweise des Jugendamtes, Anwälte, Richter, Beratungsstelle zu hören. Weitere Informationen eignete ich mir durch Internetrecherchen auf der entsprechenden Homepage an.

2005 erhielt der Vorstand der Selbsthilfegruppe eine Einladung zu einer Konferenz der Integrierten Mediation in Altenkirchen und fragte mich, ob ich daran teilnehmen möchte, was mir einen Einblick zum Thema integrierte Mediation gab.

2007 war ich zum ersten Mal auf der Landeskonferenz Trennung und Scheidung. Der Vortrag „Ist jeder AK schon ein Netzwerk?“ und darauffolgende Diskussionen mit verschiedenen Teilnehmern brachten mich auf den Gedanken die Cochemer Praxis mit der integrierten Mediation zu vergleichen. Beide Modelle sind in hochstrittigen Elternkonflikten erfolgversprechend. Mich interessierten weitere Hintergründe, wodurch eine erfolgreiche Umsetzung der Methoden gewährleistet wird, was ihren Erfolg ausmacht und ob eine Methode besser als die andere ist.

Ein weiterer Grund, mich mit den beiden Arbeitsweisen intensiv auseinander zu setzen war, dass Bekannte in meiner Umgebung selbst Kinder waren, die ohne Vater oder Mutter groß werden mussten und heute aus diesem Zusammenhang verschiedene Probleme zwischen ihren Kindern, dem anderen Elternteil und sich selbst resultieren. Hinzu kommt oft das Unglück der heutigen Kinder solcher Eltern, zwischen zwei nicht mehr miteinander redende Eltern zu stehen. Die Erwachsenen haben rosenkriegartig gestritten und wollten beweisen, dass der andere der schlechtere Elternteil ist. Wobei manche mit der Zeit ihr Beziehungsgefüge reflektieren konnten und ihre Fehler erkannt haben.

Es ist ein Wunsch von mir für alle sich trennenden / scheidenden Eltern, sollte es zu starken Konflikten kommen, dass ihnen entweder eine Cochemer Praxis oder eine integrierte Mediation zur Verfügung steht.

1.1 PAS – Parental Alienation Syndrom – Eltern-Kind-Entfremdung

Da mir während meiner Interviews mit den verschiedenen Professionen immer wieder die Begriffsabkürzung PAS begegnete, werde ich im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung darauf eingehen. In der weiteren Ausführung wird deutlich werden, welche psychischen Abläufe in einem so hochemotionalen, wie der Trennungsphase zweier Menschen, zu einer hochstrittigen Situation führen können. Gerade wenn Kinder „zwischen den Fronten“ stehen, ist die „Waffenwahl“ nicht mehr groß. Haus, Hof, Tisch und Bett sind schnell geteilt. Was aber geschieht mit den Kindern? (Für den weiteren Verlauf spreche ich von „Trennung“ und meine damit auch Scheidungen, da einer Scheidung immer eine Trennung vorausgeht.)

In vielen Trennungsfällen einigen sich die Eltern im Interesse ihrer Kinder zukunftsorientiert. Den Kindern bleiben beide Elternteile nach der Trennung erhalten und sie können glücklich, ohne das Fehlen eines Elternteils groß werden. Es eröffnen sich für die Kinder Möglichkeiten einer wachsenden Familie, da die getrennten Elternteile oftmals neue Partnerschaften eingehen, aus denen weiterer Nachwuchs entstehen kann. Neue Beziehungen sind immer eine Bereicherung für den Menschen. Gerade Kinder fühlen sich angenommen und geborgen, wenn sie von vielen lieben Menschen umsorgt und versorgt werden. Wenn die Eltern in friedlicher Einigung getrennt leben, haben die Kinder die Möglichkeit zwei Mal Geburtstag zu feiern, zwei Mal Ostern und auch zwei Mal Weihnachten. Ihr Beziehungsumfeld wächst. Die Kinder haben einen Teil ihrer Ferien bei dem einen Urlaub und die andere Zeit verbringen sie bei dem anderen Elternteil. Man könnte fast meinen, dass sie mit mehr Vorteilen groß werden, als andere Kinder, deren Eltern zusammenleben. Der Schein trügt. Kinder wünschen sich, dass sie beide Eltern gleichzeitig zu jeder Zeit zur Verfügung haben. Diese Verfügbarkeit gestaltet sich für Trennungskinder schwieriger. Sie müssen lernen, mit der Sehnsucht nach einer gemeinsamen Familie zu Recht zu kommen. Besonders Kinder, die eine gemeinsame Familie erlebt haben, fällt dies besonders schwer. Dennoch haben diese Kinder gute Voraussetzungen selbstbewusste, selbstsichere und psychisch völlig gesunde Menschen zu werden. Sie werden in ihrem Erwachsenenalter keine großen Bindungs- und Beziehungsprobleme haben und können glückliche Partnerschaften führen. (Napp-Peters, 1995)

Was passiert, wenn es anders kommt?

Es gibt noch andere Nuancen der Trennung. Die schlimmste Form ist die, die in einen „Rosenkrieg“ eskaliert. Bei diesen Trennungen gibt es Gewinner und Verlierer. Die Verlierer sind in der Regel nicht die Erwachsenen, sondern die Kinder. Hier wird um jeden Cent gekämpft, um Tisch, um Bett, um Haus und Hof. Gegenseitige Kränkungen versperren einen konstruktiven Weg der gemeinsamen Elternschaft. Der Partner muss mit all seinen Fehlern für die „verlorene“ Zeit mit ihm büßen. Die letzte Waffe, mit der man dem anderen weh tun kann, ist das gemeinsame Kind oder sind die gemeinsamen Kinder. Es ist kein rationaler Entschluss, der hinter diesem Prozess steckt. Rein aus den Emotionen des Elternteils heraus, bei dem die Kinder leben, werden die Kinder gegen den anderen Elternteil – den einstmals geliebten Partner – bei dem sie nicht leben, aufgehetzt. Der in sich getragene und nun wachsende Hass wird auf das Kind übertragen. Das Kind muss den anderen Elternteil nun auch hassen, damit man diesen endgültig los wird und noch zusätzlich Rache – für was auch immer – an ihm übt. Den Eltern gelingt es hier nicht, ihren Pa]arkonflikt von ihrer Verantwortung als Eltern zu trennen. Da Kinder zu ihren Eltern eine bedingungslose Liebe hegen, vertrauen sie ihnen auch bedingungslos. Sie folgen unbewusst, und für sie auch noch nicht reflektierbar den Emotionen des Elternteils bei dem sie leben aus Loyalität heraus. (Napp-Peters, 1995)

Ein psychodynamischer Prozess in hochstrittigen Kindschaftsverfahren

Seit 1998 hat nach dem neuen Kindschaftsrecht ein Kind nach § 1684, Abs. 1 BGB das Recht auf Umgang mit beiden Eltern – das Sorgerecht spielt in diesem Falle keine Rolle mehr. Seither belässt man ein gemeinsames Sorgerecht auch bei beiden Eltern nach der Trennung, um einen Teil Konfliktpotential herauszunehmen. Leider hat sich auf dem Wege des Umgangsrechtes zwischen Eltern und Kindern nach der Trennung die Konfliktplattform verlagert, eben auf den Umgang, dies bestätigt Frau Füchsle-Voigt (Interview Füchsle-Voigt, 2008, Z. 71). Dieser wird erschwert, umkämpft, verhindert und es kommt zur Entfremdung und auch langjährigen Kontaktabbrüchen zwischen dem nichtbetreuenden Elternteil und den Kindern.

Die Kinder geraten während dieser Auseinandersetzung zwischen den Eltern in einen Loyalitätskonflikt. Sie glauben, wenn sie den anderen, „bösen“ Elternteil lieben und diese Liebe zeigen, verlören sie den Elternteil, bei dem sie leben auch noch. Sie beginnen den anderen Elternteil – oft den Vater – abzulehnen. Die Kinder können dies nicht rational begründen. Aussagen wie, „Er kocht nicht gut“, „seine Freundin putzt nie“, „dauernd ärgert er die Mama“ sollen ihre Ablehnung unterstreichen. Der betreuende Elternteil stärkt dieses Verhalten auf verschiedene Art und Weise. Wobei dies nur milde Beispiele einer angehenden Eltern-Kind-Entfremdung darstellen. Das Kind wird aktiv und passiv gegen den anderen Elternteil beeinflusst. Weiter unten werde ich die von Richard Gardner aufgeführte Symptomatik des PAS aufführen. Die Psychodynamik der Eltern-Kind-Entfremdung kommt den Prozessen wie bei Sektensystemen oder Geiselnahmen gleich. In der hochgradigen Form des PAS kommen Gemeinsamkeiten mit dem „Münchhausen-by- Proxy-Syndrome“ auf. Leider erhält im Kontext mit Trennung und Scheidung dieser Prozess der Eltern-Kind-Entfremdung noch zu wenig Beachtung. Was dabei in den Kindern und den hinterbliebenen Elternteilen durch den erzwungenen langjährigen Beziehungsabbruch passiert, wird oft vernachlässigt (Gardner, 2002).

