Sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen. Sozialer Kontrolle im digitalen Raum


Masterarbeit, 2022

95 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Vorbetrachtung – Sexuelle Belästigung
2.1 Abgrenzung der Begriffe Sexismus, sexuelle Belästigung
2.2 Erscheinungsformen sexueller Belästigung im analogen Raum
2.3 Ausgestaltung und Funktionsweise von Online-Verkaufsplattformen
2.4 Sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen (Medienberichterstattung)
2.5 Sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen (Foren Beiträge)

3 Vorbetrachtung – Soziale Kontrolle und der digitale Raum
3.1 Soziale Kontrolle im Allgemeinen
3.2 Soziale Kontrolle speziell im digitalen Raum
3.2.1 Soziale Kontrolle durch den Rechtsstaat
3.2.2 Soziale Kontrolle durch die Plattformbetreiber
3.2.3 Soziale Kontrolle durch die Nutzerinnen und Nutzer

4 Zur Befragung
4.1 Methodische Vorüberlegung
4.2 Durchführungsprozess und Reflexion des methodischen Vorgehens
4.2.1 Rekrutierungs- und Vorbereitungsphase
4.2.2 Durchführung der Interviews
4.2.3 Inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse

5 Auswertung und Diskussion der Ergebnisse
5.1 Kurzfragebögen
5.2 Phänomene sexueller Belästigung
5.2.1 Phänomene mit sexuellem Bezug auf digitalen Verkaufsplattformen
5.2.2 Sexuelle Belästigung auf anderen Plattformen und im analogen Raum
5.3 Erleben der Probandinnen
5.3.1 Empfinden der Nutzerinnen
5.3.2 Reaktion der Nutzerinnen
5.3.3 Selbstverständnis von sexueller Belästigung
5.4 Vermutete Ursachen und soziale Kontrolle
5.4.1 Differenzierung zwischen analoger und digitaler Welt
5.4.2 Vermutete Ursachen
5.4.3 Erlebte soziale Kontrolle
5.4.4 Gewünschte soziale Kontrolle
5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

6 Diskussion

7 Fazit

I Abkürzungsverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

III Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Internet erscheint ubiquitär. Eine Studie des ARD/ZDF im Jahr 2020 ergab, dass 94 % der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren den Cyberspace zumindest gelegentlich nutzen. Das entspricht 66,4 Millionen der 70,6 Millionen Bundesbürger ab einem Alter von 14 Jahren (vgl. Beisch/Schäfer 2020: 462). Die Coronapandemie scheint indes noch als Katalysator für steigende Nutzungszahlen und vor allem zur Erhöhung der Nutzungsdauer fungiert zu haben. Dabei ist es wohl nur folgerichtig, dass sich auch abweichendes Verhalten in die virtuelle Welt verlagert resp. neue Erscheinungsformen bildet. Im Fokus standen in den letzten Jahren vermehrt Fälle sexueller Belästigung im Internet. Überall, wo Menschen aufeinandertreffen und miteinander interagieren, liegt ein sozialer Raum vor. Demnach ist auch die digitale Welt als sozialer Raum zu sehen, in dem gleichwohl abweichendes Verhalten stattfindet (vgl. Katzer 2012).

Besonderes Augenmerk liegt neuerdings auf den digitalen Verkaufsplattformen „eBay Kleinanzeigen“ und „Vinted“ (vgl. Gericke 2021). Diese Peer-to-Peer Plattformen verfügen über unkomplizierte Möglichkeiten mit anderen Nutzerinnen und Nutzern in Kontakt zu treten und Warengüter jeglicher Art zu handeln. Dabei ist Art und Umfang der Informationsweitergabe von persönlichen Daten optional. Die Kommunikation kann via Text aber auch mittels Bild- und Videodateien stattfinden. Um unangemessener Kommunikation entgegenzuwirken, setzen die Anbieter auf schriftliche Melde- und Reputationssysteme, die bis zur Sperrung von Nutzerinnen und Nutzern führen können. Nach Goonewardena (2016) berichten Nutzerinnen davon, dass sie trotzdem auf den Plattformen Erfahrungen mit ungewollten sexuellen Annäherungsversuchen, der Übersendung von Nacktbildern sowie Fetisch-Anfragen gemacht haben (vgl. Goonewardena 2016). Da 94 % aller Internetnutzerinnen und Internetnutzer auch online einkaufen (vgl. Lange et al. 2020: 4), muss auch zwangsläufig von einem erheblichen Anteil an Betroffenen und damit von einem gesellschaftlich relevanten Phänomen/Problem ausgegangen werden.

Aufgrund dessen, dass es bislang an empirischer Forschung zu sexueller Belästigung auf diesen Internetseiten mangelt, soll sich die vorliegende Masterarbeit als explorativ deskriptive Betrachtung des Phänomens auf digitalen Verkaufsplattformen verstehen. Besondere Beachtung sollen in diesem Zusammenhang die Varianten formeller und informeller sozialer Kontrolle finden. Ein Nichtvorhandensein ebenjener wird für den digitalen Raum vielfach kritisiert. Zu diesem Zweck werden im ersten Teil der Arbeit die Begrifflichkeiten sexuelle Belästigung und soziale Kontrolle für den analogen Raum betrachtet und überprüft, wobei der Frage nachgegangen wird, inwiefern sich diese Phänomene auf das Digitale übertragen lassen. Im zweiten Teil sollen problemzentrierte Interviews mit Betroffenen von sexueller Belästigung nach Witzel durchgeführt werden (vgl. Witzel 2000). Es soll untersucht werden, welche Interpretationsprozesse bei den Betroffenen stattfinden, wie sie sexuelle Belästigung verstehen/erleben und wie sie die Formen sozialer Kontrolle auf den Plattformen empfinden. Folglich wird im Rahmen der Operationalisierung der Interviews sowie deren Auswertung folgenden Forschungsfragen nachgegangen:

- Welche Formen sexueller Belästigung finden auf digitalen Verkaufsplattformen statt?
- Wie erleben Betroffene sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen?
- Inwiefern findet auf digitalen Verkaufsplattformen soziale Kontrolle als Reaktion auf sexuelle Belästigung statt?

Die Abschriften der Befragungen werden im Nachgang einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz unterzogen (vgl. Kuckartz 2018: 97 ff.). Im abschließenden Teil der Arbeit werden die Ergebnisse diskutiert und ein Ausblick auf ausstehende Maßnahmen und Forschungsansätze gegeben.

2 Vorbetrachtung – Sexuelle Belästigung

Die Begriffe „Sexismus“ und „sexuelle Belästigung“ finden im gesellschaftlichen Diskurs häufige Verwendung. Für eine weitere wissenschaftliche Reflexion ebenjener sollten diese deshalb näher definiert werden. Im Anschluss soll der bisherige Forschungsstand zur sexuellen Belästigung im analogen Raum betrachtet werden, wobei der Frage nachgegangen wird, ob sich die Bezeichnung auch für gleichgelagertes Verhalten auf digitalen Verkaufsplattformen übertragen lässt. Dazu muss die Funktionsweise und der Aufbau selbiger dargestellt werden. Ferner wird eine erste Vorbetrachtung des Phänomens sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen unter Zuhilfenahme der bisherigen medialen Berichterstattung sowie von Auszügen aus Nutzerforen der Plattformen, die das Problem beschreiben, vorgenommen. Im Zuge dieser Vorbetrachtung soll festgestellt werden, welche bereits bekannten Internetphänomene mit sexuellem Bezug auch auf digitalen Verkaufsplattformen stattfinden.

2.1 Abgrenzung der Begriffe Sexismus, sexuelle Belästigung

Die Schlagwörter Sexismus und sexuelle Belästigung standen in den letzten Jahren vermehrt im Fokus öffentlicher Berichterstattung. Ursächlich hierfür sind insbesondere soziale und feministische Bewegungen, die immer wieder die aktuell vorherrschenden Geschlechter- und Rollenverhältnisse anprangern. Besonders präsent war die #MeeToo-Bewegung, die im Jahr 2017 unter gleichlautendem Hashtag1 im Zuge des Harvey-Weinstein-Skandals populär wurde. Ziel war es speziell, Opfer sexuellen Missbrauchs zu bestärken, ihre Opfererfahrungen mittels des o.g. Hashtag präsent zu machen und so auf das Ausmaß ebenjener Übergriffe hinzudeuten (vgl. Wippermann 2020: 54). Als deutsches Pendant kann hier #aufschrei gesehen werden, welcher auf einem als übergriffig beschriebenes Zusammentreffen zwischen der Journalistin Laura Himmelreich und dem FDP-Politiker Rainer Brüderle beruht und zu einem öffentlichen Debatte über Sexismus in nationalen wie internationalen Medien führte (vgl. Kornemann 2018: 370). Beide Debatten erreichten, dass das Thema Sexismus und sexuelle Belästigung im analogen wie digitalen Raum hinreichend diskutiert wurde. Kritisiert werden muss jedoch, dass es keinen einheitlichen Sprachgebrauch gab. Dementsprechend wurden Beschuldigte von Vergewaltigungen zum Teil in einen Kontext mit Personen gebracht, die lediglich verbale unangebrachte Äußerungen getätigt hatten. Diese Handlungen wurden dann häufig pauschal „Männern“ oder „Typen“ zugeschrieben (vgl. ebd. 2018: 370)2. Der Diskurs wurde hoch emotionalisiert und subjektiv geführt, was die Notwendigkeit objektiver empirischer Forschung in diesem Bereich unterstreicht.

Es war zudem feststellbar, dass Unklarheit darüber herrschte, ob den Begriffen Sexismus und sexuelle Belästigung überhaupt eine allgemeingültige Definition zugrunde lag bzw. ob die Begriffe voneinander abzugrenzen waren (vgl. Diehl et al. 2014: 22). Laut Duden versteht man unter Sexismus die „Vorstellung, nach der ein Geschlecht dem anderen von Natur aus überlegen sei, und die [daher für gerechtfertigt gehaltene] Diskriminierung, Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung von Menschen, besonders der Frauen, aufgrund ihres Geschlechts“ (Dudenredaktion o.J.a). Eine weitere Definition findet sich im Lexikon zur Soziologie von Klimke et al.:

„Sexismus, sexism, ein analog zum Terminus Rassismus gebildeter Begriff zur Bezeichnung von Vorurteilen und Diskriminierungen aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit. Wegen der in den meisten Gesellschaften vorherrschenden patriarchalischen Strukturen wird S. fast ausschließlich zur Kennzeichnung von diskriminierenden Einstellungen und Handlungen gegenüber Frauen verwendet, bzw. zur Kennzeichnung von Bevorzugung und Verherrlichung des männlichen Geschlechts“ (Klimke et al. 2020: 700).

Im Vordergrund beider Definitionen steht hier die Ungleichbehandlung von Frauen gegenüber Männern, wobei diese auf der, als verwerflich anzusehenden Annahme beruht, dass es sich bei dem männlichen Geschlecht um das überlegenere handelt. Klimke et al. stellen in ihrer Definition zusätzlich fest, dass Sexismus in den meisten Kulturen in einer patriarchalen Struktur verankert ist. Demnach ist Sexismus nicht bloß die Vorstellung eines Einzelnen, sondern kann vielmehr als tradierbare Vorstellung einer hegemonialen Männlichkeit verstanden werden, die sich auf Mikro-, Meso- und Makroebene anhand bestehender Rollenverständnisse immer wieder reproduziert.

Wippermann untersuchte 2020 im Rahmen einer repräsentativen Studie unter anderem das Verständnis von Sexismus innerhalb der Bevölkerung. Dabei stellte er heraus, dass es sich bei Sexismus um einen Begriff handelt, der sich als fester Bestandteil des Wortschatzes innerhalb der Bevölkerung etabliert hat, dem jedoch ein individueller Bedeutungshorizont zugrunde liegt. Gemeinsam ist den verschiedenen subjektiven Definitionen, dass es sich bei Sexismus um einen Distanzierungsbegriff handelt, der moralisch zu verurteilen ist. Hierbei wird ein Geschlecht oder eine Person aufgrund ihres Geschlechts pauschal herabgesetzt, erniedrigt, auf Äußerlichkeiten reduziert, nicht als Person anerkannt und somit als Objekt instrumentalisiert. Es ist somit auch ein Sammelbegriff für verschieden Formen von Übergriffigkeit und Herabwürdigung des anderen Geschlechts (vgl. Wippermann 2020: 8).

Sexuelle Belästigung wird häufig als aktive Tat von Sexismus beschrieben. Wippermann spricht von „sexistischen Handlungen“ und führt zum Zustandekommen ebendieser wie folgt aus:

„Damit wird deutlich: Es sind nicht die äußerlichen Handlungen ,an sich‘, sondern diese werden zu sexistischen Handlungen

1. durch Motive und Ziele der Handelnden (der Täter);
2. durch die Situation und die Beziehungsbiographie der beteiligten Personen (eine Umarmung kann völlig normal und sexismusfrei sein, wenn beide sich kennen und dies zur Beziehungsqualität gehört);
3. durch die Interpretation im Kopf der Betroffenen.
Dieser dritte Aspekt ist signifikant für tendenziell unterschiedliche Sexismusauffassungen von Frauen und Männern“ (Wippermann 2020: 9).

Demnach ist sexuelle Belästigung eine sexistisch motivierte Handlung. Besonders hervorgehoben wird, dass diese erst, durch die Interpretation des Opfers eingestuft wird. Die juristische Definition sexueller Belästigung findet sich in § 3 (4) AGG:

„Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

Auch wenn sich das AGG nicht auf alle Lebensbereiche anwenden lässt, da es sich primär auf privatwirtschaftliche Rechtsbeziehungen beschränkt, können hier wichtige Merkmale sexueller Belästigung abgeleitet werden. Sexuelle Belästigung ist ein „sexuell bestimmtes“ Verhalten und setzt somit eine Motivation der Täterin/des Täters voraus, die durch das Opfer „unerwünscht“ ist, was wiederum auf die Interpretationsprozesse der Opferseite deutet. Darüber hinaus macht die Definition deutlich, dass sexuelle Belästigung verbal, körperlich oder durch Darstellungen erfolgen kann, die das Opfer in seiner persönlichen Ehre angreift.

Eine vereinfachte Unterteilung von Sexismus und sexueller Belästigung nehmen Diehl et al. vor: „‘Sexismus‘ ist also der umfassendere Begriff, weil er auch Überzeugungen und Einstellungen einschließt, wohingegen ‚sexuelle Belästigung‘ sich immer auf Verhalten bezieht, das dazu führt, dass sich eine Person unwohl und in ihrer Würde verletzt fühlt‘‘ (Diehl et al. 2014: 23).

