Bangkok als globale Stadt Süd-Ost Asiens

Internationale Städteforschung: Kriterien globaler Städte in Schwellenländern


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2009

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1.Einleitung

2.Theorien der internationalen Städteforschung
2.1 Frühe Begriffe der internationalen Städteforschung
2.2 John Friedmanns „World City Hypothesis“
2.3 Saskia Sassens „Global Trilogy“-Konzept
2.4 Manuel Castells „Informational City“-Konzept
2.5 Peter J. Taylors „World City Network“-Analyse

3. Bangkok als Globale Stadt
3.1 Spuren Bangkoks in der Literatur Seite 15 der internationalen Städteforschung
3.2. Analyse Bangkoks nach Kriterien Seite 16 der internationalen Städteforschung

4. Fazit

5. Summary

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

„Die Bourgeoisie reisst durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterte Kommunikation alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Atillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schiesst, ...Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen.“1

Diese inzwischen mehr als 160 Jahre alte, unter dem Namen „Kommunistisches Manifest“ bekannte, Beobachtung, wird in abgeändertem Vokabular heute genutzt um den Begriff Globalisierung zu beschreiben2.

Generationen von Wissenschaftlern sind diesem vielschichtigen Phänomen von allen Seiten auf der Spur: Soziologen untersuchen weltweite Migration von Gruppen von Menschen und deren Interaktionen; Geografen erforschen ebenfalls Migration aber vor allem unter dem Aspekt der Raumnutzung und des Bevölkerungswachstums; Ökonomen beobachten und beschreiben die Marktentwicklungen und die Mobilität bzw. Flüsse von Kapital, Waren, Dienstleistungen und Arbeitskraft; Ethnologen untersuchen die Entwicklung von Völkern unter dem Einfluss von nie da gewesener Mobilität und Kommunikationsmöglichkeiten; Politologen widmen sich den Systemen, mit denen Menschen in einer zunehmend integrierten Welt versuchen Macht- und Interessenskonflikte zu lösen; selbst technische Forschungsrichtungen untersuchen, wie Informations- und Kommunikationstechnik das Leben und Arbeiten in einem sogenannten „global village“ ermöglichen und verändern.

Globalisierung soll im Rahmen dieser Arbeit als die Intensivierung weltweiter sozio-ökonomischer Beziehungen definiert werden. Die vorliegende Arbeit schlägt bei der Erforschung dieses Prozesses den Weg über die Städte, als dem Ausgangsort der Einbindung menschlicher Akteure in transnationale Organisationsnetze. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich der scheinbare Umweg allerdings als sehr zutreffender Weg ins Zentrum des Begriffs Globalisierung, denn Städte sind die Orte wo Menschen leben. Entgegen allen Vermutungen, dass zunehmender Einsatz moderner IT- undKommunikationsmedien die räumliche Agglomeration in Städten überflüssig macht, haben wir es mit einer weiter fortschreitenden globalen Urbanisierung zu tun3. Im Jahr 2007 lebten fast die Hälfte (49,4%)4 aller Menschen in Städten. Mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 2% wird dieser Trend, soweit absehbar, auch weiter anhalten. Bei solch einem Wachstum wird die Urbanisierungsrate der Erde im Jahr 2025 laut den Vereinten Nationen schon 57,2 % erreicht haben. Im Jahr 2050 gehen die Schätzungen der UN davon aus, dass 69,6 % der Weltbevölkerung in Städten wohnen.

„The world has entered the urban millenium“, fasste der Ex-UNO-Generalsekretär Kofi Annan im Jahr 2001 auf einer UNO-Konferenz zur Lage der Welt unter Bedingungen zunehmender Verstädterungsprozesse die aktuelle Lage treffend zusammen.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungstendenzen macht es durchaus Sinn „Städte“ zu untersuchen und sich damit dem Phänomen „Globalisierung“ zu nähern. Mehr noch „daß das ‚Urbane‘, daß „Urbanität‘ bis heute nicht zu den Grundbegriffen sozial- und kulturwissenschaftlicher Analyse zählt“, wo doch „alle sozialökomischen und soziokulturellen Prozesse durch die Form des Urbanen vermittelt und artikuliert werden.“5, irritiert auch den Berliner Soziologen Helmut BERKING. Schließlich wird das urbane Leben, entsprechend der genannten Schätzungen, sehr bald schon zur weltweit verbreitetesten Lebensform gehören und damit kennzeichnet es durch das rasante Wachstum der Städte einen Prozess, der selbst schon einen Teilaspekt des Untersuchungsobjekts Globalisierung ausmacht.

"Städte sind steingewordene Gesellschaftspolitik. Aus ihren Grundrissen, aus ihren Strukturen kann man Wertordnungen ablesen."6

Städte oder Stadt-Regionen sind die geografischen Verankerungspunkte für multinationale Unternehmen und deren Dienstleister und Kunden. Durch solche oder ähnliche Verflechtungen sind heute praktisch alle Städte direkt oder indirekt global vernetzt. Die vorliegende Arbeit folgt dem Leitgedanken Berkings und Vogels, welche Globalisierung als grenzüberschreitende Wirtschaftsaktivitäten sogenannter „global player“7 zwischen internationalen Städten operationalisieren.