Symptome und Definition des Parental Alienation Syndrom nach Richard Gardner :

„Das Syndrom der Entfremdung (Parental Alienation Syndrome – PAS) ist eine Störung, die vor allem im Zusammenhang mit Sorgerechts- und Umgangsstreitigkeiten auftritt. Die Störung äußert sich hauptsächlich in einer Ablehnungshaltung des Kindes gegenüber einem Elternteil, die in keiner Weise gerechtfertigt ist. Diese Haltung entsteht aus dem Zusammenwirken von Indoktrinierung durch einen programmierenden (eine Gehirnwäsche betreibenden) Elternteil und dem eigenen Beitrag des Kindes zur Verunglimpfung des zum Feindbild gewordenen anderen Elternteils. Im Fall von echtem Kindesmissbrauch und/oder Vernachlässigung kann die Feindseligkeit des Kindes begründet sein; in diesem Fall darf das Parental Alienation Syndrome als Erklärung für die feindliche Haltung des Kindes nicht herangezogen werden.“ (Gardner, 1985). Er beschreibt 8 Hauptsymptome und 3 Typen von PAS. Die Diagnose und der Schweregrad des PAS werden anhand des kindlichen Verhaltens festgestellt, nicht am Ausmaß der Indoktrinierung, der das Kind ausgesetzt war.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: „Das elterliche Entfremdungssyndrom“

Folgen

Derart traumatisierte Menschen finden sich später häufig mit schweren psychischen, psychosomatischen und psychiatrischen Störungen, teils in suizidalen Krisen, in nervenärztlichen / psychotherapeutischen Fachpraxen und Klinken wieder (Gardner, 2002).

Beispielhafte Folgen:

Das Bindungsverhalten dieser Kinder – später erwachsene Menschen – erinnert an das der desorganisierten / desorientierten Kinder, die Mary Main und Judith Solomon 1986 das erste Mal beschrieben haben. Die Kinder sind in ihrem Bindungsverhalten höchst verunsichert und müssen sich anpassen. In manchen Fällen kann diese psychische Strukturlosigkeit zum Beispiel zum „Vermüllungssyndrom / Messisyndrom“ führen. Renate Pastenaci beschreibt in ihrer Studie von 30 Fällen, dass über die Hälfte nicht in einer „Zwei-Eltern-Familie“, sondern nur mit einem Elternteil oder in Pflegefamilien / Heimen groß wurden (Dettmering / Pastenaci, 2001).

Spätere Folgen der abgeschnittenen Beziehung sind Beziehungsprobleme, bis hin zu Beziehungsunfähigkeit, ebenfalls hochstreitige Trennungsproblematiken, Borderline-Symptomatik durch die erzwungene Abspaltung eines Elternteils und damit Abspaltung von einem Teil der eigenen Identität und andere Störungen (Gardner, 2002).

Erstmaliges Erkennen und Erklären des Syndroms

Neuere Forschungen bezeichnen die Folge dieses induzierten Entfremdungsprozesses beim Kind als Parental Alienation Syndrome (Gardner, 2002). 1985 führte der amerikanische Kinderpsychiater Richard A. Gardner den Begriff des „Parental Alienation Syndromes“ ein und 1992 erschien in erster Auflage das Standardwerk zu PAS „The Parental Alienation Syndrome, a guide for mental health an legal professionals“. In der deutschen Literatur erklärte Wolfgang Klenner 1995 erstmals das Syndrom. Ursula Kodjoe und Peter Koeppel, beschrieben es 1998 ausführlich.

Interventionsmöglichkeiten

Gardner führte eine Verlaufsstudie durch, in der er 99 PAS-Fälle begleitete. In den Fällen, in denen die Kinder von dem entfremdenden Elternteil zu dem entfremdeten Elternteil wechselten, löste sich die Problematik nahezu von alleine. Hier fand eine Sorgerechtsänderung oder Kontakteinschränkung zum Entfremder statt. Die Kinder konnten psychisch wieder gesunden. In den anderen Fällen blieb es beim Kontaktabbruch (Gardner, 2002, S. 86). Er gibt je nach Grad der Entfremdung mögliche Empfehlungen für gerichtliches Vorgehen und psychotherapeutisches Vorgehen:

Bei schwacher Entfremdung soll die elterliche Sorge (eS) bei dem entfremdenden Elternteil bleiben und eine Psychotherapie sei in der Regel nicht erforderlich. Bei mittelstarker Ausprägung führt Gardner einen Plan A, der für gewöhnlich gewählt wird, auf:

1. eS verbleibt primär beim entfremdenden Elternteil.

2. Bestellung eines PAS-Therapeuten

3. Sanktionen: a. Kaution
b. Geldstrafe
c. Sozialdienst
d. Bewährung
e. Hausarrest
f. Inhaftierung

Für Plan B, der gelegentlich notwendig ist, sieht er vor, dass

1. die eS auf den entfremdeten Elternteil übertragen wird.
2. ein PAS-Therapeut bestellt wird
3. äußerst beschränkte und überwachte Besuche beim entfremdenden Elternteil zur Vermeidung von Indoktrination statt finden

Jeweils für Plan A und B wird eine Behandlung durch einen vom Gericht bestellten PAS-Therapeuten durchgeführt.

Bei schwerer Ausprägung des PAS sind die gerichtlichen Maßnahmen:

1. Übertragung der elterlichen Sorge auf den entfremdeten Elternteil
2. Vom Gericht angeordnete Übergangsörtlichkeit. Psychotherapeutisches Vorgehen ist folgendes: Übergangsörtlichkeit mit Überwachung durch einen vom Gericht bestellten PAS-Therapeuten (Gardner, 2002).

Auch in Deutschland werden solche Interventionsmöglichkeiten inzwischen in Betracht gezogen und allmählich durchgeführt. Wobei es bisher nur ein Institut bundesweit zu geben scheint, in dem Bindungsproblematiken aufgearbeitet und therapiert werden – das Johnson-Institut in Netphen in der Nähe von Siegen.

2 Mediation – Definition

Mediation bedeutet im weitesten Sinne: schlichten, vermitteln. Das Wort entspringt aus dem Lateinischen, und kommt eigentlich von „Medium“: Mittelglied; MittlerIn, Mittelsperson; Kommunikationsmittel. (Duden, 1996, S. 484). Ein Medium kann auch als Verstärker, Multiplikator oder Interpret der Kommunikation dienen. Global ist ein Medium eine Zeitschrift, Fernsehen oder Internet. Zwischenmenschlich gilt als Medium die Sprache, Mimik und Gestik. Wie oben erwähnt vermittelt ein Medium etwas zwischen zwei Subjekten – dem Sender und dem Empfänger.

Das Zwischenmenschliche ist so stets eine Vermittlung, Verstärkung oder Interpretation von Kommunikation.

In bestimmten Situationen ist eine Kommunikation erschwert. Hier wird mehr als nur ein Sender und Empfänger benötigt: Wenn die alte Großmutter ein Hörgerät als Verstärker der Stimmen brauch um zu verstehen, dass ihr Enkel unbedingt ein Stück Schokolade benötigt. Wenn der Vater die Worte der Mutter interpretiert und seiner Tochter mit anderen Worten als die Mutter klar macht, dass es wirklich Zeit ist ins Bett zu gehen. Wenn die Geschwister sich um einen Teddybären streiten, so ist oft einer der Eltern zur Stelle, der zwischen beiden um des lieben Friedens Willen vermittelt. Dies sind drei Beispiele, wie im alltäglichen Leben mittels eines Mediums vermittelt wird ohne, dass eine spezielle Ausbildung dazu notwendig ist.

Professionelle Mediation hingegen befähigt den Vermittler dazu, verzwickte Sachverhalte zu erkennen, für die Beteiligten zu dividieren und die Probleme offensichtlich darzulegen. Anschließend sollten die Parteien einvernehmlich eine Lösung erarbeiten können, mit der jeder zufrieden ist. Der / die MediatorIn beobachtet den Prozess, um bei Missverständnissen und Unklarheiten interpretierend einzuspringen. Umso mehr die Parteien ihre Lösung selbständig erarbeiten, um so nachhaltiger wird der Friede zwischen ihnen sein.