Demnach liegt der Unterscheidung keine Dichotomie zugrunde. Eher lässt sich Sexismus als vielgliedriger Oberbegriff verstehen, dem verschiedenste Formen der Diskriminierung und Einzelphänomene inhärent sind. Sexuelle Belästigung hingegen stellt eine konkrete Form abweichenden Verhaltens dar, die als sexistisch eingeschätzt wird. Sexuelle Belästigung beschreibt somit sexuell bestimmte Verhaltensformen, die zu Ehr- und Würdeverletzung des Opfers beitragen. Diese kann verbal, nonverbal oder körperlich erfolgen. Die Definitionen von sexueller Belästigung lassen einen hohen Interpretationsspielraum zu, weshalb Eichenberg und Auersperg auch von einem „Graubereich“ sprechen (vgl. Eichenberg/Auersperg 2014: 159). Die basale Erkenntnis o.g. Definitionen zu Sexueller Belästigung und Sexismus scheint jedoch, dass sexistischen Handlungen immer eine entsprechende Bedeutungszuschreibung zugrunde liegen. Erst die Empfängerin oder der Empfänger entscheidet über die Interpretation des Gesagten oder Getanen. Hier erfährt die grundsätzliche Feststellung von Sack Bedeutung: „Die Handlung selbst liefert ihre eigene Interpretation nicht mit. Diese wird an sie von außen herangetragen" (Sack 2016: 117).

Eine besondere und in den Medien weit verbreitete, skandalisierte Ausprägung von sexueller Belästigung ist das „Catcalling“3 oder auch „Street Herassment“4 genannt. Internationale Bekanntheit erlangte das Phänomen insbesondere durch das Videoexperiment „10 Hours of Walking in NYC as a Woman“ im Jahr 2014 des Regisseurs Rob Bliss für das feministische Non-Profit Projekt „Hollaback“ (vgl. Bliss 2014). Hierbei wurde die Schauspielerin Shoshana Roberts für zehn Stunden, während eines Spaziergangs durch New York verdeckt gefilmt. Hervorgehoben wird am Anfang des Videos, dass Robert schweigend spaziert und dabei wenig auffallende Kleidung trägt. In dem daraus resultierenden zweiminütigen Videozusammenschnitt ist zu sehen, wie Roberts von verschiedensten Männern angesprochen wird. Die Äußerungen reichen dabei von Kommentaren zu ihrer Figur hin zu Pfiffen und Ausrufen sowie Versuchen mit ihr ins Gespräch zu kommen. Da Roberts auf die verschiedensten Ansprachen nicht eingeht, reagieren vereinzelte Männer mit wütenden Kommentaren. Am Ende des Videos wird erklärt, dass die Schauspielerin von insgesamt 108 Männern angesprochen wurde. Das Video erlangte virale Bedeutung in den sozialen Medien und führte zu einem internationalen Diskurs über Catcalling bzw. Street Herassment. In einer Definition von Gräber und Horten heißt es zu Catcalling: „Verbale sexuelle Belästigungen durch Männer im öffentlichen Raum, die sich durch Geräusche, wie etwa Pfiffe, vermeintliche Komplimente bis hin zu Beleidigungen äußern, werden im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs unter dem Begriff ‚catcalling‘ subsumiert“ (Gräber/Horten 2021: 1). Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages beschreibt das Phänomen wie folgt: „Mit dem aus der englischen Umgangssprache stammenden Begriff werden überwiegend Belästigungen im öffentlichen Raum durch sexuell konnotiertes Rufen, Reden, Pfeifen oder sonstige Laute beschrieben, wobei das Verständnis des Begriffes im Einzelnen uneinheitlich ist“ (Bundestag 2020: 4). Im gleichen Kontext finden sich für Catcalling auch die Bezeichnungen „verbal street herassment“, „stranger herassment“ oder „public herassment“ (vgl. Johnson/Bennet 2015: 1, vgl. Fileborn 2016: 2, vgl. DelGreco 2016: 2).

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Catcalling eine Form der sexuellen Belästigung ist. Diese findet in der Öffentlichkeit statt und ist durch sexuell übergriffig empfundenes, despektierliches Verhalten geprägt. Charakteristisch ist weiterhin, im Gegensatz zu anderen Formen der sexuellen Belästigungen oder des „physical street herassment“, dass es zu keinem körperlichen Kontakt (Unterscheidung „Hands Off“ und „Hands On“-Delikt (vgl. Rüdiger 2020: 278 f.)) zwischen Täterin oder Täter und dem Opfer kommt und diese sich meist unbekannt sind.

2.2 Erscheinungsformen sexueller Belästigung im analogen Raum

Empirische Forschung zu sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen gibt es bislang wenig. Aus diesem Grund ist es zielführend, sich zunächst mit dem Phänomen in der analogen Welt auseinanderzusetzen. Dass es sich im Analogen um ein gesellschaftlich relevantes Problem handelt, zeigen verschiedene Studien. So befragte Wippermann in einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe 2.172 Frauen und Männer, wobei 63 % der Frauen und 49 % der Männer angaben, sexistische Übergriffe selbst erlebt oder bei anderen beobachtet zu haben (vgl. Wippermann 2020: 33). Als häufigste Form der sexuellen Übergriffe wurden verbale Übergriffigkeit (Frauen 45 %; Männer 47 %) sowie körperliche Übergriffigkeit ohne Berührungen durch Gesten und Zeichen (Frauen 39 %; Männer 38 %) benannt (vgl. ebd. 2020: 36). Bei der Betrachtung der Örtlichkeiten, an denen diese Taten erlebt wurden, wird deutlich, dass es sich hier um abweichendes Verhalten im Sinne von Catcalling gehandelt haben dürfte. Dementsprechend erlebten die befragten Frauen die Übergriffe am häufigsten (46 %) an öffentlichen Plätzen durch Unbekannte. Die befragten Männer hingegen erleben sexistische Übergriffe am häufigsten am Ausbildungs- und Arbeitsplatz (45 %) und erst an zweiter Stelle (42 %) an öffentlichen Plätzen (vgl. ebd. 2020: 34). Im internationalen Vergleich sind sogar höhere Prävalenzwerte feststellbar, so verweisen Johnson und Bennet darauf, dass 87 % der australischen Frauen wenigstens einmal eine Form von „verbal or phsysical street herassment“ erlebt haben (vgl. Johnson/Bennet 2015: 1). Kearl macht in ihrer Studie mit 2000 Befragten für den amerikanischen Raum folgende Feststellung:

„Sixty-five percent of women reported experiencing at least one type of street harassment in their lifetimes. More than half (57%) of all women had experienced verbal harassment, and 41% of all women had experienced physically aggressive forms, including sexual touching (23%), following (20%), flashing (14%), and being forced to do something sexual (9%). For men, 25% experienced street harassment, too, including 18% who experienced verbal harassment and 16% who experienced physically aggressive forms“ (Kearl 2014: 6).

Neben der hohen Zahl an Betroffen verweist Fileborn darauf, dass Street Herassment bei Opfern neben negativen Emotionen wie Angstgefühlen, Verunsicherung und Verärgerung zum Teil auch körperliche Auswirkungen wie Zittern, Schwitzen und eine erhöhte Herzfrequenz verursachen kann. Darüber hinaus wirkt es sich auf das Sicherheitsgefühl aus und hat zur Folge, dass bestimmte öffentliche Bereiche nicht mehr betreten werden (vgl. Fileborn 2016: 1483).

Wie bereits geschildert, ist ein Kernaspekt sexueller Belästigung die Interpretation des Gesagten oder Gezeigten als sexueller Inhalt. An dieser Stelle muss auch die Frage gestellt werden, warum Rufe, Laute oder Pfiffe als sexuell konnotiert gedeutet werden? Im Sinne des symbolischen Interaktionismus von Mead beruhen menschliche Kommunikations- und Interaktionsprozesse auf der Deutung von signifikanten Symbolen (vgl. Strauss 1964: 210f). „Symbole sind Zeichen, die Träger einer über sie selbst hinausweisenden Bedeutung sind. Signifikante Symbole sind Symbole, die von mehreren oder allen Mitgliedern einer sozialen Gruppe in gleicher Weise benutzt und verstanden werden“ (Keller 2009: 50). Demnach sind auch Rufe, Laute oder Pfiffe in der Öffentlichkeit Symbole, die jeweils unterschiedlich interpretiert werden. Ein einfaches Pfeifen kann als Symbol unterschiedliche Bedeutungen haben, so kann es als Warnung fungieren, ein Lied nachstellen oder die Aufmerksamkeit von jemanden erwecken. Je nach erfahrener Sozialisation kann die Wahrnahme eines Pfiffs in bestimmter Klangfolge aber auch als sexuelle Anbahnung interpretiert werden. In diesem Fall würde der Pfiff in dieser Klangfolge ein signifikantes Symbol darstellen. Das wohl verbreitetste Stigma zur Veranschaulichung von Catcalling ist in diesem Fall eine Gruppe von Bauarbeitern, die einer jungen Frau hinterherpfeifen, um damit zu verdeutlichen, dass diese besonders attraktiv ist. Mead spricht in Bezug auf signifikante Symbole auch von einer: „[…] ‚Redegemeinschaft’, in der permanent[e] Bedeutungen, also signifikante Symbole, produziert und reproduziert werden. Dies schließt ein gewisses Maß an ‚Kommen und Gehen’ ein: immer wieder verschwinden Symbole, also beispielsweise Wörter oder Ausdrücke, die nicht mehr benutzt werden, und neue kommen hinzu“ (ebd. 2009: 54). Signifikante Symbole sind somit keine feststehenden Größen, denen immer die gleiche Interpretation zugrunde liegt, sondern wandelbar und im Kontext der Sozialisation zu betrachten. Besonders interessant erscheint diese Aussage in Hinblick auf Onlinekommunikation, in der häufig sog. Emoji5 verwendet werden. Hier fungiert beispielsweise das Emoji einer Aubergine seit geraumer Zeit als Symbol für das männliche Genital (vgl. Kruse 2015). Hierbei dürfte davon ausgegangen werden, dass diese Bedeutung nicht seit jeher zugemessen wurde, sondern sich erst im Laufe der Zeit entwickelt hat. Darüber hinaus wird ersichtlich, dass es im digitalen Raum eine Art unabhängige Redegemeinschaft gibt. So wird die Aubergine wahrscheinlich nicht von allen deutschsprechenden Menschen als männliches Geschlechtsteil interpretiert, wohl aber von den meisten intensiven Nutzern sozialer Medien weltweit, unabhängig von ihrer Muttersprache.

Festzuhalten bleibt, dass sexuelle Belästigung mit ihren verschiedenen Ausprägungen ein global verbreitetes Phänomen im analogen Raum ist. Diese Formen abweichenden Verhaltens können dabei nicht nur als unangenehm empfunden werden, sondern sich auch auf Lebensgewohnheiten und Sicherheitsgefühl der Betroffenen auswirken. Dabei ist sexuelle Belästigung immer auch Folge eines Kommunikations- und Interpretationsprozesses. Demnach liegt die semantische Auslegung, eines als Grenzüberschreitung empfundenen Kommentars oder Ausrufs, immer beim Empfänger. Wippermann betont, „[…] dass auch Betroffene nicht per se passiv sind, sondern in einem aktiven Deutungsakt bestimmte Signale als sexistisch deuten, dadurch mental und emotional ernsthaft verletzt werden und sich herabgewürdigt fühlen“ (Wippermann 2020: 17).

2.3 Ausgestaltung und Funktionsweise von Online-Verkaufsplattformen

Um das Problem sexueller Belästigung auf Online-Verkaufsplattformen zu beschreiben, wird es nötig sein, eine Darstellung des grundsätzlichen Aufbaus ebenjener Internetseiten darzustellen. Bei Verkaufsplattformen mit der Möglichkeit des Austausches zwischen Privatnutzern handelt es sich um sogenanntes „Peer-to-Peer Sharing“ (vgl. Scholl 2019: 10). Scholl definiert:

„Peer-to-Peer Sharing steht für die zwischen Privatpersonen geteilte und von Dritten vermittelte Nutzung von materiellen Gütern. Das Teilen findet entweder zwischen verschiedenen Nutzern ohne Eigentumsübertragung im Sinne einer Nutzungsintensivierung (Co-Using, Verleihen, Vermieten) oder mit Eigentumsübertragung im Sinne einer Nutzungsdauerverlängerung (Verschenken, Tauschen, Weiterverkaufen) statt“ (Scholl 2019: 11).

Der Fokus der vorliegenden Arbeit soll auf den Peer-to-Peer Sharing Plattformen liegen, die sich insbesondere dem Weiterverkauf gewidmet haben. Der o.g. Definition folgend, produzieren Privatpersonen auf entsprechenden Portalen eigenständig Angebote und stellen gleichzeitig die Konsumierenden selbiger dar. Somit werden Nutzerinnen und Nutzer von Peer-to-Peer Sharing von reinen Konsumenten zu „Prosumenten“ (engl. „Prosumer“). Diese erstellen Angeboten, suchen Kundinnen und Kunden oder Händlerinnen und Händler und bauen Kontakt zu diesen auf. Den Portalen kommt die Aufgabe der Koordinierung und Vermittlung zu. Die überwiegend kommerziell orientierten Plattformbetreiber verlangen für diese Leistung in der Regel eine Provision, ein Abonnement oder finanzieren sich durch Werbeeinnahmen (vgl. Flick/Henseling 2019: 19). Die Zahl der Anbieter ist groß, die beiden bekanntesten Portale sind eBay Kleinanzeigen und Vinted. Aufgrund der Limitation der Arbeit soll sich im Weiteren auf diese zwei Anbieter beschränkt werden.6

Bei eBay Kleinanzeigen handelt es sich um einen Ableger des US-amerikanischen Unternehmens „eBay inc“ aus dem Jahr 2009. Nach eigenen Angaben wird das Portal von rund 32 Millionen Nutzerinnen und Nutzern monatlich genutzt und gehört damit zu den reichweitenstärksten Web-Angeboten Deutschlands (vgl. eBay Kleinanzeigen 2020a). Für die Nutzung ist eine einmalige Anmeldung mit E-Mail-Adresse notwendig, welche im Anschluss noch über den E-Mail-Account bestätigt werden muss. Der Registrierungsprozess ist unkompliziert, schnell und ermöglicht es aufgrund der geringen Voraussetzung auch mehrere Accounts anzulegen. Danach hat die Nutzerin oder der Nutzer die Möglichkeit eigene Anzeigen („ich suche“ oder „ich biete“) zu erstellen oder nach diesen zu suchen. eBay Kleinanzeigen unterteilt seine Angebote in verschiedene Kategorien. Diese umfassen Immobilien, Fahrzeuge, Dienstleistungen, Kleidung, Gegenstände des alltäglichen Bedarfs etc. Trotz der umfangreichen Angebotsauswahl macht eBay Kleinanzeigen jedoch auch Einschränkungen hinsichtlich der erlaubten angebotenen Produkte und Vorgaben hinsichtlich Anzeigenerstellung sowie Kommunikation und Kontaktaufnahme zwischen den Nutzerinnen und Nutzern (vgl. eBay Kleinanzeigen 2020b). Neben den Kategorien stehen noch weitere Filterfunktionen zur Verfügung, über die sich die Angebotssuche eingrenzen lässt. Bei Interesse an einem Produkt hat die Interessentin/der Interessent, die Möglichkeit der Anbieterin/dem Anbieter eine Nachricht zu senden. Hierbei kann festgelegt werden, ob und welchen Namen sowie welche Telefonnummer angegeben werden. Die Anfragen können somit auch anonym gestellt werden. Reagiert die Anbieterin/der Anbieter auf die Nachricht, besteht die Möglichkeit der Kommunikation über die ggf. angegebene Telefonnummer oder eine Chat Box. In dieser gibt es die Möglichkeit dann auch Fotos und Videos hochzuladen.

