Work-Life-Balance. Zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben

Eine empirische Studie


Diplomarbeit, 2009

261 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einführung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Was ist Work-Life-Balance?
2.1.1 Work
2.1.2 Life
2.1.3 Balance
2.1.4 Definition Work-Life-Balance
2.2 Problemkontext der Work-Life-Balance
2.2.1 Demographische Entwicklung
2.2.2 Wissensgesellschaft
2.2.3 Globalisierung
2.2.4 Wertewandel und Veränderung der Familienstrukturen
2.2.5 Vereinbarkeit von Familie und Beruf
2.3 Warum brauchen wir Work-Life-Balance?
2.3.1 Gesundheitsaspekte
2.3.2 Psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz
2.3.3 Stress und seine Auswirkungen
2.4 Realisierung der Work-Life-Balance
2.4.1 Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort
2.4.2 Familienfreundliche Ma ß nahmen
2.4.3 Gesundheitspräventive Leistungen und Qualifizierungsangebote

3. Empirische Untersuchung
3.1 Präsentation der Hypothesen
3.2 Untersuchungsdesign
3.2.1 Erhebungsmethode
3.2.2 Fragebogen im Detail
3.2.3 Stichprobenbeschreibung
3.2.4 Operationalisierung und Begriffsklärung
3.3 Ergebnisse
3.3.1 Geschlecht
3.3.2 Herkunft
3.3.3 Alter
3.3.4 Familienstatus
3.3.5 Bildungsabschluss
3.3.6 Kinder

4. Diskussion

5. Bibliographie

6. Anhang
6.1 Fragebogen
6.2 SPSS Auswertungstabellen
6.2.1 Häufigkeiten
6.2.1.1 Häufigkeitsstatistiken
6.2.1.2 Kreuztabellen
6.2.2 Geschlecht
6.2.2.1 T-Test und Mittelwerte
6.2.2.2 Chi-Quadrat
6.2.3 Herkunft
6.2.3.1 T-Test und Mittelwerte
6.2.3.2 Chi-Quadrat
6.2.4 Alter
6.2.4.1 Anova, Mittelwerte, Levene-Test
6.2.4.2 Chi-Quadrat
6.2.4.3 Scheff é -Prozedur und Dunnett-C
6.2.5 Familienstatus
6.2.5.1 Anova, Mittelwerte, Levene-Test
6.2.5.2 Chi-Quadrat
6.2.5.3 Scheff é -Prozedur und Dunnett-C
6.2.5.4 Welch-Test und Brown-Forsythe
6.2.6 Bildungsabschluss
6.2.6.1 T-Test und Mittelwerte
6.2.6.2 Chi-Quadrat
6.2.7 Kinder
6.2.7.1 T-Test und Mittelwerte
6.2.7.2 Chi-Quadrat
6.2.8 Korrelationen nach Pearson
6.2.9 Antworten der Bereiche F und G
6.2.9.1 Antworten geordnet nach Teilnehmernummer
6.2.9.2 soziodemographische Ausprägungen geordnet nach Teilnehmernummer

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Vier-Felder-Schema, Beanspruchung / Entspannung im Arbeits- und Privatbereich (Grafik nach Kastner, 2004b, S. 2) 18

Abb. 2: Lebensrad (Grafik nach Asgodom, 2002, S. 122) 21

Abb. 3: Altersaufbau in Deutschland 2005 / 2030 (Grafik: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2007, S. 23) 23

Abb. 4: Modell aktiver Anpassung (Grafik nach Braun, 2000, S. 9) 56

Abb. 5: Frage: Geschlecht 59

Abb. 6: Histogramm Alter 60

Abb. 7: Altersgruppen 60

Abb. 8: Frage: Familienstatus 61

Abb. 9: Frage: Sie kommen aus (sind aufgewachsen in) 62

Abb. 10: Frage: Wie viele Kinder haben Sie? 62

Abb. 11: Kinderverteilung nach Alter in Prozent 65

Abb. 12: Bildungsabschluss nach Geschlecht in Prozent 66

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Wie viele Personen leben insgesamt in Ihrem Haushalt?

Tabelle 2: Welchen Schulabschluss haben Sie?

Tabelle 3: Welchen Beruf haben Sie?

Tabelle 4: Zuverlässigkeitsstatistik Wohlbefinden

Tabelle 5: Zuverlässigkeitsstatistik für die Skalen des Arbeitsstils

Tabelle 6: Mittelwerte, T-Test Geschlecht, Bereich J (Bedingungen in der Umwelt)

Tabelle 7: Mittelwerte, T-Test Herkunft, Bereich E (Negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden)

Tabelle 8: Mittelwerte, T-Test Herkunft, Bereich K (Beeinflussung des Wohlbefindens)

Tabelle 9: Mittelwerte, T-Test Herkunft, Skalen des Arbeitsstils

Tabelle 10: Korrelationen nach Pearson, Herkunft

Tabelle 11: Oneway Anova Alter, Bereich C (Wohlbefinden in ausgewählten Bereichen)

Tabelle 12: Oneway Anova Alter, Bereich D (Positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden)

Tabelle 13: Oneway Anova Alter, Bereich H (Zum Wohlbefinden beigetragen)

Tabelle 14: Oneway Anova Alter, Skalen des Arbeitsstils

Tabelle 15: Kreuztabelle, Chi-Quadrat nach Pearson Alter, Frage: Medikamenten- einnahme

Tabelle 16: Korrelationen nach Pearson, Alter

Tabelle 17: Oneway Anova Familienstatus, Bereich C (Wohlbefinden in ausgewählten Bereichen)

Tabelle 18: Oneway Anova Familienstatus, Bereich D (Positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden)

Tabelle 19: Oneway Anova Familienstatus, Bereich E (Negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden)

Tabelle 20: Oneway Anova Familienstatus, Bereich J (Bedingungen in der Umwelt)

Tabelle 21: Oneway Anova Familienstatus, Bereich K (Beeinflussung des Wohlbefindens)

Tabelle 22: Oneway Anova Familienstatus, Skalen des Arbeitsstils

Tabelle 23: Mittelwerte, T-Test Bildungsabschluss, Bereich H (Zum Wohlbefinden beigetragen)

Tabelle 24: Mittelwerte, T-Test Kinder, Bereich C (Wohlbefinden in ausgewählten Bereichen)

Tabelle 25: Mittelwerte, T-Test Kinder, Bereich D (Positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden)

Tabelle 26: Mittelwerte, T-Test Kinder, Bereich H (Zum Wohlbefinden beigetragen)

Tabelle 27: Kreuztabelle, Chi-Quadrat nach Pearson Kinder, Frage: Raucher/ Nichtraucher

Tabelle 28: Mittelwerte, T-Test Kinder, Skalen des Arbeitsstils

Tabelle 29: Korrelationen nach Pearson, Kinder; N=100

1. Einführung

„ Work-Life-Balance:

Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben. “

(Sartorius, 2007, S. 1)

„Keine Zeit und zu viel Arbeit“, so titelte schon 2001 das DAK-Gesundheitsbarometer. Die Deutschen seien ein Volk unter Stress. Laut der dem Gesundheitsbarometer zugrunde liegenden Forsa-Studie plagten 2001 Zeit- und Termindruck die meisten deutschen Bürger. Weitere Faktoren waren zu viel Arbeit und die Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf. Hinzu kamen private oder familiäre Probleme. Auch im Jahre 2008 ist der Arbeitnehmer konfrontiert mit Überstunden und Sonderschichten und der Furcht, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Gerade im Zuge der Globalisierung steigen die Anforderungen stetig an. Mobilität und Flexibilität wird vorausgesetzt. Hinzukommt der Fachkräftemangel, welcher bestimmten Berufsgruppen Mehrarbeit beschert. Neue Vernetzungsmöglichkeiten und innovative Technologien erhöhen die permanente Verfügbarkeit und somit auch die Arbeitslast eines Jeden. Der Konkurrenzdruck tut sein Übriges.

Dieses Szenario führt bei vielen Menschen leicht zur Überlastung und somit ist es kein Wunder, dass Begrifflichkeiten wie Burn-Out-Syndrom oder psychische Blockade für die heutige Belegschaft keine Unbekannte mehr darstellen. Die Familie bzw. der Partner bleibt auf der Strecke. Doch zu einem erfüllten Berufsleben gehört auch ein stabiles privates Leben, sonst kommt es, auf lange Sicht, unweigerlich zu Schädigungen seelischer und körperlicher Art (Kals, 2007). Dies hat wiederum Auswirkungen auf das Unternehmen (z. B. durch Fehlzeiten der Arbeitskraft) und führt zu einer Belastung der Gesellschaft an sich.

Gerade für die Unternehmen selbst, ist der Umgang mit der „Ressource“ Mensch von enormer Wichtigkeit. So verwundert es nicht, dass Work-Life-Balance-Konzepte längst Einzug in die Unternehmenspolitik gehalten haben und alte bekannte und schon praktizierte Maßnahmen unter dem Begriff der Work-Life-Balance eine Aufwertung und Wiederbelebung erfahren. Offen bleibt jedoch die Frage, ob diese firmenpolitischen Programme auch ihre gewünschte Wirkung erzielen.

Aber wie lassen sich nun Arbeit und Freizeit im Gleichgewicht halten? Ist das Ideal WorkLife-Balance (WLB) überhaupt zu erreichen oder in unserer heutigen schnelllebigen Zeit reine Utopie? Gibt es Mechanismen bzw. Maßnahmen, welche sich entlastend auf die einzelnen Lebensbereiche auswirken? Und wie bewerten die Werktätigen selbst ihre Situation im Hinblick auf Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden?