Es ist darauf hinweisen, dass der „Ursprung“ der Mediation Jahrtausende zurückliegt, obwohl der Begriff neuzeitlich klingen mag. Eine der frühen Dokumentationen von Mediation im zwischenmenschlichen Bereich gibt es in der abend- und morgenländlichen Kultur. Sie ist im neuen Testament, im ersten Brief von Paulus an die Korinther in der Bibel zu finden (I Korinther, Kapitel 6): „Rechtsstreit unter Gemeindegliedern gehört nicht vor Gericht“, ebenso ist im Koran eine Vorschrift zur Mediation: „Kapitel 4, Teil 5, 6. Abschnitt: Meinungsverschiedenheit zwischen Mann und Frau: 35 Und wenn ihr eine Entzweiung zwischen den beiden (Mann und Frau) befürchtet, dann beauftragt einen Schiedsrichter aus seiner Familie und einen Schiedsrichter aus ihrer Familie. Wenn sie beide Einigung begehren, wird Allah Eintracht zwischen ihnen bewirken. Gewiss ist Allah stets Wissend, Kundig.“

In beiden Fällen ist ein Mittler einzusetzen, um streitende Parteien zu einer Einvernehmlichkeit zu führen, erst dann soll ein Richter die Entscheidung abnehmen. Obwohl Christentum und Islam verschiedene Kulturen sind, haben sie gemeinsame Ziele. Hier wäre ein Ansatz, um zwischen binationalen Partnerschaften zu vermitteln.

Natürlich gibt es in anderen Kulturen noch frühere Belege für Mediation, die an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.

Mediation ist eine Methode in der Sozialen Arbeit, deren eine spezielle Ausbildung vorausgeht. Zur Zeit ist der Titel „MediatorIn“ kein geschützter Titel. Theoretisch könnte jeder, der ein Mal etwas über professionelle Mediation gelesen hat eine Mediation durchführen. Die Voraussetzungen für eine Mediatorenausbildung ist eine entsprechende Vorausbildung und abschließend gibt es ein Zertifikat.

Eine der grundlegendsten Voraussetzungen für Mediation ist, dass die Parteien überhaupt bereit sind für ein Vermittlungsgespräch!

„Mediation ist ein auf Kooperation, Kommunikation und befriedenden und befriedigenden Ausgleich widerstreitender Interessen angelegtes, freiwilliges Verfahren zur außergerichtlichen, einvernehmlichen und eigenverantwortlichen Regelung von Konflikten durch die Konfliktparteien selbst mit Unterstützung einer oder zweier Vermittlungsperson(en) (Co- Mediation), die den Vermittlungsprozess neutral und überparteilich steuert/n. Mediation zielt auf einen interessenbezogenen Konfliktausgleich durch die Streitparteien selbst unter Berücksichtigung ihrer subjektiven Vorstellungen, Wahrnehmungen, Erinnerungen, Wünschen, Gefühlen (Krisenhilfe), auf die Förderung ihrer Konfliktregelungsfähigkeit (Prävention) und auf die Stärkung ihrer Selbstständigkeit, ihres Selbstbewußtseins, Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens. Mediation ist weder Schlichtung oder Schiedsspruch noch Verhandlung, Vergleich oder Kompromiss, noch Therapie oder Beratung. Allerdings kann Mediation vergleichbare insbesondere therapeutische und beraterische Wirkungen erzielen. Mediation ist ressourcen-, regelungs- bzw. ziel- und zukunftsorientiert. Mediation ist eine Kurzzeitintervention, die regelmäßig über sechs bis acht Sitzungen von einer bis eineinhalb Stunden Dauer nicht hinausgehen soll…“ (Proksch, in „Fachlexikon der sozialen Arbeit“, 2002).

2.1 Bedeutung und Anwendungsbereiche Mediation

Die Bedeutung der Mediation ist die konsensuale Einigung von streitenden Parteien. Der Unterschied zwischen Konsens und Kompromiss liegt darin, dass bei einem Kompromiss eine der Parteien bewusst zugeben und der Andere bewusst abgeben muss, um eine zielgerichtete und zukunftsorientierte Einigung zu erreichen. In einer solchen Einigung ist es oftmals so, dass sie unterlaufen oder umgangen wird. Man fühlt sich darin nicht wohl, weil man weiß, dass Dinge abgesprochen wurden, die man so nicht aus dem Inneren heraus wollte. Es fand nur eine Nährung zur Lösung statt.

Ein Konsens hingegen ist eine Einigung, in der die streitenden Parteien dem eigenen Gefühl nach nicht nachgeben mussten. Sie konnten sich dem Ziel so nähern, dass jede der Parteien mit dem Ergebnis einverstanden ist und die eingebrachten Ideen von dem anderen durchaus akzeptiert werden können (Interview Trossen, 2008).

Phasen der Mediation

Dieser Einigungsprozess verläuft in verschiedenen Phasen. Je nach Literatur, gibt es verschiedene Phasen-Modelle. Es ist sicherlich ausreichend fünf Hauptphasen zu verinnerlichen, die inhaltlich weiter aufgeschlüsselte Punkte mit abdecken:

1) Während der Vorbereitung und Einführung werden vertrauensbildende Maßnahmen integriert, der / die MediatorIn und die Parteien lernen sich kennen. Es werden Kommunikations- und Verhaltensregeln aufgestellt.
2) Die Sachlage wird erörtert. Dies bedeutet die Sammlung von Informationen und identifizieren von Streitfragen.
3) Anschließend werden die verschiedenen Interessen beleuchtet, was zur Entwicklung von Optionen führt.
4) Nun folgt Verhandeln und Aushandeln, was abschließend in den
5) Vertrag, bzw. Vereinbarungen treffen mündet.

Wenn diese Phasen der Mediation für den Mediator sicher verinnerlicht sind, ist eine weitere Ausdifferenzierung meines Erachtens entbehrlich.

Anwendungsbereiche

Mediation kann in vielen verschiedenen Bereichen Anwendung finden. So zum Beispiel in der Altenpflege, im Gesundheitswesen, der Wirtschaft, der Schule, im Täter-Opfer-Ausgleich, bei interkulturellen Konflikten, bei Eltern-Kind-Problemen, in Stieffamilien, in Sorgerechts- und Umgangsstreitigkeiten und bei Scheidung.

Stile der Mediation

Muskel-Mediation“: das Ziel dieser Art von Mediation ist, eine Vereinbarung herbeizuführen. Die Zielvorgabe macht der / die MediatorIn. und leistet Überzeugungsarbeit gegenüber den Parteien über einen möglichen Ausgang des Gerichtsprozesses. Der Prozess der Mediation steht hier nicht im Mittelpunkt, sondern das Ziel.

Das Gegenteil dazu ist die puristische Mediation: der / die MediatorIn sieht sich ausschließlich als ModeratorIn. Es werden von Seiten des / der Mediators/in keine Lösungsvorschläge gemacht, keine Optionen entwickelt, Rechtsinformationen bleiben aus, Bewertungen entfallen. Der Prozess soll zum Ziel führen.

Ein Mittelweg stellt die zentristische Mediation dar: der / die MediatorIn greift, ohne Druck in Richtung Ziel auszuüben in den Verhandlungsverlauf ein, nimmt Stellung, falls ein Machtgefälle zwischen den Parteien entsteht, arbeitet auch in Einzelsitzungen mit den Parteien und gibt Rechtsinformationen weiter.

Die therapeutische Mediation wird häufig von Psychologen angewandt. Sie geht in das Beziehungsgefüge der Konfliktparteien hinein. Dabei soll die Kommunikationsfähigkeit der Parteien wieder hergestellt und verbessert werden, um selbständige Lösungsstrategien entwickeln zu können. Das Ziel dabei ist, dass die Parteien aus emotionaler Überzeugung heraus eine Vereinbarung akzeptieren.

Der Gegenspieler zu der therapeutischen Mediation ist die juristische Mediation. Das Augenmerk liegt nicht auf das emotionale Befinden, sondern auf den Streitgegenstand der Parteien. Bei ausschließlich dieser Form werden die ursprünglichen Paarprobleme außer Acht gelassen und nicht beseitigt, was später neue Konflikte mit sich bringen kann.

Die Pendel-Mediation versteht den / die MediatorIn als Boten zwischen den Parteien. Die Sitzungen finden getrennt voneinander statt. Diese Form eignet sich bei sehr feindseligen Gegnern, wenn sich die Parteien nicht / noch nicht gegenüber sitzen können, eine große Entfernung zwischen den Parteien herrscht, auf Wunsch der Konfliktparteien oder als ultima ratio.

