Living History und Reenactment. Chancen und Grenzen historischen Lernens


Hausarbeit (Hauptseminar), 2021

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Hinfuhrung und Fragestellung
1.2 Vorgehensweise & Methodik

2. Hauptteil
2.1 Materielle Kultur
2.1.1 Dinge
2.2 Living History
2.2.1 Definitionsversuche
2.2.2 Typologie
2.2.3 Fur und Wider
2.3 Reenactment
2.4 Lebensraum Schule

3. Fazit

4. Abbildungsverzeichnis

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Hinfuhrung und Fragestellung

"Offenbar hat das Verstehen historischer Sachverhalte - auch - etwas damit zu tun, daB man sie sich vorstellen, d.h. daB man sich ein inneres Bild von ihnen machen kann."1

Ritterspiele, Romerparks, TV-Experimente oder das Hamburger Dungeon - die Moglichkeiten zum Erleben von Geschichte scheinen vermutlich jedem schon einmal begegnet zu sein. Zuschauer haben im Rahmen von Living History-Events die Chance, Geschichte „live“ zu erleben. So bewirbt das Hamburger Dungeon, eine beliebte Touristenattraktion, ihr Museum als ein Erlebnis, welches „wahre Geschichten und dustere Gestalten“ bzw. „die schlechte alte Zeit zum Leben [erwecke]“.2 Das Tolle daran sei, dass man selbst in dieser unschonen Atmosphare dabei sein konne.3

Besucher dieses Spektakels hatten so die Moglichkeit, historische Personlichkeiten wie den Piraten Klaus Stortebecker kennenzulernen oder sich vor dem Richter der Inquisition zu verantworten.4

Da auch schon Kinder ab dem Alter von zehn Jahren teilnehmen durfen, fragt man sich nach kurzer Internetrecherche, ob hier tatsachlich die Moglichkeit besteht, Geschichte zu erleben, bzw. historisch zu lernen. Vor allem die Kostume der Darsteller hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck. Doch was heiBt in diesem Zusammenhang Geschichte? Handelt es sich bei der Hamburger Attraktion um Geschichte? Kann man Geschichte „erleben“?

Die Autoren Samida, Willner und Koch interpretieren den Geschichtsbegriff als wechselseitiges Konglomerat, welches sich durch die Person, den Korper, den Raum sowie das Objekt auszeichnet. Dieses Konglomerat ziehe eine korperliche und affektive Erfahrung nach sich, die die Beziehung zum Objekt und die Bedeutung des Objekts aus individueller Sicht beeinflusse. Ein Zugang zur Vergangenheit sei moglich, dieser sei allerdings sowohl kulturell als auch subjektiv gepragt.5

Auch der archaologische Park in Xanten wirbt mit der Partizipation zur „lebendigen Antike“ und beschreibt auf der Homepage: „Vortrage, Fuhrungen und Romische Wochenenden bieten Gelegenheit, auf Tuchfuhlung mit der Antike zu gehen. Ein- bis zweimal im Jahr fullen GroBveranstaltungen den Park auf besondere Weise mit Leben.“6

Offenbar wird hier Geschichte aktiv rekonstruiert. Fur die Geschichtsdidaktik ergeben sich hieraus wichtige Konsequenzen.

Nach Stacy Roth handelt "es sich bei der Konstruktion von Geschichte um einen abstrakten Prozess [..], der einige Anstrengung erfordert. Es mussen Bilder vor unserem inneren Auge entstehen, Zusammenhange geknupft, kulturelle Wertesysteme verstanden werden. Diese Leistung kann keine rein kognitive sein, sie bedarf gleichermaBen der Imagination und der der Empathie, des Einfuhlungsvermogens."7

Allein diese beiden Beispiele zeigen exemplarisch, dass Living History-Darstellungen ein beliebtes und populares Phanomen geschichtskultureller Praxis darstellen, welches auch Auswirkungen auf den schulischen Geschichtsunterricht nach sich ziehen. Deshalb liegt folgende Fragestellung nahe: Inwieweit sind Living History-Darstellungen und Reenactments fur das historische Lernen im Generellen und besonders fur den Lebensraum Schule forderlich?

1.2 Vorgehensweise & Methodik

Die vorliegende Arbeit verlauft nach einer klaren Struktur. Vorbereitend fur die Auseinandersetzung mit Living History-Angeboten sollen im Hauptteil zunachst Definitionsangebote fur die Begriffe Kultur sowie Materielle Kultur gegeben werden.

Darauf aufbauend soll als spezieller Aspekt die authentifizierende Funktion, die Bedeutung fur die Materielle Kultur sowie die Wirksamkeit von Dingen theoretisch beleuchtet werden. Eine Typologie von Living History-Formen ist fur die anschlieBende Pro- und Kontradiskussion, welche in Teilen schon auf padagogische Aspekte abzielt, sinnvoll und wird durch die Thesen sowie eine erklarende Abbildung von Markus Walz aufgefuhrt.

Als besonderes Ereignis innerhalb von Living-History-Darstellungen soll ebenfalls auf das Phanomen des Reenactments eingegangen werden. Eine Auflistung von Vorteilen, Nachteilen und Widerspruchen soll auch hier gegeben werden.

