"Ob man fragt oder nicht", lässt Ruth Klüger einen ihrer Leser in "weiter leben. Eine Jugend" zu Wort kommen, "dir kann man’s nicht recht machen." Ist das so? Oder greift dieser Leser in seiner fast beleidigten Hilflosigkeit da vielleicht ein fundamentales Missverständnis auf, das das Buch und seine Rezeption verfolgt? Geht es tatsächlich darum, der Auschwitz-Überlebenden Ruth Klüger durch (Nach-) Fragen Aufmerksamkeit und Beachtung zu schenken und sie damit "zufrieden zu stellen"? Hat sie das in ihrem autobiografischen Werk "weiter leben. Eine Jugend" so gefordert und zum Ausdruck gebracht? Kommt es nicht viel eher darauf an, sich in Anbetracht der Lebenserinnerungen der Autorin selbst zu befragen, um mit sich und anderen in Dialog zu treten? Das muss sich der von Klüger zitierte Leser fragen und das müssen sich womöglich auch die zahlreichen Rezensenten und Kritiker des im Jahr 1992 erschienenen Buches fragen. Sie müssen sich vergewissern, ob dieses Werk behandelt werden will wie eine herkömmliche Autobiografie, was allein aufgrund des historischen Kontextes der Lebenserinnerung so nicht möglich ist, und ob es genügt, ihm allein mit dem Instrumentarium der versuchsweisen Einfühlung und Betroffenheit entgegenzutreten.
Hier müssen auch die Bedingungen und Möglichkeiten der Literaturkritik in den Blick geraten, die die Voraussetzungen für das Verfassen von Rezensionen stellen. Mit dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, ausgehend von verschiedenen theoretischen Überlegungen zum Wesen der Literaturkritik ausgewählte Rezensionen zu Ruth Klügers "weiter leben. Eine Jugend" eingehender zu betrachten und zu vergleichen. Den Schwerpunkt dieses Vergleichs bildet die Frage, inwieweit die Rezensionen das von Klüger innerhalb verschiedenster Themenbereiche intendierte Dialogangebot an ihre -deutschen- Leser aufgegriffen und vielleicht sogar bereits eingelöst haben oder inwiefern sie hinter den Möglichkeiten, die das Buch in all seiner Besonderheit eröffnet, zurückbleiben. Zu unterstreichen ist hierbei die dezidierte Unterscheidung von „akademischem und publizistischem Diskurs“, da an dieser Stelle einzig Texte aus dem deutschen Feuilleton und andere Buchkritiken außerhalb der wissenschaftlichen Diskussion besprochen werden sollen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Literaturkritik: Anforderungen, Möglichkeiten, Grenzen
- Klügers Dialogangebot in der deutschen Buchkritik
- Der Themenbereich Gedenkkultur als Bestandteil des Dialogangebots
- Vereinnahmung durch Identifikation in der deutschen Buchkritik
- "Tolle Prosa"-Ellen Pomikalko in der "Brigitte"
- "Davongekommen"-Sigrid Löffler in "Die Zeit"
- "Der Tod ein deutsches Buch"-Klaus Jeziorkowski in "Die Zeit"
- "Genauigkeit und Skrupel "-Hannes Stein in "Die Zeit"
- Schlussbetrachtungen
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert ausgewählte Rezensionen zu Ruth Klügers autobiografischem Werk "weiter leben. Eine Jugend" und untersucht, inwieweit diese Rezensionen das von Klüger intendierte Dialogangebot an ihre Leser aufgreifen. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, ob und wie die Rezensionen den Themenbereich Gedenkkultur und die Vereinnahmung Klügers durch Identifikationsversuche berücksichtigen.
- Analyse der Anforderungen, Möglichkeiten und Grenzen der Literaturkritik
- Untersuchung des Dialogangebots in Klügers "weiter leben. Eine Jugend"
- Bedeutung der Gedenkkultur für Klügers Dialogangebot
- Kritik an der Vereinnahmung Klügers durch Identifikationsversuche in Rezensionen
- Vergleich verschiedener Rezensionen aus dem deutschen Feuilleton
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor: Inwieweit greifen Rezensionen zu Ruth Klügers "weiter leben. Eine Jugend" das von der Autorin intendierte Dialogangebot auf? Die Arbeit untersucht, ob und wie die Rezensionen den Themenbereich Gedenkkultur und die Vereinnahmung Klügers durch Identifikationsversuche berücksichtigen.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Anforderungen, Möglichkeiten und Grenzen der Literaturkritik. Es wird diskutiert, ob Literaturkritik eine normative Funktion hat oder ob sie eher den Dialog und die Urteilsbildung des Lesers fördern soll. Der Vermittlungsgedanke und die Bedeutung des problembewussten Gesprächs werden ebenfalls thematisiert.
Das dritte Kapitel analysiert Klügers Dialogangebot in der deutschen Buchkritik. Es wird untersucht, wie Klüger in ihrem Werk den Themenbereich Gedenkkultur integriert und wie die Rezensionen darauf eingehen. Außerdem wird die Vereinnahmung Klügers durch Identifikationsversuche in verschiedenen Rezensionen beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Ruth Klüger, "weiter leben. Eine Jugend", Literaturkritik, Dialogangebot, Gedenkkultur, Identifikation, Rezensionen, Buchkritik, Feuilleton, deutsche Literatur.
- Arbeit zitieren
- Franziska Rosenmüller (Autor:in), 2008, "Der deutschen Kritik ein deutsches Buch?" - Ruth Klügers "weiter leben. Eine Jugend" und sein Dialogangebot in der Wahrnehmung der deutschen Buchkritik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127521
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