Bei einer Co-Mediation arbeiten zwei oder mehrere MediatorInnen als Team miteinander, wenn die Konfliktlage dies erfordert. Das können Therapeuten und Juristen sein, die ihr fachliches Hintergrundwissen verbinden, oder aber auch gleichgewichtsbildend für die Geschlechter bei Familien-Mediation ein männlicher und ein weiblicher Mediator.

Die verschiedenen Stile in der Mediation können nach Bedarfslage durchaus kombiniert werden.

Mediation im Kontext Trennung und Scheidung

In der Trennungsphase eines Paares oder Ehepaares muss – sofern gemeinsame minderjährige Kinder da sind – eine zukunftsorientierte Einigung gefunden werden, mit der jeder in der Umbruchsituation, wie auch später einverstanden ist. In vielen Fällen können die Eltern sich sehr gut bis ausreichend miteinander verständigen. Sie trennen sich und werden sich sicherlich in manchen Punkten nicht immer einig sein. Jedoch, wenn jeder etwas zugibt und jeder auch bereit ist mal abzugeben, ohne sich übervorteilt zu fühlen, werden sie immer zu einem gemeinsamen Konsens für ihre Kinder kommen. Es sieht sich keiner als Gewinner und auch keiner als Verlierer, da beide bereit sind, zu Verhandeln.

Bei Verhandlungen muss man auch immer bereit sein, seine ursprünglichen Vorstellungen zu verwerfen. Wichtig ist nur, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und dabei zu überdenken, wie schnell das Ziel erreicht werden muss oder soll. Können hier die Eltern gut miteinander reden, Argumente für und wider einer Vorstellung zur gemeinsamen Erziehung der Kinder finden, so ist hier alles für die Kinder gewonnen.

Was ist aber, wenn einer oder beide Eltern eine Position bezogen haben, sich im Recht sehen und kein Stück von ihrer Position abrücken wollen?

An dieser Stelle kann guter Rat teuer werden. Viele Gerichte werden dann bemüht die Position des einen zu bestärken, ihn gewinnen zu lassen und den anderen von seiner Position zu verdrängen und ihn verlieren zu lassen.

Unzufriedenheit in der Elternschaft kommt auf, mit den Fingern wird auf den anderen gezeigt, Kollegen, Freunde, Familie, sogar die eigenen Kinder werden zum Werkzeug gegen den anderen gemacht. Erwachsene können sich selbständig aus diesem Krieg herausziehen. Kinder jedoch sind in dem Krieg gefangen, den ihre Eltern beginnen.

Hier ist es dringend geboten den zerstrittenen Eltern Hilfe anzubieten. Diese kann nun in Form von Mediation und ihrer Variationen statt finden. Die Angebote finden die Eltern bei öffentlichen oder freien Trägern, sowie auch in Praxen, die sich auf solche Fälle spezialisiert haben, jeweils mit dem Augenmerk auf die Kinder, die in diesem Streit leiden.

2.2 Die Situation in Rheinland-Pfalz - LKTS

Die Situation in Deutschland scheint folgende: jeder ist am Kindeswohl orientiert. Jeder möchte nur Gutes für unsere Kinder. Ob es im Bildungssektor ist, Gesundheitsvorsorge im Rahmen der verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen, sogar frühpräventiv durch Hebammen noch im Wochenbett oder während der Schwangerschaft beim Frauenarzt ist.

Kindern deren Eltern sich trennen, sollen und müssen ebenso versorgt sein, um dadurch die Kinder in diesem emotionalen Prozess geschützt zu wissen. Es ist für die zerbrechende Familie ein einschneidendes krisenbehaftetes Lebensereignis.

Bei freien wie auch öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe haben sich die Fachleute in Richtung Trennungs-, Scheidungs-, Umgangs- und Sorgerechtsproblematiken und -fragen spezialisiert.

An den Gerichten wird nicht mehr sofort ein Urteil ausgesprochen, sobald streitende Eltern jeweils für sich das Sorgerecht beantragen oder sogar den Umgang zum gemeinsamen Kind gerichtlich für den Anderen ausschließen lassen wollen. Die erste Verhandlung endet meist in einem ruhenden Verfahren. Die Richter verweisen an Beratungsstellen, Anwälte sollen in Richtung dieser Problematik förderlich beraten, das Jugendamt soll an einem Einigungsprozess behilflich sein, Beratungsstellen sollen die Arbeit des Jugendamtes unterstützen, eine neue Gesetzesreform der FGG fand statt, um eine Beschleunigung in den Prozess des Prozesses zu bringen und andere Grundsätze zu sichern – all dies orientiert am Wohle des Kindes.

Die Situation in Rheinland-Pfalz zeigt folgender Maßen aus: es gibt etwa 40 Arbeitskreise Trennung- und Scheidung (AKTS), die sich regelmäßig treffen. Einige AKTS übersenden Sitzungsprotokolle an das Landesjugendamt, um darzulegen welche Themen besprochen werden, wobei es keine Verpflichtung für die AKTS gibt, ihre Arbeit zu rechtfertigen. Die Übersendung der Protokolle findet vom Arbeitskreis Mainz, Landau, Pirmasens, Ludwigshafen, Bad Kreuznach und Bad Neuenahr-Ahrweiler statt. Cochem hinterlegt die Protokolle auf der Homepage, die für autorisierte Personen zugängig sind. Die besprochenen Themen stellen sie ebenfalls auf der Homepage vor, jeweils ohne weiter auf den Inhalt einzugehen.

Soweit der Einblick reicht, werden folgende Themen unabhängig voneinander, in ihrer Häufigkeit des Auftretens in den verschiedenen AKTS bearbeitet: anonymisierte Fallbearbeitung mit Lösungsansätzen und Interventionsmöglichkeiten, Vernetzungsarbeit der Professionen, die Grundsätze der Cochemer Praxis in die eigenen Verfahren einflechten, Erleben der Trennung und Scheidung aus den Augen der Kinder, Kindschaftsrecht, § 8a SGB VIII Kindeswohlgefährdung, Scheidungskinder in der Schule, die Handreichung vom Feb. 2008 des Landesjugendamtes, wirkende Einflussfaktoren auf die getrennten Eltern und die Verarbeitung der Trennung, integrierte Mediation, gutachterliche Kriterien, Armut, ALG II, Gewalt.

Die regelmäßig teilnehmenden Professionen der AKTS sind unter Anderem Vertreter des Jugendamtes, Beratungsstellen, Richter, Anwälte, Psychologen. Es wird deutlich, dass die Kinder in dieser hochsensiblen Situation in den Mittelpunkt gerückt werden. Die Themen konzentrieren sich in Richtung des Kindeswohls.

„Das Wohl des Kindes“ ist bis heute noch ein undefinierter Rechtsbegriff! Es gibt verschiedene Ansätze, diesen Begriff mit Inhalt zufüllen. Weitere Versuche, das „Kindeswohl“ mit Inhalt zu füllen, werden in regelmäßigen Abständen im Rahmen der Landeskonferenz für Trennung und Scheidung (LKTS) unternommen. Wobei hier die Arbeitsweisen der AKTS dargelegt und vorgestellt werden, wie man den Kindern in einer solchen Situation der sich trennenden und streitenden Eltern gerecht werden kann. Ebenso finden andere Arbeiten innerhalb der LKTS statt, die immer Kindeswohlorientiert sind:

Die erste LKTS fand im Oktober 2003 in Cochem statt.

Es war das konstituierende Gesamttreffen der schon gegründeten Arbeitskreise Trennung und Scheidung. Die LKTS sollte als Plattform dienen um die verschiedenen Konzeptionen in den Arbeitskreisen vorzustellen. Die Vorstellung der Arbeitsweisen übernahmen die Teilnehmer jeweils selbst. Es wurden Arbeitsgemeinschaften für Gruppenarbeiten gegründet, das Internetprojekt Porta-Familia wurde Vorgestellt und sollte als zukünftige Austauschplattform im Internet fungieren. Weiter wurden Inhalte und Ziele der LKTS überlegt und wer die nächste LKTS veranstaltet. Für diese Veranstaltung liegt keine Dokumentation in diesem Sinne vor. Der AK- Cochem präsentiert auf der Homepage ein Veranstaltungsprotokoll.