Die Brisanz des Themas machte den Begriff Work-Life-Balance in den letzten Jahren zu einem populären Schlagwort. So ist es nicht verwunderlich, dass die Zahl der Veröffent- lichungen und empirischen Studien gleichfalls anstieg (vgl. z. B. Kastner, 2004; Rost, 2004; Klimpel & Schütte, 2006; Roth & Zakrzweski, 2006; Michalk & Nieder, 2007). Meist wird hier der Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachgegangen und Handlungsempfehlungen für Unternehmen gegeben. Inhaltlich wird sich diese Arbeit an den Werken der vorangenannten Autoren orientieren, doch muss erwähnt werden, dass sich nur wenige Quellen in der aktuellen Forschungssituation für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung eignen. Umso größer ist das Angebot an Ratgebern, welche mehr Lebensqualität versprechen (Seiwert & Tracy, 2002) und mit so schillernden Titeln, wie „Bevor der Job krankmacht“ (Unger & Kleinschmidt, 2006), „Das Anti-Burnout-Buch für Lehrer“ (Hillert, 2004), „Leben macht die Arbeit süß“ (Asgodom, 2002) und „Weg mit dem Stress. Entspannt und effektiv im Job“ (Öttl & Härter, 2006), um Käufer buhlen.

Die vorliegende Arbeit teilt sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Zunächst soll geklärt werden, was man unter dem Begriff Work-Life-Balance versteht und die gesellschaftliche Relevanz beschrieben werden. Zudem werden die Folgen einer Dysbalance erläutert und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben aufgezeigt. Im zweiten Teil folgt dann die empirische Auseinandersetzung mit dem Thema. Dazu wurde im Mai 2008 eine schriftliche Befragung zum Wohlbefinden, dem Gesundheitsverhalten und dem Arbeitsstil von 100 Werktätigen aus den alten und neuen Bundesländern vorgenommen, um somit Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben ziehen zu können.

Es sei noch erwähnt, dass der Breite der Thematik geschuldet, welche in den letzten Jahren um eine Vielzahl von Aspekten erweitert wurde, eine vollständige Erfassung des Themas Work-Life-Balance hier nicht erreicht werden kann. Jedoch sollen mit dieser Arbeit die wichtigsten Punkte zusammengetragen werden, um ein umfassendes Bild vermitteln zu können.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Was ist Work-Life-Balance?

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, stößt man bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Work-Life-Balance auf eine Vielzahl unterschiedlichster Literatur aus ver- schiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. So wird z. B. in der Psychologie und Soziologie versucht, die Zusammenhänge von Erwerbsarbeit und Privatleben und die damit verbundenen Rollenkonflikte zu ergründen. Des Weiteren hielt die Thematik Einzug in die Politikwissenschaft, in die Genderforschung sowie in die Arbeits- und Organisationspsychologie und in die Betriebswirtschaftslehre, z. B. im Rahmen des Personal-managements (Kastner, 2004a). Der verschiedenen Herangehensweisen und dem Facetten-reichtum der Thematik geschuldet, bleibt die Suche nach einer allgemeingültigen Definition erfolglos, vielmehr haben wir es mit einem Terminus zu tun, welcher verschiedene Fragestellungen zum Verhältnis von Erwerbstätigkeit und anderen menschlichen Aktivitäten unter sich subsumiert. So verwundert es nicht, dass sich eher widersprüchliche oder stark verallgemeinerte Definitionen finden lassen. Der Begriff scheint nicht klar abgrenzbar. Obwohl wir es augenscheinlich mit einem populären Schlagwort zu tun haben, worunter sich ein Jeder etwas vorstellen kann, mangelt es an einem einvernehmlichen Verständnis über die Wirtschaftsdisziplinen hinweg (Resch, 2003).

Im Bezug auf Deutschland haben wir es außerdem mit einer relativ jungen Forschungs- richtung zu tun. Work-Life-Balance-Konzepte, welche in den USA entwickelt wurden, fanden erst in den 90er Jahren ihren Weg in die deutsche Wirtschaft (Hammelmann, 2006; vgl. auch Hochschild, 1990). So verwundert es nicht, dass auch ein Großteil der Forschungsliteratur zur Thematik aus den Vereinigten Staaten stammt, doch erweist sich eine Transformation der Theorien auf die deutsche Gesellschaft als problematisch, da beide Länder z. B. unterschiedliche Wertvorstellungen und eine andere Infra- und Sozialstruktur aufweisen (Michalk & Nieder, 2007).

Auch der Begriff Work-Life-Balance an sich, welcher wortwörtlich übersetzt Arbeit- Leben-Balance bedeutet, birgt Problempotenzial in sich. Er ist insofern irreführend, als das „er einen Gegensatz zwischen Arbeit und Leben impliziert, zwischen denen eine Balance herzustellen sei“ (Schmidt-Lellek, 2007, S. 30). Ferner weisen viele Autoren daraufhin, dass die Arbeit kein dem Leben gegenübergestellter Bereich ist, sondern vielmehr ein Teil des selben darstellt. Auch lassen sich Arbeit und Freizeit nicht völlig voneinander trennen. So finden sich in der „arbeitsfreien“ Zeit gleichermaßen Belastungspotenziale in Form von Hausarbeit, Kindererziehung, privater Fortbildung etc. (vgl. z. B. Schmidt-Lellek, 2007; Resch & Bamberg, 2005; Kastner, 2004).

Um sich nicht in den vielen Theorie- und Forschungsansätzen zu verlieren, ist es zunächst von enormer Wichtigkeit die Begrifflichkeiten Arbeit (Work), Leben bzw. Freizeit (Life) und Balance genauer zu betrachten um somit zu einer allgemeingültigen Definition des Terminus Work-Life-Balance zu gelangen, welche die Grundlage dieser Arbeit bilden soll.

2.1.1 Work

Man möchte meinen, dass der Begriff Arbeit als Grundbegriff der neuzeitgeschichtlichen Gesellschaft allgemein verständlich ist. Doch gestaltet sich die Suche nach einer klaren Definition als schwierig. Grund dafür sind die Bandbreite und die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Begriffs, z. B. Erwerbsarbeit versus Hausarbeit. Hinzu kommt die landläufige Meinung, Arbeit als Komplementärbegriff zur Freizeit zu verstehen. Sie wird als Last angesehen, was schon die Herkunft des Wortes aus dem Althochdeutschen beweist, wo ar(a)beit für Mühe und Plage steht (Meyers Lexikon online, 2008a). Generell verbindet man mit ihr vor allem körperlich anstrengende Tätigkeiten. Arbeit wird verstanden als eine Zeit der Fremdbestimmung, der Mühsal, des Zwanges und des Stress, als Mittel zum Zweck der Lebensunterhaltssicherung, wohingegen der Begriff Freizeit Selbstverwirklichung und Entspannung verspricht (Köcher, 1990).

Doch wie zuvor schon angemerkt wurde, ist auch in der „freien“ Zeit Arbeit zu leisten. Bei Tätigkeiten, wie Hausarbeit, Kindererziehung und privater Fortbildung handelt es sich keinesfalls um Verrichtungen, welche dem persönlichen Vergnügen und der Erholung dienlich sind. Ebenso stellt sich heraus, dass es zu kurz gedacht ist, Arbeit nur als Plage oder notwendiges Übel zu betrachten. So kann sich die berufliche Arbeit positiv auf die eigene Persönlichkeit auswirken und das Selbstwertgefühl steigern. Den Ausführungen Schmidt-Lellek´s (2007) ist deshalb nur zuzustimmen, wonach man Arbeit als Selbst- verwirklichung, Selbstentwicklung und als Sinnstiftung verstehen kann. Weiterhin dient sie als Stabilisator gesellschaftlicher Rollen und verhilft zu gesellschaftlicher Anerkennung. Nicht zu vergessen ist außerdem die Funktion des sozialen Netzes, welches in der Arbeitswelt aufgebaut wird. Arbeit ist Teil der Lebenszeit und somit des Lebens und dient als Strukturhilfe der / des selbigen. Demnach kann Arbeit nicht als gleichgestellter, sondern vielmehr als ein dem Leben untergeordneter Begriff verstanden werden. Die Kritik an der unwirklichen Gegenüberstellung der zwei Lebensbereiche, welche die Begriffswahl Work- Life-Balance in sich birgt, ist somit berechtigt.

Meyers Lexikon beschreibt Arbeit als „bewusstes, zielgerichtetes Handeln des Menschen zum Zweck der Existenzsicherung wie der Befriedigung von Einzelbedürfnissen“. Sie sei „zugleich wesentliches Moment der Daseinserfüllung“ (Meyers Lexikon online, 2008a). Da diese Definition stark verallgemeinert ist und versucht alle Aspekte des Begriffs aufzugreifen, soll hier noch kurz klargestellt werden, dass im Rahmen dieser Diplomarbeit und natürlich im Work-Life-Balance-Kontext unter dem Terminus Arbeit nur die berufliche Tätigkeit bzw. Erwerbstätigkeit verstanden werden soll.

2.1.2 Life

Michalk und Nieder (2007) setzen den Begriff Life, zu deutsch „Leben“, mit der Lebenswelt gleich. Lebenswelt bedeutet nach ihren Ausführungen alles Erlebte, Erfahrbare und Erlittene des Alltags. Diese Begriffsdefinition macht erneut deutlich, dass sich die Begrifflichkeiten Leben und Arbeit nicht klar voneinander trennen lassen. Sie stehen keineswegs auf der gleichen Stufe, vielmehr hat das Leben eine übergeordnete Stellung inne. Arbeit ist Teil des Lebens und stellt gleichzeitig einen bedeutsamen Lebensinhalt dar.