In der vorliegenden Arbeit soll eine Analyse der Stadt Bangkok unter den verschieden Charakteristika sogenannter globaler Städte erfolgen. Der Begriff „Globale Stadt“ soll mit Hilfe verschiedener Theoretiker begrifflich verortet und näher charakterisiert werden und schlieF!lich soll geprüft werden, ob die Stadt Bangkok als solche bezeichnet werden kann. Zur näheren Beschreibung der Stadt Bangkok sollen dem Autor verschiedene statistische und Literaturquellen sowie persönliche Beobachtung dienen. Im Verlauf der Arbeit gilt es zu klären: „Ist Bangkok eine Globale Stadt?“

2. Theorien der internationalen Städteforschung

2.1 Frühe Begriffe der internationalen Städteforschung

Die Begrifflichkeiten für Städte, die in den grenzüberschreitenden sozioökonomischen Verflechtungen internationale Bedeutung gewinnen, sind äuF!erst vielfältig. Frühe Arbeiten auf dem Gebiet der Globalen Städteforschung beschreiben ein uns heute wohlbekanntes Phänomen: „certain great cities, in which a quite disproportionate part of the world’s most important business is conducted in 1915 the pioneer thinker and writer on city and regional planning, Patrick Geddes, christened them the world cities.“8. Schon in den sechziger Jahren führt Peter HALL (1966) auf diese Weise die World City/Weltstadt ein, als „GroF!stadt mit überproportionalem Anteil an weltweiten sozio-ökonomischen Verflechtungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Kunst.“9 Damit waren Weltstädte klar abgetrennt von dem Begriff der Mega-Städte, die sich rein statistisch über die ungewöhnlich hohe Bevölkerungszahl definierten. Die meisten Theoretiker und die Vereinten Nationen setzen die Grenzen bei 5-10 Mio. Einwohnern oder bei einer Bevölkerungsdichte von mindestens 2000 Einwohnern pro qkm.10 Der Ansatz Weltstädte zu definieren, bezog den gröF!ten Teil seiner theoretischen Grundlagen aus der neomarxistischen Weltsystem-Theorie und der Theorien der Modernisierung u.a. aus den Arbeiten WALLENSTEINS11. Die Stadt wird darin als Produktionsstandort und Grundlage für die Verflechtung mit der Weltwirtschaft gesehen. AuF!erdem wird der Weltstadt darin eine wesentliche Rolle als Ausganspunkt für die seit den sechziger Jahren fortschreitende internationale Arbeitsteilung zugesprochen. Mit dieser Theorie hat Sir Peter HALL den Weg für die moderne globale Städteforschung geebnet, denn einige seiner Überlegungen tauchen bei anderen Theoretikern des „Globalization and World Cities Research Networks“12 wieder auf.

Der Begriff International City13 ist eine sehr allgemein gehaltene Bezeichnung, die Städte, über ökonomische Funktionen hinaus, durch weitere Merkmale politischer und gesellschaftlicher Art klassifiziert. Die nationale und die internationale Stadt werden als zwei sich gegenüberstehende Konzepte vorgestellt. Eine internationale Stadt fungiert als Knotenpunkt. AuF!erdem verfügt sie über intensive Netzwerke der Kommunikation und weist auF!erdem hochentwickelte und sich zu anderen internationalen Städten angleichende Arbeits- und Konsummöglichkeiten auf. Eine nationale Stadt zeichnet sich hingegen durch Versammlungsmöglichkeiten für nationale Anlässe und Zeremonien, sowie durch den Raum für Symbolische Repräsentation und Institutionen von nationaler Rolle aus. Internationale Städte sind mehrsprachige Zentren im Rahmen einer neutralen, bzw. sich bewusst zurückhaltenden nationalen Macht.

Der Begriff Metropole, der von dem altgriechischen Wort: Metra-polis stammt und übersetzt: Mutterstadt heiF!t, bezeichnete ursprünglich die Hauptstadt einer Region. Der Begriff wurde in der Stadtentwicklungsforschung für einen Stadtgründungstyp im Mittelalter benutzt14. Metropole bezeichnet dort eine, neben Fürstenpfalz oder Kirchenburg gewachsene Siedlung von königlichen Kaufleuten mit Stadtrecht, die sich bis 1150 vom Rhein-Maas-Schelde-Raum und der Hellwegzone mit ihren Tochtersiedlungen über die damalige Ostmarken an Elbe, Saale, Main und Donau ausbreiteten. In der Neuzeit findet sich der Begriff unter anderem in der französischen Geografie wieder und bedeutet dort: Hauptstadt einer Region mit zentraler Kommandofunktion und Hauptstadt einer Nation15. Heute ist der Begriff keine eindeutig übereinstimmend definierte Vokabel mehr und wird häufig als Synonym für Weltstadt, aber auch in oben angegebener Bedeutung nach GUGLIELMO und REIF verwendet.

