Leseprobe
Defizittheorie:
„Überwiegt die Mangelseite, so versinkt die Welt in einem depressiven Jammertal, alles ist aussichtslos, mit einem Grauschleier überdeckt. Lichtblicke werden kaum bemeerkt, haben wenig Gewicht.“ (zitiert nach Eisenmann, 2000).
Die Defizittheorie begründet sich auf einer empirischen Studie von Yerkes aus dem Jahre 1921, bei der Leistungs- und Intelligenzmessungen bei Militärangehorigen der US-Streitkräfte zur Zeit des ersten Weltkriegs durchgeführt wurden, da man glaubte, daraus auf die Karriere der Untersuchten schließen zu können.Hierbei beobachtete man einen Anstieg der Intelligenz bis in das dritte Lebensjahrzehnt und danach einen kontinuierlichen Abfall.Leider schloss man daraus, dass dieser Umstand auch auf alle anderen menschlichen Funktionen in physischer und psychischer Hinsicht zuträfe, was in den folgenden Jahren mehrfach widerlegt worden ist.
Diese Defizittheorie betrifft also im Wesentlichen die Perspektive des Mangels, des Fehlens bestimmter Fähigkeiten oder Fertigkeiten, das Gefühl von etwas Unfertigem.Teilweise wird sie sogar als eine bloße Beschreibung von medizinischen und psychologischen Beobachtungen dargestellt.
Die betroffenen Personen ergehen sich in einer typisch pessimistischen Sichtweise (das Glas ist halb leer anstatt halb voll) und sehen nur noch, was sie nicht mehr haben oder worüber sie nicht mehr verfügen.
Das liegt zum grossen Teil daran, dass ältere Menschen, welche diesem Modell verfallen sind, den Fehler machen, ihre jetzigen Fähigkeiten mit denen ihrer Jugend zu vergleichen, was an sich widersinnig ist. So registrieren sie das Ganze jedoch als einen schicksalhaften Abbau emotionaler, geistiger und körperlicher Fähigkeiten.
Sie sehen das Alter selbst als eine Art Krankheit oder Verfall an, was automatisch negative Aspekte suggeriert, wie z.B. alte Menschen sind hässlich, vergesslich, krank, inkontinent, etc...
Diese Einstellung übernehmen Betroffene und erwarten dementsprechend Hilfe von Aussen. Sie erwarten eine Art Medizin, die sie von der Krankheit des Alterns kuriert und sie wieder so aktiv und handlungsfähig werden lässt wie in der Blüte ihres Lebens. So stellt uns die Defizittheorie vor folgendes Problem: sie steht zwar dafür, dass den Betroffenen ihr Alter bewusst ist, allerdings in einer völlig deprassiven Haltung, die jede Art von Lebensfreude erstickt. Die Betroffenen sehen ihr Alter, können es aber nicht als natürlichen Verlauf des Lebens akzeptieren. Es fällz ihnen schwer, sich den Gegebenheiten des Alters anzupassen und ihre Fähigkeiten für sich selbst neu zu definieren. Sie gehen von der Annahme aus, dass sie sich in ihren Fähigkeiten mit einem hoch aktiven Erwachsenen vergleichen könnten, was allerdings von Grund auf falsch ist. Hier fehlt den Betroffenen wie gesagt die Akzeptanz des Alters und die Fähigkeit, ihre Kompetenzen dementsprechend differenziert betrachten und einschätzen zu können.
In späteren Jahren wurde jedoch entdeckt, dass es eine Menge weiterer Einflussfaktoren in Bezug auf die geistige Leistungsfähigkeit gibt wie z.B. den Gesundheitszustand oder den Bildungsstand, womit die Defizittheorie als unzureichend und veraltet zu bezeichnen ist.
Trotzdem halten sich ihre Aussagen über das Erscheinungsbild älterer Menschen bis heute als Vorurteile in unserer Gesellschaft.
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