Paul Watzlawick, der berühmte Psychologe und Philosoph, veröffentlichte im Jahre 1983 ein Buch mit dem Titel „Anleitung zum Unglücklichsein“. Darin beschreibt er auf sehr unterhalt-same Art und Weise, wie wir selbst unsere Wirklichkeit so konstruieren können, dass wir unglücklich werden – und dies täglich tun. Deutlich wird, dass unsere Konstruktionen der Wirklichkeit – Watzlawick gilt als ein moderner Hauptvertreter des Konstruktivismus – dafür verantwortlich sind, wie es mit unserem Wohlbefinden steht.
Erving Goffman, ein berühmter Soziologe des 20. Jahrhunderts, schildert unter anderem in seinen Untersuchungen, wie Menschen ihren Alltag gestalten und bezieht in diese Überle-gungen ebenfalls die Geisteskrankheit mit ein. Deutlich wird auch bei ihm, dass es die objek-tive Sphäre innerhalb der Interaktion und innerhalb der Gesellschaft nicht gibt, sondern dass diese durch ein Miteinander von Individuen geschaffen wird.
Anhand dieser kurzen Darstellung wird ersichtlich, dass es sehr starke Verbindungen zwi-schen den beiden Autoren geben muss. Diese herauszukristallisieren ist Sinn der vorliegen-den Hausarbeit. Ausgehend von der Soziologie bekommt Goffman das Primat und deshalb wird es schlussendlich Ziel sein, Goffmans Überlegungen stehen zu lassen und sie durch die Sprache des Psychologen (und Philosophen) Watzlawick zu verfeinern und zu erweitern.
Meine Arbeitsfrage lautet also: Wie sehen die herauszuarbeitenden Beobachtungen Goff-mans in seinem Text „Die Verrücktheit des Platzes“ in einer Watzlawick’schen Sprache aus?
Um diese Fragestellung zu beantworten, möchte ich zunächst einige Hauptgedanken Watz-lawicks und dem damit verbundenen Konstruktivismus herausarbeiten; anschließend soll der erwähnte Text Goffmans inhaltlich bearbeitet wiedergegeben werden und zum Schluss möchte ich die erwähnte Synthese wagen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
2. Paul Watzlawick
2.1 Biografische Daten und Werdegang
2.2 Watzlawicks Konstruktivismusvorstellung
2.3 Sich selbst erfüllende Prophezeiungen
2.4. Geisteskrankheit als konstruiertes Phänomen?
3. Erving Goffman
3.1 Biografische Daten und Werdegang
3.2 Die Verrücktheit des Platzes
4. Synthese respektive Übersetzung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
Paul Watzlawick, der berühmte Psychologe und Philosoph, veröffentlichte im Jahre 1983 ein Buch mit dem Titel „Anleitung zum Unglücklichsein“. Darin beschreibt er auf sehr unterhaltsame Art und Weise, wie wir selbst unsere Wirklichkeit so konstruieren können, dass wir unglücklich werden – und dies täglich tun. Deutlich wird, dass unsere Konstruktionen der Wirklichkeit – Watzlawick gilt als ein moderner Hauptvertreter des Konstruktivismus – dafür verantwortlich sind, wie es mit unserem Wohlbefinden steht.
Erving Goffman, ein berühmter Soziologe des 20. Jahrhunderts, schildert unter anderem in seinen Untersuchungen, wie Menschen ihren Alltag gestalten und bezieht in diese Überlegungen ebenfalls die Geisteskrankheit mit ein. Deutlich wird auch bei ihm, dass es die objektive Sphäre innerhalb der Interaktion und innerhalb der Gesellschaft nicht gibt, sondern dass diese durch ein Miteinander von Individuen geschaffen wird.
Anhand dieser kurzen Darstellung wird ersichtlich, dass es sehr starke Verbindungen zwischen den beiden Autoren geben muss. Diese herauszukristallisieren ist Sinn der vorliegenden Hausarbeit. Ausgehend von der Soziologie bekommt Goffman das Primat und deshalb wird es schlussendlich Ziel sein, Goffmans Überlegungen stehen zu lassen und sie durch die Sprache des Psychologen (und Philosophen) Watzlawick zu verfeinern und zu erweitern.
