Die Politik, Vorbereitungen und Ziele Großbritanniens vor und während des Ersten Weltkriegs unter besonderer Berücksichtigung des CID: "Committee of Imperial Defense"


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2008

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Allgemeine Anmerkungen zur Vorkriegslage und den Kriegszielen Großbritanniens

2. Die Rolle des „Committee of Imperial Defence“
2.1 Hintergrund und Entstehung des CID
2.2 Politik und Ziele des CID bis zum Ersten Weltkrieg und seine Rolle in der Kriegsschuldfrage

3. Fazit

Literatur

Einleitung

Der Erste Weltkrieg markierte in vielerlei Hinsicht einen Nexus für die „alte Welt“ Europas und seiner Mächte – in militärischer, geopolitischer, gesellschaftlicher, politischer wie auch kultureller Hinsicht.

Bislang hängt trotz einer beinahe unüberschaubaren Vielfalt umfassender Untersuchungen noch immer eine Art mysteriöser Dunst über den wirklichen Gründen, die zu dem gewaltigsten militärischen Schlagabtausch geführt haben, den die damalige Welt bis dato gesehen hatte – nicht aufgrund mangelnder Analysen und Erklärungsmuster, sondern vor allem aufgrund der fehlenden Vorstellungskraft, wenn das Zustandekommen einer solchen Katastrophe verstanden werden soll.

Es scheint klar, dass das Zusammelspiel einer ganzen Vielzahl verschiedenster Faktoren – wie Diplomatie, Bündnispolitik, Fehlinterpretationen, Imperialismus, Sozialdarwinismus, Militarismus und so weiter – und ihrer Schwächen zu jener instabilen, verhängnisvollen Entwicklung führten, an deren Ende sich alle großen Mächte der Welt miteinander in einem Krieg befanden, der fast 10 Millionen Tote fordern sollte.

Gemeinsam hatten alle Nationen, das manchmal einzelne Personen, Gremien und Institutionen alleine wichtige Entscheidungen trafen, die den Fluss der Geschichte maßgeblich beeinflussten.

In der vorliegenden Arbeit soll nun vorrangig die Perspektive Englands in den Mittelpunkt rücken, und hier wiederum ein spezielles Komitee, das in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus der Forschung und die Diskussion um Kriegsgründe und Kriegsschuld rückte: Das „Committee of Imperial Defence“, oder kurz auch: CID.

Ausgehend von einigen einleitenden Betrachtungen über die Lage in Großbritannien vor dem Ersten Weltkrieg und generelle Hinweise auf seine Kriegspolitik soll im Folgenden ein im vorgegebenen Rahmen ausführlicher Blick auf die Entstehung jenes Gremiums namens CID sowie seine besondere Stellung im damaligen politischen Gefüge Großbritanniens geworfen werden, um im Anschluss detailliert jene Beschlüsse und Konferenzen zu begutachten, die maßgeblich vom britischen Historiker Niall Ferguson genutzt wurden, um auf eine potentielle Mitschuld Englands am Kriegsausbruch hinzuweisen.

1. Allgemeine Anmerkungen zur Vorkriegslage und den Kriegszielen Großbritanniens

Großbritannien gehörte wie die anderen europäischen Großmächte Deutschland, Frankreich, Russland und Österreich-Ungarn zu den Mächten des sogenannten europäischen Konzerts, deren Politik und Pläne Teil der Kräfte wurden, die schließlich den Ersten Weltkrieg über den Kontinent hereinbrechen ließen. Dabei kam England eine Rolle zu, die immerhin nicht durch augenscheinlich imperialistische Wünsche gekennzeichnet war, sondern durch den traditionellen Blick auf die Balance des Kontinents, die gefährdet erschien durch das fragile Konstrukt der verschiedenen Bündnisblöcke.[1]

In der Vorkriegszeit war England stets um Mäßigung der Lage bemüht[2] (und auch während des Krieges wurden noch lange vorzeitige Friedensverhandlungen als möglich erachtet)[3].