Im März 2004 organisierte der Kreis Neuwied die zweite LKTS. Die Themen gestalteten sich in Form von Überlegungen zu dem Kindschaftsrechtsreformgesetz vom Juli 1998, in dem nicht miteinander verheiratete Eltern die gemeinsame elterliche Sorge begründen können und ein Kind das Recht auf Umgang mit beiden Eltern und anderen Bezugspersonen hat, ebenso bei getrennt lebenden Eltern jeder Elternteil ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes hat und dass nach der Trennung ein gemeinsames Sorgerecht aufrecht erhalten bleiben kann u.a., was vor dieser Reform rechtlich nicht festgeschrieben war (§§ 1626 a, 1684,1685,1686, 1687 BGB,(2005)). In diesem Zusammenhang wurde die Notwendigkeit von AKTS’ besprochen. Des Weiteren gab der Arbeitskreis Neuwied ausgewählte Aspekte vor, an denen die Entwicklung und Tätigkeit von regionalen Arbeitskreisen dargestellt werden. MitarbeiterInnen der verschiedenen AK’s berichteten über ihre Erfahrungen. Die Struktur und Ziele der LKTS und ein Ausblick wurden noch diskutiert. Zu dieser LKTS liegt eine Dokumentation vor.

Im September 2004 richtete Ludwigshafen die 3. LKTS aus. Zur Diskussion standen die Vernetzung professioneller Handlungsfelder in den Rhein-Neckar-Regionen, mit den Schwerpunkten ihrer bisherigen Arbeit und die Arbeitsfelder des Arbeitskreises, wie Familiengericht, Jugendamt, Rechtsanwälte, Beratungsstellen und betriebliche Sozialarbeit. In diesem Zusammenhang wurde eine Umfrage vorgestellt, die 2001 / 2002 statt fand. Es ging um 20 regionale AG’s (formelle und informelle Gruppen), die eine Zusammenarbeit der Professionen unterstützt. Porta-Familia wurde mit einbezogen, Arbeitsgemeinschaften als Diskussionsgruppen gegründet, eine Zusammenfassung der Ausarbeitung in den Arbeitsgemeinschaften und ein Ausblick wurden vorgetragen. Eine Dokumentation liegt vor.

Im März 2005 fand die 4. LKTS in Mainz statt. Die Themen waren: empirische Ergebnisse zur Persönlichkeit von Kindern a) epochale Veränderung b) Besonderheiten bei Kindern in Trennungs- und Scheidungssituationen, das Familiengerichtliche Verfahren im Spannungsfeld zwischen Gerichtsalltag und Ideal. AGs wurden gegründet und anschließend eine Zusammenfassung dargestellt. Eine Dokumentation ist vorhanden.

Ein Jahr später, im März 2006 richtete Remagen die 5. LKTS aus.

Als Thema wurde angeboten „Kindeswohl im Kontext der Vernetzung“. Dazu ein Vortrag von Frau Ursula Kodjoe (PAS, Vernetzung der Professionen, Kindeswohl), AGs wurden gegründet, die im Plenum Ergebnisse vortrugen, und anschließend einen Ausblick. Es ist keine Dokumentation vorhanden.

Die 6. LKTS fand im November 2006 in Kaiserslautern statt.

„Kindeswille – Altes aus neuer Sicht“ war der Oberbegriff für diese Konferenz. Folgende Vorträge wurden gehalten: „Kindeswille ist sein Himmelreich“, Kindeswille aus Sicht der Familienrichter und Anwälte, um in AGs die Themen zu vertiefen und im Plenum die jeweiligen Ergebnisse vorzutragen. Anschließend wieder einen Ausblick.

Trier war im Oktober 2007 der Gastgeber der 7. LKTS.

„Effiziente Zusammenarbeit zum Nutzen der Betroffenen – Arbeitskreise: Quo vadis?“ war das Oberthema. Es gab ein Referat „Ist jeder AK schon ein Netzwerk?“ und „Die Vernetzung der Professionen im Lichte des Kabinettentwurfes zum Familienrechtsreformgesetz“, worauf sich verschiedene AGs gründeten, deren Ergebnis im Plenum vorgestellt wurde. Eine Dokumentation ist vorhanden.

Die 8. LKTS fand im Juni 2008 wieder in Cochem statt.

Unter dem Thema „Kindeswohl – was ist das?“ wurde im Unterschied zu den vorhergehenden LKTS diesmal ausschließlich Vorträge gehalten:

„Das Kindeswohl und die Notwendigkeit von Netzwerken“, „Kindeswohl, was ist das? Rollenverständnis der Professionen“ Rechtsanwälte, Richter, Jugendamt, Lebensberatungsstelle und Psychologen tragen aus ihrer Sicht vor, was das „Kindeswohl“ in ihrem Verständnis bedeutet. Weitere Vorträge waren: „Netzwerkarbeit am Beispiel Berlin“ von Frau Richterin Dr. Müller-Magdeburg“, „Netzwerkarbeit am Beispiel Daun und Cochem“ und im Anschluss folgte eine Diskussion im Plenum. Als Dokumentation liegen die Redebeiträge und Powerpointpräsentationen auf der Homepage des AK-Cochem vor.

Eine unmittelbare Verknüpfung von der einen LKTS zur anderen ist nicht ersichtlich, so empfindet Herr Mehler (Interview Mehler, 2008). Bei einer Landeskonferenz Trennung und Scheidung sind häufig die Selben Teilnehmer vorzufinden. Es wäre in diesem Rahmen möglich Themen aufeinander aufzubauen, um daraus weitere effiziente Ergebnisse resultieren zu lassen.

Es wird in Rheinland-Pfalz viel in Richtung „Kindeswohl“ getan, mit einer weitgestreuten Ergebnisbandbreite und eigentlich höheren Erwartungen von Seiten Herr Mehler (Interview Mehler, 2008).

2.3 Tradition ohne Einheitlichkeit

In Rheinland-Pfalz existiert (zur Zeit) eine Selbsthilfegruppe „Väteraufbruch für Kinder Mainz e.V“, die dem Bundesverein „Väteraufbruch für Kinder e.V.“ untergeordnet ist – dem ca. 80 weitere Kreisvereine in Deutschland unterstehen. In regelmäßigen Abständen veranstaltet die Mainzer Selbsthilfegruppe Treffen für Eltern, die den Kontakt zu ihren Kindern auf Grund von Trennung verloren haben oder nur unter erschwerten Bedingungen gestalten können. Zu diesen Treffen in Mainz kommen Betroffene beispielsweise aus Mainz, Kreis Alzey- Worms, Worms, Kreis Mainz-Bingen, Bad Kreuznach, Kirchheimbolanden, Kaiserslautern, Koblenz, Flörsheim, Krefeld, Frankenthal, Reichelsheim, Hoppstädten-Weiersbach, Mannheim, Ludwigshafen, Manderscheid, Seibersbach, u.v.m.

Diese regionale Selbsthilfegruppe zählt etwa 50 Mitglieder – Tendenz steigend – und mindestens so viele Nichtmitglieder, die sich telefonisch oder bei den monatlichen Treffen Rat holen und sich ihren Ärger von der Seele reden. Fast alle leben mit teilweise finanziellen, sozialen, psychischen und psychosomatischen Begleiterscheinungen, die aus der für sie belastenden Trennungssituation resultieren: hohe Verschuldung, bis hin zur Privatinsolvenz, auf Grund von nicht mehr bedienbaren Unterhalt- und Darlehensverpflichtungen; Abbruch zu freundschaftlichen und familiären Beziehungen, durch „Lagerbildung“; Depressionen durch den Verlust der Lebensperspektive; Burn-Out-Syndrom, wegen der hohen psychischen und körperlichen Belastung in Beruf und Privatleben, u.a.

Der Name „Väteraufbruch für Kinder“ steht nicht nur für die Männer in der Situation. Auch Frauen sind in diesem Verein Mitglied! Die Namensgebung resultiert aus den frühen 90ern des letzten Jahrhunderts, als Väter nicht mehr nur Zahlväter sondern auch emotionale Väter sein und wieder Kontakt zu ihren Kindern aufbauen wollten, also zu einem neuen Vaterbild aufgebrochen sind. Es war und ist oft so, dass der Vater nach Trennung den Kontakt zu seinem Kind verliert, und die Mutter die betreuende Person ist.

Beide Geschlechter scheinen gleichermaßen unter dem künstlichen Verlust der Kinder zu leiden. Frauen fällt es sichtlich leichter unmittelbar über ihre Situation zu reden, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen, während Männer nicht immer bei ihrem ersten Erscheinen anfangen über ihre Probleme zu reden. Sie hören sich vorläufig die Situationen der Anderen an, um teilweise erleichtert festzustellen, dass ihr Dilemma „nur“ halb so schlimm ist.