Meine Arbeitsfrage lautet also: Wie sehen die herauszuarbeitenden Beobachtungen Goffmans in seinem Text „Die Verrücktheit des Platzes“ in einer Watzlawick’schen Sprache aus?
Um diese Fragestellung zu beantworten, möchte ich zunächst einige Hauptgedanken Watzlawicks und dem damit verbundenen Konstruktivismus herausarbeiten; anschließend soll der erwähnte Text Goffmans inhaltlich bearbeitet wiedergegeben werden und zum Schluss möchte ich die erwähnte Synthese wagen.
2. Paul Watzlawick
2.1 Biografische Daten und Werdegang
Paul Watzlawick wurde am 25. Juli 1921 in Villach/Kärnten geboren. Er studierte Philosophie und Sprachen. Anschließend machte er eine Ausbildung am Carl-Gustav-Jung-Institut in Zürich zum Psychotherapeuten. Von 1957 bis 1960 hatte Watzlawick eine Professur für Psychotherapie in El Salvador inne. Ab 1960 war er Forschungsbeauftragter am Mental Research Institute in Palo Alto/Kalifornien. Er lehrte außerdem an der Stanford University. Am 31. März 2007 starb er in seiner Wahlheimat Palo Alto (Watzlawick 2006: 2).
2.2 Watzlawicks Konstruktivismusvorstellung
Unter der Ausgangsfrage, ob die Wirklichkeit wirklich wirklich sei, beginnt Watzlawick eine Ausführung mit dem Titel: „Die neue Sicht der Dinge.“ Diese Ausführung eröffnet er mit einem seiner therapeutischen Beispiele: Eine junge Frau, die am Ende einer erfolgreichen Kurzbehandlung wegen einer konfliktreichen Beziehung zu ihrer Mutter stand, sagt: „So wie ich die Lage sah, war es ein Problem; nun sehe ich sie anders und es ist kein Problem mehr.“ (Bohnet und Stadler 2004: 27). Dieser kurze Ausspruch bringt Watzlawicks therapeutische Konstruktivismusvorstellung komprimiert auf den Punkt: es geht dabei nicht darum, die Gesamtsituation zu verändern, sondern allein darum, neue Sichtweisen zu schaffen, subjektive Ansichten und Einschätzungen positiv zu ändern. Kurz gesagt: eine neue Wirklichkeitssicht zu konstruieren. „Positiv“ meint im Sinne Watzlawicks „passender“: „Solange unsere Wirklichkeitskonstruktionen passen, leben wir ein erträgliches Leben. Wenn die Wirklichkeitsauffassungen zusammenbrechen, kann es zu jenen Zuständen kommen, für die sich die Psychiatrie zuständig betrachtet: Wahnsinn, Verzweiflung, Selbstmord, und dergleichen mehr. Ich bilde mir nicht ein, dass ich den Menschen, denen ich helfen kann, die Wahrheit vermittle. Ich kann ihnen nur eine andere Konstruktion vermitteln, die eventuell besser passt. Mehr nicht.“ (Watzlawick in Bohnet und Stadler 2004: 33f.). Diese neue, erfundene Wirklichkeit kann aber nur dann zu einer wirklichen Wirklichkeit werden, wenn sie auch geglaubt wird.
Spricht man mit einem Laien über Konstruktivismus fällt schnell der Vorwurf, dass diese Vorstellung an Verrücktheit grenze, da man sich ja nun alles willkürlich einreden könne und so den Blick für die Realität völlig verliere. Watzlawick würde diesem Vorwurf mit zwei Gegenargumenten begegnen. Zum einen würde er fragen, was „die Realität“ überhaupt ist. Er lehnt eine objektiv erfahrbare Wirklichkeit ab; den Grund dafür liefert der zweite Einwand. Für Watzlawick ist die Wirklichkeit nichts, was vom einzelnen regellos und willkürlich konstruiert wird, sondern entsteht aufgrund von Übereinkunft und ist damit das Produkt von Kommunikation zwischen dem Ich und dem Du, welche beide von einem Wir umgeben werden (Watzlawick und Kreuzer 1988: 50). Dazu Kreuzer, der Watzlawick zusammenfasst: „Das Wesentliche scheint nun der Gesichtspunkt der Kommunikation zu sein. Dass man sich die Wahrheit gegenseitig quasi ausmacht oder einredet, dass man miteinander Wahrheit produziert und dass man voneinander im Erlebnis dieser Wahrheit abhängig ist.“ (Watzlawick und Kreuzer 1988: 10).