Im Work-Life-Balance Kontext wiederum wird eine klare Trennlinie zwischen Arbeitswelt und Lebenswelt gezogen. Der Begriff Leben bzw. Life bildet in diesem Zusammenhang den Gegenpol zur Arbeit, unter dem man alle anderen Lebensbereiche außer der Erwerbstätigkeit subsumiert. Demnach beinhaltet die Lebenswelt gleichwohl Arbeiten im privaten Bereich, wie z. B. die Kindererziehung oder jegliche Hausarbeiten, und die Freizeit (vgl. z. B. Klimpel & Schütte, 2006; Michalk & Nieder, 2007).

In Meyers Lexikon online (2008b) ist folgende Definition des Begriffes Freizeit zu finden: Freizeit, der (im Einzelnen unterschiedlich definierte) Zeitraum, der dem arbeitenden Menschen neben seinen beruflichen oder berufsähnlichen Verpflichtungen verbleibt. Freizeit wird entweder als Gesamtheit dieser »Nicht-Arbeitszeit« oder nur als die darin enthaltene »Mußezeit« definiert; häufig wird Freizeit in reproduktive oder regenerative (Ernährung, Schlaf, Körperpflege) und frei disponible, »verhaltensbeliebige« Zeit (z. B. Vergnügen, Tätigkeiten zur Selbstverwirklichung) unterteilt.

Dieser Begriffsklärung folgend erscheint es nicht verwunderlich, dass synonym für den Begriff Leben im Zusammenhang mit Work-Life-Balance die Begrifflichkeiten Privatleben und Freizeit Verwendung finden. Problematisch ist hierbei die Nutzung von Freizeit als Antonym der Erwerbsarbeitszeit, da ein nicht unwesentlicher Teil der „freien“ Zeit z. B. zur Entfernungsüberbrückung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz und für familiäre und soziale Verpflichtungen, Hausarbeiten etc. aufgewendet wird. Freizeit wäre, durch diese Abhängigkeiten, demnach keine Zeit mehr, welche zur freien Verfügung stünde und individuell gestaltet werden kann. Voss (1991) beschreibt Freizeit deshalb lediglich als eine innerhalb der Lebenswelt bestehende „Restkategorie“, wobei die im Berufsleben verbrachte Zeit die Hauptzeit des Lebensalltags einnimmt. Roth & Zakrzweski (2006) verstehen Freizeit als neues Lebensgefühl, welches sich durch die drei Aspekte: Freiheit, Arbeit und Erholung definiert.

Das Verständnis von Freizeit hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Man versteht unter ihr nicht mehr nur die Erholungszeit. Sie hat vielmehr einen eigenen Wert bekommen (Opaschowski, 2008). Doch wäre es zu kurz gedacht unter ihr die Gesamtheit der „Nicht- Arbeitszeit“ zu verstehen. Freizeit im heutigen Sinne ist erst jene Zeit, welche frei von familiären, physiologischen oder ökonomischen Verpflichtungen ist und mit frei wählbaren Aktivitäten ausgefüllt wird, welche für jeden Einzelnen subjektiv bedeutsam sind (Freier, 2005). Deshalb soll im Folgenden unter dem Terminus Life die Lebenswelt verstanden werden, welche alle Bereiche, Handlungen und Erfahrungen beinhaltet, die außerhalb der Arbeitswelt bzw. der Erwerbstätigkeit existieren.

2.1.3 Balance

Balance kann mit Gleichgewicht oder Ausgeglichenheit übersetzt werden und ist im gleichen Wortlaut auch in der deutschen Sprache zu finden. Der Begriff verweist auf das Bild der Waage. Doch was bedeutet das Gleichgewicht in Bezug auf Arbeit und Privatleben?

Balance im WLB-Kontext meint, dass alle Lebenssphären und Lebensbereiche aus- balanciert zu halten sind und einen ausgewogenen Anteil an der Lebenszeit einnehmen sollten. Doch wird abermals das vorab schon oft angesprochene Problem einer Gegenüberstellung von Arbeit und Privatleben augenscheinlich. Die durch den Begriff Work-Life-Balance implizierte Trennung von Erwerbsarbeit und Leben kann, wie zuvor bereits erklärt, nicht klar vollzogen werden, da die Grenzen der beiden Lebensbereiche nicht leicht zu ziehen sind und in unserer heutigen Zeit immer mehr verschwimmen. Arbeit wird allgemeinhin als Plage und Belastung empfunden, Privatleben mit Erholung, Ruhe und Selbstverwirklichung gleichgesetzt. Doch finden sich ebenso Belastungen im privaten Bereich in Form von unbezahlter Hausarbeit, Erziehungsarbeit oder ehrenamtlichen Tätigkeiten. Auf der anderen Seite ist Arbeit enorm wichtig für die persönliche Weiterentwicklung und Selbstverwirklichung eines Jeden. Deshalb erscheint es sinnvoll, die Balance nicht nur auf den Ausgleich von Privatleben und Arbeit zu beziehen, sondern auf belastende und erholende Aktivitäten in beiden Handlungsbereichen (Kastner, 2004b).

Klimpel und Schütte (2006) sprechen in diesem Zusammenhang auch von „Life-Balance“ als treffenderen Ausdruck für die Problematik, da dieser die Gleichwertigkeit aller Lebenswelten betone.

2.1.4 Definition Work-Life-Balance

Nach den einzelnen Begriffsklärungen der verschiedenen Bestandteile des Terminus WorkLife-Balance soll nun versucht werden, diesen genau zu umreissen und zu definieren. Augenscheinlich haben wir es mit einem populär gewordenen, jedoch schlecht gewählten Begriff zu tun, da er (wie bereits zuvor erwähnt) durch die unwirkliche Gegenüberstellung der zwei elementaren Lebensbereiche des Menschen einen Ausschluss der Arbeit aus dem Leben impliziert. Aus dem zuvor beschriebenen Problem der Begriffswahl erklären sich auch die verschiedenen Herangehensweisen an die Thematik.

Eine Übersetzung ins Deutsche ergibt die Wortkombination Arbeit-Leben-Ausge- glichenheit. Vor diesem Hintergrund ist also davon auszugehen, dass mit der Begrifflichkeit Work-Life-Balance die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben bzw. das Finden eines Ausgleichs zwischen den beiden Haupt-Lebensbereichen eines jeden Menschen gemeint ist. Wenn keine Vereinbarkeit der beiden Bereiche besteht, so kann der Terminus auch für das Spannungsfeld zwischen Arbeits- und Lebenswelt stehen. Ob nun in positiver oder negativer Betrachtungsweise handelt es sich bei dem Begriff stets um den Zusammenhang der beiden Lebenswelten in die Individuen in ihrem Alltag eingebunden sind. Die Vereinbarkeit der Lebensbereiche und ein Gleichgewicht zu finden ist für das Individuum enorm wichtig, um dauerhaft gesund zu bleiben, um sich mit sich selbst und der Umwelt im Einklang zu wähnen und um seinem Leben einen gewissen Sinngehalt zu verleihen. Eine permanente Dysbalance kann zu psychischen und physischen Be- schwerden, wie z. B. Schlafstörungen, Depressionen und Burnout führen. Häufigster Krankheitsauslöser ist dabei Stress bzw. psychische Überbelastung (Cassens, 2003).

Es erscheint nicht sinnvoll, die Balance nur auf den Ausgleich zwischen beruflicher und privater Welt zu beziehen. Deshalb erweitert Kastner (2004b) diese Sichtweise um belastende und erholende Aktivitäten in beiden Handlungsbereichen, welche es ebenfalls auszutarieren gilt. Wie zuvor bereits angesprochen, finden sich im Privatleben wie in der Arbeit Belastungen und Beanspruchungen ebenso wie Regeneration und Erholung. Somit ergibt sich folgendes Vier-Felder-Schema:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Vier-Felder-Schema, Beanspruchung / Entspannung im Arbeits- und Privatbereich (Grafik nach Kastner, 2004b, S. 2)

A und D entsprechen der klassischen Sichtweise der Work-Life-Balance. Arbeit wird im Feld A als Belastung und „Muss“ angesehen, Feld D als Privatleben hingegen mit Entspannung und Erholung gleichgesetzt. Für eine berufstätige Frau, welche Kinder besitzt, treffen z. B. alle Felder zu. Im Privaten wie im Berufsleben ist mit Belastungen zu rechnen (Felder A und C). Sehnt sie sich bspw. nach Abwechslung und Anerkennung im Berufsleben, ist damit Feld B gemeint. Die benötigte Erholung verschafft sie sich mit Hilfe ausgiebiger Spaziergänge mit ihrem Hund (Feld D). Dieses Beispiel beweist abermals, dass die überholte Denkweise Arbeit nur als Belastung anzusehen bzw. das Erholung nur im Privatleben zu finden ist, ausgedient hat. Vielmehr verschwimmen die beiden Lebens- bereiche.

Somit kommt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [BMFSFJ] (2005) zu folgender Definition:

Work-Life-Balance bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt. (...) Work-Life-Balance ist in erster Linie als ein Wirtschaftsthema zu verstehen. Die dreifache Win-Situation durch Work-Life-Balance resultiert aus Vorteilen für die Unternehmen, für die einzelnen Beschäftigten sowie einem gesamtgesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen. (S. 4)

Wie aus dieser Definition hervorgeht ist WLB nunmehr nicht nur ein neumodischer Begriff für klassische Familienpolitik und Gleichstellungsstrategien. Vielmehr entdeckt nun auch die Wirtschaft, das so genannte Humankapital, welches es als wichtigste Ressource für heutige Unternehmen zu pflegen gilt. Somit finden die privaten Lebensverhältnisse der Mitarbeiter heutzutage im Interesse der Firma zunehmend Beachtung (Klimpel & Schütte, 2006).