Die Nutzerin/der Nutzer kann nicht nur Anzeigen suchen, sondern auch eigenständig solche erstellen. Zwingende Eingaben sind hierbei: Anzeigetyp (ich biete oder ich suche), Titel der Anzeige, Beschreibung, Preis, Postleitzahl, Anbietertyp (Privat o. Gewerblich), Name. Optional hingegen bleibt die Angabe einer Telefonnummer, Straße/Nr. sowie ein Bild des Produktes. Auch hier ist fakultativ, wie viele Informationen preisgegeben werden und ob diese der Wahrheit entsprechen, eine Verifizierung findet nicht statt. Wenngleich eBay Kleinanzeigen keine Rückmeldung darüber erlangt, ob der Verkauf schlussendlich stattgefunden hat, werden beide Parteien (Anbieterin/Anbieter und Interessentin/Interessent) aufgefordert die jeweils andere zu bewerten. Die Bewertungen umfassen Kategorien wie Pünktlichkeit, Freundlichkeit, Zuverlässigkeit und angemessene Preisvorstellungen. Das Feedback wird anonym übersandt und ist optional. Da der Handel zwischen Privatpersonen stattfindet, sind solche Arten von Reputationssystem basal für die Vertrauensbildung und der daraus resultierenden Kaufentscheidung (vgl. Flick/Henseling 2019: 23).

Sollte die Onlinekommunikation nicht den Richtlinien von eBay Kleinanzeigen entsprechen, haben die Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit andere Personen bzw. dessen Anzeige aufgrund von Verstößen gegen die Richtlinie von eBay Kleinanzeigen zu melden. Dies kann die Sperrung von Mitgliedern zur Folge haben. Zu dieser Form der informellen Sozialkontrolle wird im späteren Verlauf der Arbeit noch detaillierter eingegangen.

Der zweite Anbieter, der im Rahmen vorliegender Arbeit thematisiert werden soll, ist Vinted. Dieser weist grundsätzlich eine ähnliche Funktionsweise wie eBay Kleinanzeigen auf, begrenzt das Produktsortiment jedoch auf Bekleidung sowie Beauty- und Pflegeartikel. Scholl und Gossen (2019) sprechen in diesem Zusammenhang vom reinen Kleider-Sharing:

„Beim Kleider-Sharing kommen Menschen zusammen, die Kleidung verschenken, tauschen, kaufen oder verkaufen wollen. Die Vermittlung zwischen dem privaten Anbieter von Kleidung und der Person, die bestimmte Kleidung sucht, geschieht nach kostenloser Registrierung auf dafür bestimmten Online-Plattformen über das Internet bzw. über Apps für Smartphone/Tablets. Manche Dienste besitzen eine Nachrichtenfunktion und ein aktives Forum. Für die Inanspruchnahme der Dienste erheben manche Vermittlungsplattformen eine Gebühr“ (Scholl/Gossen 2019: 44).

Das heutige Vinted entstand aus der Fusion der zwei Kleider-Sharing Plattformen „Kleiderkreisel“ und „Mamikreisel“ 7 und hatte im Jahr 2020 circa 34 Millionen registrierte Mitglieder in zwölf Ländern, davon entfallen 8,5 Millionen auf Deutschland (vgl. Timmler 2020). Dass es sich beim Kleider-Sharing um einen bedeuteten und in den letzten Jahren stark angewachsenen Markt handelt, zeigen Untersuchungen von Scholl und Gossen aus dem Jahr 2019. Demnach praktiziert ein Fünftel der deutschen Bevölkerung nach eigener Aussage Kleider-Sharing bereits und 26 % der restlichen Bevölkerung kann sich vorstellen, dies zukünftig zu tun (vgl. Scholl/Gossen 2019: 45).

Die Anmeldung auf Vinted funktioniert analog zu eBay Kleinanzeigen sehr einfach. Hierfür ist die Angabe einer E-Mail-Adresse und eines Nutzernamens notwendig. Alternativ ist auch die Nutzung über einen bestehenden Facebook-, oder Google Account sowie mittels Apple ID möglich. Auch hier lassen sich schnell und unkompliziert mehrere Profile anlegen. Nach erfolgter Anmeldung verfügt die Nutzerin oder der Nutzer über ein Profil, das diverse freiwillig angegebene Details ersichtlich werden lässt. Dies reicht von der Veröffentlichung eines Profilbildes mit Selbstbeschreibung über favorisierte Versandarten, zu möglichen Bezahlmethoden. Es kann wie bei eBay Kleinanzeigen nach Artikeln, die in bestimmte Kategorien unterteilt sind, gesucht werden. Bei eigenen Inseraten können Bilder des Produkts hochgeladen und Angaben zu entsprechender Kategorie, Marke, Zustand und sonstige Beschreibungen eingefügt werden. Ist eine Nutzerin/ein Nutzer am Produkt interessiert, kann dieses direkt gekauft oder mittels Nachricht weitere Fragen gestellt bzw. bezüglich des Preises verhandelt werden. Hierbei besteht sofort die Möglichkeit, eigene Bilder oder Dateien der Nachricht hinzuzufügen. Bei Durchführung des Handels verbleiben die gesamten Einnahmen bei der Verkäuferin/beim Verkäufer. Die Plattform profitiert, wenn die Möglichkeit eigene Produkte mittels Einmalzahlung zu „Pushen“ verwendet wird und die Artikel dadurch mehr Nutzerinnen und Nutzern angezeigt werden, womit die Verkaufswahrscheinlichkeit erhöht wird. Auch Vinted kontrolliert nicht, ob der Verkauf schlussendlich zustande gekommen ist, verfügt aber über ein zu eBay Kleinanzeigen vergleichbares, freiwilliges Reputationssystem. Darüber hinaus können Nutzerinnen und Nutzer bei unangemessener Kommunikation gemeldet werden (vgl. Vinted 2021a).

Abschließend kann konstatiert werden, dass sowohl eBay Kleinanzeigen als auch Vinted über ein hohes Nutzeraufkommen verfügen, was sie für die weitere Betrachtung relevant macht. Die einfache Handhabung, die unkomplizierte Anmeldung sowie die kostenlose Verfügbarkeit tragen sicherlich zum Erfolg dieser Peer-to-Peer Sharing Plattformen bei. eBay Kleinanzeigen und Vinted verfügen über unkomplizierte Möglichkeiten mit anderen Nutzerinnen und Nutzern in Kontakt zu treten, dabei ist Art und Umfang der Informationsweitergabe von persönlichen Daten oft fakultativ. Die Kommunikation kann via Text aber auch mittels Bild- und Videodateien stattfinden. Um unangemessener Kommunikation entgegenzuwirken, setzen die Anbieter auf schriftliche Meldesysteme, die bis zur Sperrung von Nutzerinnen und Nutzern führen kann. Demgegenüber steht jedoch die Möglichkeit der Mehrfachregistrierung, sodass bei Sperrung eines Accounts, ein anderer genutzt werden kann. Aus diesem Grund kommt auch der Bewertung im Rahmen eines Reputationssystems eine zentrale Rolle bei Kaufentscheidungen zu. So kaufen Nutzerinnen und Nutzer eher bei anderen Personen mit möglichst vielen positiven Rezensionen.

2.4 Sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen (Medienberichterstattung)

In den vergangenen Jahren erschienen zahlreiche mediale Berichterstattungen über sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen, diese reichten von einfachen Presseberichten (vgl. Goonewardena 2016, vgl. Kind 2018, vgl. Fischer 2020) bis hin zu ausführlichen Videoreportagen (vgl. Bayerischer Rundfunk 2020, vgl. Hessischer Rundfunk 2021, vgl. RTL.de 2021). Häufigste Erwähnung fanden dabei Vinted und eBay Kleinanzeigen. In der vorliegenden Berichterstattung wurden verschiedenste Phänomene sexueller Belästigung be- und umschrieben. Da die Bedeutungen dieser Termini zum Teil amorph erscheinen, wurden diese in Tabelle 1 entsprechend ihrer Charakteristik veranschaulicht. Um eine Vorbetrachtung des Phänomens, im Kontext der gesellschaftlichen Debatte darum, vorzunehmen, wird im Weiteren sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen anhand der o.g. Berichterstattung untersucht.

Tabelle 1: Mögliche Internetphänomene auf digitalen Verkaufsplattformen mit sexuellem Bezug

Phänomen

Charakteristik

Catfishing

- Täuschungshandlung in sozialen Netzwerken

- in betrügerischer Absicht wird eine falsche Identität angelegt, um zielgerichtet ein bestimmtes Opfer oder einen bestimmten Opfertyp anzusprechen

Sexting

- Versenden und Empfangen von persönlichen erotischen oder sexuellen Inhalten – allen voran Nacktbildern – im Rahmen privater Online-Kommunikation über mobile Anwendungen

- mögliche Szenarien: Austausch zwischen Partnerinnen und Partnern, Austausch zwischen Partnerinnen und Partnern mit anschließender unerlaubter Weitergabe an Dritte sowie Austausch zwischen Personen, die in keinem Bekanntschaftsverhältnis stehen

Stalking und Cyberstalking

- wiederkehrende Verfolgung, Nachstellung und Belästigung eines Menschen, um Kontrolle über das Opfer zu erlangen

- Cyberstalking findet ausschließlich im digitalen Raum statt, kann aber auch eine Ergänzung des analogen Stalkings sein

Fetisch-Anfragen

- zielgerichtete sexuell konnotierte Nachfrage nach Gegenständen, die über bestimmte Eigenschaften verfügen und dem Lustgewinn des Käufers/der Käuferin dienen sollen (z.B. getragene Unterwäsche, Socken oder Schuhe)

unerlaubte Verbreitung von Bildern

- unerlaubte Speicherung und Weiterverbreitung von Fotos

- die Veröffentlichung bzw. Weiterverbreitung der Bilder dient der Beschämung des Opfers und/oder dem eigenen Lustgewinn

Slutshaming

- Herabwürdigung von Nutzerinnen und Nutzern aufgrund sexueller Handlungen oder Darstellungen, die vermeintlich nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen

Cybergrooming

- onlinebasiertes Einwirken mit der Absicht des sexuellen Missbrauchs vorranging minderjähriger Opfer (offline/online)

- nicht immer ist es Ziel, das Opfer offline zu treffen, für manche Täter ist bereits die sexuelle Online-Viktimisierung die Motivation

- gekennzeichnet durch manipulativen Beziehungsaufbau mit wiederholter Kontaktaufnahme zum Opfer

- diverse Stufen, von oberflächlichen bis zu intensiven Beziehungen, sind möglich

Quelle: vgl. Pointner 2020: 29 f., vgl. Kattenberg 2020: 28, vgl. Otternberg/Schmölz 2018: 69, vgl. Katzer 2014: 2, vgl. Eichenberg/Auersperg 2014: 166 ff., vgl. Frank 2007: 185 – eigene Darstellung

Goonewardena (2016) beschreibt in seinem Artikel „Wie junge Frauen auf Kleiderkreisel sexuell belästigt werden“, dass Nutzerinnen der Plattform immer wieder zum Übersenden sogenannter „Tragebilder“8 aufgefordert werden. Dabei würden sich männliche Nutzer häufig weibliche Profile anlegen, um dann nach Tragebildern von Unterwäsche oder Badebekleidung zu verlangen, die verkauft werden soll (vgl. Goonewardena 2016). Diese Anfragen werden unter dem Vorwand gestellt, die Kleidung im getragenen Zustand zu sehen. Das Anlegen von falschen Identitäten in sozialen Medien, um für einen bestimmten Opfertypus besonders attraktiv zu sein, nennt man auch „Catfishing“ (vgl. Thiel 2020: 244). Zweck der Identitätsverschleierung scheint zu sein, dass durch das Anlegen eines weiblichen Profils das Kaufinteresse unterstrichen wird, um so die Nutzerin oder den Nutzer zur Übersendung von körperbetonten Tragefotos zu bringen, woraus ein Lustgewinn erfolgen könnte. Solange beim Anlegen eines falschen Profils nicht die Identität einer anderen real existierenden Person verwendet wird, scheint bei diesem Phänomen in erster Linie ein Verstoß gegen die internen Richtlinien der Betreiber vorzuliegen (vgl. eBay Kleinanzeigen 2020d, vgl. Vinted 2021a).

Neben der Aufforderung zum Übersenden von Tragebildern beschreibt Kind in ihrem Artikel, dass viele Nutzerinnen von Kleiderkreisel und Vinted obszöne Kommentare und plumpe Flirtversuche als Reaktion auf ihre Anzeige erhalten würden. Dies ginge aber auch mit dem unaufgeforderten Übersenden von pornografischen Inhalten in Form von männlichen Genitalien9 einher (vgl. Kind 2018). Das Übersenden von erotischen Nachrichten oder Bildmaterial über das Handy bzw. das Internet wird auch als „Sexting“ beschrieben (vgl. Eichenberg/Auersperg 2014: 165). Bei Sexting handelt es sich jedoch keineswegs um ausschließlich deviantes Verhalten. So liegen die Prävalenzraten für Jugendlich bei 10,2 % und bei Erwachsenen zwischen 30-54 %, was das Übersenden von erotischen Text- oder Bildmaterial anbelangt (vgl. March/Wagstaff 2017: 1). Entscheidend ist das Szenario, in dem Sexting vorkommt. Es kann zum Austausch von entsprechenden Bildern und Texten innerhalb von Paarbeziehungen kommen. Dies kann prinzipiell im Rahmen moderner Liebesbeziehungen, die auch auf große Distanz stattfinden, als normenadäquat betrachtet werden. Abweichendes Verhalten dürfte hingegen vorliegen, wenn die übersandten Daten ungefragt an Dritte weitergegeben werden, oder es, wie oben beschrieben, zu einem unaufgeforderten Übersenden von entsprechendem Bildmaterial kommt, ohne dass überhaupt ein Bekanntschaftsverhältnis besteht. In solchen Fällen liegt ein Verstoß im Sinne des § 184 (1) Nr. 5 StGB „Verbreitung pornografischer Inhalte“ vor. Die Rechtsnorm besagt: „(1) Wer einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) […] 6. an einen anderen gelangen läßt, ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein, […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft“.

