Der Zusammenhang zwischen Literatur und Politik ist für das Leben und Werk des umstrittenen Quebecer Schriftstellers, Herausgebers und Essayisten Hubert Aquin konstitutiv geworden. Aquin (1929-1977) ist vor allem aufgrund seiner politischen Aktivitäten und radikalen Haltung während der Révolution tranquille in den 60er und 70er Jahren in Quebec bekannt geworden. Der durch die stille Revolution in Quebec ausgelöste und bis heute andauernde Reformprozess hat auf allen Ebenen zu einer fundamentalen Erneuerung der Quebecer Gesellschaft geführt. Dies hat viele Quebecer Künstler wie Marie-Claire Blais und Réjean Ducharmes inspiriert und dazu geführt, dass sie sich von neuen literarischen Strömungen beeinflussen ließen und als Zeichen einer veränderten kulturellen und nationalen Identität mit avantgardistischen Ausdrucksformen experimentierten. Aquin muss in den Kontext dieser neuen Quebecer Künstlergeneration eingebettet werden.Er reagiert in seinen Werken auf den gesellschaftlichen Umbruch, indem er das Konzept einer «écriture éclatée» entwickelt, die das gesellschaftliche Unbehagen seiner Zeit transparent machen soll.
Im Folgenden werde ich daher in einer kontext- und soziologisch orientierten Analyse und Interpretation von Aquins zweitem Roman Trou de mémoire aus dem Jahr 1968 darauf eingehen, welche formal neuen Aspekte er in den frankokanadischen Roman einführt und wie er diese auf den spezifischen politischen Kontext in Quebec der 60er Jahre bezieht und damit im Rahmen der nationalen Identitätssuche politisiert. Ich werde mich dabei zunächst auf die narrative Struktur des Romans beschränken in dem Bewusstsein, dass die Untersuchung der Erzähltechnik in der Aquinforschung inzwischen zum klassischen Bestandteil der Textanalyse geworden ist. Mich interessiert, wie man anhand neuerer Erzähltheorien den spezifischen Zusammenhang zwischen Erzähltechnik und dem sozial-historischen Kontext in Quebec erörtern kann. Anschließend werde ich auf die Figurenkonzeption und -konstellation des Romans eingehen. Dabei werde ich vor allem der jüngeren feministischen Aquin-Forschung folgen. Es wird sich herauskristallisieren, dass in Aquins Roman das Geschlechterverhältnis und die Gewalt gegen Frauen im Rahmen der Identitätssuche der Protagonisten und des Verwirrspiels mit der Identität eine Besonderheit des frankokanadischen Romans ausmacht.
Inhaltsverzeichnis
- Präliminarien
- Die narrative Struktur des Romans
- Die Veränderung des Erzählsystems als Ausdruck des sozial-historischen Kontextes
- Die <<écriture éclatée>>
- Die Diskontinuität des Romanaufbaus
- Die Diskontinuität, Überlagerung und Pluralisierung der Erzählstimme
- Die Diskontinuität des Wahrnehmungsfokus
- Die Diskontinuität des Ortes und der Zeit
- Die Politisierung der «écriture éclatée»
- Die Figurenkonzeption
- Die männlichen Figuren
- Pierre Xavier Magnant alias Charles-Éduard Mullahy
- Olympe Ghezzo-Quénum
- Die weiblichen Figuren
- Joan Ruskin
- Rachel Ruskin
- Die männlichen Figuren
- Die Figurenkonstellation
- Das Gewaltverhältnis zwischen Männern und Frauen als Teil der Identitätssuche
- Resümee
- Bibliographie
- Primärliteratur
- Sekundärliteratur
- Internet
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Roman „Trou de mémoire“ von Hubert Aquin und untersucht die narrative Struktur und die Figurenkonzeption im Kontext der nationalen Identitätssuche in Quebec. Der Fokus liegt auf der Analyse der „écriture éclatée“ und ihrer politischen Bedeutung im Rahmen der Révolution tranquille.
- Die „écriture éclatée“ als Ausdruck des gesellschaftlichen Umbruchs in Quebec
- Die Verbindung zwischen der narrativen Struktur und dem sozial-historischen Kontext
- Die Rolle der Gewalt gegen Frauen in der Identitätssuche der Protagonisten
- Die Politisierung der Literatur im Kontext der nationalen Identitätssuche
- Die Bedeutung der feministischen Perspektive in der Analyse von Aquins Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Thematik und stellt den Autor Hubert Aquin und seinen Roman „Trou de mémoire“ vor. Es wird der Zusammenhang zwischen der „écriture éclatée“ und dem politischen Kontext in Quebec der 60er Jahre beleuchtet.
Im zweiten Kapitel wird die narrative Struktur des Romans analysiert. Dabei wird die „écriture éclatée“ als Ausdruck der Diskontinuität, Überlagerung und Pluralisierung der Erzählstimme, des Wahrnehmungsfokus und des Ortes und der Zeit betrachtet.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Figurenkonzeption. Es werden die männlichen und weiblichen Figuren des Romans vorgestellt und ihre Rolle im Kontext der Identitätssuche und des Gewaltverhältnisses zwischen Männern und Frauen analysiert.
Das vierte Kapitel untersucht die Figurenkonstellation und die Beziehungen zwischen den Figuren.
Das fünfte Kapitel analysiert das Gewaltverhältnis zwischen Männern und Frauen als Teil der Identitätssuche der Protagonisten.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die „écriture éclatée“, die nationale Identitätssuche, die Révolution tranquille, die Gewalt gegen Frauen, die Figurenkonzeption, die narrative Struktur, Hubert Aquin, „Trou de mémoire“, Quebec, Kanada, Frankokanadier, feministische Literaturwissenschaft.
- Quote paper
- Janin Taubert (Author), 2005, Über den Roman "Trou de mémoire" von Hubert Aquin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127768