Die Herstellung der Balance zwischen den beiden Lebenswelten ist nach Freier (2005) abhängig von verschiedenen Faktoren, wie den Rollen und Funktionen die ein Jeder innerhalb des jeweiligen Bereichs wahrnimmt, der Gewichtung der beiden Lebens- bereiche (welcher Bereich steht für das Individuum momentan im Vordergrund), der Stressempfindlichkeit und dem individuellen Umgang mit Stress, der Lebensphase in der man sich befindet und der jeweiligen persönlichen Lebensweise, d. h. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Freier kommt deshalb zu folgender Schlussfolgerung über WLB:

Work Life Balance heißt: Den Menschen ganzheitlich zu betrachten (als Rollen- und Funktionsträger) im beruflichen und privaten Bereich (der Lebensund Arbeitswelt) und ihm dadurch die Möglichkeit zu geben, lebensphasenspezifisch und individuell für beide Bereiche, die anfallenden Verpflichtungen und Interessen erfüllen zu können, um so dauerhaft gesund, leistungsfähig, motiviert und ausgeglichen zu sein. (Freier, 2005, S. 21)

Seiwert und Tracy (2002) stellten in ihren Studien weitere vier Einflussfaktoren fest, welche auf das Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben einwirken und welche in eine individuelle Balance gebracht werden müssen, um körperliche und seelische Erkrankungen zu vermeiden. Diese sind:

1. Leistung/Arbeit: d. h. Geld, Erfolg, schöner Beruf, Karriere, Wohlstand
2. Körper: d. h. Gesundheit, Ernährung, Erholung, Fitness, Lebenserwartung; problematisch hierbei, dass Gesundheit erst dann als wichtiger Einflussbereich wahrgenommen wird, wenn sie bereits beeinträchtigt ist.
3. Kontakt: d. h. Freunde, Familie, Zuwendung, Anerkennung, soziale Kontakte im Beruf
4. Sinn: d. h. Religion, Liebe, Selbstverwirklichung, Erfüllung, Zukunftsfragen.

Bei der Betrachtung der vier Einflussbereiche wird einerseits davon ausgegangen, dass die mangelnde Bedürfnisbefriedigung in einem der Teilbereiche nicht durch eine ‚Über- erfüllung‘ der Bedürfnisse in einem anderen kompensiert werden kann. Andererseits muss Balance nicht bedeuten, dass wir unsere Lebenszeit gleichmäßig auf die vier Bereiche verteilen. Es ist durchaus denkbar, dass ein Manager mit einer 60-Stunden-Woche in Balance leben kann, weil der Beruf seinem Leben einen Sinn verleiht und eine Vielzahl bereichernder sozialer Kontakte ermöglicht.

Im Zusammenhang mit der Bedürfnisbefriedigung ist noch das Modell des Lebensrades von Asgodom (Abb. 2) zu nennen und dient zur persönlichen Standortbestimmung. Es zeigt alle wichtigen Lebensbereiche des Menschen. Je nach individueller Gewichtung sind die einzelnen Felder bei jedem Menschen unterschiedlich groß. Die Bedürfnisse sind nur exemplarisch zu sehen und variieren ebenfalls je nach Individuum. Weiterhin ist auch nicht nur von, wie hier dargestellt, sechs Bedürfnissen auszugehen, vielmehr wird der Kreis mit sämtlichen aktuellen Lebensschwerpunkten ausgefüllt. Das Rad gibt somit den Rahmen der momentanen Lebensgestaltung vor. Da die Fläche des Kreises begrenzt ist, lässt sich auf diese Weise recht einfach veranschaulichen, welche Lebensbereiche eine Dominanz vorweisen und welche Bedürfnisse zu kurz kommen. Erfolge und Misserfolge in den Bereichen, welche ein Übergewicht bilden, beeinflussen besonders stark die restlichen in positiver oder negativer Weise und schränken diese ein. Nimmt z. B. der Beruf (bzw. die Erwerbsarbeit) einen Großteil des Rades ein, bleibt weniger Zeit für die Familie oder andere Lebensaspekte (Asgodom, 2002).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Lebensrad (Grafik nach Asgodom, 2002, S. 122)

Basierend auf den vorangegangenen Erläuterungen und Definitionen soll Work-Life- Balance im Rahmen dieser Arbeit als ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der beruflichen Tätigkeit und anderen Lebensbereichen verstanden werden. Das Gleichgewicht ist nur zu erreichen, wenn zwischen den einzelnen Subsystemen in Arbeits- und Privatleben und den jeweiligen Rollen und Funktionen die das Individuum im jeweiligen Teilbereich einnimmt, keine Konflikte entstehen. Der Mensch ist nur dann im Einklang mit sich und seiner Umwelt, wenn sich seine Interessen, Bedürfnisse und Verpflichtungen je nach seiner individuellen Lebensphase, mit der Arbeits- und Lebenswelt verbinden lassen (Freier, 2005). Es wurde ausführlich gezeigt, dass kein allgemeingültiges und maßgeschneidertes Konzept existieren kann, das Gleichgewicht herzustellen, da die Bedürfnisse, Wünsche und Lebensumstände eines Jeden sehr unterschiedlich ausfallen. Jedoch ist festzustellen, dass die Unternehmen durch gezielte Maßnahmen positiv auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ihrer Mitarbeiter einwirken können.

2.2 Problemkontext der Work-Life-Balance

Das Thema Work-Life-Balance ist im Grunde genommen so alt wie die Menschheit selbst (Kastner, 2004b), doch gab es in den letzten Jahrzehnten Prozesse, welche es mehr ins Interesse der Allgemeinheit rückten. Zu nennen sind hier die demographische Entwicklung bzw. das aktuelle Altern der Bevölkerung in Deutschland, der Strukturwandel in der Wirtschaft durch die Globalisierung, der Wandel zur Wissensgesellschaft, die gesell- schaftspolitischen Entwicklungen hinsichtlich der Chancengleichheit von Männern und Frauen und die Veränderung in den Familienstrukturen. Ständig wachsende und sich verändernde Anforderungen an Mensch, Gesellschaft und Wirtschaft lassen die täglichen Herausforderungen wachsen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklungen in der Zukunft weiter fortsetzen. Eben diese Prozesse und die daraus resultierenden Umbrüche geben den Rahmen für heutige WLB-Konzepte und Maßnahmen vor (Klimpel & Schütte, 2006). Deshalb sollen im Folgenden genau diese gesell- schaftspolitischen Rahmenbedingungen aufgezeigt werden, welche das Thema Work-Life- Balance in der heutigen Zeit so populär werden ließen.

2.2.1 Demographische Entwicklung

Der Rückgang der Geburten, die Alterung und das Schrumpfen der Bevölkerung prägen seit ein paar Jahrzehnten den öffentlichen Diskurs. Die Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft bzw. die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sind weitreichend. Auch stellt sich die Frage nach der Sicherung des Sozialsystems, gerade vor dem Hintergrund, dass sich der demographische Wandel noch beschleunigen wird. Laut einer Studie im Auftrag des Statistischen Bundesamt kamen 2007 auf 100 Personen im Erwerbsalter (20 bis unter 65 Jahre) 32 Personen im Rentenalter (ab 65 Jahre). Zwar versucht der Staat dem Geburtenrückgang entgegenzusteuern, so z. B. in Form des Elterngeldes, doch rechnet man im Jahr 2030 mit mehr als 50 Rentnern auf 100 Erwerbspersonen (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2007). Zur Veran- schaulichung dieses Prozesses soll die folgende Grafik (Abb. 3) dienen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Altersaufbau in Deutschland 2005 / 2030

(Grafik: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2007, S. 23) *) 2030: Ergebnisse der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung

Aus der Grafik geht hervor, dass die Zahl der geborenen Kinder nicht ausreicht, die Elterngeneration zu ersetzen. Es sterben mehr Menschen, als Kinder geboren werden. Auch durch Zuwanderung aus dem Ausland ist diese Entwicklung nicht zu stoppen und somit ist seit 2003 ein kontinuierlicher Bevölkerungsrückgang in Deutschland zu verzeichnen (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2007). Die Folgen aus der Überalterung und der Rückgang der Bevölkerung werden in naher Zukunft die Gesellschaft mit steigenden Abgaben auf die Arbeitseinkommen und der Verringerung der Sozialleistungen belasten. Die Unternehmen müssen mit einem Ansteigen des Durchschnittsalters ihrer Belegschaften rechnen und zudem mit einem Rückgang der rekrutierbaren Erwerbs- personen. Hinzukommt, dass sich trotz anhaltender hoher Arbeitslosigkeit ein Fachkräfte- mangel in Deutschland herauskristallisiert. Diese Effekte werden durch die zunehmende Lebenserwartung zusätzlich verstärkt. Gerade vor diesem Hintergrund ist es verwunder- lich, dass dem demographischen Wandel in der freien Wirtschaft kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird (Prognos AG, 2005).