Die Gefahr potentieller starker Aggressoren wie dem Deutschen Reich wurde dabei jedoch nie aus den Augen verloren.[4] Das sorgte dafür, dass England zumindest zu einem die allgemeine Kriegsstimmung begünstigenden Element der Vorkriegszeit maßgeblich beitrug: Dem Rüstungswettlauf. Dem englischen Primat einer etablierten Seehoheit gemäß betraf der Rüstungswettlauf nicht nur die stehenden Landheere, sondern vor allem den Ausbau der Kriegsflotte. Das Empire musste sich auf diesem Gebiet durch die neuen Flottenbauprogramme des Deutschen Reiches – den vielzitierten „Tirpitz-Plan“[5] – geradezu herausgefordert gefühlt haben und reagierte mit dem Bau der „Dreadnoughts“, neuer Großkampfschiffe, die in der Seekriegsführung in Sachen Schnelligkeit, Panzerung und Waffenausstattung neue Maßstäbe setzten.[6] Organisationen wie die „Navy League“ oder die „Imperial Maritime League“ sorgten – analog zu vergleichbaren deutschen Bemühungen durch verschiedene Vereine – für eine entsprechende Lobby der Flottenrüstung.[7] Großbritannien profitierte am Vorabend des Krieges zudem von seiner, gerade im direkten Vergleich mit den anderen europäischen Mächten, geringen Staatsverschuldung sowie dem funktionierenden Geldmarkt und einer vitalen Wirtschaft.[8]

Großbritannien verfolgte generell zu Kriegsbeginn keine territorialen bzw. expansionistisch ausgelegten Kriegsziele. Seine Programmatiken waren daher nicht vergleichbar mit denen des Deutschen Reiches, Österreichs oder Russlands, die sich allesamt territoriale Zugewinne und damit die Stärkung ihrer Machtposition im gesamteuropäischen Gefüge erhofften.[9]

Statt der Formulierung solch offenkundig imperialistischer Ziele traten für England diffusere, allgemeinere Ziele in den Vordergrund, die die Wiederherstellung des alten Status quo inklusive der Vorkriegsgrenzen sowie die Zerschlagung des sogenannten preußischen Militarismus, der für den Kriegsausbruch verantwortlich gemacht wurde.[10] Jedenfalls stand deutlich im Vordergrund, keine deutsche Hegemonie auf dem europäischen Kontinent zuzulassen, ohne jedoch den deutschen Staat als gleichwertige Macht im europäischen Gefüge gänzlich zu zerstören, also ganz in der Tradition der alten Balance of power.[11]

Da die Briten zusätzlich das Selbstbestimmungsrecht der Völker proklamierten, wurde ihr Engagement natürlich auch zur Gefahr für die ohne schwer kontrollierbaren Vielvölkerstaaten der mit Deutschland verbündeten weiteren Mittelmächte Österreich-Ungarn und Osmanisches Reich.[12]

Schließlich kamen auch die Durchsetzung kolonialer Interessen in Übersee sowie die Forderungen der dortigen Dominions zu den britischen Kriegszielen hinzu.[13]

Die Verfolgung wie auch immer gearteter imperialistischer Kriegsziele scheint jedenfalls für alle im Kriegsgeschehen involvierten Seiten charakteristisch zu sein. Die Diskussion von Kriegszielen und Kriegsplänen lief zumeist – und vor allem während der ersten Hälfte des Krieges – hinter den sprichwörtlichen verschlossen Türen der engsten Regierungskreise und gewisser Interessengruppen ab.[14]

Auch in England war dies prinzipiell nicht anders – jedoch existierte bereits seit 10 Jahren vor Kriegsbeginn dort eine Institution, die die Koordination von Kriegsplanungen und Verteidigungskonzepten innerhalb der machthabenden Institutionen weitestgehend besser zu organisieren verstand, als dies in den oft von mangelhafter Kommunikation untereinander belasteten Gremien anderer Länder der Fall war: Das britische „Committee of Imperial Defence“.[15]

[...]