Im Bericht von Goonewardena schildert eine Nutzerin, dass sie immer wieder von einer Person Bilder zugeschickt bekam, auf der sich diese selbst befriedigt. Dabei gab sie weiter an, dass diese Person über mehrere Accounts verfügte, sodass das Melden einzelner Accounts dem weiteren Übersenden von Bildern keinen Abbruch tat (vgl. Goonewardena 2016). Demnach lag hier eine gezielte wiederholte Belästigung eines Opfers vor. Ähnliche Verhaltensweisen lassen sich auch beim „Cyberstalking“ feststellen. Pointer beschreibt das Phänomen als „[…] eine wiederkehrende Verfolgung eines Menschen, um die Kontrolle über das Opfer zu erlangen. Das herkömmliche Stalking läuft in der realen Welt ab, während Cyber-Stalking in die virtuelle Welt passiert. Die Definition von Cyber-Stalking „[...] ist das wiederholende Verfolgen eines Opfers ohne deren [sic] Zustimmung über das Internet“ (Pointner 2020: 29). Stalking bzw. im deutschen „Nachstellung“, ist gem. § 238 StGB strafbar. In der Videoreportage des Bayrischen Rundfunks (2020) schildert eine interviewte weibliche Person, dass sich ein männlicher Nutzer auf ihre Anzeige zum Verkauf einer Handtasche meldete. Dabei fragte dieser anschließend, ob sie denn auch gebrauchte Unterwäsche verkaufen würde, was sie verneinte. Als sich kurze Zeit später eine weibliche Nutzerin für die Handtasche interessierte, wurde ein Treffen an der Wohnanschrift der Verkäuferin ausgemacht. Die vermeintliche Interessentin für die Handtasche stellte sich dann aber als der o.g. männliche Nutzer heraus, der nun wieder nach getragener Unterwäsche fragte. Dieses Beispiel zeigt nicht nur die Amalgamierung der Phänomene „Cyberstalking“ und „Catfishing“, sondern auch, wie sich die Handlungen in den analogen Raum verlagern können. Goonewardena (2016) beschreibt an anderer Stelle, dass Anfragen nach getragener Unterwäsche und Socken sehr häufig vorkommen würden. Diese „Fetisch-Anfragen“ werden im Beitrag „Socken-, Fuß- und anderen Fetischisten“ zugeschrieben (vgl. Goonewardena 2016). Als Fetisch kann eine sexuelle Vorliebe verstanden werden, bei der die Stimulierung insbesondere durch ein bestimmtes Objekt, Material oder Körperteil hervorgerufen wird (vgl. Frank 2007: 185). Fetisch-Anfragen sind demnach zielgerichtete sexuell konnotierte Nachfragen nach einem bestimmten Gegenstand oder Körperteil (z.B. getragene Unterwäsche, Socken, Füße). Wenngleich nicht strafbar, wird Im Kontext aller genannten Artikel und Videoreportagen das Aufkommen solcher Fetischneigungen auf digitalen Verkaufsplattformen als Paraphilie und somit sexuelle Devianz verstanden. Auch wenn diese sexuelle Vorliebe nicht grundsätzlich verurteilt wird, sprechen sich die Autorinnen und Autoren doch klar gegen entsprechende Anfragen auf digitalen Verkaufsplattformen wie eBay Kleinanzeigen und Vinted aus.

In einer Fernsehdokumentation von RTL zum Thema wird ein weiteres Phänomen aufgezeigt. Durch vermeintliche Recherchen des Teams wurde bekannt, dass Tragefotos von Nutzerinnen der Portale auf einer pornografischen Internetseite zu finden sind (vgl. RTL.de 2021). Tatsächlich können auf der Internetseite www.xhamster.com unter den Suchbegriffen „Vinted“ und „eBay Kleinanzeigen“ Fotoalben mit augenscheinlichen Tragefotos aufgefunden werden (vgl. Abbildung 1 und 2). Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, ob es sich dabei tatsächlich um Bilder der Verkaufsplattformen handelt oder diese Fotoalben nur aufgrund ähnlicher Darstellungen so benannt worden sind. In der Reportage des RTL wurde scheinbar eine Nutzerin ausfindig gemacht, deren Bilder dort verwendet wurden (vgl. RTL.de 2021). Ein solches Verhalten stellt einen Verstoß gegen § 22 KunstUrhG. Denn: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“ Im Rahmen der genannten Videoreportage wird das Weiterverwenden der öffentlich einsehbaren Bilder stark skandalisiert. Die Furcht vor Weiternutzung der Bilder auf entsprechenden Websites würde scheinbar sogar Nutzerinnen und Nutzer davon abhalten, Tragebilder zu veröffentlichen bzw. dazu führen, dass diese ihre Gesichter auf den Fotos unkenntlich machen würden. Unbeantwortet bleibt die Frage, warum die Bekleidung überhaupt in teilweise lasziven Darstellungen angeboten wird. Goonewardena zitiert in seinem Text eine Nutzerin, die klar äußert, dass Tragebilder veröffentlich werden, um eine größere Reichweite zu erzielen und sich die Produkte so besser verkaufen. Dass nebenbei auch versucht wird, ein möglichst positives Selbstbild darzustellen, beschreibt Rüdiger für den Bereich der sozialen Medien als „digitalen Narzissmus“ (vgl. Rüdiger 2020: 91). Demnach ist die Nutzung sozialer Medien von einer digitalen Inszenierung der eigenen Person geprägt, die auf Selbstbestätigung und erhöhte Likes und Followerzahlen abzielt (vgl. ebd. 2020: 91). Somit gibt das digitale Zeitalter den Menschen die Möglichkeit, sich im Cyberspace neu zu verorten, eine andere Identität zu erschaffen und so neue soziale Beziehungen zu knüpfen (vgl. Zurawski 2021: 11). Diese Präsentation der eigenen digitalen Identität, oder im Sinne von Erving Goffman der gespielten digitalen Rolle eines Theaterstücks (vgl. Dellwing 2014: 101 ff.), geht jedoch zum Teil mit der Preisgabe privater Daten einher. Hierbei sind sich Nutzerinnen und Nutzer nicht immer darüber bewusst, wie diese weiterverwendet werden. Insofern besteht hier eine Diskrepanz zwischen dem Bedürfnis nach attraktiver positiver Selbstdarstellung sowie guten Verkaufszahlen und der Gefahr, dass die eigenen Bilder zweckentfremdet werden könnten. Festzuhalten bleibt, dass das Veröffentlichen von Tragebilder auf pornografischen Seiten zumindest als abweichendes Verhalten betrachtet werden dürfte, da es für Betroffene mit Schamgefühlen einhergehen kann, die eigenen Bilder auf pornografischen Seiten wiederzufinden.

Es finden sich jedoch noch weitere Phänomene, die einen Bezug zu Tragebildern haben. So erhielten Nutzerinnen aufgrund der freizügigen Darstellung auf Tragebildern beleidigende Kommentare von anderen Frauen (vgl. Goonewardena 2016). Diese Art von beleidigenden Kommentaren kann auch als „Slut-Shaming“ bezeichnet werden. Darunter versteht man die analoge oder digitale despektierliche Herabwürdigung von Frauen aufgrund von realen sexuellen (bzw. angenommenen) Handlungen oder digitalen Auftritten, welche vermeintlich nicht der gesellschaftlich Norm entsprechen (vgl. van Royen et al. 2018: 81). Solche Beleidigungen bzw. Denunzierungen können gem. §§ 185-187, 192a StGB strafbar sein und zur Anzeige gebracht werden.

In der Reportage des hessischen Rundfunks wird beschrieben, wie Kinder und Jugendliche, die auf eBay Kleinanzeigen nach einem Nebenjob suchen, zur Prostitution angestiftet werden sollen (vgl. Hessischer Rundfunk 2021). Dabei suchen die Kinder und Jugendliche beispielsweise Arbeiten als Babysitterin/Babysitter oder Hundebetreuerin/Hundebetreuer und bekommen Anfragen, ob sie für das gleiche Geld auch sexuelle Handlungen vornehmen würden. Diese Form der sexuellen Anbahnung an Minderjährige kann als „Cybergrooming“ verstanden werden. Rüdiger definiert Cybergrooming „[…]als das onlinebasierte Einwirken auf ein Kind zur Einleitung oder Intensivierung eines sexuellen Missbrauchs“ (Rüdiger 2020: 43). Ähnliche Aufforderung zu sexuellen Handlungen oder gar zur Prostitution finden sich auch bei erwachsenen Nutzerinnen der Verkaufsplattformen, wie die Videoreportage des Bayerische Rundfunks zeigt (vgl. Bayerischer Rundfunk 2020). An dieser Stelle sei aber vorangestellt, dass solche oder ähnliche Anfragen bei Erwachsenen – im Gegensatz zu Anfragen bei Minderjährigen – nicht strafbar sind und somit nicht unter das klassische Cybergrooming im Sinne von Rüdiger fallen. Das Phänomen des Cybergrooming als Anbahnungsform des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlich steht jüngst vermehrt im Fokus kriminologischer Arbeiten (vgl. ebd. 2020; vgl. Eichenberg/Auersperg 2014; vgl. Kattenberg 2020). Aufgrund der Limitation vorliegender Arbeit sei es an dieser Stelle lediglich exemplarisch benannt, da es nachweislich auf digitalen Verkaufsplattformen stattfindet. Der Schwerpunkt der Arbeit soll jedoch auf der sexuellen Belästigung von Erwachsenen liegen, die bislang in diesem Kontext wenig empirisch beforscht wurde.

Festzustellen ist, dass in allen hier erwähnten Berichten ausschließlich Frauen als Opfer von sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen beschrieben werden. Darüber hinaus finden gerade in den Videoreportagen eine regelrechte Skandalisierung und Etikettierung dieser sexuellen Anbahnung als abnormales Verhalten statt. Die Opfer schildern hier ihre Verunsicherung, Empörung, Wut und Angst vor den erlebten Formen der sexuellen Belästigung. Personen, die ebenfalls sexuelle Anbahnung auf ähnliche Weise erlebt haben, diese jedoch nicht als abweichendes Verhalten etikettierten, kommen nicht zu Wort. Die Täterinnen und Täter werden in ihren Beweggründen nicht beleuchtet und somit liegt der Fokus der Berichterstattung mehr auf den Symptomen, denn der Ursache des eigentlichen Problems. In den drei genannten Videoreportagen wird durch die Journalisten selbst ein gefälschtes Profil erstellt, um die o.g. Verhaltensweisen zu forcieren. Zweifellos haben die Medien bei der Wahrnehmung von Kriminalität und abweichendem Verhalten eine herausragende Verantwortung, weshalb eine solch überspitze Form der Berichterstattung auch zu Recht kritisiert werden muss (vgl. Klimke 2007: 34 f.). Die geschilderten Vorgehensweisen erinnern stark an die viel kritisierte RTL-Serie „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder“ bzw. das US-amerikanische Pendant „To catch a Predator“. Ziel bei diesen Serienformaten war es, mit Schauspielerinnen und Schauspielern und gefälschten Profilen in sozialen Medien Kontakt zu vermeintlich pädophilen Personen aufzubauen, diesen einen Kontakt mit einem Kind vorzutäuschen und anschließend zu „überführen“. Die Sendungen berichten demnach nicht nur über vermeintliche Straftaten, sondern schufen eine Situation, in der diese überhaupt erst erzeugt wurden. Die formalen und sozialen Folgen, die sich für die Täterinnen und Täter ergaben, wurden dabei billigend in Kauf genommen10. Somit wandelte sich das Medium vom bloßen objektiven Vermittler, zum Ankläger, Richter und damit Akteur im Feld der inneren Sicherheit resp. Kriminalitätswahrnehmung (vgl. Bidlo et al. 2012: 116). Diese Kritik ist notwendig und unterstreicht die Unabdingbarkeit objektiver empirischer Forschung zu abweichendem Verhalten in diesem Bereich.

2.5 Sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen (Foren Beiträge)

Zusätzlich zur o.g. Presseberichterstattung wurden fragmentarische Recherchen auf dem Nutzerforum von Vinted durchgeführt (vgl. https://www.vinted.de/forum). Auf diesem tauschen sich Nutzerinnen und Nutzer über Erfahrung und Probleme mit Vinted, aber auch aus anderen Bereichen wie eBay Kleinanzeigen aus. In diversen Foren werden sexuelle Belästigungen auf beiden Plattformen thematisiert. Das beschriebene Problem wird hierbei in ähnlicher Weise geschildert, jedoch finden sich auch gegenteilige Aussagen. Im Forum mit dem Titel „Sexuelle Belästigung auf KK?“ beschreibt eine Nutzerin, dass sie bei Vinted auf eingestellte Tragebilder, innerhalb von wenigen Minuten Anfragen erhält, die sie als sexuelle Belästigung interpretiert (vgl. Abbildung 3). Eine Nutzerin des gleichen Forums schildert, dass sie auf Vinted bisher nur drei Mal solche Erfahrung gemacht hat, wobei Personen ihre Unterwäsche kaufen oder daran riechen wollten. Bei eBay Kleinanzeigen würden hingegen vermehrt Fetisch-Anfragen und sexuelle Belästigungen stattfinden, die bis zu Prostitutionsanfragen reichen würden (vgl. Abbildung 4). Den Äußerungen aus der o.g. Berichterstattung steht die Aussage eines Forum Beitrages entgegen, bei der auch ein männlicher Nutzer schildert, dass er auf das Angebot seiner Schuhe eine Fetisch-Anfrage erhielt (vgl. Abbildung 5). Eine andere Nutzerin schildert, dass sie in zehn Jahren Nutzung von eBay Kleinanzeigen und drei Jahren Nutzung von Vinted nur eine Anfrage erhielt, die sie als sexuelle Belästigung interpretieren würde (vgl. Abbildung 6). Ein Beispiel, dass nicht alle Nutzerinnen diese Anbahnungsversuche als abweichendes Verhalten betrachten, zeigt Abbildung 7. Hierbei äußert die Nutzerin, dass sie häufiger nach Tragebilder und gebrauchten Schuhen gefragt wird, dies aber für sie keineswegs als Grenzüberschreitung wahrgenommen wird, sofern die Anfragen höflich seien. Im gleichen Zusammenhang schildert sie, dass Tragebilder dazu führen würden, dass sich Produkte besser verkaufen. An anderer Stelle verweist eine Nutzerin darauf, dass sie fast ausnahmslos sexuell konnotierte Anfragen auf Tragebilder bekäme und auch bereits Fetisch-Anfragen erhalten hätte. Dabei gibt die Nutzerin an, dass mittlerweile ihr Sicherheitsgefühl durch diese Belästigungen beeinträchtigt sei (vgl. Abbildung 8). Zusätzlich kann der Beitrag einer Nutzerin erwähnt werden, die mitteilt, dass sie häufig Fetisch-Anfragen erhält, die Anfragenden jedoch meist sehr höflich seien (vgl. Abbildung 9). An anderer Stelle verweist eine Nutzerin darauf, dass sie kaum Schuhe verkaufen könne ohne Fetisch- und Tragebildanfragen zu erhalten (vgl. Abbildung 10). Abbildung 11 zeigt den Beitrag einer Userin die einen Nebenjob suchte, auf ihr Gesuch jedoch Tragebild-Anfragen erhielt. Abschließend soll die Erfahrung einer anderen Nutzerin Erwähnung finden, welche von ständigen sexuellen Anbahnungen und Sexting auf den Plattformen berichtet, die sie als übergriffig empfand. Das Problem würde ihrer Meinung nach jedoch heruntergespielt (vgl. Abbildung 12).

Zusammenfassend lässt sich eruieren, dass die in der o.g. Berichterstattung beschriebenen Phänomene sich auch im Nutzerforum von Vinted widerspiegeln. Dabei lassen sich weder Aussagen bezüglich des quantitativen Aufkommens sexueller Belästigung auf den Verkaufsplattformen noch zum individuellen Erleben ebendieser machen, da die aufgefundenen Nutzerbeiträge nur fragmentarisch konkrete Anbahnungssituationen beschreiben. Jedoch scheint sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen ein relevantes Problem darzustellen, das sowohl in Nutzerforen als auch im Rahmen medialer Berichterstattung vermehrt Beachtung findet. Am häufigsten als sexuelle Belästigung beschrieben wurden dabei sexuelle Anbahnungsversuche und Fetisch-Anfragen. Darüber hinaus finden sich auch Phänomene mit sexuellem Bezug wie Catfishing, Sexting, Cyberstalking, Cybergrooming sowie die unerlaubte Veröffentlichung/Verbreitung von Bildmaterial. Wenngleich durch diese Vorbetrachtung die Perspektive des Forschenden subjektiv gefärbt wird, beschreibt die qualitative Sozialforschung, dass diese Subjektivität eine wichtige Forschungsressource darstellt. Denn der Forschende muss zumindest über ein Grundverständnis des gesellschaftlichen Phänomens verfügen, um dieses aus dem Forschungsprozess heraus verstehen zu können (vgl. Baur/Blasius 2014: 47).