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird es für die Arbeitgeber immer wichtiger, Konzepte zu entwickeln, um hochqualifiziertes Personal an sich zu binden. Es ist dazu dringend erforderlich die Arbeitnehmer bis zum Renteneintritt ohne große gesundheitliche Probleme im Unternehmen halten zu können. Ausfallgründe müssen so weit wie möglich vermieden werden (Kunz, 2005). Gerade im Zuge des technologischen Fortschritts müssen Strategien entwickelt werden, um die Weiterbildung bis ins hohe Alter zu gewährleisten. Auch müssen Frauen stärker als bisher in die Erwerbstätigkeit eingebunden werden, doch darf dies nicht auf Kosten der Familienplanung bzw. Kinderfreundlichkeit geschehen. Zum Einen ist es die Aufgabe der Politik familienpolitische Maßnahmen zu ergreifen, z. B. in Form des Ausbaus der Kinderbetreuung, doch obliegt es den Unternehmen ebenfalls familienfreundlicher zu agieren, da allein familienpolitische Leistungen des Staates nicht ausreichen, das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zufriedenstellend zu lösen (Rost, 2007). So wird es den Arbeitgebern z. B. bald nicht mehr möglich sein, auf gut ausgebildete Frauen mit Beginn des Mutterschutzes gänzlich zu verzichten (Roth & Zakrzweski, 2006).

Richenhagen (2007) spricht in diesem Zusammenhang auch von der Aufrechterhaltung der Beschäftigungsfähigkeit (durch Weiterbildung, Gesundheit und Schaffung idealer Arbeits- bedingungen) und sieht Staat, Gesellschaft und Unternehmen gleichermaßen in der Pflicht dies umzusetzen.

Der Schlüssel um auf die angesprochenen demographischen Veränderungen und ihre Konsequenzen angemessen zu reagieren, liegt in der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nur unter Zuhilfenahme geeigneter WLB-Maßnahmen wird es möglich sein, dass Fachpersonal an sich zu binden. Es müssen Arbeits- und Lernbedingungen geschaffen werden, die es Alt und Jung ermöglichen sich kontinuierlich fortzubilden und vital zu bleiben. Dies kann durch die Schaffung von Arbeitsplätzen welche dem jeweiligen Leistungsvermögen entsprechen geschehen und durch die Förderung des Wissenstransfers zwischen den verschiedenen Altersgruppen (Buck, 2003). Des Weiteren müssen die Konzepte auf die jeweilige Lebensphase der Individuen zugeschnitten werden, das heißt, dass genauso auf die Bedürfnisse junger Familien eingegangen werden muss wie auf das Pflegebedürfnis älterer Mitarbeiter (Prognos AG, 2005). Arbeit muss gleichmäßiger auf das Leben verteilt werden, um so Rollenüberlastungen (z. B. bei erwerbstätigen Müttern) entgegenzuwirken und Spannungen zwischen Familien- und Berufsleben abzubauen.

2.2.2 Wissensgesellschaft

Die Fachwelt diskutiert zur Zeit den Übergang der Industriegesellschaft in eine andere Gesellschaftsform (vgl. z. B. Kastner, 2004b; Prognos AG, 2005), die gekennzeichnet ist durch die Verschiebung der Produktions- und Erwerbsstruktur hin zu Dienstleistungen und die zunehmende Bedeutung von Informationen und Kommunikation. Zu den klassischen Produktionsfaktoren Land, Kapital und Arbeit gesellt sich nun das Wissen. Man spricht in diesem Zusammenhang zunächst von einer Informationsgesellschaft, welche charakte- risiert ist durch die Generierung, Speicherung, Vermittlung, Verarbeitung und Nutzung von Wissen und Informationen. Neue Technologien der Informationsaufbereitung und Informationsverbreitung (z. B. Internet, Mobilfunk) halten Einzug in die Wirtschaft und das Privatleben mit weitreichenden Konsequenzen für jeden Teilbereich des Lebens. Die Informationsgesellschaft gilt als Bindeglied zwischen der Industriegesellschaft und der Wissensgesellschaft. (Meyers Lexikon online, 2008c).

Die Wissensgesellschaft wiederum setzt inhaltlich:

auf dem Begriff der Informationsgesellschaft auf und entfaltet diesen hinsichtlich der mit der exponentiell wachsenden Produktion von Information (»Wissensproduktion«) verbundenen grundsätzlichen Fragen. Dabei wird das Wissen als grundlegendes Kapital der postindustriellen Gesellschaft hervor- gehoben und in dieser Bedeutung in den Zusammenhang künftiger gesell- schaftlicher Entwicklungsprozesse gestellt (Meyers Lexikon online, 2008d).

Laut einer Studie der Prognos AG (2005) wird der Übergang zur Wissensgesellschaft bis zum Jahr 2020 abgeschlossen sein. Wissen (bzw. Humankapital) wird zu einer Kernkompetenz innovativer Unternehmen. Die Automatisierung bestimmter gleich- förmiger Arbeitsprozesse wird weiter voranschreiten, genauso wie z. B. Arbeiten verwaltungstechnischer Art unter Zuhilfenahme der EDV sich vereinfachen und somit zu Zeitersparnis, aber auch zu Stellenabbau in bestimmten Bereichen führen. Auch wird ein grundlegender Wandel der Organisationsformen und Arbeitsstrukturen erwartet.

Für die Menschen werden in zunehmendem Maße die komplexen intelligenten Arbeitsabläufe übrig bleiben und somit charakterisieren sich die Leistungsträger der Wissensgesellschaft durch ihren hohen Bildungsabschluss, ihre gute Ausbildung und ihr Spezialwissen (Roth & Zakrzweski, 2006). Doch Fachwissen muss, geschuldet dem technologischen Fortschritt, immer wieder aufgefrischt und auf den neuesten Stand gebracht werden. So ist es auch zu erklären, dass sekundäre Dienstleistungen wie Betreuung, Beratung, Lehre, Management sowie Forschung und Entwicklung an Bedeutung gewinnen und produktionsorientierte und primäre Dienstleistungen, welche in den 90er Jahren noch drei Viertel des Gesamtbedarfs ausmachten, bis 2010 nur noch zwei Drittel betragen werden (Prognos AG, 2005).

Genau in diesen Entwicklungen zeigt sich die Relevanz für die Thematik Work-Life- Balance. Lebenslanges Lernen und Flexibilität werden zukünftig vorausgesetzt, was gerade für hochqualifiziertes Personal zu längeren Arbeitszeiten führen kann. Zudem ist durch den Fachkräftemangel der Trend zu erkennen, dass immer weniger Personen immer länger arbeiten. Ohnehin ist davon auszugehen, dass das Normalarbeitszeitmodell ausgedient hat (gemeint ist hier die 40-Stunden-Woche und eine geregelte Arbeitszeit von 9 bis 18 Uhr), was sich in der Zunahme von Zeitarbeit äußert. Auch gehören Erwerbsbiographien, welche sich durch eine einmalige Ausbildung und einem Verbleiben in ein und demselben Job bis ins Rentenalter kennzeichnen, der Vergangenheit an. Zukünftig werden Arbeitnehmer ihre Tätigkeit, ihren Arbeitsplatz und Arbeitgeber mehrmals wechseln müssen. Die Sicherheiten und Planbarkeiten, die die Industriegesellschaft bot, brechen weg, was Verunsicherung hervorruft (Kastner, 2004b).

Neue Wege des Arbeitens wie Tele- bzw. Heimarbeit und flexible Teilzeitformen bieten aber dennoch Chancen der besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, doch liegen gerade in ihnen auch Gefahren. So kann es zu Überlastungen kommen begründet durch das Diktat der ständigen selbstständigen Weiterbildung und dauerhafter Mehrarbeit, ebenso wie durch die höheren Mobilitätsanforderungen und Terminhetze (Kastner, 2004b). Vernachlässigung häuslicher und familiärer Pflichten und psychische bzw. physische Erkrankungen sind die Folge. Die Wirtschaft muss den Menschen wieder als wichtigste Ressource entdecken und seine Leistungsbereitschaft genauso aufrechterhalten wie seine Lebenszufriedenheit, denn nur so sichert man sich dauerhaft Wettbewerbsvorteile.

Um die gesellschaftlichen Veränderungen noch genauer zu beleuchten soll im Folgenden noch kurz auf die Globalisierung und ihre Auswirkungen eingegangen werden.

2.2.3 Globalisierung

Der technologische Fortschritt ermöglicht es der Wirtschaft neue Märkte zu erschließen und weltweit zu agieren und somit bildet die Globalisierung auch eine Antriebsfeder des Wandels hin zur Wissensgesellschaft. Die weltweite ökonomische, soziale und politische Vernetzung bietet Chancen auf wirtschaftlichen Erfolg, doch fordert sie durch den steigenden Konkurrenz- und Innovationsdruck ebenso ein Höchstmaß an Effektivität, Effizienz und die ständige Anpassung an neue Rahmenbedingungen. Im Einzelnen bedeutet dies wiederum steigende Anforderungen an den Arbeitnehmer selbst, welcher sich nun noch neben der Vertiefung seiner Fachkenntnisse der Herausforderung stellen muss, sich in andere Kulturen einzufühlen. Multilingualität und die Bereitschaft zu Auslands- aufenthalten werden heutzutage genauso vorausgesetzt wie Mobilität, Flexibilität und physische und psychische Belastbarkeit (Klimpel & Schütte, 2006). Damit einhergehend wird es für den international eingesetzten Mitarbeiter immer schwieriger, sein Privatleben zu organisieren und eigene Vorstellungen vom erfüllten Familienleben umzusetzen. Überforderungen und Work-Life-Dysbalancen sind vorprogrammiert.

Gerade für global agierende Unternehmen ist es deshalb unabdingbar, ein Klima zu schaffen, welches die Lernfähigkeit und die Lernmotivation begünstigt und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aufrecht erhält. Es müssen Lösungsansätze gefunden werden, Familie und Beruf besser zu vereinen. Hier stellen sich z. B. Fragen zur Kinderbetreuung und zur Erwerbstätigkeit von Lebenspartnern. Des Weiteren müssen sich WLB-Maßnahmen in internationalen Unternehmen auch an den unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen von Gesundheit, Familie und Wohlbefinden ihrer Belegschaft orientieren (Prognos AG, 2005).

