Die Abwendung von klassischen Vorbildern der griechischen und römischen
Antike, die lange Zeit das kulturelle Schaffen Europas dominierte und inspirierte,
schlug sich sowohl sprachlich als auch generisch in der Kunstauffassung des 18.
Jahrhunderts nieder: Die Romantik und ihre Obsession mit dem Roman speisen sich etymologisch und diskurshistorisch aus der Quelle der Aufwertung der lingua romana oder auch Volkssprache und in der Zurückweisung der „antiken Rhetorik und ihrer normaitven Stilistik“ (Schanze, S. 1) als alleinig wertgeschätzte kulturelle
Ausdrucksform. Klassisches Drama und Epos, um nur die zwei wichtigsten Vertreter dieser Tradition zu nennen, wurden von den Autoren der Romantik nicht mehr als Ideal literarischen Schaffens betrachtet. Statt dessen wurde die größte Aufmerksamkeit dem noch in den Kinderschuhen steckenden Romans geschenkt – der sicherlich im 18. Jahrhundert als klare Gattung noch nicht erkennbar war, aber doch als bestimmte Form einer Erzählung thematisiert und theoretisiert wurde.
Der Roman, durchaus als solcher bezeichnet und mit bestimmten literarischen
Vorstellungen versehen, wurde damit Teil einer größeren theoretisch-philosophischen Diskussion, die sich auf Bereiche der Religion, Geschichte, Literatur, Ästhetik und Philosophie erstreckte – kurz, das Unternehmen „Kultur“, an deren konzeptueller Ausformulierung im Europa des 18. Jahrhunderts eifrig gearbeitet wurde. Herder, Kant und Schlegel, um nur die drei Flagschiffe deutscher Geistesgeschichte in dem Epochenhybrid von Romantik und Aufklärung zu nennen, verwendeten einen großen Teil ihrer philosophischen Mühen darauf, herauszufinden bzw. den gängigen Paradigmen gemäß zu konstruieren, was Kultur sei, wie sie sich von der Natur unterscheide und was das Ganze mit dem Menschen und seiner Geschichte zu tun habe.
Inhaltsverzeichnis
- Die Abwendung von klassischen Vorbildern der griechischen und römischen Antike
- Der Roman, durchaus als solcher bezeichnet und mit bestimmten literarischen Vorstellungen versehen
- Novalis 1826 posthum unter dem Titel Die Christenheit oder Europa veröffentlichte Rede stellt inhaltlich knapp zusammengefasst den Entwurf einer idealen Zeit dar
- Schon anhand dieser knappen Inhaltsdarstellung lassen sich einige der angesprochenen Elemente bezüglich narrativer Struktur und romantischen Ideenguts feststellen
- Die Grundlagen der europäischen Geschichte werden im Mittelalter angesiedelt und dieser Epoche damit eine formgebende Bedeutung für die europäische Geistesgeschichte eingeräumt
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Novalis' "Die Christenheit oder Europa" und untersucht die Rolle des Romans als narrative Struktur und die damit verbundenen geschichtsphilosophischen Vorstellungen. Der Text beleuchtet die Abwendung von klassischen Vorbildern der Antike in der Romantik und die Hinwendung zum Mittelalter als prägende Epoche der europäischen Geschichte.
- Die Bedeutung des Romans als narrative Struktur in der Romantik
- Die Abwendung von klassischen Vorbildern der Antike
- Die Hinwendung zum Mittelalter als prägende Epoche der europäischen Geschichte
- Novalis' "Die Christenheit oder Europa" als Entwurf einer idealen Zeit
- Die Rolle des Christentums in der europäischen Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Der Text beginnt mit einer Analyse der Abwendung von klassischen Vorbildern der griechischen und römischen Antike in der Romantik. Die Autoren der Romantik sahen in der klassischen Literatur nicht mehr das Ideal literarischen Schaffens und wandten sich stattdessen dem Roman zu, der sich als eine neue Form der Erzählung etablierte. Der Roman wurde Teil einer größeren theoretisch-philosophischen Diskussion, die sich auf Bereiche der Religion, Geschichte, Literatur, Ästhetik und Philosophie erstreckte.
Im zweiten Teil wird die Entstehung des Romans als Konzept im 18. Jahrhundert beleuchtet. Die Romantiker sprachen sich gegen die klassischen Stilformen und Vorbilder der Literatur aus und erhoben die Volkssprache und Volksdichtung ins Pantheon anerkannter Literatur. Die Hinwendung zu Volksmärchen, Volkssprache und Mittelalter war jedoch kein linearer und einseitiger Prozess. Die Romantik zeichnet sich durch die Vermischung von Wunderbarem und Alltäglichem aus, ein Umfeld, in dem eine Hybridform wie der Roman hervorragend gedeihen konnte.
Der dritte Teil befasst sich mit Novalis' "Die Christenheit oder Europa". Die Rede stellt den Entwurf einer idealen Zeit dar, in der weltliche Kräfte in einer friedlichen Zeit unter einem Oberhaupt (Papst) sinnvoll geordnet sind. Nach einer Zeit des Niedergangs und Verfalls wird eine in der Zukunft angesiedelte Verjüngung der Geschichte und eine Wiedervereinigung Europas unter dem Schutz des Christentums verkündet. Die Europa ist ihrer Struktur nach unterteilt in drei Triaden, deren erste die Einheit der Wesen und Dinge unter der Religion beschreibt. Die zweite widmet sich der durch die Reformation zerstörten Einheit der Religion in Wissen und Glauben, während die dritte Triade ein vereinigtes Europa unter kirchlicher Vorherrschaft als Erneuerung des Mittelalters prognostiziert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Romantik, den Roman als narrative Struktur, die Abwendung von klassischen Vorbildern der Antike, die Hinwendung zum Mittelalter, Novalis' "Die Christenheit oder Europa", die Rolle des Christentums in der europäischen Geschichte, die Einheit der Wesen und Dinge, die Reformation und die Wiedervereinigung Europas.
- Arbeit zitieren
- Anna Milena Jurca (Autor:in), 2007, Novalis: "Die Christenheit oder Europa" - Die Geburt der europäischen Geschichte aus dem Geiste der Erzählung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127393