3 Vorbetrachtung – Soziale Kontrolle und der digitale Raum

Immer wieder wird im Rahmen des gesellschaftlichen Diskurses eine Verrohung der Gesellschaft durch das Digitale skandalisiert. Dabei wirkt es ambivalent, dass trotz aller öffentlicher Empörungen die Nutzerzahlen beständig steigen. Das Internet gilt nicht nur als Raum der Freiheit und Kreativität sondern auch als „Tummelplatz“ für Delinquenten aller Couleur. In einer Studie von Katzer wurde bereits im Jahr 2007 eruiert, dass 48,1 % aller Mädchen im Alter von 10–19 Jahren bereits in Internetchatrooms ungewollt in Gespräche über sexuellen Inhalt verwickelt wurden 10,1 % berichteten darüber hinaus, dass ihnen bereits ungewollte Nacktbilder zugeschickt wurden (vgl. Katzer 2007: 88). Eine Bitkom-Studie aus dem Jahr 2019 ergab, dass 8 % aller Internetnutzerinnen und Internetnutzer bereits Erfahrungen mit sexuellen Belästigungen im digitalen Raum gemacht haben (vgl. Krösmann/Alsaba 2019). In verschiedenen kriminologischen Arbeiten werden die Normenverstöße unter anderen auf einen Mangel an sozialer Kontrolle im Internet zurückgeführt (vgl. Katzer 2007: 75, vgl. Rüdiger 2021: 74). Die Forderungen reichen hierbei von verstärkten Interventions- und Präventionsangeboten bis hin zu verstärkter Polizeipräsenz im Netz. Aus diesem Grund soll im nächsten Abschnitt betrachtet werden, wie die verschiedenen Formen sozialer Kontrolle den digitalen Habitus der Nutzerinnen und Nutzer im Cyberspace bereits beeinflussen und wo weitere Potenziale bestehen.

3.1 Soziale Kontrolle im Allgemeinen

In jeder Gesellschaft gibt es soziale Normen, die das Zusammenleben der Menschen untereinander bestimmen. Aus diesem Grund liegt nach Popitz Gesellschaft erst vor, wenn mehrere Menschen ihr Verhalten wechselseitig aneinander orientieren. Mit zunehmender Vergesellschaftung wird diese Orientierung sukzessive intensiver und umfassender (vgl. Popitz 2010: 76). Dieser Orientierungsprozess findet durch die Konstruktion sozialer Normen statt. Unter sozialen Normen versteht Popitz „[e]in Verhalten, das wir als zukünftiges Verhalten erwarten können; ein Verhalten, das bestimmten Verhaltensregelmäßigkeiten entspricht; ein gesolltes, desideratives Verhalten, ein Verhalten, das mit Sanktionsrisiko bei Abweichungen verbunden ist“ (vgl. ebd. 2010: 85). Demnach standardisieren Menschen durch soziale Normen ihr Zusammenleben, um es erwartbar zu machen. Als Illustration dieser Feststellung dient das grüne Lichtzeichen einer Ampel im Straßenverkehr. Dieses zeigt dem Verkehrsteilnehmer an, dass er die Straße überqueren und dabei darauf vertrauen kann, dass die anderen warten. Soziale Normen unterliegen nach Popitz (vgl. ebd. 2010: 65 f.) fünf Konstruktionsprinzipien: (1) Sie typisieren Handlungen und soziale Situationen (Situation = Befahren einer Kreuzung). (2) Zusätzlich bestimmen sie Personenkategorien und ihre damit einhergehenden sozialen Rollen (Personenkategorie = Verkehrsteilnehmer). (3) Dabei ist jedoch jeder einzelne Mensch Träger mehrerer sozialer Rollen, die auch in Konflikt stehen können (Rollenkonflikt = Verkehrsteilnehmer, der sich an die StVO hält, versus Arbeitnehmer, der schnellstmöglich zur Arbeit muss). (4) Weiterhin erfahren soziale Normen nach Ansicht von Popitz nur dann ihre Geltung, wenn auf deren Abweichung eine Sanktion erfolgt (Fährt ein Verkehrsteilnehmer doch bei Rot, begeht er eine Ordnungswidrigkeit und bekommt ein Bußgeld auferlegt). (5) Soziale Normen lassen sich tradieren und habitualisieren, sie werden somit verinnerlicht, gehen in Gewohnheit über und werden an nachfolgende Generationen weitergegeben (Das rote Lichtzeichen ist nahezu allen Mitgliedern der Gesellschaft bekannt). In diesem Zusammenhang soll die Sanktionierung von Normen näher betrachtet werden. Formelle Normen werden typischerweise von der staatlichen Legislative erlassen, in Gesetzen niedergeschrieben und bei Zuwiderhandlung mit Strafen bedroht. Diese können von Geldbußen bis hin zu Freiheitsentzug oder gar Todesstrafe reichen. Aber nicht alle soziale Normen werden mit formeller Strafe bedroht, so können Abweichungen auch zu einfachen Missbilligungen oder Missachtungen durch die Gruppenöffentlichkeit führen (vgl. ebd. 2010: 70). Die Abweichung von einer Norm stellt somit nicht immer ein Verbrechen dar, wird aber immer als abweichendes Verhalten zu bezeichnen sein. Basal ist jedoch, dass diese Abweichung durch eine Gruppenöffentlichkeit erkannt und darauf reagiert. Andernfalls wird die Norm nicht auf Dauer erhalten bleiben oder sich verändern (vgl. Popitz 2010: 72 f.).

Auch wenn die 100 %ige Befolgung von Normen eine Idealvorstellung ist und in keiner Gesellschaft vorkommen wird, dient Sanktionierung als Stabilisator eben jener (vgl. Lamnek 2018: 23). Normen weisen einen unterschiedlichen Geltungs- und Wirkungsgrad auf. Lamnek unterscheidet: „Der Geltungsgrad ist das Ausmaß, in dem die Normsetzer selbst davon überzeugt sind, dass die von ihnen aufgestellte Norm als Verhaltensforderung sinnvoll, notwendig und durchzusetzen ist. […] Der Wirkungsrad ist das Ausmaß, in dem die Normadressaten sich in ihrem Verhalten an die Norm halten“ (ebd. 2018: 22). Als Mechanismus zur Erhöhung des Wirkungsgrades von sozialen Normen kann der Begriff „soziale Kontrolle“ gesehen werden, der sich weitestgehend synonym zum Terminus „Sanktion“ verstehen lässt (vgl. ebd. 2018: 23). Unter Sanktion verstehen Klimke et al.:

„[D]ie gesellschaftliche Reaktion sowohl auf normgemäßes als auch auf abweichendes Verhalten. Für die Erfüllung einer Norm werden Vorteile gewährt, für die Verletzung werden Nachteile – vom Tadel bis zur Todesstrafe – verhängt. Insbesondere werden Normabweichungen negativ sanktioniert. Auf diese Weise soll demonstriert werden, dass das abweichende Verhalten nicht hingenommen wird. Zugleich wirkt eine derartige Reaktion als Geltungsverstärkung der übertretenen Norm“ (Klimke et al. 2020: 677).

Singelnstein und Stolle führen zum Begriff der sozialen Kontrolle aus:

„Sozialkontrolle als Begriff umfasst sowohl staatliche als auch private Mechanismen und Techniken, mit denen eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe versucht, ihre Mitglieder dazu anzuhalten, den von ihr aufgestellten Normen als Verhaltensanforderungen Folge zu leisten. Sie reicht von der Sozialisation als Vermittlungsinstanz über Familie, Schule und soziales Umfeld bis hin zur staatlichen Strafverfolgung und umfasst dementsprechend sehr unterschiedliche Institutionen und Mechanismen“ (Singelnstein/Stolle 2012: 11).

Beiden Begriffen/Definitionen gemein ist der beschriebene Wirkmechanismus, durch den die Gesellschaft oder eine soziale Gruppe versucht, das Verhalten ihrer Mitglieder zu beeinflussen und somit den Wirkungsgrad zu erhöhen. Dies findet von staatlicher Seite insbesondere für jene sozialen Normen statt, die einen hohen Geltungsgrad und somit einen entsprechend hohen Durchsetzungswillen aufweisen. Demnach wird z.B. Steuerhinterziehung i.d.R. härter bestraft als ein verbaler Streit mit Bedrohungen zwischen zwei Personen. Wichtig mutet die Differenzierung von Klimke et al. an, dass Sanktionen entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht ausschließlich negativ konnotiert sind. Vielmehr liegt dem Begriff eine Dichotomie von Positiv (Belohnung) und Negativ (Strafe) zu Grunde.

Ziel der Sanktionierung ist weniger, den geschehenen Normbruch oder den individuellen Abweichler zu bestrafen, um das Verbrechen zu sühnen oder vergelten, eher zielt sie auf zukünftiges Verhalten ab. Somit liegt Sanktionierung in unserem Rechtsstaat ein Präventionsgedanke zugrunde, der sich in Spezial- und Generalprävention unterscheiden lässt (vgl. Lamnek 2018: 23 f.). Demnach soll die Sanktionierung eines Normbruchs, im Sinne der positiven Generalprävention, das Vertrauen der Gesellschaft in die Rechtsordnung stärken und im negativen Sinn potenzielle Folgetäterinnen und -täter abschrecken. Auf die individuellen Normbrecherinnen/Normbrecher bezogen, zielt die positive Spezialprävention auf deren Resozialisierung ab und im negativen Verständnis auf dessen Sicherung und Abschreckung zur Verhinderung neuer Taten.

Wie in der Definition von Singelnstein und Stolle zur sozialen Kontrolle illustriert, gibt es verschiedene soziale Gruppen, die auf Normbrüche reagieren und somit sanktionieren. Es kann zwischen formeller sozialer Kontrolle und informeller sozialer Kontrolle unterschieden werden. Formelle soziale Kontrolle wird von Institutionen ausgeübt, die sich für eben jenen Zweck bereithalten, worunter Polizei, Strafanstalten, Jugendämter und – in äußerster Ausprägung – das Militär fallen (vgl. Hess 2015: 29). Diese verhängen Strafen und setzen Normen durch, auch und gerade mit verschieden Formen von Gewalt. Befugnisse und Strafrahmen sind für diese Form der sozialen Kontrolle eindeutig festgelegt. Demgegenüber wird informelle Kontrolle auch von Interaktionspartnern ausgeübt, deren Zweck nicht primär die soziale Kontrolle ist. So zum Beispiel von Familie, Nachbarschaft, Schulen, der Arbeitsplatz und Sportvereine. Als Sanktionen kommen hier Spott, Missbilligung, Statusverlust und Ausschluss aber auch Lob und Unterstützung bei Normkonformität in Betracht (vgl. ebd. 2015: 28).

Die Institutionen der formellen und informellen sozialen Kontrolle reagieren von außen mit positiver und negativer Sanktion auf das Verhalten des einzelnen Individuums, um dieses zu beeinflussen. Die Sanktionierung zielt dabei jedoch nicht nur speziell auf das Individuum und dessen Normbruch, sondern richtet sich auch generalpräventiv an alle Mitglieder der Gesellschaft. Dieser Wirkmechanismus kann auch als äußere soziale Kontrolle verstanden werden (vgl. Klimke et. al. 2020: 424). Darüber hinaus formen die gleichen Institutionen aber bereits zuvor im Rahmen der Sozialisation die inneren Wertevorstellungen von Moral, Ethik und bestimmen somit Handlungsmuster des Individuums. Innere soziale Kontrolle „[...] will beim Individuum die Anerkennung bestimmter Regeln (Normen) fördern. Das heißt, die geforderten sozialen Verhaltensregelmäßigkeiten sollen als etwas ‚Gesolltes‘ empfunden und auf diese Weise zum eigenen Maßstab des Handelns gemacht werden (Verinnerlichung von Normen im Wege der Erziehung)“ (Klimke et al. 2020: 419).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass soziale Kontrolle all jene Wirkmechanismen beinhaltet, durch die eine soziale Gruppe versucht, das Verhalten des Einzelnen zu beeinflussen. Je nach Perspektive können diese unterschieden werden in formelle, informelle, äußere und innere soziale Kontrolle. Zur besseren Veranschaulichung der beschriebenen Phänomene und ihrer Interaktionsprozesse wurden diese in einer Grafik (Abbildung 13) dargestellt.

3.2 Soziale Kontrolle speziell im digitalen Raum

Der Cyberspace gilt als sozialer Raum, in dem abweichendes Verhalten stattfindet und geradezu gefördert wird. Immer wieder wird von einem Anstieg von Internetstraftaten berichtet. Dies erklärt sich durch die simple Feststellung, dass sich im Internet nahezu alle Straftaten begehen lassen, die keinen unmittelbaren körperlichen Kontakt zwischen Täter und Opfer erfordern, zusätzlich kann auch zu Taten in der analogen Welt angestiftet und Beihilfe geleistet werden (vgl. Teschner 2009: 21). Das Internet eignet sich somit als Tatmittel für neue und auch alte Formen der Delinquenz. Im Bundeslagebild Cybercrime des BKA aus dem Jahr 2020 wird berichtet, dass durch die coronabedingte starke Zunahme von Onlinenutzungen, wie Streamingdiensten und Onlinemärkten, auch die Tatgelegenheiten für Cyberkriminelle steigen (vgl. Bundeskriminalamt 2021: 4). Doch bereits zuvor wurde der digitale Raum wiederholt für seine Formen abweichenden Verhaltens kritisiert. In der DIVSI U25 Studie von Ottenberg und Schmölz aus dem Jahr 2018 stimmten 64 % der 1.730 Befragten der Aussage zu, dass wer sich im Internet öffentlich zeigt oder mitteilt, damit rechnen muss, beleidigt oder beschimpft zu werden (vgl. Otternberg/Schmölz 2018: 67). In einer Dunkelfeldstudie der Fachhochschule Güstrow im Jahr 2015 wurde eine repräsentative Befragung innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Von den 3.170 Befragten gaben 746 Personen an, bereits Opfer von Cyberkriminalität geworden zu sein und berichteten über 6.258 Delikte, von denen lediglich 46 polizeilich zur Anzeige kamen. Dies ergibt eine Dunkelziffer von 99,3 % (vgl. Balschmiter et al. 2018: 78). Wie weit verbreitet abweichendes Verhalten im Internet ist, zeigt auch die Aussage, dass der Anteil von Spam-Mails11 unter allen weltweit versandten E-Mails im Jahr 2018 bei 55 % lag (vgl. Statista 2020).