2.2.4 Wertewandel und Veränderung der Familienstrukturen

Der gesellschaftliche Wandel macht auch vor den Familien nicht halt. Wie aus den vorangegangenen Ausführungen ersichtlich wurde, kommt es zu Spannungen in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dies äußert sich in den Veränderungen der Familienstrukturen.

So werden z. B. Familien immer später gegründet, geschuldet den längeren Ausbildungs- zeiten und dem damit verbundenen späteren Berufseinstieg. Finanzielle Sicherheit ist nach wie vor die Grundvoraussetzung für eine Familiengründung und wird erst im Beruf erreicht. Das Durchschnittsalter junger Mütter zum Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes liegt bei 28 Jahren, bei Akademikerinnen sogar bei über 30, mit der Konsequenz, dass kinderreiche Familien der Vergangenheit angehören, da es meist bei einem Kind bleibt. Darüber hinaus steigt der Anteil der kinderlosen Frauen in unserer Gesellschaft. Einige Studien gehen sogar davon aus, dass ein Drittel der deutschen Frauen des Jahrgangs 1960 kinderlos bleibt (Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg [ifb], 2001).

Des Weiteren haben wir es mit neuen Familiengebilden zu tun. Die Zahl der SingleHaushalte steigt genauso wie die der Alleinerziehenden, kinderlosen Familien und nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Wir haben es immer mehr mit Patchwork-Familien zu tun. Zudem ist ein deutlicher Rückgang der Eheschließungen zu verzeichnen. Im Gegenzug ist die Zahl der Scheidungen stark angestiegen (ifb, 2001). Die Familienstrukturen werden immer komplexer und komplizierter. Familienbezogene WLB-Konzepte müssen deshalb auch auf die neuen Formen des Familienlebens eingehen. Eine Maßnahme wäre hier z. B. die Betreuung von Kindern alleinerziehender Mütter, damit diese ihrer beruflichen Tätigkeit ungehindert nachgehen können.

Der Prozess, welcher die Entwicklung hin zu neuen Familienstrukturen begünstigt ist der Wertewandel in der Gesellschaft. So bleiben Ehen nicht nur kinderlos weil die finanzielle Absicherung fehlt, vielmehr geschieht dies aus der Motivation heraus, sich selbst zu verwirklichen. Das Familienleben wird bewusst der Karriere geopfert. Individualität steht im Vordergrund. Man definiert sich über seinen Beruf. Nicht mehr länger heißt der Grundsatz „wir leben, um zu arbeiten“, sondern „wir arbeiten, um zu leben“ (Klimpel & Schütte, 2006).

2.2.5 Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Das Modell des männlichen Alleinverdieners hat ausgedient. Immer mehr Frauen streben einen höheren Bildungsabschluss an und wollen sich nicht im weiteren beruflichen Werdegang Aufstiegschancen durch Schwangerschaftspause und aufzubringende Zeit für Kindererziehung verbauen. Doch gleichzeitig bleibt der Wunsch auf Vereinbarkeit von privatem und beruflichem Leben. Genau hier müssen WLB-Konzepte ansetzen und Alternativen schaffen, um den Wünschen nach Selbstentfaltung, Kindern und einem erfüllten Leben gleichermaßen nachzukommen.

Befragungen, wie z. B. von Klimpel und Schütte (2006), beweisen, dass den Frauen die Karriere mindestens genauso wichtig ist wie den Männern. Doch zeigt sich, dass trotzdem eine hohe Zustimmung beider Geschlechter hinsichtlich der Familie als Institution herrscht. Gerade Frauen wollen sich nicht mehr zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen, sondern wollen beides miteinander vereinen. Wirft man jedoch einen Blick auf die heutige Situation, so stellt man fest, dass nach wie vor in alten Schemen gedacht wird und weiblichen Mitarbeitern Aufstiegschancen meist nur kinderlos möglich sind. Es stellen sich zudem fragen der Chancengleichheit von Frauen und Männern.

Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert, obwohl ihr Qualifikationsniveau stark gestiegen ist (ifb, 2001, S. 15).

Doch vor dem Hintergrund des sinkenden Erwerbspersonenpotenzials wird die Bedeutung erwerbstätiger Frauen in naher Zukunft noch steigen. Die Wirtschaft wird sich nicht mehr leisten können auf berufstätige Mütter zu verzichten, gerade weil diese durchaus einen schnellen Wiedereinstieg in das Berufsleben fordern und somit einer befürchteten Dequalifizierung während der Berufspause entgegengewirkt werden kann. Aber nicht nur Frauen sehen sich, durch das antiquierte Rollenverständnis, der Vereinbarungsproblematik gegenüber. Immer mehr Männer wollen im Zuge der Vaterschaft ihrer Familienrolle gerecht werden und stehen für eine gleichberechtigte Aufteilung der Pflichten und Rollen, z. B. im Bezug auf die Übernahme des Erziehungsurlaubs, doch wird eine familienbezogene Berufspause kaum akzeptiert (ifb, 2001). Außerdem steigen im Zuge der Globalisierung bzw. durch häufigen Arbeitsplatzwechsel die Mobilitätsanforderungen eines jeden Arbeitnehmers, was die Kinderbetreuung und das Familienleben noch schwieriger gestalten und strapazieren wird.

Staat und Unternehmen sind hier gleichermaßen gefordert ein familienfreundlicheres Klima zu schaffen. Das Angebot an Krippen-, Kindergarten- und Hortplätzen muss durch den Staat ausgeweitet werden. Doch sind im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung ebenfalls die Betriebe in der Pflicht, z. B. durch flexiblere Arbeitszeitmodelle, Freistellungen, Wiedereinstellungszusagen oder sogar durch betriebseigene Betreuungs- einrichtungen, unterstützend mitzuwirken. Männern wie Frauen müssen Wege aufgezeigt werden, wie sie ihr jeweils individuelles Modell der Vereinbarkeit von Familie und Beruf umsetzen können (ifb, 2001).

2.3 Warum brauchen wir Work-Life-Balance?

Um den Nutzen von Work-Life-Balance und die Konsequenzen einer Dysbalance aufzuzeigen, sollen hier nochmals die wichtigsten sich gegenseitig beeinflussende Kräfte, welche auf den Menschen im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben einwirken, aufgeführt werden. Für Cassens (2003) sind dies:

- das Berufsleben
- die Familie, Freunde und feste soziale Bindungen die Gesundheit
- das Streben nach Anerkennung
- die Ideologie, Religion und Philosophie

Bedingungen für ein ausgewogenes Berufsleben sind die Identifikation mit dem Unternehmen, dem Produkt oder der Dienstleistung und die finanzielle Absicherung durch die Tätigkeit. Die Arbeit sollte Freude bereiten und in einem angenehmen beruflich- sozialen Umfeld ausgeübt werden. Untersucht man nun die Wechselwirkungen mit den anderen Kräften, stellt man fest, dass sich bspw. Anerkennung positiv auf die Psyche auswirkt und als Motivator dienen kann, wo hingegen eine ständige Überbelastung negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Da ein guter Gesundheitszustand eine der zentralen Komponenten einer ausgewogenen Work-Life-Balance darstellt, muss dieser unbedingt durch Erholung, Fitness und gesunde Ernährung gefördert und aufrecht erhalten werden. Feste Freundschaften oder intakte harmonische Partnerschaften verhelfen ebenso zur Ausgeglichenheit (durch Rückhalt und Zuwendung), doch kann das Familienleben nur dann erfolgreich und erfüllend verlaufen, wenn keine Störungen von Seiten des Berufs vorliegen und umgekehrt. Auch der religiöse, kulturelle und ideologische Hintergrund kann sich begünstigend auf die anderen Bereiche auswirken, aber auch Konfliktpotenzial schaffen. Neben diesen sozialen und psychologischen wirken auch körperliche und geistige Aspekte auf das ganzheitliche Beziehungsgeflecht ein (Cassens, 2003).

Wie dargestellt, können also alle Kräfte positiv wie negativ auf die anderen Bereiche einwirken. Belastungen in der Arbeitswelt und der fehlende Ausgleich zwischen den Lebensbereichen können weitreichende gesundheitliche Folgen haben. Deshalb sollen im Folgenden die Konsequenzen aus diesen Beeinflussungen genauer beleuchtet werden.

2.3.1 Gesundheitsaspekte

Wie zuvor beschrieben, bildet ein guter Gesundheitszustand einen der zentralen Bausteine einer ausgewogenen WLB. Dieser wird maßgeblich von den individuellen Arbeits- und Lebensbedingungen eines Jeden geprägt. Nur die Gesundheit des Menschen sichert seine Leistungsbereitschaft und Motivation und somit auch den betrieblichen Erfolg. Krankheitsbedingte Fehlzeiten führen zu Kosten für das Unternehmen. Gerade der Wandel in der Arbeitswelt mit immer neuen Anforderungen und veränderten Arbeits- und Organisationsformen führt vermehrt zu Überlastungen des Individuums und stellt den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz vor neue Herausforderungen. Gesundheits- schutzmodelle, welche sich nur auf die rein körperlichen Belastungen (wie Lärm, schwere Lasten, Rauch, Staub usw.) beziehen, gelten als nicht mehr zeitgemäß und überholt, viel mehr rückten die psychosozialen Befindlichkeiten des Arbeitnehmers in den letzten Jahrzehnten in den Vordergrund der Forschung (vgl. z. B. Köper, 2004; Meyer, 2001; Badura, Litsch & Vetter, 2000; Henninges, 1998).

