PatientInnen aus sächsischen Heimen wurden oft in die Heilanstalt Uchtspringe (nördlich von Magdeburg, bei Stendal) verlegt, die ab 1940 ebenso als Zwischenanstalt für den Weitertransport in die Gaskammern der Zuchthäuser Brandenburg und Bernburg diente. Wie ist das möglich, dass 'Ärzte' ihre Befugnisse gleich in ein Tötungsprogramm verwandeln? Wer waren diese Ärzte? Wie konnten sie so schnell ihre Ermächtigung derart unmenschlich und katastrophal ausweiten? Es erscheint abwegig, dass dies urplötzlich vollzogen wurde; die Aktionen wirken zu selbstsicher und langfristig geplant.
Im Oktober 1939, nach Hitlers Ermächtigungserlass zur Durchführung des Euthanasieprogramms, gingen staatliche Ärzte im Kleinwachauer Epilepsiezentrum (östlich von Dresden, bei Radeberg) von Haus zu Haus und prüften bei allen Patienten der Heil- und Pflegeanstalt mit bestimmten Fragen den "Geisteszustand". Einige Zeit zuvor wurden Meldebögen ausgefüllt, wobei eine vierköpfige Kommission aus dem Reichsministerium des Inneren anwesend war. "Am 28.11.1940 treffen zwei Autobusse in Kleinwachau ein. Sie bringen 44 Kleinwachauer Bewohner in das Selektionslager Arnsdorf. […] Die Landespflegeanstalt Arnsdorf fungiert als Zwischenanstalt und hat die Aufgabe, die Verlegung der Patienten zu verschleiern. Von Arnsdorf aus werden sie später in die Tötungsanstalt Sonnenstein in Pirna verlegt".
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- 1. Einleitung: Ausgangssituation, Theoretische Überlegungen, Forschungsstand, Forschungsfragen und Untersuchungsdesign
- 2. Schulgesundheitspflege im 18./19. Jahrhundert: Ein Überblick
- 2.1 Anfänge und Diskurs der Schulgesundheitspflege
- 2.2 Entwurf und Dienstanweisung für den Schularzt
- 2.3 Fazit Kapitel 2
- 3. Schulärztliche Tätigkeit: Das Beispiel Radeberg zwischen 1919 und 1939
- 3.1 Der Radeberger Schularzt: Vertrag und Dienstanweisung
- 3.2 Die Schularztberichte über Radeberger Volksschulen
- 3.3 Fazit Kapitel 3
- 4. Zwischen Volksgesundheit und Rassenhygiene
- 4.1 Die Ärzteschaft
- 4.1.1 Eugenik Sozialstatus Menschenversuche
- 4.1.2 Schulgesundheitspflege und Volksgesundheit
- 4.2 Die Schulärzte
- 4.2.1 Rainer Fetscher (Dresden, Sachsen)
- 4.2.2 Ewald Meltzer (Großhennersdorf, Sachsen)
- 4.2.3 Georg Leubuscher (Meiningen, Thüringen)
- 4.3 Fazit Kapitel 4
- 4.1 Die Ärzteschaft
- 5. Ein Vergleich mit dem Radeberger Schularzt
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Geschichte der Schulgesundheitspflege in Sachsen bis 1940 und analysiert die Entwicklung des Diskurses zwischen Volksgesundheit und Rassenhygiene. Sie konzentriert sich dabei auf die Rolle der Schulärzte und ihren Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Schülern, Lehrern und der gesamten Gesellschaft.
- Entwicklung der Schulgesundheitspflege in Sachsen
- Einfluss von Rassenhygiene auf die Schulmedizin
- Rolle der Schulärzte im Kontext von Volksgesundheit und Eugenik
- Analyse von Schularztberichten und -dokumenten
- Vergleich des Radeberger Schularztes mit anderen Beispielen
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Die Einleitung stellt die Ausgangssituation, die theoretischen Überlegungen, den Forschungsstand, die Forschungsfragen und das Untersuchungsdesign dar. Sie befasst sich mit der Ermächtigungserlass Hitlers zur Durchführung des Euthanasieprogramms und den Verlegungen von Patienten in Heilanstalten. Die Einleitung stellt zudem die Frage nach den affinen Denkmustern bei den Ärzten in der allgemeinen Medizin und ihren möglichen Auswirkungen.
- Kapitel 2: Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Anfänge und den Diskurs der Schulgesundheitspflege im 18./19. Jahrhundert. Es analysiert die Entwicklung des Schularztdings und der entsprechenden Dienstanweisungen.
- Kapitel 3: Kapitel 3 beleuchtet die schulärztliche Tätigkeit am Beispiel Radeberg zwischen 1919 und 1939. Es untersucht den Vertrag und die Dienstanweisung des Radeberger Schularztes sowie die Schularztberichte über Radeberger Volksschulen.
- Kapitel 4: Dieses Kapitel geht auf den Spannungsbereich zwischen Volksgesundheit und Rassenhygiene ein. Es analysiert die Haltung der Ärzteschaft und der Schulärzte gegenüber Eugenik und Menschenversuchen. Der Fokus liegt auf den persönlichen Beispielen von Rainer Fetscher, Ewald Meltzer und Georg Leubuscher.
- Kapitel 5: Kapitel 5 vergleicht den Radeberger Schularzt mit anderen Beispielen und stellt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Schulgesundheitspflege, Rassenhygiene, Eugenik, Volksgesundheit, Schulärzte, Schularztberichte, Sachsen, Weimarer Republik, Euthanasieprogramm, Zwischenanstalt, Radikalisierungsprozess, Schnittstellen, Denkmuster.
- Arbeit zitieren
- Andreas Strege (Autor:in), 2020, Die Schulgesundheitspflege in Sachsen. Geschichte und Quellenanalyse bis 1940, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1271956