Diese begriffliche Unschärfe zeugt davon dass es heute: "nicht zu übersehen [ist, M.P.], dass die Einheit des Forschungsgegenstandes ‚Stadt‘ nur noch behauptet, nicht aber bewiesen werden kann"16.

Für diese Arbeit nimmt den „Global City“-Ansatz auf, in dem Städte als „Verbindungsglied[er M.P.] bzw. ‚Netzwerkknoten‘ in supranationalen Organisationsnetzwerken der Wirtschaft“17 gesehen werden.

Die vorliegende Arbeit möchte den Begriff: „Global City“- „Globale Stadt“ deshalb anhand von vier Theoretikern eingrenzen und dabei auch auf die empirischen Befunde und Klassifizierungen des Kompetenznetzwerks GaWC zurückgreifen, das von einigen der Autoren mitbegründet wurde und in dem sie teilweise noch heute selbst mit forschen.

2.2 John Friedmanns „World City Hypothesis“

Erste Veröffentlichungen zum Thema Globale Städte im Zusammenhang mit Globalisierung gehen auf John FRIEDMANNS 1986 publizierte „Weltstadt Hypothese“ zurück, die seither viel Kritik aber dadurch auch Beachtung gefunden hat. Kritisiert wurde sie vor allem für den rein hypothetischen Charakter ohne empirische Grundlage. Dennoch hat sie die Arbeiten anderer Theoretiker sehr stark geprägt. Er formuliert sieben Thesen:

(1) Maßgeblich für strukturelle Veränderungen in Städten sind ihr Integrationsgrad in den Weltmarkt sowie die Funktionen, die ihnen in der neuen internationalen Arbeitsteilung zugeschrieben werden.
(2) Einzelne Städte werden vom globalen Kapital als „Stützpunkte“ (basing points) zur räumlichen Ordnung von Produktion und Markt genutzt.
(3) Die globale Kontrollfunktion von Weltstädten wird in der Dynamik und Struktur ihrer Produktions- und Beschäftigungssektoren deutlich.
(4) Weltstädte sind die wichtigsten Orte der Konzentration und Akkumulation von internationalem Kapital.
(5) Weltstädte sind die Zielorte einer großen Zahl nationaler und internationaler Migranten.
(6) Weltstädte zeigen die wesentlichen Widersprüche des industriellen Kapitalismus auf – darunter gibt es räumliche und klassenspezifische Polarisierung.
(7) Durch das Wachstum von Weltstädten entstehen hohe soziale Kosten, die die Finanzkapazität des Staates gefährden.18

FRIEDMANN wird deshalb so oft zitiert, weil seine Kriterien klar formuliert und daher checklistenartig auf Städte angewandt werden können. So auch seine Auswahlkriterien für Globale Städte: wichtigstes Finanzzentrum, Headquarters von transnationalen Unternehmen, internationale Institutionen, rapider Anstieg des Dienstleistungssektors, wichtiges Produktionszentrum, wichtiger Transportknotenpunkt und Bevölkerungsgröße. FRIEDMANN beschreibt in seiner World City Hierarchy sogenannte Kernländer und halb randständige Länder, entsprechend ihrer Einbindung in die Weltwirtschaft. Innerhalb dieser beiden Kategorien unterscheidet er zwischen primären und sekundären Städten. Er ordnet 22 Städte19 in seine Globale Hierarchie ein. Auch bei FRIEDMANN fällt auf, dass abgesehen von dieser Klassifizierung die Begriffe Globale Stadt und Weltstadt synonym gebraucht werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1 John Friedmann „The Hierarchy of World Cities“20

[...]


1 Marx/Engels (1848), S.28

2 Bernholz (2001), S.2ff

3 Vgl. Sassen (2002)

4 United Nations (2008), S.1

5 Berking (2002), S.12-13

6 Vogel (1968), S.1

7 vgl.Söllner (2008), S.111-114

8 Hall (1966), S.3 vgl. Friedmann und Wolff (1982), Friedmann (1986), King 1990, Knox/Taylor (1995)

9 Gerhard (2004), S.5

10 Bronger (1994), S.13; vgl. Feldbauer (1997)

11 Wallerstein (1986/1989)

12 Weiterhin abgekürzt als GaWC

13 vgl.Abbott (1997) und Abbott (1999), S.6/20/22

14 Stoob (1956), S.23

15 Guglielmo (1996), S.16, vgl. Reif (2006)

16 Kuhm (2000), S. 239

17 Krätke (2007), S.114

18 Gerhard (2004), S.5 übersetzt aus Friedmann (1986) S.70ff

19 Siehe Abb.1 und Anhang 1

20 aus Friedmann (1989b). S.227

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Bangkok als globale Stadt Süd-Ost Asiens
Untertitel
Internationale Städteforschung: Kriterien globaler Städte in Schwellenländern
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
28
Katalognummer
V127666
ISBN (eBook)
9783640414000
ISBN (Buch)
9783640411450
Dateigröße
1578 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Global City, World City, Weltstädte, Städteforschung, Bangkok, Thailand, Schwellenländer, emerging countries
Arbeit zitieren
M.Sc. Martin Pydde (Autor:in), 2009, Bangkok als globale Stadt Süd-Ost Asiens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127666

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