Wie aber mag das möglich sein, wenn doch in den Regionen, aus denen die „verwaisten“ Elternteile kommen AKTS arbeiten und Treffen stattfinden zwischen Jugendamt, Rechtsanwälten, Beratungsstellen, Gericht, Verfahrenspfleger, Umgangspfleger, zu guter Letzt sogar die Gesetzeslage zu Umgang und Erziehung berechtigt und verpflichtet (§§ 1626, 1684 BGB)?

Sofern es überschaubar ist, werden in den in Kapitel 2.2 erwähnten AKTS regelmäßig über anonymisierte Fälle und Kindeswohl gesprochen.

Was regelmäßig nicht erkennbar ist, ist das Ziel, auf das die AKTS hinarbeiten. Gespräche über das Kindeswohl werden als Ziel definiert. Da aber schon erwähnt wurde, und auch in der Literatur bekannt ist, dass das „Kindeswohl“ ein undefinierter Rechtsbegriff ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Arbeitskreise Trennung und Scheidung in Richtung eines undefinierten Zieles hinarbeiten – ohne dies zu beabsichtigen. Das gleicht einem Tisch, auf dem Magnete in allen Richtungen ausgelegt sind und ein Kompass über diesen Tisch fährt, der sich aber nicht auszurichten vermag. Also muss ein definiertes Ziel vorgegeben werden.

Für die Juristen, wie auch für die anderen Professionen liegen die Kriterien des formaljuristisch definierten Kindeswohls vor. Diese sind der Kontinuitätsgrundsatz, der Förderungsgrundsatz, die Bindungen des Kindes, die Erziehungsfähigkeit der Eltern, der Kindeswille. Sicher werden diese Kriterien regelmäßig betrachtet und hinter einander abgehakt, ob jeder Elternteil für sich diese Kriterien für das Kind erfüllen kann. Was dabei außer Acht bleibt, ist, dass diese Kriterien in Bezug zueinander betrachtet werden müssten und im Zusammenhang für das System Familie, was im Interview mit Herrn Kempf ausführlich angesprochen wird.

Was aus den regelmäßigen Treffen der Selbsthilfegruppe hervorgeht, ist nicht nur die Hilflosigkeit der dort erzählenden Eltern, sondern auch ihre Wut über die dargestellte Untätigkeit und Hilflosigkeit der in ihrem Fall beteiligten Professionen. Kein Instrumentarium scheint geeignet um den anderen Elternteil dahingehend zu bewegen, dass das gemeinsame Kind beide Eltern erleben kann, trotz der Kindschaftsrechtsreform von 1998.

Die Eltern berichten von JugendamtmitarbeiterInnen, die sich in ihren Stuhl zurücklehnen und sagen: „Wenn der Andere nicht will, dass Sie Ihr Kind sehen, können wir leider nichts machen. Sie müssen dann zum Gericht und auf Umgang klagen.“ Wenn nun diese Eltern zu einem Anwalt gehen, werden häufig und viele Schriftwechsel gefertigt, die mit gegenseitigen Vorwürfen bestückt sind und viele Kränkungen aus der Vergangenheit hervorbringen, aber keine Lösungsvorschläge generieren. Kommt es schließlich nach Monaten zu einem Gerichtsverfahren, steht eine RichterIn vor einem Aktenstapel und sieht streitende Eltern. Selbst wenn der / die RichterIn in dieser Situation versucht ein Gespräch zu führen, gelingt es nicht, die Eltern zu einer Einigung zu bringen oder eine schnelle Entscheidung zu treffen. Es wird eine GutachterIn eingeschaltet, der / die wiederum über Monate brauch, um zu der Lösung der Fragestellung des / der RichterIn zu kommen, da einer der Eltern unentwegt Termine absagt. Als häufige Fragestellungen aus dem Austausch mit den Betroffenen aus der Selbsthilfegruppe kamen zu Tage, ob „der Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil dem Kindeswohl entspricht“, oder ob das „gemeinsame Sorgerecht weiterhin Kindeswohlorientiert ist“ – und wieder taucht der undefinierte Rechtsbegriff auf. Der / die eventuell noch zusätzlich eingeschaltete VerfahrenspflegerIn, der / die die Interessen, den Willen und das Wohl des Kindes zu erkennen und an das Gericht weiterzutragen hat, sollte ebenfalls Lösungsvorschläge mit einbringen – am Kindeswohl orientiert.

Folglich steht der / die RichterIn anschließend wieder mit der alleinigen Verantwortung der nun folgenden Entscheidung da, sich für oder gegen einen Elternteil zu entscheiden, beziehungsweise für oder gegen das Kind, weil die Eltern keine eigenverantwortliche Einigung für ihr Kind herbeiführen konnten, da ihnen keiner Unterstützung bieten kann.

Man muss dazu noch erwähnen, dass ein / eine amtierende FamilienrichterIn in dieses Amt nicht zwangsläufig über psychologisches oder pädagogisches Vorwissen verfügt.

Ein Richter schilderte seine Situation so, dass er ursprünglich Richter in einer völlig anderen Fachrichtung gewesen sei, und nun in Familiensachen zu richten habe – also in eine ihm völlig unbekannte Materie einstieg (Rudolph, LKTS, 2008).

Beispiele, die das Leben schreibt

Beispiel 1:

Amtsgericht Mainz , AZ: 33 F 397/07 Umgangsrecht Francesco P.

Es herrscht Schieflage in der Bindungstoleranz der Mutter gegenüber Vater und Kind. Eine Umgangspflegschaft wird eingerichtet, das Jugendamt ist involviert, eine Beratungsstelle ist eingeschaltet. Keiner der Beteiligten schafft es vorerst die Mutter dazu zu bewegen, die Kinder zum Vater zu lassen – bis die Umgangspflegerin die Verantwortung übernimmt und sagt, dass sie die Kinder jetzt zu ihrem Vater brächte, da dies ihr Auftrag vom Gericht sei. Dem widersetzte sich die Mutter nicht. Der Umgang konnte zunächst in betreuter Form durchgeführt werden und wurde schon nach dem zweiten Kontakt in die Verselbständigung geleitet. Vater und Mutter arbeiteten gemeinsam an ihrer Haltung gegenüber dem anderen in einer Beratungsstelle, mit dem Ziel einen Minimalkonsens herzustellen. Heute können Mutter und Vater, die Kinder und die jeweiligen Lebensgefährten gemeinsam an einem Tisch sitzen.

Beispiel 2:

Ebenfalls bei dem Amtsgericht Mainz, AZ: 33 F 344/06 Sorgerecht; 33 F 268/06.EA I Umgangsrecht

Bernhard F.

Die gleiche Richterin wie im Beispiel zuvor ist erkennend. Der von der Richterin beauftragte Verfahrenspfleger diagnostiziert zwar die Bindungsintoleranz der Mutter zwischen Vater und Kind, entscheidet sich für den Lösungsvorschlag eine Umgangspflegschaft und betreuten Umgang zu installieren und der Mutter das alleinige Sorgerecht zuzusprechen. Unabhängig davon lief das Ergebnis der Gutachterin in die gleiche Richtung, mit der Begründung, dass die Eltern nicht miteinander kommunizieren können und das Kind den Kontakt zum Vater verweigere. Also folgt die Richterin, entzieht auf Antrag der Mutter das Sorgerecht dem Vater und ordnet einen betreuten Umgang an. Das Kind und der Vater haben sich seit knapp drei Jahren nicht mehr gesehen, da die Mutter stets die Termine zu den Umgangskontakten absagt, die Stellungnahme der Umgangspflegschaft bisher (September 2008) nicht an das Gericht weitergeleitet wurde und somit ein Fortgang des Verfahrens blockiert wird.

Beispiel 3:

Amtsgericht Mainz: AZ 35 F 203/99, Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter; AZ 35F30/01 Umgangsrecht mit Umgangsvereinbarung; Amtsgericht Bad Kreuznach: AZ 9 F 547/04 Antrag auf Umgang; Revisionsantrag am Oberlandesgericht: OLG Koblenz: 7 UF/220/05 ./. 9 F 547/04 Bad Kreuznach; Amtsgericht Bad Kreuznach: 9 F 157/08 Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater.

Ivan D.

