Polyglossie: Mehrsprachigkeit in Fernando Pessoas Poesie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Polyglossie und Heteronymie in Pessoas Werken

2.Pessoas und Search’ Englische Sonetten
2.1 Pessoas Kreation des Alexander Search
2.2 Alexander Searchs Sonetten und der Einfluss der Polyglossie
2.3 Fernando Pessoas Sonetten und der Einfluss der Polyglossie

3. Zusammenfassung

Anhang

Bilbiographie

Einleitung

Fernando Pessoa ist zweifelsohne einer der bedeutendsten portugiesischen Autoren des 20. Jahrhunderts, sowie ebenso einer der Interessantesten, der sich durch seine unterschiedlichen Persönlichkeiten, die er mit verschiedenen Heteronymen darstellt, immer neu definiert und so immer neue und andere Lebensweisen präsentiert. So kreierte Pessoa eine Reihe von Identitäten, die sich voneinander sehr unterscheiden, nicht zuletzt, was ihre literarischen Stile angeht. Ebenso grenzen sie sich durch die Sprache, in der sie dichten, voneinander ab. Fernando Pessoa beweist daher eine außerordentliche Polyglossie, welche durch seine künstlerische Schizophrenie noch deutlicher wird. Eines dieser Heteronyme, welches nicht in portugiesischer, sondern in englischer Sprache dichtet ist das, des Alexander Search, welches als sein Jugendheteronym gilt. Auch Pessoa selbst schrieb etliche Jahre später teilweise in der englischen Sprache.

Doch wie genau benutzt Pessoa unterschiedliche Heteronyme um tatsächlich verschiedene Ausprägungen der Polyglossie, oder gar komplett unterschiedliche Persönlichkeiten darzustellen?

1. Polyglossie und Heteronymie in Pessoas Werken

Um die Polyglossie Pessoas Werke und seine Zerrissenheit, bzw. seine „künstlerische Bewusstseinsspaltung“ zu verstehen, muss zu aller erst einmal der biographische Hintergrund Pessoas näher beleuchtet werden.

Fernando Pessoa wurde 1888 in Lissabon geboren und zog bereits mit sieben Jahren mit seiner Mutter und seinem Stiefvater nach Durban in Südafrika. Hier lebte er neun Jahre und lernte somit auch die englische Sprache. So genoss Pessoa eine britische Schulbildung, da seine schulische Ausbildung zur Zeit der Kolonialisierung statt fand. Dies war sein erster intensiver Kontakt mit der englischen Sprache, welcher auch seine Faszination für diese Sprache weckte. Da Pessoa allerdings mehr von der englischen Literatur, als von der Kolonialisierung, geprägt zu sein scheint, wird sein Englisch häufig als künstlich bezeichnet[1]. Die englische Sprache hat ihn scheinbar so geprägt, dass er auch nach seiner Rückkehr nach Portugal weiterhin fast ausschließlich auf Englisch schrieb.

Auch die Faszination für die klassische englische Literatur spiegelt sich in seinen eigenen Werken wider, so dass man eindeutige Einflüsse von Shakespeare und Milton erkennen kann, welches allerdings in den nachfolgenden Abschnitten noch näher beleuchtet wird.

Dieses Hintergrundwissen über Pessoa könnte zu Teilen in Verbindung mit dessen Zerrissenheit und somit der Erschaffung der einzelnen Heteronyme stehen. Da er so immer zwischen zwei Kulturen stand, und sich somit mit beiden zu gleichen Teilen identifizieren konnte. Daher spiegeln seine Sonetten immer wieder deutlich seine Suche nach dem eigenen Ich wider. Dies ist besonders interessant, wenn man diese Suche nach dem Ich mit seinem eigenen Namen in Verbindung bringt, da das Wort Pessoa das portugiesische Wort für „Person“ oder „Maske“ ist. Somit ist jedes seiner Heteronyme eine eigene Person/ Maske Pessoas. Dies wird auch sehr deutlich in einem seiner Zitate:

Ich erschuf in mir verschiedene Persönlichkeiten. Ich erschaffe ständig Personen. Jeder meiner Träume verkörpert sich, sobald er geträumt erscheint, in einer anderen Person. Dann träumt sie nicht ich. [...] Ich bin die lebendige Bühne auf der verschiedene Schauspieler auftreten, die verschiedene Stücke aufführen[2].

Das heißt seine eigene Identität ist in unterschiedliche Facetten aufgeteilt, jede Facette könnte somit auch einem anderen Kulturkreis angehören, so z.B. auch sein Jugendheteronym Alexander Search, welches nicht der Portugiesischen Kultur sondern der Südafrikanischen angehört. Insgesamt kreierte Pessoa an die 70 Heteronyme.[3] Diese waren sich allerdings nicht alle fremd, sondern standen zum Teil ebenso in Kontakt und verfassten für einander Vorworte und ähnliches.