Aus den bisherigen Erkenntnissen soll dann im letzten Teil untersucht werden, welche Konsequenzen dies fur den Lebensraum Schule und damit das historische Lernen hat. Fur diese Analyse soll das niedersachsische Kerncurriculum fur das Fach Geschichte an Gymnasien der Sek I. hinzugezogen werden.

Das Fazit stellt die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf mogliche weitere Forschungsfragen.

In dieser Arbeit wird aus Grunden der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung fur alle Geschlechter. Die Formulierung „Schulerinnen und Schuler“ wird in den meisten Fallen durch die Bezeichnung „SuS“ abgekurzt.

2. Hauptteil

2.1 Materielle Kultur

Im kulturwissenschaftlichen Diskurs spielte die Auseinandersetzung mit dem Materiellen in den letzten 150 Jahren eine kleinere und unwichtigere Rolle. Das Immaterielle grenze sich hierarchisch ab und sei als kulturell allgemeingultiger Wissenschaftsgegenstand von groBerer Bedeutung. Kultur sei demnach als ein von der Gesellschaft in Form von Werte- und Rollenannahmen praktiziertes Verstandnis. Aktuellere Interpretationen schreiben dem Materiellen in der Tat mehr Bedeutung zu. Die Gesamtheit aller Dinge, also alles Materielle, konne man nach Hahn als Materielle Kultur auffassen. Fur ihn sei wichtig, im Zusammenhang mit Dingen auf das Nutzen sowie die Zuschreibung von Bedeutungen hinzuweisen. Hierbei sei fur Hahn nicht wichtig, wie stark Dinge Einfluss auf den Alltag der Bevolkerung ausuben, sondern, ob ein Gegenstand uberhaupt Geltung besaBe. Hahn hebt hierbei den Einfluss der Kommunikation besonders hervor. Denn erst durch kommunikativ erschaffene Konzepte, die sich von sprachlicher Kommunikation unterschieden, konne eine Dingbedeutung resultieren. Diese Bedeutung suche ihre Berechtigung nicht in der Materialitat an sich, sondern in ihrer Erschaffung von Akteuren. Das aktive Einschreiten von Menschen bzw. die von auBen geleistete Bedeutungszuschreibung sei demnach eine fur alle kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen verbindliche Auffassung.8

Neben der Bedeutung und der Beschreibung sei an dieser Stelle trotz aller Komplexitat noch einmal auf den Begriff der Kultur hingewiesen.

Aus ethnologischer Perspektive lasst sich der Kulturbegriff mit der Definition Tylors erklaren. Fur ihn sei Kultur 'das komplexe Ganze, das Wissen, Glaube, Kunst, Recht, Moral, Sitte und jegliche andere Fahigkeiten und Gewohnheiten, [..] die der Mensch als Mitglied einer Gesellschaft erwirbt.' In ahnlicher Formulierung beschreibt der Ethnologe Kohl den Kulturbegriff. Fur ihn sei wichtig, das technische wie auch durch Werkzeug oder Artefakte generiertes Wissen mit dem Kulturbegriff in Verbindung zu setzen. Dieses Wissen ermogliche so eine Auseinandersetzung mit internalisierten Werten und Sinnbedeutungen. Neben 300 verschiedenen Definitionsansatzen lasst sich der Kulturbegriff auch uber die von Borofsky aufgestellte Definition der 'anthropologischen Abstraktion' herleiten.9

[...]


1 SCHORKEN, Rolf: Historische Imagination und Geschichtsdidaktik, Paderborn: Schoningh, 1994, S. 7.

2 Merlin Entertainments: Was ist das Hamburger Dungeon?, https://www.thedungeons.com/hamburg/ (abgerufen am 12.05.2021).

3 Vgl. Ebd.

4 Vgl. Ebd.

5 Vgl. SAMIDA, Stefanie; WILLNER, Sarah; KOCH, Georg: Doing History - Geschichte als Praxis. Progammatische Annaherung, in: Sarah Willner/ Georg Koch/ Stefanie Samida (Hrsg.): Doing history. Performative Praktiken in der Geschichtskultur, Munster, New York: Waxmann 2016, S. 1-29, S. 1.

6 GROMMES, Jurgen; STEINERT, Andrea: Startseite LVR-Archaologischer Park Xanten, https://apx.lvr.de/de/willkommen/willkommen_1.html (abgerufen am 12.05.2021).

7 PLEITNER, Berit: Kundschaftler in einer anderen Welt? Uberlegungen zur Funktion der Emotionen in Living-History-Darstellungen, in: Juliane Brauer/ Martin Lucke (Hrsg.): Emotionen, Geschichte und historisches Lernen. Geschichtsdidaktische und geschichtskulturelle Perspektiven, Gottingen: V & R Unipress 2013, S. 223-238, S. 225.

8 Vgl. SAMIDA, Stefanie; EGGERT, Manfred K. H.; HAHN, Hans Peter: Handbuch Materielle Kultur. Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen, Stuttgart, Weimar: Verlag J.B. Metzler, 2014, 26 ff.

9 Ebd., 24 f.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Living History und Reenactment. Chancen und Grenzen historischen Lernens
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
23
Katalognummer
V1271913
ISBN (Buch)
9783346715371
Sprache
Deutsch
Schlagworte
living, history, reenactment, chancen, grenzen, lernens
Arbeit zitieren
Fabian Gedicke (Autor:in), 2021, Living History und Reenactment. Chancen und Grenzen historischen Lernens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1271913

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