Das längste nun andauernde Verfahren eines Vaters in diesem Kreisverein, der lediglich einen regelmäßigen Kontakt zu seinem Kind haben möchte, geht nun in das 9. Jahr, in zwei Gerichtsbezirken, Mainz und Bad Kreuznach, bis zum Oberlandesgericht Koblenz, insgesamt 4 verschiedene Beratungsstellen, zwei Umgangspflegschaften, eine Verfahrenspflegschaft, zwei psychologische Gutachten, wovon eines diagnostisch und eines lösungsorientiert verlaufen ist – jedoch ohne Erfolg, weil sich die Mutter widersetzt, ständig neue Vorwürfe, bis hin zum sexuellen Missbrauchsvorwurf an der gemeinsamen Tochter, einwirft und auf Zeit spielt. Der letzte relativ unbeschwerte Kontakt zwischen Vater und Kind liegt 6 ¾ Jahre zurück, bevor die Mutter mit dem Kind in einen anderen Kreis zog. Vorab musste der Vater 1 ½ Jahre per Gericht darum zanken, eine Elternvereinbarung mit der Mutter auszuarbeiten. Dies konnte er damals mit Hilfe einer Jugendamtmitarbeiterin und der Richterin erreichen, mit der Androhung des Jugendamtes gegenüber der Mutter ein Verfahren nach § 1666 BGB einzuleiten, sollte sie weiterhin den Umgang verweigern. Die Vereinbarung war für die Mutter unter Druck ausgearbeitet, dem sie sich durch den späteren Umzug entziehen konnte. Bis zu dem Umzug verliefen die Kontakte durch die Mutter erschwert. Sie bog sich die Vereinbarung, wie sie es benötigte. Jedoch in der Zeit, als Vater und Tochter sich erleben konnten, waren diese von einer positiven Vater-Kind-Beziehung geprägt.

Die in den Beispielen genannten Landkreise haben einen aktiven Arbeitskreis Trennung und Scheidung, in dem die prozessbeteiligten Professionen mitarbeiten. Das Groteske an den drei Beispielen ist, dass die elterliche Sorge jeweils bei beiden Eltern liegt – bzw. bei dem zweiten Fall entzogen wurde – und diese gemeinsame elterliche Sorge scheinbar für den Umgang der Eltern mit ihren Kindern juristisch keine Bedeutung hat.

Die Tradition für jede arbeitende Profession, wie auch für die AKTS’ ist es, das Wohl des Kindes im Auge zu behalten. Durch diesen undefinierten Rechtsbegriff „Kindeswohl“ ist es nirgends wirklich möglich einheitlich zu arbeiten. Es stellt sich mit unter die Frage ob das Ziel anders definiert werden müsste (Interview Mehler, 2008).

Tradition in Cochem

Der AKTS Cochem hat seit 16 Jahren eine klare Zielvorgabe, die dort für alle Beteiligten in familienrechtlichen Verfahren gilt:

„Eltern wieder die eigenständige Elternverantwortung für ihre Kinder zu ermöglichen .“

Mit anderen Worten: Eltern bleiben Eltern, auch nach ihrer Trennung. Die Verantwortung für ihre Kinder bleibt allein bei ihnen. Sie erfahren in Cochem Unterstützung, diese Verantwortung gemeinsam in ihrer neuen Rolle – nicht mehr als Elternpaar, sondern als getrenntes Paar, aber gemeinsam als Eltern zu übernehmen.

Der Begriff „Eltern“ ist definiert, als Mutter und Vater eines Kindes. Die mindestens drei Beteiligten sind unauflösbar miteinander verbunden. Mit diesem definierten Begriff lassen sich Ziele formulieren. Diese Ziele laufen in Richtung eines minimalen Konsenses der Eltern, betreuter oder unbetreuter Umgang mit den Kindern, bis hin den Kindern ein Zeichen zu setzen und gemeinsam Veranstaltungen des Kindes besuchen. Das Sorgerecht spielt zweitrangig eine Rolle, bleibt aber prinzipiell bei beiden Eltern, soweit es durch Heirat oder Einwilligung der Mutter begründet wurde. In Cochem haben Kindschaftsangelegenheiten oberste Priorität und das Gericht terminiert spätestens 2-3 Wochen nach Eingang eines Antrages auf Umgang oder Sorgerecht.

Um diesen Weg wieder zur eigenständigen Elternverantwortung zu beschreiten sind vielfältige Möglichkeiten offen. Dies kann in Form von Beratungsgesprächen bei Beratungsstellen, Gespräche bei den Anwälten, im Gerichtssaal, beim Jugendamt, einer Mediation oder auch in Selbsthilfegruppen geschehen – mit einem klaren Ziel vor Augen.

Tradition integrierte Mediation

Bei der integrierten Mediation liegen dem / der RichterIn – wie jedem anderen Richter auch – die oben erwähnten formaljuristische Kriterien des Kindeswohles (Kontinuitätsgrundsatz, Förderungsgrundsatz, Bindungen des Kindes, Erziehungsfähigkeit der Eltern, Kindeswille) vor, die jedoch mittels psychologischer Umdeutung mit Leben gefüllt werden (Interview Kempf, 2008). Der Mediationsausbilder der Richter, Dipl. Psychologe Eberhard Kempf, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Begriff Kindeswohl so eindeutig zu füllen, dass das Ziel für die RichterInnen, auf das sie mit den Eltern hin arbeiten müssen plastisch darstellbar, und zum Schluss klar ist: Kinder brauchen beide Eltern und diese Eltern brauchen eine minimale Konsensfähigkeit und die Fähigkeit sich über die Belange des Kindes ohne externe Hilfe zu verständigen. Um dieses Ziel zu erreichen, beginnen oder führen diese Richter in der Rolle des Mediators eine Mediation mit den Eltern im Gerichtssaal beginnend durch.

2.4 Mediation im Kontext Cochemer Praxis

Mediation in dem Sinne ist in der Cochemer Praxis untergeordnet. Vielmehr steht im Vordergrund, dass die getrennten und streitenden Eltern nicht aus ihrer elterlichen Verantwortung herausgelassen werden. Ihnen wird immer wieder in Erinnerung gerufen, dass sie die Verantwortung für ihr Kind selbst übernehmen müssen. Darin sind sich die Professionen Anwälte, Richter, Jugendamt, Beratungsstelle, Gutachter, die als Anlaufstelle für die Eltern fungieren, vollkommen einig und dies tragen sie sonor an die Eltern heran.

Es werden mediative Elemente in die Gespräche mit den Eltern eingebracht, die den Eltern auf dem Weg zu ihrem minimalen Konsens hauptsächlich das Kind betreffend leiten soll. Die Eltern sollen ihre elterliche Autonomie behalten. Es wird ihnen von keiner Profession die Verantwortung für ihre Kinder abgenommen.

Jede Profession nutzt ihr eigenes persönliches Repertoire an Gesprächsführungstechniken. Die Inhalte der Mediation sind jedem soweit bekannt, jedoch hat nicht jede der mitwirkenden Professionen eine Ausbildung in Punkto Mediation erhalten, was einem die Kompetenz an zielgerichteter Gesprächsführung nicht abspricht.

Auf Grund der Tatsache, dass regelmäßig ein Mal im Monat Arbeitskreistreffen statt finden, ist der Einblick in die Arbeit und Arbeitsweise des anderen sehr offen. Es besteht die Möglichkeit, für persönlich gut befundene Techniken des anderen mit in die eigene Arbeit aufzunehmen. Die Mitglieder des Arbeitskreises sehen die regelmäßigen Treffen teilweise als Supervision oder sogar als interne Teamfortbildung. Es könne aus der Arbeit der anderen Professionen so viel für die eigene Arbeit gewonnen werden, dass die Eltern und Kinder daraus einen Vorteil haben, schildert Frau Petri (Interview 2008, Z. 375 - 380).

Im Grunde genommen ist der Arbeitskreis Trennung und Scheidung in Cochem eine große „Mediationsrunde“ für die Eltern. Da sich trennende Eltern regelmäßig die gleichen Probleme miteinander haben, ist es recht einfach die Problemlage zu erörtern. Egal an welche Stelle ihres Vertrauens sich die streitenden Parteien wenden, sie werden unabhängig voneinander immer das Gleiche hören – sie bleiben Eltern und trennen sich nur als Paar. Der Konflikt zwischen den Eltern basiert häufig auf dem Gefühl gegenüber dem anderen übervorteilt zu sein oder Kränkungen, die in gegenseitigen Vorwürfen und auf dem Rücken des Kindes / der Kinder ausgetragen wird und den es gilt aufzulösen, um eine Einigung im Sinne der leidtragenden Kinder herbeizuführen.

Wenn man nun das Phasenmodell der Mediation auf die Cochemer Praxis legt, würde man eine Kongruenz feststellen:

Die Eltern wenden sich jeweils an die Stelle ihres Vertrauens, diese erfährt die Sachlage und die wichtigsten Informationen werden gesammelt. Die Regeln zur Kommunikation miteinander werden erläutert, und was dies für das Kind bedeutet. Die Streitfragen ergeben sich recht schnell: Kinder und Unterhalt. Da die Interessen gar nicht so verschieden sind – nämlich aus eigener persönlicher Sicht das Beste für das Kind zu wollen und möglichst wenig finanzielle Verluste zu erleiden – kommt es recht schnell zu möglichen Optionen, die die Eltern verhandeln und abschließend in eine Vereinbarung fließen lassen können.