Dass die alleinige Beschränkung auf die körperliche Komponente von Gesundheit und Krankheit zu kurz greift, zeigt schon die Verfassung der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahre 1946. Darin wird die Begrifflichkeit Gesundheit beschrieben als ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens. Sie sei nicht nur mit dem ledigen Fehlen von Krankheit oder Gebrechen zu umschreiben (Weltgesundheits- organisation [WHO], 2006). Gesundheit, vor allem im Sinne der Work-Life-Balance, beinhaltet demnach nicht nur die physische Gesundheit sondern ebenfalls das psychische und soziale Wohlbefinden.

Kolip und Hurrelmann (1994) kommen somit zu einer Dreiteilung des Gesundheitsbegriffs. Die physische Gesundheit bezieht sich auf die körperliche Verfassung, d. h. auf die jeweilige körperliche Konstitution, die Stärke des Immunsystems und genetische Veranlagungen. Weitere Einflussfaktoren, welche die physische Gesundheit beeinflussen, sind das biologische Alter, die Ernährungsgewohnheiten, die Dauer der Erholungsphasen und die persönliche Fitness. Psychische Gesundheit wiederum fasst alle Persön- lichkeitsmerkmale zusammen. Hier werden die Einstellungen und Sichtweisen zu unterschiedlichen Lebenseinstellungen wie z. B. dem Rauchen und dem Alkoholkonsum genauso mit einbezogen wie Stressresistenz und Entspannungsfähigkeit. Soziologische Gesundheit meint das familiäre Umfeld, Freunde und Bekannte, das Arbeitsklima und das Verhältnis zu den Kollegen. Voraussetzung für soziale Gesundheit ist neben dem Ansehen in der Gesellschaft, die Fähigkeit zur Kommunikation. Außerdem wird sie noch durch die individuelle Persönlichkeit des Menschen beeinflusst. Die jeweiligen Gesundheitsbereiche lassen sich zwar voneinander abgrenzen, beeinflussen und bedingen sich aber gegenseitig. So können sich z. B. längerfristige Belastungen der Psyche negativ auf die physische Gesundheit auswirken.

Wie zuvor angedeutet, wurde sich in früheren Forschungsberichten allein auf die physischen Belastungen, die auf den Arbeitnehmer einwirken, konzentriert. Dies mag auch darin begründet sein, dass die so genannten „harten“ körperlichen Belastungen und ihre Auswirkungen leichter auszumachen sind. Das Heben schwerer Lasten und ungünstige Körperhaltungen führen unweigerlich zu Rückenproblemen. Auch sind die Konsequenzen aus dem Umgang mit gefährlichen Stoffen hinreichend bekannt, ebenso die gesundheits- schädlichen Folgen von Lärm, Staub, Rauch, Gas, Kälte, Hitze und Nässe. Mit fortschreitender Automatisierung, der Modernisierung der Fertigungsprozesse und dem technologischen Fortschritt im Allgemeinen sind die „harten“ Belastungen eher rückläufig, vielmehr sind es die psychosozialen, welche auf dem Vormarsch sind (Henninges, 1998). Deshalb wird im Folgenden das Hauptaugenmerk auf den psychosozialen Belastungen liegen.

Des Weiteren werden in der Fachwelt meist nur die physischen und psychosozialen Belastungen in Bezug auf den Arbeitsplatz diskutiert. Doch entstehen, nach dem WLB- Verständnis, genauso aus einem unerfüllten Familienleben Probleme, welche mit in die Arbeitswelt getragen werden und umgekehrt. Die Forschung schenkte dieser Erkenntnis erst in den letzten Jahren ihre Aufmerksamkeit (Knesebeck, Joksimovic, Dragano & Siegrist, 2004). Knesebeck et al. sprechen in diesem Zusammenhang von so genannten Spillover-Effekten und fanden heraus, dass die negativen Auswirkungen von familiären Belastungen auf die Arbeit (Familie-Arbeit-Spillover) stärkere Einflüsse auf depressive Symptome aufweisen als die negativen Auswirkungen von Arbeitsbelastungen auf die Familie (Arbeit-Familie-Spillover).

Der Kürze dieser Arbeit geschuldet, können jedoch nicht alle Aspekte der Gesundheitsproblematik zufriedenstellend ausgewertet und aufgeführt werden. Deshalb soll sich hiernach auf die Arbeitswelt und die in ihr auftretenden psychosozialen Belastungen mit ihren Auswirkungen auf die Gesundheit konzentriert werden.

2.3.2 Psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz

Psychische bzw. psychosoziale Belastungen gelten als schwer ermittelbar, da sie der subjektiven Wahrnehmung und Bewertung unterliegen. Dies stellt natürlich ein Problem für die Forschung dar. Des Weiteren können psychische Belastungen sowohl positiv als auch negativ auf den Einzelnen einwirken. Die Reaktionen auf sie können zudem je nach Individuum völlig unterschiedlich ausfallen. So kann ein und dieselbe Belastung für den Einen eine Herausforderung darstellen (also eher aktivierend wirken) und einen Anderen vor eine unlösbare Aufgabe stellen (also eher bedrohend wirken). Belastung wird hierbei als wertfreier Begriff verstanden. Die unterschiedliche Wirkung und Bewertung liegt in den individuellen Voraussetzungen der Individuen (z. B. unterschiedliche Ausprägung von Stressresistenz) begründet. Nichtsdestotrotz bilden psychische wie physische Belastungen einen nicht unerheblichen Teil des Lebens und werden, wie z. B. bei sportlichen Freizeit- aktivitäten, bewusst gesucht (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände [BDA], 2005).

Im Zusammenhang mit psychischen Belastungen wird heutzutage vermehrt der Terminus Stress als Hauptauslöser für psychische und physische Krankheiten genannt. Dies wird zurückgeführt auf die gestiegenen Anforderungen an den Menschen, sei es nun im privaten oder beruflichen Bereich, und der damit einhergehenden Überbelastung (vgl. z. B. Cassens, 2003). Ebenso gut kann aber auch eine permanente Unterforderung, z. B. durch immer wiederkehrende, monotone Arbeitsschritte, unter Umständen Stressreaktionen auslösen, genauso wie Terminhetze, Zeitdruck und ungünstige Arbeitszeitregelungen wie Schicht- und Nachtarbeit und Überstunden (Puls, 2003). Hinzu kommen psychosoziale Belastungen, wie Verantwortungsdruck, mangelhafte Kommunikation, fehlende Unter- stützung bzw. Anerkennung, fehlende Mitbestimmung und das Verhältnis zu den Kollegen im Allgemeinen (Meyer, 2001). Des Weiteren wirken sich Diskriminierungen und Einschüchterungen (wie z. B. Mobbing am Arbeitsplatz) negativ auf das Wohlbefinden und die Zufriedenheit aus. Auch die Tatsache, dass in der heutigen Zeit kaum noch Sicherheiten in Bezug auf den Arbeitsplatz existieren, übt enormen Druck auf die Arbeitnehmer aus („Jeder ist ersetzbar.“). Für Henninges stellt die Arbeitsplatzunsicherheit sogar einen der „schwersten Stressfaktoren überhaupt“ dar (Henninges, 1998, S. 35), da wir es hier mit Existenzängsten zu tun haben. Aus diesem Grund widmeten sich Badura, Schellschmidt und Vetter (2006) im Fehlzeiten-Report 2005 einzig und allein dem Thema der Arbeitsplatzunsicherheit und den damit verbundenen Konsequenzen für die Gesundheit.

Entscheidend dafür, ob es durch psychische Belastungen zu Beeinträchtigungen des Wohlbefindens kommt, sind wie zuvor bereits erwähnt, die individuellen Voraussetzungen bzw. Ressourcen der jeweiligen Person. Unter Ressourcen werden hierbei alle Bedingungen verstanden, welche dem Individuum helfen Bedürfnisse zu befriedigen, Anforderungen gerecht zu werden und Stresssituationen zu meistern. Man unterscheidet externe/situative und interne/personale Faktoren. Unter externen Ressourcen wird hauptsächlich soziale Unterstützung, gutes Arbeitsklima bzw. „Auskommen“ mit den Kollegen und Handlungsspielraum verstanden. Interne Ressourcen sind z. B. Qualifikation, Wissen und Selbstvertrauen. Verfügt ein Mensch bspw. über wenig Ressourcen, ist aber hohen Belastungen ausgesetzt, ist sein Erkrankungsrisiko enorm hoch (Pfaff, Münch & Badura, 2000).

Doch was wird nun genau unter dem Terminus Stress verstanden und was sind die Folgen aus übermäßigem Stress?

2.3.3 Stress und seine Auswirkungen

Folgt man dem psychologischen Ansatz, so wird Stress als dynamische Wechselwirkung zwischen dem Individuum und seiner Arbeitsumgebung verstanden (Cox, Griffiths & Rial- González, 2005). Es werden zwei Arten unterschieden: Eustress (positiver Stress) und Distress (negativer Stress).

Eustress, also positiver Stress, bezieht sich auf Stresssituationen welche man gut bewältigen konnte. Durch das Erfolgserlebnis erhöht sich das Selbstvertrauen und die Motivation wächst. Man geht also gestärkt aus der „Krise“ hervor. Distress meint negativen Stress und entsteht durch die unzureichende Anpassung des Körpers an die Umweltreize und Belastungen oder infolge einer Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten, sprich Überschätzung. Eine hohe Belastung wird als Bedrohung empfunden. Beide Stressarten sind feste Bestandteile des täglichen Lebens eines Jeden. Problematisch ist, dass die Grenze zwischen Eustress und Distress fließend verläuft und ohne weiteres kaum erkennbar ist. Ein Nicht-Erkennen der Grenze kann schwerwiegende Folgen für den Betroffenen haben und zum Burn-Out-Syndrom führen.