Hier wird deutlich, dass vermutlich jede Internetnutzerin/jeder Internetnutzer, spätestens seit der Coronapandemie, direkt oder indirekt von Formen abweichenden Verhaltens im digitalen Raum betroffen war und ist. Allerdings muss konstatiert werden, dass das Internet als solches kein abweichendes Verhalten erzeugt, es bietet sich lediglich aufgrund seiner Eigenschaften als Mittel zur Durchführung eben jenes an. Vielmehr sind es die Menschen, die ihre individuellen Bedürfnisse und Verhaltensweisen in den digitalen Raum verlagern. Hierbei stoßen sie scheinbar auf anderen Verhältnisse als in der anlogen Welt. „Insgesamt hat sich das Internet in den vergangenen Jahren zu einem zweiten Lebensraum entwickelt, in dem andere Rahmenbedingungen als im Offline-Leben das menschliche Verhalten und Erleben determinieren“ (Eichenberg/Auersperg 2014: 176).

Besonders die fehlende soziale Kontrolle im digitalen Raum wird als ursächlich für die vielen Normbrüche im Netz gesehen. Rüdiger spricht in diesem Zusammenhang, in Anlehnung an die „Broken Windows“ Theorie von Wilson und Kelling, vom Phänomen des „Broken Web“ (vgl. Rüdiger 2017: 52). Der „Broken Windows“ Hypothese liegt die Annahme zugrunde, dass sichtbare Anzeichen von physischer und sozialer Unordnung, sog. „Incivilities“12, in einem Stadtteil eine Erhöhung der Kriminalitätsfurcht und eine Abnahme sozialer Kontrolle nach sich ziehen. Das führt wiederum zu neuer Unordnung und löst einen regelrechten Verstärkerkreislauf aus. Rüdiger bezieht dies auf die digitale Welt und das „Broken Web“: „Jeder Kommentar, jedes Posting oder auch jede Internetseite, die sichtbar strafrechtliche Normen überschreitet, ohne dass eine für Außenstehende erkennbare sanktionierende Reaktion erfolgt, stellt demnach eine eingebrochene Fensterscheibe dar“ (Rüdiger 2017: 52). Somit hat die Gesellschaft es zugelassen, dass in den vergangenen Jahrzehnten Menschen in einem digitalen Raum sozialisiert wurden, die Normenbrüche weitestgehend tolerieren oder zumindest ungenügend sanktionieren (vgl. ebd. 2019: 4). Teschner (2009) weist hingegen darauf hin, dass die Medien zu einer Skandalisierung des Internets als rechtsfreien Raum neigen. Dabei wird der Eindruck erweckt wird, dass der digitale Raum gefüllt ist mit Kriminellen und Pädophilen. Das ungewollte Aufrufen von strafbaren Inhalten ist, für den durchschnittlichen Internetnutzer, jedoch i.d.R. eher unwahrscheinlich und wird schon durch gängige Suchmaschinen geblockt (vgl. Teschner 2009: 42 f.). Somit erschließen sich die von Rüdiger beschriebenen zahlreichen Incivilities wohl nicht jeder Internetnutzerin/Internetnutzer. Vielmehr scheinen die Anzeichen der Störung sozialer und normativer Ordnung wie in der analogen Welt, nicht homogen verteilt zu sein, sondern in bestimmten Bereichen des Internets konzentriert aufzutreten. Der Hypothese von Rüdiger folgend, findet gerade in diesen Bereichen des Cyberspace nur eine geringe oder gar keine formelle/informelle soziale Kontrolle. Fakt ist, dass es bis heute keine dem Internet übergeordnete, kontrollierende Aufsichtsstelle gibt, die inhaltliche Zensur ausübt (vgl. ebd. 2009: 20). Zusätzlich unterscheiden sich die Rechtsnormen von Staat zu Staat und es kann vorkommen, dass zwei Nutzerinnen oder Nutzer identische Inhalte im Netz veröffentlichen, je nach Herkunftsland aber unterschiedlich sanktioniert werden. Hier zeigt sich ein Dilemma des Cyberspace. Die digitale Welt und die in ihr stattfindenden Interaktionen sind global, Strafrecht hingegen ist meist national. Bei den oben beschriebenen Konstruktionsprinzipien von Popitz wurde als wichtige Voraussetzung zur Erhaltung und Etablierung von Normen die Sanktionierung durch eine Gruppenöffentlichkeit beschrieben (vgl. Popitz 2010: 65 ff.). Diskussionsbedürftig erscheint, wer diese im Internet darstellt und wer die Sanktionierung vornimmt. Wer ist beispielsweise für die Sanktionierung einer Facebookgruppe zuständig, in welcher Personen verschiedenster Nationalität volksverhetzende und pornographische Inhalte teilen? Die juristische Beantwortung solcher Fragen ist komplex. Aus kriminologischer Sicht lässt sich jedoch eine Trias sozialer Kontrolle in der digitalen Welt ausmachen. Zu nennen sind der Rechtsstaat, die Plattformbetreiber sowie deren Nutzerinnen und Nutzer. Deshalb soll eine Betrachtung vorgenannten Akteure und deren Ausgestaltung sozialer Kontrolle auf digitalen Verkaufsplattformen vorgenommen werden. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Reaktionen hinsichtlich von Abweichungen im Rahmen sexueller Belästigungen.

3.2.1 Soziale Kontrolle durch den Rechtsstaat

Der Rechtsstaat übt vornehmlich soziale Kontrolle durch Schaffung formeller Normen bzw. mit der Sanktionierung von Überschreitungen ebendieser. Diese Grenzübertretungen können auch als „Verbrechen“ bezeichnet werden. Im Sinne dieses formellen Verbrechensbegriffs sind „Verbrechen alle von strafrechtlichen Normen mit Strafe bedrohten Verhaltensweisen. Was Verbrechen ist und was nicht hängt damit stets von den jeweils in einer Gesellschaft geltenden Strafgesetzen ab‘‘ (Kunz/Singelnstein 2016: 10). Durch die immer weiter fortschreitende Digitalisierung finden auch vermehrt Straftaten im Internet statt (vgl. Bundeskriminalamt 2021: 10). Dabei wandeln sich die Erscheinungsformen der strafbaren Handlungen und passen sich den digitalen Gegebenheiten an. Die Mär, dass nur hochspezialisierte Computerexperten im und mit dem Internet Straftaten begehen, ist schon längst überholt – Cybercrime Delikte erfordern keine besonderen Fachkenntnisse mehr (vgl. ebd. 2021: 10). Insbesondere Kommunikationsdelikte wie Beleidigungen, Bedrohungen und eben auch verbale sexuelle Belästigungen verlagern sich augenscheinlich in den digitalen Raum. Welche Strafrechtsnormen für die Internetphänomene mit sexuellem Bezug auf digitalen Verkaufsplattformen in Frage kommen können, wurde bereits im Abschnitt 2.4 bzw. in Tabelle 1 dargestellt. Die Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, diesen Verstößen nachzugehen (vgl. § 163 StPO). In der analogen Welt wird abweichendes Verhalten durch den Rechtsstaat oftmals sichtbar geahndet, was die gewünschte generalpräventive Wirkung nach sich zieht bzw. nach sich ziehen kann. Im Internet stellt sich die Situation jedoch schwieriger dar. Hier gibt es keine Polizistinnen oder Polizisten die sichtbar „Streife fahren“, Normverstöße für jedermann wahrnehmbar ahnden oder potenzielle Straftäter durch ihre bloße Präsenz abschrecken. Es bleibt fraglich, wie eine digitale generalpräventive Wirkung von Sanktionen erzeugt werden soll, wenn beispielsweise auf volksverhetzende Kommentare keine ersichtliche Reaktion des Staates erfolgt bzw. diese Reaktion nur in der analogen Welt stattfindet (vgl. Rüdiger 2020: 462). Digitale Präsenz der Polizei ist somit auch nicht auf eBay-Kleinanzeigen oder Vinted gegeben. Die Zahl der registrierten Straftaten auf diesen Plattformen dürften somit vom Anzeigenverhalten der Nutzerinnen und Nutzer abhängen. Ob und wie schnell im weiteren Verlauf Nutzerdaten von Täterinnen und Tätern von den Betreibern an die Ermittlungsbehörden herausgegeben werden, hängt von der vorliegenden Straftat ab und kann zur Verzögerung der Ermittlungen oder gar deren Behinderung führen (vgl. Keilani 2019). Im „Leitfaden zu Auskunftsersuchen von Strafverfolgungsbehörden“ von eBay Inc. findet sich beispielsweise die Anmerkung, dass die Bearbeitungszeit solcher Anfragen bis zu zehn Tage dauert, jedoch Prioritäten in der Bearbeitung nach Einschätzung von eBay Inc. vergeben werden (vgl. eBay Inc. o.J.: 1). Prioritäten ergeben sich nach dieser Vorschrift beispielswiese bei einer besonderen Gefährdung von Personen. Bemerkenswert ist, dass die Definitionsmacht, ob eine solche Gefährdung vorliegt, auch der Einschätzung von eBay Inc. und nicht allein den Sicherheitsbehörden unterliegt. Die Ermittlungsbehörden sind somit auf die Mitwirkung der Plattformbetreiber angewiesen. Gleichlautend stellt auch Zurawski fest, dass staatliche Herrschaftskontrolle und Überwachung durch Unternehmen mehr und mehr durch die digitale Vernetzung verschmelzen (vgl. Zurawski 2021: 21). Dass die Plattformbetreiber zukünftig noch weiter in Verantwortung genommen werden sollen, zeigt zusätzlich die Gesetzesänderung des NetzDG, welchem der Deutsche Bundestag am 06.05.2021 zustimmte. Demnach sollen Betreiber sozialer Netzwerke künftig, von Nutzerinnen und Nutzern gemeldeten Straftaten die sich der sog. „Hasskriminalität“13 zuordnen lassen, eigenständig an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten (vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2021). Plattformbetreiber werden somit vermehrt in die Verantwortung genommen und der Rechtsstaat versucht regelmäßig neue Gesetze zu erlassen, um eigene Kompetenzen auszubauen bzw. mehr soziale Kontrolle im Netz auszuüben. Dies zeigt sich auch an den andauernden Bemühungen hinsichtlich einer gesetzlich verpflichtenden Vorratsdatenspeicherung14.

Die eben benannten Beispiele thematisieren bislang nur Situationen, in denen Nutzerinnen und Nutzer ein Fehlverhalten melden. Auf abweichendes Verhalten, das nicht offiziell angezeigt wird, reagiert der formelle Rechtsstaat hingegen weniger. Zwar gibt es verdachtsunabhängig Ermittlungen im Internet, aus denen sich zum Teil Strafverfahren und somit soziale Kontrolle ergibt (vgl. Tröger 2020: 703), doch der Großteil der Straftaten, welche der Polizei bekannt werden, lässt sich genau wie im analogen Raum, auf das Anzeigeverhalten der Bürger und nicht Eigenfeststellungen der Ermittlungsbehörden zurückführen (vgl. Kunz/Singelnstein 2016: 257). Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, verfügen mittlerweile alle Polizeien des Bundes und der Länder über eigene Internetauftritte bzw. Accounts in den größeren sozialen Medien, die es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen Anzeigen und Hinweise digital zu erstatten (vgl. Rüdiger 2020: 449). Auch wenn der Ruf nach sozialer Kontrolle durch den Rechtsstaat immer lauter zu werden scheint, bleibt fraglich, inwiefern ein Rechtsstaat mit seinen doch endlichen Ressourcen auf allen sozialen Plattformen und sonstigen Bereichen der digitalen Welt vertreten sein soll. Deshalb scheinen zukünftig vermehrte Verpflichtungen für Plattformbetreiber unausweichlich.

Aufgabe eines demokratischen Staates muss es sei, Verhaltensweisen die gegen seine grundlegenden Werte verstoßen, schnell und gesamtgesellschaftlich zu begegnen. Der Rechtsstaat versucht in erste Linie durch Sanktionierung von offiziell angezeigten Normverstößen, abweichendes Verhalten in der digitalen Welt zu regulieren. Ferner gilt es zu beleuchten, ob dies auch über innere soziale Kontrolle bzw. durch informelle soziale Kontrolle geschehen kann. Dazu sind neben dem Rechtsstaat aber weitere zivilgesellschaftliche Akteure gefordert (vgl. Tröger 2020: 704).

3.2.2 Soziale Kontrolle durch die Plattformbetreiber

Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits erörtert, dass soziale Kontrolle durch den Rechtsstaat nur unzureichend durchgeführt wird. Hess schildert dementsprechend: „Wo die Instanzen der formellen Kontrolle ihren Zweck nicht erfüllen und somit ein Kontrollvakuum entstehen lassen, können ihre Aufgaben informell von anderen, primär nicht der Kontrolle dienenden Institutionen, die als funktionale Alternativen wirken, übernommen werden“ (Hess 2015: 29). Dies trifft auch auf die Betreiber digitaler Verkaufsplattformen zu. Die Peer-to-Peer Sharing Plattformen normieren das Verhalten ihrer Nutzerinnen und Nutzer durch interne Verhaltensstandards. Diese Verhaltensrichtlinien finden sich in den AGB, Nutzungsvereinbarungen und internen Policies der Anbieter.

Die von eBay-Kleinanzeigen vorgegeben Verhaltensstandards finden sich in den „Grundsätze[n] von eBay Kleinanzeigen“ (vgl. eBay Kleinanzeigen 2020b) sowie den „allgemeinen Nutzungsbedingungen“ (vgl. ebd. 2020d). Darunter verzeichnet sind verschiedene Formen sozialer Kontrolle, die auch für die Betrachtung sexueller Belästigung auf selbiger Plattform relevant sind. Demnach gelten für die Kontaktaufnahme bzw. Anzeigenerstellung gewisse Vorgaben. Nicht erlaubt sind: „Das Schalten von Kontaktanzeigen und Tätigkeiten mit sexuellem Hintergrund, […] Nacktbilder oder pornografische Bilder in Anzeigen einzufügen. […] unangemessene Ausdrucksweise, Beschimpfungen, Warnungen, Hinweise oder Aufrufe“ (ebd. 2020b). Ergänzende Hinweise zu den Vorgaben finden sich nicht und so bleibt unklar, was beispielsweise als unangemessene Ausdrucksweise gilt. Weiterhin macht eBay Limitierungen hinsichtlich der Angebote, die inseriert werden dürfen. Verboten sind unter anderem: „Angebote von sexuellen Hilfsmitteln, bzw. Gegenstände die der sexuellen Erregung dienen (z.B. Vibratoren, Massagestäbe, Dildos, SM- Zubehör), […] Getragene Unterwäsche (insbesondere Unterhosen), […] Menschliche Organe, Blut, [sic] sowie andere Körperflüssigkeiten“ (ebd. 2020b). Weiterhin normierenden Charakter haben die Nutzungsbedingungen von eBay (vgl. ebd. 2020d), welche mit Übersendung des Registrierungsformulars bei der Erstanmeldung akzeptiert werden müssen. Die Verpflichtung zur Anerkennung der Nutzungsbedingungen findet sich im § 2 Nr. 1. In Nr. 2 wird zudem geregelt, dass Nutzerinnen und Nutzer bei der Registrierung wahre und vollständige Angaben zu ihrer Person machen müssen. § 2 Nr. 5 erlaubt auch privaten und gewerblichen Nutzerinnen und Nutzern lediglich eine einmalige Registrierung auf der Plattform. Vorschriften zu Inhalten finden sich in § 4 Nr. 3 Nutzungsvereinbarung. Hier wird festgelegt, dass Inhalte, Texte und Bilder nicht gegen geltendes Recht, die Rechte dritter oder aber die gute Sitte verstoßen dürfen. In diesem Zusammenhang wird auch auf die „Grundsätze von eBay Kleinanzeigen“ verwiesen.