Dabei soll keine der Professionen Abstriche in ihrer Wichtigkeit erhalten! Auch wenn vorab gesagt wurde, es sei eine große Mediationsrunde ist es nicht zu verachten, dass jede Profession auch selbständig mit den Eltern zu tun hat, um den Konflikt zu lösen. Hier kann man die Vermischung der verschiedenen Mediationsstile im weitesten Sinne interpretieren – wie beispielsweise eine Co-Mediation, worin die jeweiligen Anwälte als Mediatoren fungieren.

Im Jugendamt, das sich immer mit den Trennungseltern in Verbindung setzt, sobald das Gericht eingeschaltet wird, werden die Eltern zusammen beraten und betreut. Bei den Anwälten werden die Eltern getrennt voneinander, aber mit der gleichen Zielrichtung betreut. Hier erhalten sie auch ihre juristischen Informationen. Bei Gericht moderiert der Richter, da ihm die wechselseitigen Anträge vorliegen, erkennt er das Problem und kann nach Härte des Konflikts die Eltern gegebenenfalls zur Beratungsstelle schicken. Die Beratungsstelle beginnt die Beratung mitEinzelgesprächen, die dann in gemeinsame Gespräche mündet. Wenn es gar zu heikel scheint, wird noch ein/e Sachverständiger hinzugezogen, was nur noch selten vorkommt. Jeder der Akteure ist sich seiner Kompetenz und seiner Rolle im Verfahren bewusst und mit diesem Bewusstsein wird schon früh zu Beginn der Trennung auf die gemeinsam bestehende Elternschaft hingearbeitet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 274 Seiten

Details

Titel
Cochemer Praxis vs. Integrierte Mediation - Vergleich der methodischen Ansätze
Untertitel
Bei hochstrittigen Trennungs- und Scheidungsverfahren vor Gericht
Hochschule
Katholische Fachhochschule Mainz
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
274
Katalognummer
V127083
ISBN (eBook)
9783640333929
ISBN (Buch)
9783640333509
Dateigröße
2698 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Cochemer Praxis, wie die Integrierte Mediation wird inhaltlich auf ihre Wirkung überprüft, warum sie in ihren Ursprungsgebieten Cochem, bzw. Altenkirchen den Eltern helfen eine autonome Elternschaft nach der Trennung / Scheidung für ihre Kinder wieder herstellen können, und warum es anderen Orts nur schwerlich oder nicht funktioniert. Die Beantwortung der Frage erarbeitet sich über die Hypothese: Der Erfolg eines Modelles entscheidet sich in der Umsetzung.
Schlagworte
Cochemer, Praxis, Integrierte, Mediation, Vergleich, Ansätze, Trennungs-, Scheidungsverfahren, Gericht
Arbeit zitieren
Pia Beck (Autor:in), 2009, Cochemer Praxis vs. Integrierte Mediation - Vergleich der methodischen Ansätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127083

Kommentare

  • kathrin rednib am 1.2.2011

    Das Cochemer Modell lenkt gezielt den Blick WEG vom Kindeswohl ! Wenn ein Partner zuschlägt--z.B. in Richtung Kind ! und der andere Elternteil stellt sich zum Schutz des Kindes dazwischen, wird also anstelle des Kindes verletzt,
    handelt es sich NIEMALS um HOCHSTRITTIGE PARTNER !Nicht
    um Überbehütung durch die Mutter, die es in Fällen zumeist häuslicher Vatergewalt niemals gibt !
    Denn Täter und Opfer sind NIEMALS PARTNER !Weder im Haus noch draußen ! Eine Erziehungsunfähigkeits-Schuld auf beide Eltern zu lenken
    führt zu dramatischen Gewaltschutz-Rechtsbeugungsfällen, FEHLINOBHUTNAHMEN auf Täterverlangen,schweren Traumatas bei den Kindern,
    Kinderheim-Expansionen--zur Vorteilsnahme diverser angezweifelter, "selbster-nannter gutachtender Hilfspersonen (OHNE DIPLOM--OHNE SACHKUNDE NACHWEIS !)
    für die Gerichte, Arbeitsplätze für Erzieher, Betreuer, Kinderheimbetreiber etc....Amtsvormünder Verfahrens ,-und Umgangspfleger,gebaut auf Kindesleid durch
    Täterschutz.
    Wer unbetreuten Täter-Kind-Umgang vor Opferschutz stellt--
    riskiert wissentlich ! ähnlich dramatische Tötungsdelikte , wie aktuell im Fall Mirco !
    Wer das Gewaltschutzgesetz mithilfe des Cochemer-Modells beugt, trägt bewusst oder unbewusst zur Kindeswohlgefährdung bei.
    Wenn schon solidarische TÄTERSCHUTZGEMEINSCHAFTEN AUF EINE NICHT REPRESÄNTATIVE
    PAS-STUDIE VERWEISEN UND KINDESENTFREMDUNG tÄTER-KIND
    ALS VATERLIEBE-SORGERECHT-Entzug ANFÜHRT; KANN NICHT ZEITGLEICH ÜBER MONATE; JA JAHRE KINDESENTFREMDUNG MUTTER-KIND DURCH FREMDBETREUER DURCHEXERZIEREN LASSEN UM HIERIN KEINERLEI PAS ZU ERKENNEN:::
    ES IST UND BLEIBT SCHLICHT DEMÜTIGENDE UMERZIEHUNGSGEWALT; DIE TÄTER DEN MIßHANDELTEN KINDERN OHNE JEGLICHE BESTRAFUNG ZUSÄTZLICH DURCH vollständige Kindesentrechtung durch DRITTPERSONEN zufügen lassen ;um Rechte durchzuboxen , die weit weg von der Ächtung jeglicher Gewalt am Kind entfernt ist ! Cochemer-Modell-Befürworter haben entweder OFFENSICHTLICH KEINERLEI AHNUNG VON REALER HÄUSLICHER GEWALT (ZUMEIST DER VÖLLIG UNAUFFÄLLIGEN VÄTER) !
    oder müssten fürchten, ohne Cochemer-Modell (Täter)Schutz-Recht !eigenes
    Gewaltverhalten therapieren lassen zu müssen ???
    Das Cochemer Modell bedeutet bestenfalls durch Gewaltbagatellisierung
    die ausgelebte Faustgewalt, und/oder sex, Kindesmißbrauchshandlungen zu legalisieren !
    Das Sprichwort besagt :
    Dummheit schützt vor Schaden nicht !
    Hier sollte also jeder Cochemer -Modell-Befürworter sein eigenes Bildungspotential durch Gehir,-und Gewalttäter-Studien (z.B. Prof. Dr.Dr. Roth) anreichern um nicht
    aus Unkenntnis durch Verkennung wahrer häuslicher Gewaltfakten Kinderrechte auf Schutz, Umsorgung durch Mutterliebe einer kranken Ideologie (kranke Psychologie heute?)gemäß einer Täterschutz-Solidargemeinschaft Kinder zu opfern...
    KEIN RICHTER läßt sich zu ungeschütztem TÄTERUMGANG zwingen--wie kann es da Kindeswohl sein, wenn ausgerechnet die schwachsten Glieder der Gesellschaft--also Kinder--diese Schutzrechte nicht bekommen--weil zumeist die Väter die Täter sind ?
    Kindeswohl in EINELTERN-Familien-FRIEDEN ist immer der kranken Psychologie HEUTE
    Ideologie gemäß --Cochemer-Modell--vorzuziehen !
    Das Jugendhilfeversagen wurde seit dem Kevin-Fall vor den Augen der JA nicht verbessert sondern die viel zu vielen getöteten Kinder gab es bei
    Kindeswohlzerstörenden Täter-Kind -Umgangszwang-Pflichten...
    Die unauffälligen Väter--sind wie Wölfe im Schafspelz---
    und verstehen grandios ihre Tatverleugnungsstrategie auf Kosten der zumindest seelisch getöteten Kinder
    ungeachtet jeglicher Menschenwürde um zu setzen !
    siehe den aktuellen MIRCO-FALL,
    die Innocence in Danger Reportage, die Dunkelziffer, usw.
    Vaterliebe und Kindeswohl sieht anders aus...
    Vaterliebe ist auf allen Ebenen GEWALTFREI---
    ein Ziel zum Wohl der Kinder, das dank Cochmer Modell NICHT erreicht werden kann !

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Titel: Cochemer Praxis vs. Integrierte Mediation - Vergleich der methodischen Ansätze



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