Stress wird durch so genannte Stressoren ausgelöst. Hierunter werden Umweltreize wie Schmerz, Kälte, Sauerstoffmangel, seelische Belastungen, dauernde Über- bzw. Unterforderung und ungünstige Arbeitszeiten verstanden. Um widerstandsfähiger gegenüber dem Stressor zu werden, passt sich der menschliche Organismus bei andauernder Belastung diesem an, mit weitreichenden Folgen für den Gesundheits- und Gemütszustand des Einzelnen (Cassens, 2003). Man unterscheidet in erster Linie psychische und soziale Auswirkungen des Stress und physiologische und physische Auswirkungen.

Erstere äußern sich auf unterschiedlichste Weise. So kann es z. B. zu Verhaltensänderungen kommen. Gesundheitsfördernde Verhaltensweisen wie Entspannung, Schlaf, körperliche Bewegung und gesunde Ernährung werden vernachlässigt, gesundheitsschädliche wie Rauchen und Alkoholkonsum hingegen gefördert. Auch verringert sich der Sexualtrieb, was abermals eine Stressursache darstellen kann ebenso wie nicht abgelegte gesund- heitsgefährdende Verhaltensweisen, welche unter Stressbelastung erworben wurden (z. B. psychische Abhängigkeit von Nikotin und Alkohol). Ebenso können die sozialen Beziehungen des Individuums unter Stress leiden. So kann sich z. B. die Unterstützung aus den sozialen Kontakten verringern, geschuldet psychischer Veränderungen wie geringerem Erinnerungsvermögen, gestiegener Reizbarkeit und nachlassender Konzentration (Cox et al., 2005). Weitere mögliche psychische Folgen des Stress sind depressive und manische Zustände, chronische Müdigkeit, verminderte Leistungsfähigkeit und emotionale Erschöpfung bis hin zum totalen Burn-Out (Cassens, 2003).

Die physischen Auswirkungen des Stress manifestieren sich in Form von körperlichen Anomalien. Da Stress allein keine schwerwiegenden physischen Krankheiten auszulösen vermag, sind diese Leiden meist die Konsequenz aus stressbedingten psychischen Erkrankungen und Verhaltensänderungen. Wird bspw. die Regeneration eines Menschen dauerhaft gestört (z. B. durch Nacht- und Schichtarbeit und Überstunden) verändert sich der Hormonspiegel (Cassens, 2003). Hier vor allem der Melatoninspiegel, welcher den Tag- und Nacht-Rhythmus regelt. Des Weiteren kommt es im Zuge von Stress zu einem Anstieg des Adrenalin- und Cortisolspiegels, als körperliche Abwehrreaktion gegen den Stressor, mit weitreichenden Folgen für das Herz-Kreislauf-System (Cox et al., 2005). So ergeben sich bei anhaltender Belastung auf physischer Ebene Krankheiten wie Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkt.

Entscheidend für die Abwehr der dauerhaften Wirkungen von Stress ist die Selbstreflexion und -urteilsfähigkeit, um frühzeitig auf Warnsignale reagieren zu können (Cassens, 2003, S. 356).

Gesundheit, sei sie nun psychischer, physischer oder soziologischer Art, ist eine zentrale, wenn nicht die wichtigste Komponente des Work-Life-Balance-Verständnisses. Gerade die Tatsache der enormen volks- und betriebswirtschaftlichen Kosten, welche krankheits- bedingte Ausfälle der Beschäftigten verursachen, zeigt die Wichtigkeit innerbetrieblicher Gesundheitsförderung (vgl. Köper, 2004, Klimpel & Schütte, 2006). Es gilt den Gesundheitszustand des Menschen, welcher maßgeblich von seinen Arbeits- und Lebensbedingungen geprägt wird, konstant zu halten und zu pflegen, da nur so Motivation und Leistungsbereitschaft aufrechterhalten und betrieblicher Erfolg gesichert werden kann.

Welche WLB-Maßnahmen den Unternehmen zur Verfügung stehen, um z. B. die Gesundheit der Belegschaft zu schützen und Wettbewerbsvorteile zu erlangen, soll im Folgenden erörtert werden.

2.4 Realisierung der Work-Life-Balance

Betriebliche Work-Life-Balance-Maßnahmen zielen darauf ab, erfolgreiche Berufs- biographien unter Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und gesundheitliche Erfordernisse zu ermöglichen. Sie sind vielseitig gestaltbar und beinhalten bedarfs- spezifisch ausgestaltete Arbeitszeitmodelle, Modelle zur Flexibilisierung des Arbeitsortes, eine angepasste Arbeitsorganisation und Führungsrichtlinien sowie weitere unterstützende und gesundheitspräventive Leistungen für die Mitarbeiter (BMFSFJ, 2005). Ein allgemeingültiges Modell, was auf alle Unternehmen und Beschäftigte anzuwenden wäre, kann nicht existieren, da unterschiedliche Biographien, Tätigkeiten und Lebensumstände auch unterschiedliche Herangehensweisen und Konzepte erfordern. Der Kürze dieser Arbeit geschuldet, kann nicht auf alle Ansätze im Einzelnen eingegangen werden, deshalb sollen im Folgenden nur die geläufigsten näher betrachtet werden.

2.4.1 Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort

Flexible Arbeitszeitmodelle gehören zu den am weitesten verbreiteten und wichtigsten WLB-Maßnahmen. Die Dauer und die Lage der betrieblichen Arbeitszeit bestimmt maßgeblich darüber, wie viel Zeit für das Privatleben bleibt. Deshalb bieten sich gerade hier Möglichkeiten, das Gleichgewicht zwischen Privat- und Berufsleben herzustellen. Um dem Wunsch der Arbeitnehmer nach mehr Zeitsouveränität nachzukommen, wurden Modelle geschaffen wie das der Gleitzeit, der Teilzeit, der Arbeitskonten und des Sabbatical.

Gleitzeit charakterisiert sich durch eine Kernzeit, in der die Mitarbeiter anwesend sein müssen, doch können die Angestellten selbst bestimmen, zu welcher Zeit der Geschäftszeiten des Unternehmens sie diese ableisten. Beginn und Ende der Arbeitszeit sind also (innerhalb des festgelegten Zeitrahmens) frei wählbar. Dies erhöht die Flexibilität und eröffnet die Möglichkeit die Arbeitszeit nach persönlichen Bedürfnissen und der Auftragslage des Unternehmens auszurichten (Michalk & Nieder, 2007). Das Gleitzeit- modell lässt sich in der Regel auf alle Beschäftigungsgruppen anwenden. Es steigert die Motivation und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, da diese in Eigenverantwortung ihre täglichen Arbeitszeiten festlegen können.

Teilzeitarbeit kennzeichnet sich durch eine Wochenarbeitszeit, welche geringer ausfällt als die der Vollzeitbeschäftigten. Eine Tätigkeit von bis zu 25 Wochenstunden wird dabei als vollzeitfern und eine von 25 bis 34 Wochenstunden als vollzeitnah bezeichnet. Das so gewonnene Plus an Zeit kann für private Interessen (z. B. Fortbildung, Familie, Erholung) genutzt werden. Im Bezug auf die Mitarbeiterbindung ermöglicht dieses Modell dem Unternehmen Humankapital zu halten und der Dequalifizierung vorzubeugen, bietet es doch die Möglichkeit zur Überbrückung von besonderen biografischen Phasen wie dem schnellen Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Babypause oder dem Ausstieg aus dem Erwerbsleben (Prognos AG, 2005).

Arbeitszeitkonten dienen als Instrument der Arbeitszeiterfassung. Ein solches Zeitkonto stellt die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden der Sollzeit (vertraglich geregelte Arbeitszeit) gegenüber. Aus dem so entstandenen Saldo lässt sich leicht ablesen, ob ein Arbeitszeitguthaben (durch Mehrarbeit) oder Arbeitszeitschulden vorliegen. Die geleistete Mehrarbeit kann dann durch Freizeit ausgeglichen werden (Arbeitszeitschulden hingegen durch Mehrarbeit). Dieses Modell eignet sich für Berufszweige, welche Arbeitszeitschwankungen unterliegen (z. B. Saisonarbeit, Überstunden). Der große Vorteil aus Sicht der Mitarbeiter liegt hier in der Erfassung und dem Ausgleich der Mehrarbeit und dem damit verbundenen Zeitwohlstand (Klimpel & Schütte, 2006).

Der Begriff Sabbatical leitet sich aus dem Wort Sabbat ab und meint sinnbildlich eine Ruhepause einlegen. Dem Mitarbeiter wird hier also die Möglichkeit eingeräumt, eine längere Auszeit zu nehmen. Dabei handelt es sich um eine von langer Hand geplante und mit dem Unternehmen abgestimmte Freistellung, welche zur Erholung, Fortbildung, für betreuungsintensive Phasen oder zur Neuorientierung etc. genutzt werden kann (Michalk & Nieder, 2007). Solche Phasen der Nichtarbeit erleichtern Arbeitsüberlastungen zu kompensieren und schützen vor dem Burn-Out.

[...]

Ende der Leseprobe aus 261 Seiten

Details

Titel
Work-Life-Balance. Zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben
Untertitel
Eine empirische Studie
Hochschule
Universität Passau  (Philosophische Fakultät Fachbereich Psychologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
261
Katalognummer
V127296
ISBN (eBook)
9783640327232
ISBN (Buch)
9783640327645
Dateigröße
3695 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Work-Life-Balance, Vereinbarkeit, Berufs-, Privatleben, Eine, Studie, Thema Work-Life-Balance
Arbeit zitieren
Sebastian Gauger (Autor:in), 2009, Work-Life-Balance. Zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127296

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