Den Nutzerinnen und Nutzern steht gem. § 1 Nr. 7 zur Meldung eines Verstoßes gegen die Nutzungsvereinbarung, ein Beschwerdemanagementsystem zur Verfügung. Die hier eingehenden Beschwerden werden durch eBay Kleinanzeigen registriert und ggf. mit Sanktionen geahndet. Die negativen Sanktionen finden sich im § 6 der Nutzungsvereinbarung:

„1. eBay Kleinanzeigen ist berechtigt, in die eBay Kleinanzeigen-Dienste eingestellte Anzeigen oder sonstige Inhalte des Nutzers ganz oder teilweise zu löschen oder die Veröffentlichung von Anzeigen oder sonstigen Inhalten des Nutzers zu verzögern oder nicht vorzunehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Anzeige oder der Inhalt gegen diese Nutzungsbedingungen oder gegen gesetzlichen Vorgaben verstößt, oder dass der Nutzer sonst schuldhaft vertragliche Pflichten verletzt hat. eBay Kleinanzeigen kann den Nutzer in einem solchen Fall außerdem verwarnen und/oder vorläufig oder dauerhaft von der Nutzung der eBay Kleinanzeigen-Dienste ausschließen […]“ (vgl. eBay Kleinanzeigen 2020d).

Darüber hinaus verfügt eBay Kleinanzeigen über ein Reputationssystem. Damit regelt § 1 Nr. 3 der Nutzungsvereinbarung, dass die Plattform Nutzungsdaten, wie Antwortrate und -zeit erfassen und veröffentlichen darf. Weiterhin ermöglicht § 1 Nr. 4, dass Nutzerinnen/Nutzer sich, basierend auf vorangegangenen Interaktionen, gegenseitig bewerten zu dürfen. Auch diese Bewertung ist auf dem Nutzerprofil einsehbar und soll der Vertrauensbildung vor dem Kauf dienen (vgl. Flick/Henseling 2019: 23). Bewertung, Inserate sowie weitere verkehrs- und personenbezogene Daten sind für die eBay Kleinanzeigen-Dienste einsehbar, wie § 2 Nr. 9 regelt. Demnach erhalten Nutzerinnen/Nutzer, die sich an die Grundsätze der Plattform halten, positive Bewertungen – Fehlverhalten wird hingegen mit Negativbewertungen durch die Nutzerinnen/Nutzer sanktioniert. Interessanterweise finden sich noch zusätzliche Positiv-Sanktionen bei normkonformer Nutzung. § 2 Nr. 6 gibt vor:

„eBay Kleinanzeigen kann die Nutzung bestimmter Funktionen der eBay Kleinanzeigen-Dienste oder den Umfang, in dem einzelne Funktionen genutzt werden können, von der Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen, z.B. der Angabe zusätzlicher Daten, einer Prüfung und Verifizierung der Daten des Nutzers, der Nutzungsdauer, der Art der Nutzung (privat/gewerblich), dem bisherigen Zahlungsverhalten des Nutzers und/oder der Vorlage bestimmter Nachweise abhängig machen“ (eBay Kleinanzeigen 2020d).

Vinted regelt das Verhalten seiner Mitglieder in seinen AGB (vgl. Vinted 2021a). So verpflichtet Vinted Nutzerinnen/Nutzer gem. Nr. 1.5 dazu, einen Benutzernamen (Pseudonym) bzw. eine E-Mail-Adresse zu hinterlegen, zusätzlich ist die Nutzung der Seite nur für Privatpersonen zugelassen. Vinted überträgt gem. Nr. 11.1 den Nutzerinnen und Nutzern der Seite die vollständige Verantwortung für die durch die Nutzerinnen/Nutzer angebotenen Artikel und der Kommunikation die diesbezüglich stattfindet. Analog zu eBay Kleinanzeigen finden sich auch bei Vinted Limitierungen hinsichtlich der Inhalte, die durch Nutzerinnen und Nutzer veröffentlicht werden dürfen. So wird in Nr. 1.2 bereits vollumfänglich festgelegt:

„In dieser Hinsicht müssen BESUCHER und NUTZER alle geltenden Vorschriften einhalten. NUTZER und BESUCHER müssen es insbesondere unterlassen, (i) Rechte Dritter zu verletzen, (ii) geistige Eigentumsrechte zu verletzen oder Produktfälschungen einzupflegen, (iii) zu Straftaten oder Verbrechen, Diskriminierung, Hass oder Gewalt aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft oder der Staatsangehörigkeit zu animieren, (iv) falsche oder vertrauliche Informationen zu kommunizieren, (v) diffamierende Kommentare abzugeben, (vi) Maßnahmen zu begehen, die Minderjährige gefährden könnten, (vii) personenbezogene Daten anderer Personen zu veröffentlichen oder Datenschutzrechte zu verletzen oder (viii) sich die Identität einer anderen Person anzueignen“ (Vinted 2021a).

Ergänzende Angaben finden sich auch im fortwährenden Verlauf der AGB. Gem. Nr. 10.1 sollen sich private Nachrichten zwischen den Nutzern in erste Linie auf die zu verkaufenden Güter beziehen. Verboten im Sinne der selbigen Nr. sind hingegen „Nachrichten, die Texte enthalten, die gegen akzeptierte moralische Standards und die öffentliche Ordnung verstoßen, unangemessene, beleidigende oder diffamierende Nachrichten oder solche, die aus anderen Gründen als mit diesen AGB und den Interessen der NUTZER unvereinbar angesehen werden“. Auch hier finden sich keine weiterführenden Definitionen, in denen die moralischen Standards von Vinted definiert sind. Weiterhin verweist Vinted ebenfalls unter Nr. 10.1 darauf, dass durch den Betreiber eine automatisierte Software verwendet wird, um Inhalte privater Nachrichten zu erkennen, welche gegen die benannten moralischen Standards oder öffentliche Ordnung verstoßen. Die Software blendet solche Nachrichten für den Empfänger aus oder blockiert die Nachricht als Ganzes.

Zur Kontrolle dieser Vorschriften dürfen Nutzerinnen und Nutzer sich gem. Nr. 12.1 nicht mehr als einmal auf der Seite registrieren. Darüber hinaus müssen sie wahrheitsgemäße Angaben hinsichtlich ihrer Person und die verwendete E-Mail-Adresse bereitstellen. Dabei behält Vinted es sich gem. Nr. 1.5 vor, aus Sicherheitsgründen Maßnahmen zur Verifizierung der Nutzerprofile durchzuführen, beispielsweise über Telefonnummern oder Kreditkarten. Zur Durchsetzung der Normen stehen auch Vinted verschiedene Arten von Sanktionen zur Verfügung. Die Nr. 13.1 ermöglicht es Vinted, Nutzerinnen und Nutzern, die gegen die AGB verstoßen, unwahre Angaben gemacht, andere Personen unangemessen behandelt oder bereits drei Verwarnungen erhalten haben, vollständig oder teilweise zu blockieren, bzw. die Kündigung des Accounts vorzunehmen. Teilweise Sperrung im Sinne der Vorschrift bedeutet, dass Nutzerinnen/Nutzer keine Angebote mehr erstellen oder mit anderen kommunizieren können. Die vollständige Sperrung beinhaltet die zeitlich begrenzte Zugangsbeschränkung auf das Portal und wird in der Intensität nur noch von der Löschung des Accounts übertroffen. Auch Vinted räumt gem. Nr. 10.2 den Nutzerinnen und Nutzern Möglichkeiten zur Bewertung anderer Personen ein. Dabei werden diese angehalten, die Bewertungen fair, ehrlich und ohne Beleidigungen zu vermitteln. Den Nutzerinnen und Nutzern steht jedoch auch wie bei eBay Kleinanzeigen die Möglichkeit zur Verfügung andere Userinnen und User gem. Nr. 11.4 zu melden, sollte die Ansicht bestehen, dass Inhalte oder Angebote gegen die AGB oder sonst geltendes Recht verstoßen. Vinted ergänzt die AGB zusätzlich durch die Festlegung sogenannter „Communtiy-Standards“. Hier gibt es einen expliziten Bezug auf sexuelle Ausbeutung und Nacktheit:

„Unsere Mitglieder sind angehalten, keine Beiträge mit vulgären, pornografischen oder obszönen Inhalten zu verbreiten. Wir bieten keinen Raum für Kommunikation, die einen klaren sexuellen Charakter hat. Kinderpornografie, Pornografie, explizite sexuelle Inhalte oder Sprache sowie andere Arten an Inhalten, die sexuelle Handlungen zeigen oder beführworten[sic], werden von Vinted entfernt. Sollte jemand versuchen, dich zu belästigen oder wenn du bemerkst, dass ein Mitglied Nacktbilder oder sexuelle Bildsprache verbreitet, bitte zögere nicht, die Person zu melden“ (Vinted 2021b).

Die Ausführungen zeigen, dass durch eBay Kleinanzeigen und Vinted sehr wohl Formen sozialer Kontrolle zur Anwendung kommen. Die sexuellen Anbahnungsformen, die bereits in den vorangegangenen Abschnitten thematisiert wurden, verstoßen eindeutig gegen die Policies von eBay Kleinanzeigen und Vinted. Wie die Strafverfolgungsbehörden sind jedoch auch die Peer-to-Peer Plattformen auf die Mitwirkung bzw. die Hinweise der Nutzerinnen und Nutzer angewiesen, bevor Verstöße überhaupt bekanntwerden. Fraglich ist jedoch, inwiefern diese die mehrseitigen Verhaltensrichtlinien überhaupt lesen. Nicht wohl zuletzt aus diesem Grund werden Verhaltensregeln der Plattformen insbesondere durch technische Komponenten, wie Upload- und Textfilter ergänzt. Diese Softwareimplikationen sollen insbesondere das Hochladen von Bild- und Textdateien verhindern, die den geltenden Verhaltensregeln der Plattformen widersprechen. Dass diese nur unzureichend auf den Plattformen funktionieren, zeigen die kritischen Presseberichte dazu (vgl. Kind 2018). Zwar verfügen Vinted und eBay über diverse Sanktionsmöglichkeiten zur Blockierung oder Löschung von Accounts, diese werden jedoch ad absurdum geführt, wenn Nutzerinnen und Nutzer sich ohne Schwierigkeiten einen neuen Account erstellen können. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit des Reputationssystems. Demnach könnten Nutzerinnen und Nutzer positive Bewertungen voraussetzen, bevor sie mit anderen in Kontakt treten bzw. handeln. Eine weitere Möglichkeit ist die Verifizierung der Nutzeraccounts, die sich sowohl Vinted als auch eBay Kleinanzeigen in ihres Policies vorbehalten. Um beispielsweise Cybergrooming entgegenzuwirken, hat eBay Kleinanzeigen 2021 angekündigt, eine verbindliche SMS-Verifizierung für die Kategorien „Nachhilfe" sowie „Babysitter & Kinderbetreuung" einzuführen. Haben Nutzerinnen und vor, ein Anzeige zu erstellen oder einen Anbieter zu kontaktieren, sollen sie aufgefordert werden, eine Handynummer anzugeben, an die dann eine SMS zur Verifizierung versandt wird (vgl. Bartholomäus 2021). Denkbar wären noch weitere Maßnahmen zur Verifizierung der Identität. Andere Plattformen setzten bereits den Upload von gültigen Personaldokumenten voraus (vgl. Flick/Henseling 2019: 23).

3.2.3 Soziale Kontrolle durch die Nutzerinnen und Nutzer

Letztlich bleibt die Frage bestehen, welche Formen informeller sozialer Kontrolle Nutzerinnen und Nutzer der Plattformen durchführen. Rüdiger sieht hier Potential bei der „Community“ von sozialen Netzwerken sowie bei sogenannten „Netzaktivisten“ (vgl. Rüdiger 2020: 431). Auf die digitalen Verkaufsplattformen bezogen können die Community-Foren als Form sozialer Kontrolle gesehen werden. Hier diskutieren Nutzerinnen und Nutzer abweichendes Verhalten auf den Plattformen und bestärken oder kritisieren sich in ihren jeweiligen Verhaltensweisen (vgl. Abbildung 3–12). Zusätzlich sind die bereits thematisierten Möglichkeiten zur Bewertung und Meldung von Userinnen und Usern eine Alternative, das Verhalten anderer Nutzerinnen und Nutzern zu regulieren. Darüber hinaus stehen diesen die bereits benannten formellen Beschwerdeformen bei den analogen Exekutivbehörden zur Verfügung. Um diese Möglichkeiten zu vereinfachen, kann die Webseite „Dickstinction“ als Beispiel angeführt werden. Die Seite ist im Jahr 2020 im Rahmen des „Berlin Legal Teck Hackathon“ entstanden. Dabei kamen Juristinnen/Juristen und Entwicklerinnen/Entwickler zusammen und haben eine Internetseite erstellt, auf der Personen, die ungewollte „Dickpics“ erhielten, diese schnell und unkompliziert den Strafverfolgungsbehörden melden können (vgl. Bieliauskas 2020). Die Erstellung der Seite spiegelt wider, dass ein Teil der Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke scheinbar von einem Mangel an sozialer Kontrolle in Hinblick auf Sexting ausgehen. Aus diesem Grund wurde die Seite geschaffen, um dem Staat, aber auch den Nutzerinnen und Nutzern ein Hilfsmittel bereitzustellen, dass das Melden von abweichenden Handlungen erleichtert. Rüdiger konstatiert: „Als Reaktion auf die nicht vorhandenen oder nicht erwünschten staatlichen Regulierungen erarbeitete die Netz-Community eine Vielzahl unterschiedlicher Kontrollmechanismen, um das Verhalten von Menschen im digitalen Raum zu regulieren“ (Rüdiger 2020: 431). Als weiteres Beispiel für Netz-Aktivismus mit Bezug zu digitalen Verkaufsplattformen kann der Instagram-Auftritt der Nutzerin „frau.kleinanzeigen“ gesehen werden15. Die Betreiberin der Instagram-Seite sammelt gezielt Screenshots aus Konversationen auf eBay Kleinanzeigen die nach Interpretation der Betroffenen, sexuelle Belästigungen darstellen (vgl. Abbildung 14). Die Seite ist öffentlich einsehbar und verfügt über 6.000 Abonnentinnen und Abonnenten (Stand 10.12.2021). In einem Interview gibt die Betreiberin der Plattform, die anonym bleiben möchte, bekannt, dass sie von einem strukturellen Problem ausgeht, auf welches sie aufmerksam machen möchte (vgl. Fischer 2020). Durch die Betreiberin werden Fetische und sexuelle Anfragen nicht grundsätzlich skandalisiert, allerdings sollte sich ihrer Meinung nach die Kommunikation auf eBay ausschließlich auf die zu verkaufenden Produkte beziehen (vgl. ebd. 2020). Als Möglichkeit, wie auf diese Belästigungen reagiert werden kann, gibt die Betreiberin an, dass die Anbahnungsversuche einfach ignoriert, sie aber ebenso gut der Plattform oder den Behörden angezeigt werden könnten. Darüber hinaus spricht sie sich auch dafür aus, den Belästigern „Kontra“ zu geben, um diesen zu vermitteln, dass man nicht „wehrlos“ sei. Die von der Betreiberin beschriebenen Bewältigungsstrategien finden sich in ähnlicher Weise in aktuellen Forschungsarbeiten zu „Hate Speech“16 wieder. Das bewusste Nichtbeachten von Inhalten, kann wie folgt verstanden werden: „Das aktive Ignorieren wird mit dem Ziel durchgeführt, Personen, die Hatespeech äußern, bewusst nicht zu beachten und für diese uninteressant zu werden, indem potenziell interessante Reaktionen abgestellt werden [...]“ (Krause et al. 2021: 178). Als sogenanntes „Counter Speech“ oder „Gegenrede“ werden sämtliche aktive Bewältigungsstrategien, die sich gegen Hate Spech wenden, angesehen. Hierbei können sich Nutzerinnen und Nutzer, gegen Hate Speech positionieren, die Verursacherinnen und Verursacher sowie ihre Intensionen konfrontieren, die gemachten Behauptungen entlarven oder gar die Äußerungen ironisieren und damit ins Lächerliche ziehen (vgl. ebd. 2021: 177 f.). Wenngleich fraglich bleibt, ob sich diese Bewältigungsstrategien, zur Reaktion auf abweichendes Verhalten im Sinne von Hate Speech, auch auf sexuelle Belästigung übertragen lassen, scheinen sich zumindest Parallelen zu den geforderten Reaktionen der o.g. Netzaktivistin zu ergeben.