Allerdings kann diese Heteronymie auch zum Teil als eine Flucht vor dem eigentlichen eigenen Ich angesehen werden. Durch die Erschaffung neuer Identitäten, in diesem Falle der des Alexander Search, ist der wahre Pessoa in der Lage der eigenen Identität zu entfliehen, und somit einer gewissen Existenzangst zu entgehen.[4] So würde das Schreiben in der englischen Sprache eine noch stärkere Abgrenzung seines eigentlichen Ichs bedeuten, indem er sich so auch von seiner Muttersprache und seinem Heimatland abgrenzt.

Man kann aber nicht ausschließlich von einer Abgrenzungsabsicht Pessoas ausgehen, da man gleichzeitig auch die literarischen Veränderungen in der Zeit, in der Pessoa lebte und schrieb, im Auge behalten muss. So kam es Anfang des 20. Jahrhunderts allgemein zu einer avantgardistischen poetischen Entwicklung und einem Verlangen der Dichter nach Veränderung, namentlich der Moderne. So könnte man Pessoas Heteronymie ebenso als eine Art Protest gegen die Wirklichkeit, bzw. gegen die alten literarischen Muster sehen. Da die Werke der Moderne oft auch eine gewisse Entfremdung des Protagonisten von der Wirklichkeit darstellt, könnte Pessoa in diesem Falle fast als Protagonist seiner eigenen, wahren Welt gesehen werden, von der er sich durch seine Identitätsschaffung immer mehr entfremdet oder aber abgrenzen will.

Eine weitere Möglichkeit für Pessoas Identitätswechsel und sein Schreiben unter Pseudonymen, könnte damit erklärt werden, dass Pessoa, wie bereits erwähnt, von klassischen Literatur so fasziniert war, dass er dem Beispiel Shakespeares folgte, von welchem ebenso angenommen wird, dass es lediglich ein Pseudonym sein könnte, wobei es sich tatsächlich um Edward de Vere, den Graf von Oxford handelt.[5] Würde es sich tatsächlich um den Grafen handeln ,würden Shakespeares Plays und Sonetten in ein komplett anderes Licht gerückt, da sie so weitaus satirischer wären, als von einem Mann der Mittelklasse. Pessoa hätte sich somit durch sein ausgeprägtes Wissen der Shakespeareschen Zeit und Shakespeare selbst, diesen als Vorbild für seine eigene Pseudonym-Erschaffung nehmen können. Da Pessoa viele verschiedene Identitäten kreiert, die sehr unterschiedlich sind, hätte dies ein Mittel sein können, um somit auch seine Werke jeweils unabhängig von seinem eigenen Ich in ein anderes Licht zu rücken, und ihnen je andere Bedeutungen geben zu können, da der Leser neben dem eigentlichen Werk genauso den Autor und seine mögliche Intention betrachtet. Dies würde allerdings nicht die ausgeprägte Heteronymie, wie sie bei Pessoa der Fall ist, erklären und könnte auch in Widerspruch mit seiner Idee des kompletten Identitätswechsels durch die Heteronym-Erschaffung stehen. Auch scheint Pessoa selbst zwischen seiner Heteronymie und einer Pseudonymie zu unterscheiden:

A pseudonymic work is, except for the name with which it is signed, the work of an author writing as himself; a heteronymic work is by an author writing outside his own personality: it is the work of a complete individuality made up by him, just as the utterances of some character in a drama would be. Kevin Jackson, Invisible Forms: Literary Curiosities.[6]

Dies Allerdings würde die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Pessoas Heteronymie von Shakespeares Pseudonymie inspiriert worden sein könnte, und welche er durch die literarische Epoche in der er lebte eventuell verstärkt darstellen wollte.

Dies stellt zweifelsohne keine eindeutige Analyse der Gründe für Pessoas Polyglossie und die eventuell daraus resultierende Heteronymie dar, zeigt aber einige Ideen auf, wie es zu dieser Mehrsprachigkeit und ebenso zu dieser „Doppelgänger-Erschaffung“ gekommen sein könnte. Um ein genaueres Bild dieser Heteronymie zu erhalten, und zu erkennen, inwieweit sich diese Identitäten tatsächlich von dem wahren Fernando Pessoa abgrenzen, soll im Nachfolgenden einmal ein Blick auf Pessoas Alexander Search geworfen werden, in dessen Gedichte auch die Polyglossie besonders deutlich wird.

[...]


[1] Vgl. Pessoa, Fernando: The bilingual Portuguese Poet S.14

[2] zitiert nach Lind, Georg (1998)

[3] vgl. Buss, Silke S.48

[4] vgl. Dix, Steffen S.55

[5] Gibbs, Raymond W S.206

[6] zitiert nach Monteiro, George S.7

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Polyglossie: Mehrsprachigkeit in Fernando Pessoas Poesie
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Romanische Sprachen und Literaturen)
Veranstaltung
In Fremden Sprachen Dichten
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V127160
ISBN (eBook)
9783640387663
ISBN (Buch)
9783640388059
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pessoa, Heteronym, Polyglossie, Mehrsprachigkeit, Identität, Shakespeare
Arbeit zitieren
Anja Benthin (Autor:in), 2008, Polyglossie: Mehrsprachigkeit in Fernando Pessoas Poesie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127160

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