[1] Vgl. BERGHAHN, Volker: Sarajewo, 28. Juni 1914. Der Untergang des alten Europa, 2. Auflage, München 1999, S. 75 ff.; GELLER, Daniel S., SINGER, Joel David: Nations at war - a scientific study of international conflict, Cambridge 1998, S. 156 f.; KRUSE, Wolfgang: Ursachen und Auslösung des Krieges, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden. Der Große Krieg 1914 - 1918, 2. Auflage, Frankfurt a. M. 2000, S. 18

[2] 37KRUSE, Wolfgang: Kriegsziele, Kriegsstrategien, Kriegsdiplomatie, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden. Der Große Krieg 1914 - 1918, 2. Auflage, Frankfurt a. M. 2000, S. 28

[3] Rothwell, V.H.: British War Aims and Peace Diplomacy, 1914-1918, S.

[4] HARRIS, J. Paul: Great Britain, in: HAMILTON, Richard F., HERWIG, Holger H. (Hrsg.): The Origins of World War I, Cambridge 2003, S. 266 ff.

[5] Vgl. v.a. BESTECK, Eva: Die trügerische „First Line of Defence“. Zum deutsch-britischen Wettrüsten vor dem Ersten Weltkrieg, Freiburg i. Br./Berlin 2006, S. 21 ff.

[6] FERGUSON, Niall: Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999, S. 122 ff.; KRUSE, Wolfgang: Ursachen und Auslösung des Krieges, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden, S. 16 f.

[7] BESTECK, Eva: Die trügerische „First Line of Defence“. Zum deutsch-britischen Wettrüsten vor dem Ersten Weltkrieg, S, 71 ff,; KRUSE, Wolfgang: Ursachen und Auslösung des Krieges, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden, S. 16 f.

[8] FERGUSON, Niall: Der falsche Krieg, S. 159; GELLER, Daniel S., SINGER, Joel David: Nations at war - a scientific study of int ernational conflict, S 170 f.

[9] KRUSE, Wolfgang: Kriegsziele, Kriegsstrategien, Kriegsdiplomatie, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden, S. 27; Rothwell, V.H.: British War Aims and Peace Diplomacy, 1914-1918, Oxford 1971, S. 18 ff.

[10] KRUSE, Wolfgang: Kriegsziele, Kriegsstrategien, Kriegsdiplomatie, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden, S. 25 f.; Rothwell, V.H.: British War Aims and Peace Diplomacy, 1914-1918, S. 21

[11] BERGHAHN, Volker: Sarajewo, 28. Juni 1914. Der Untergang des alten Europa, S. 65 ff.; KRUSE, Wolfgang: Kriegsziele, Kriegsstrategien, Kriegsdiplomatie, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden, S. 28

[12] KEEGAN, John: Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie, S. 289 ff.; KRUSE, Wolfgang: Kriegsziele, Kriegsstrategien, Kriegsdiplomatie, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden, S. 27

[13] KRUSE, Wolfgang: Kriegsziele, Kriegsstrategien, Kriegsdiplomatie, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden, S. 28 und 44; Rothwell, V.H.: British War Aims and Peace Diplomacy, 1914-1918, S. 38 ff.

[14] KRUSE, Wolfgang: Kriegsziele, Kriegsstrategien, Kriegsdiplomatie, in: KRUSE, Wolfgang (Hrsg.): Eine Welt von Feinden, S. 25

[15] KEEGAN, John: Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie, S. 48

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Politik, Vorbereitungen und Ziele Großbritanniens vor und während des Ersten Weltkriegs unter besonderer Berücksichtigung des CID: "Committee of Imperial Defense"
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften)
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V127265
ISBN (eBook)
9783640333998
ISBN (Buch)
9783640333554
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politik, Vorbereitungen, Ziele, Großbritanniens, Ersten, Weltkriegs, Berücksichtigung, Committee, Imperial, Defense
Arbeit zitieren
Roman Möhlmann (Autor:in), 2008, Die Politik, Vorbereitungen und Ziele Großbritanniens vor und während des Ersten Weltkriegs unter besonderer Berücksichtigung des CID: "Committee of Imperial Defense", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127265

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