Nun stellt sich die Frage, wie diese kühne Behauptung praktisch aussieht. Wie bestätigen sich diese Annahmen im Alltag? Watzlawick antwortet auf die Frage, worum es bei der „Wirklichkeitsforschung“ – er bevorzugt diesen Begriff anstelle von „Konstruktivismus“ – eigentlich gehe, damit, dass es sich um die Frage drehe, wie man, dadurch dass man stets von einem bestimmten Ausgangspunkt an die phasmagorische, kaleidoskopische Komplexität der Welt herangehe, vorwegnehme, was man eigentlich zu finden glaube (Watzlawick und Kreuzer 1988: 9). Wenn Einstein sagt, dass die Theorie bestimme, was wir beobachten können, dann macht das diese Gedanken deutlich: wir haben subjektive Vorstellungen von der Welt und genauso nehmen wir sie wahr. Ob diese Vorstellungen richtig sind, können wir erst im Zusammenbrechen unserer Wirklichkeitskonstruktion erfahren, „denn“, um mit von Glasersfeld zu sprechen, „wir wissen von der wirklichen Welt immer nur, was sie nicht ist.“ (Watzlawick 2007: 14). Der „bestimmte Ausgangspunkt“, von dem Watzlawick spricht, äußert sich besonders stark in der Tatsache, dass wir immer und überall sowohl kausale als auch finale Sinnzusammenhänge vermuten. Ein gutes Exempel für einen Kausal-Nexus bietet Riedl: Er und sein Forscherteam versteckten unter einem parkenden Auto eine Hupe, die sie fernsteuern konnten. Als der Wagenbesitzer unwissend in sein Auto stieg und die Türe schloss, ließen die Forscher die Hupe ertönen. Sofort öffnete das Opfer die Autotür erneut und die Hupe verstummte. Dies passierte einige Male nacheinander, bevor der Wagenhalter ausstieg, die Tür von außen schloss und bemerkte, dass dann kein Hupsignal ertönte. Er wiederholte den Vorgang im Auto selbst und musste das Hupen wieder vernehmen. Nachdem er wieder ausgestiegen war, Kofferraum und Motorhaube geöffnet hatte, um den Wagen herumgegangen war und dann resigniert abgewinkt hatte, brachen die Forscher aus Humanität das Experiment ab (Watzlawick 2007: 68). An dem Beispiel wird deutlich, dass sicherlich noch nie eine Tür und die Last auf dem Sitz Auslöser für Hupen waren, dass aber die unfreiwillige Versuchsperson diesen Zusammenhang stark vermutet. Wie erwähnt, vermuten wir diese Ordnungszustände stetig, ja wir verlangen sie fast zwingend von der Welt. Kreuzer, für Watzlawick sprechend, begründet dies damit, dass sie im Hirn vorgeprägt seien und wir uns nicht von diesen Ordnungsvorstellungen trennen können (Watzlawick und Kreuzer 1988: 15). Er zeigt das Vorhandensein dieser Vorstellungen noch an einem schönen Alltagsbeispiel: „Man kann drei hintereinander geschaltete grüne Ampeln gar nicht erleben, ohne daraus innerlich die Schlussfolgerung abzuleiten, man hätte einen guten Tag.“ (Watzlawick und Kreuzer 1988: 15f.). Watzlawick führt das Exempel fort und zieht damit wieder den Bogen zu unseren subjektiven Vorstellungen, durch welche wir die Welt wahrnehmen: „Mir geht es umgekehrt. Ich habe eine Minipsychose mit Ampeln. Jedes Mal, wenn ich daher komme, schalten sie auf Gelb und dann auf Rot. Das kommt mir natürlich nur deswegen so vor, weil ich mit diesem Filter in meinem Kopf, in meinem Erleben, an die Ampeln herangehe. […] Daher registriere ich jede rote Ampel und erhöhe in meiner Erinnerung die Zahl der mir zugefügten Kränkungen seitens des Schicksals. Grüne Ampeln bemerke ich nicht – da fahre ich ja durch. Die zählen nicht in meinem Zählwerk.“ (Watzlawick und Kreuzer 1988: 16).
[...]
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