Nutzerinnen und Nutzer von digitalen Verkaufsplattformen stehen diverse Formen informeller sozialer Kontrolle zu Verfügung. Die wichtigsten Instrumente bilden dabei wohl die Bewertungs- und Meldefunktionen auf den Plattformen selbst. Zudem hängt auch die Arbeit der Ermittlungsbehörden und damit die soziale Kontrolle des Rechtsstaates von der Mitwirkung der Nutzerinnen und Nutzer ab. Flankiert werden diese Möglichkeiten von informellen Reaktionen in Nutzerforen und der Arbeit von Netzaktivistinnen und Netzaktivisten.

4 Zur Befragung

Im nächsten Abschnitt der Arbeit werden erste empirische Erkenntnisse zu sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen generiert. Zunächst ist wichtig, welche Formen des sexuell konnotierten abweichenden Verhaltens überhaupt auf digitalen Plattformen stattfinden. Aus diesem Grund wurde der folgenden Forschungsfrage nachgegangen:

- Welche Formen sexueller Belästigung finden auf digitalen Verkaufsplattformen statt?
„Soziale Phänomene existieren nicht außerhalb des Individuums, sondern sie beruhen auf den Interpretationen der Individuen einer sozialen Gruppe, die es zu erfassen gilt“ (Lamnek/Krell 2016: 20). So wurde auch sexuelle Belästigung in den Vorbetrachtungen beschrieben. Erst durch die Interpretation des Opfers entscheidet sich in der Regel, ob eine Form unangebrachter Anbahnung oder aber ein Flirt vorliegt (vgl. Wippermann 2020: 10). Infolgedessen ergab sich die Fragestellung:
- Wie erleben Betroffene sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen?
Im Rahmen der Literaturstudie zum Thema wurde deutlich, dass verschiedenste Autorinnen und Autoren mangelnde soziale Kontrolle als ursächlich für abweichendes Verhalten im digitalen Raum ausmachen (vgl. Rüdiger 2017: 52, vgl. Katzer 2007: 75). Demnach wurde als weitere Forschungsfrage formuliert:
- Inwiefern findet auf digitalen Verkaufsplattformen soziale Kontrolle als Reaktion auf sexuelle Belästigung statt?

Fraglich bleibt, inwiefern sich die bislang vorliegenden Erkenntnisse zu sexueller Belästigung sowie abweichendem Verhalten im digitalen Raum auch auf sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen übertragen lassen. Vielmehr lässt sich feststellen, dass zu diesem Phänomen bislang Forschungslücken bestehen. Demnach wird der nachfolgende Teil das weitere methodische Vorgehen zur Erlangung erster empirischen Daten darstellen. Ferner wird der Feldzugang, die Materialerlangung erläutert und anschließend eine Analyse dieser durchgeführt.

4.1 Methodische Vorüberlegung

Die vorliegende Arbeit kann als explorativ verstanden werden, da sie versucht, Basiswissen für ein bislang wenig erforschtes Phänomen zu schaffen (vgl. Häder 2015: 73). Im Rahmen explorativer Forschungsarbeiten steht nicht die deduktive Hypothesenüberprüfung, sondern die induktive Hypothesengenerierung im Vordergrund (vgl. Lamnek/Krell 2016: 34). Für die Durchführung von explorativen Studien mit rudimentären Vorkenntnissen zum Forschungsgegenstand empfiehlt Mayring die Verwendung eines Forschungsdesigns der qualitativen Sozialforschung (vgl. Mayring 2017: 10). Dem Prinzip der Offenheit qualitativer Forschung entspricht, dass der Fokus der Forschung auf der Bildung neuer Hypothesen und Theorien, statt der Überprüfung ebenjener liegt und er sich somit allen Entwicklungen im Forschungsprozess öffnet (vgl. Lamnek/Krell 2016: 34). Auch wenn eine absolute Offenheit unmöglich ist, da der erkenntnistheoretische Zugang bestimmte Vorannahmen voraussetzt (vgl. Döring/Bortz 2016: 66), erscheint diese – soweit sie denn möglich ist – vornehmlich für den hier nachgegangen Forschungsfragen angebracht. Denn eine Hypothesenprüfung und die daran angelehnte hohe Standardisierung der verwendeten Methode würde die Gefahr beinhalten, sich Erkenntnissen zu verschließen, die durch den Forschenden im Vorhinein nicht bedacht wurden. Der Mangel an vorliegender empirischer Forschung zum Phänomen unterstreicht die Notwendigkeit dieser Offenheit noch zusätzlich.

Analog dazu gilt es für den qualitativ Forschenden, zusätzlich flexibel in den verwendeten Methoden bzw. deren Ausgestaltung zu sein. Demnach wird der Forschungsprozess nicht detailliert vorgeplant, sondern flexibel an dem sich entfaltenden Erkenntnisprozess angepasst (vgl. ebd. 2016: 67). Dies scheint speziell für die vorliegende explorative Arbeit gewinnbringend. Denn „[d]ie Exploration ist per definitionem eine flexible Vorgehensweise, bei der der Forscher von einer Forschungslinie auf eine andere überwechselt, neue Punkte zur Beobachtung im Verlauf der Untersuchung dazu nimmt und sich in neue Richtungen bewegt, an die vorher gar nicht gedacht wurde“ (Lamnek/Krell 2016: 37). Als qualitative Methoden für explorative Forschung werden nach Mayring in der Regel teilnehmende Beobachtungen oder offene Interviewformen verwendet (vgl. Mayring 2017: 10). In der Vorbetrachtung des Phänomens wurde deutlich, dass sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen als Kommunikationsprozess via privater Chatkommunikation stattfindet. Demnach scheint die Durchführung von teilnehmender Beobachtung, wie sie in der analogen Welt durchaus denkbar wäre, für den digitalen Raum unangebracht resp. schwer durchführbar. Der Anspruch vorliegender Arbeit ist, das subjektive Erleben von Betroffenen sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen bzw. deren Wahrnehmung von sozialer Kontrolle auf diesen Internetportalen zu erfassen. Subjektives Erleben, Gefühle, Meinungen sowie private, in der Vergangenheit stattgefundene Situationen sind der Beobachtung generell nicht zugänglich (vgl. Döring/Bortz 2016: 356). Aus diesem Grund ist die Durchführung von Interviews empfehlenswert. Mit diesem alltagsnahen Kommunikationsprozess kann ein breiter Personenkreis angesprochen werden und mittels verschiedener Fragen kann in kurzer Zeit eine große Menge an Informationen gesammelt werden (vgl. Döring/Bortz 2016: 356 f.). Die Methode lässt sich von alltäglichen Gesprächen abgrenzen, da es sich vielmehr um einen systematisch gesteuerten Kommunikationsprozess handelt (vgl. Häder 2015: 189). Insbesondere wenn Interviews in einer angenehmen Atmosphäre stattfinden, können weitere Hintergrundinformationen zu Probandinnen und Probanden erlangt werden. Darüber hinaus können Fragen besser erläutert und Verständnisschwierigkeiten überwunden werden (vgl. Döring/Bortz 2016: 357).

Als qualitative Methode, die offen sowie flexibel ist, bei der jedoch ein theoretisches Konzept durch Vorannahmen vorliegt, welches sich fortlaufend im Forschungsprozess durch den induktives Erkenntnisgewinn weiterentwickelt, kann das problemzentrierte Interview (PZI) nach Witzel (2000) gesehen werden (vgl. Lamnek 2018: 348). Eine prägnante Darstellung des Ablaufs des PZI findet sich bei Döring/Bortz (2016: 377), die der vorliegenden Arbeit als Orientierung dient (vgl. Anhang 1). Das PZI beinhaltet drei Grundpositionen: Die Problemzentrierung, die Gegenstandsorientierung und die Prozessorientierung. (vgl. Witzel 2000: 2 f.). Die Problemzentrierung zielt darauf ab, dass der Forschende zusätzlich zu dem zu untersuchenden gesellschaftlich relevanten Problem theoretisches Vorwissen sammelt (vgl. Misoch 2015: 72). Diese Erkenntnisse ermöglichen es, problembezogene Fragen stellen zu können und dem Interview eine basale Struktur zu geben. „Das problemzentrierte Interview zielt deswegen auf die richtige Balance zwischen zu starker und zu geringer Strukturierung des Vorgehens ab und bettet die im Interview diskutierten gesellschaftsrelevanten Themen in den biografischen Kontext der Befragten ein“ (Döring/Bortz 2016: 377). Die Gegenstandsorientierung des PZI hebt hervor, dass die Datenerhebungstechniken (Standardisierungsgrad des Interviews oder der Gruppendiskussion) sowie die verwendeten Gesprächstechniken (auf Narration setzend oder verstärkt nachfragend) sich am jeweiligen Untersuchungsgegenstand ausrichtet (vgl. Witzel 2000: 3). Diese Orientierung verdeutlicht, dass der gesamte Forschungsablauf prozesshaft sein soll. Demnach wird beispielsweise der verwendete Leitfaden ggf. nach jedem Interview angepasst bzw. muss sich der Interviewer der konkreten Interviewsituation flexibel anpassen (vgl. Misoch 2015: 72). Das PZI ist mit seiner offenen und flexiblen Gestaltung bei gleichzeitiger Problemzentrierung für die vorliegende Arbeit besonders geeignet.

4.2 Durchführungsprozess und Reflexion des methodischen Vorgehens

Im weiteren Verlauf soll die Umsetzung der Befragungen beschrieben und selbstkritisch hinterfragt werden.

4.2.1 Rekrutierungs- und Vorbereitungsphase

Wie bereits beschrieben, war es für die vorliegende Arbeit sinnvoll, Opfer von sexueller Belästigung (nicht Täterinnen oder Täter) zu befragen. Neben den Interpretationsprozessen ist es zielführender für die Rekrutierung der Probandinnen, denn Opfer haben eher ein Interesse an Befragungen teilzunehmen als Täterinnen und Täter (vgl. Meissner 2014: 13). Zur Gewinnung potenzieller Interviewteilnehmerinnen und Interviewteilnehmer wurde ein digitaler Aufruf zur Teilnahme mit grundlegenden Eckdaten zur Befragung erstellt (s. Anhang 2). Zielrichtung im Rahmen der Gestaltung der Anzeige war es, eine optisch ansprechende Darstellung zu finden, die nicht überfrachtet mit Informationen ist. Als Bildhintergrund des Aufrufs wurde eine Frau vor einem Laptop gewählt, es wurde jedoch explizit darauf verwiesen, dass auch männliche Interviewpartner gesucht werden. Um möglichst breitgefächerte Erlebnisse zu erfassen, wurde im Rahmen der Anzeige bewusst keine Definition von sexueller Belästigung vorgegeben. Darüber hinaus wurden auch keine Phänomene benannt, die damit im Zusammenhang stehen könnten. Als monetärer Anreiz wurde ein Amazon-Gutschein in Höhe von 10.- € in Aussicht gestellt. Der Betrag soll in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand für die Durchführung der Interviews stehen, wurde jedoch auch niedrig genug angesetzt um Personengruppen auszuschließen, die aufgrund finanzieller Notlage am Interview teilnehmen (vgl. Döring/Bortz 2016: 127).

Da zu Beginn der Befragung keinerlei Prävalenzraten bekannt waren, war eine Rekrutierung mittels Schneeballverfahren sinnvoll (vgl. Akremi 2014: 272). Hierbei wurde der Aufruf zur Teilnahme im September 2021 an mehrere, dem Autor bekannte Nutzerinnen und Nutzer von digitalen Verkaufsplattformen mit der Bitte übersandt, diesen an bekannte Personen weiterzuleiten. Über Art und Ausgestaltung der Veröffentlichung wurden dabei keine Vorgaben gemacht und auch zum Forschungshintergrund wurden keine detaillierteren Erkenntnisse getätigt. Die Personen wurden lediglich angewiesen, interessierte Probandinnen und Probanden, an die auf dem Aufruf verzeichnete E-Mail-Adresse, weiterzuleiten. Die meisten angeschriebenen Nutzerinnen und Nutzer teilten den Aufruf in ihrem WhatsApp-Status bzw. versendeten diesen als persönliche Nachricht an Bekannte. Diese Art der Stichprobenziehung hatte den Vorteil, dass innerhalb kürzester Zeit ein großer Personenkreis angesprochen und somit geeignete Probandinnen rekrutiert werden konnten. Nachteilig erscheint, dass der Forschende keinerlei Kontrolle darüber hatte, welchem Personenkreis der Aufruf zugespielt wurde bzw. wer teilnahm. Somit handelt es sich um eine Selbstselektionsstichprobe (vgl. Döring/Bortz 2016: 294). Das Schneeballverfahren trägt das Risiko in sich, dass Personen mit geringen sozialen Kontakten unter- und andere Personen zusammen mit ihren sozialen Kontakte überrepräsentiert sind (vgl. Häder 2015: 176).

Innerhalb von 14 Tagen nach Versand des Aufrufs meldeten sich neun potenzielle, ausschließlich weibliche, Probandinnen von denen fünf ausgewählt wurden. Aufgrund des hohen Zulaufs an interessierten Probandinnen, wurde auf eine weitere Veröffentlichung des digitalen Aufrufs in den Nutzerforen von eBay Kleinanzeigen und Vinted verzichtet, welche für Oktober avisiert war. Ausschlusskriterien für die Teilnehmerinnen waren: zu enge soziale Beziehung zum Autor (Ziel der Vermeidung von Interviewer-Effekten), mangelnde bzw. zu späte Rückmeldung sowie die Motivation zur Teilnahme. Darüber hinaus wurde darauf geachtet, dass keine sozialen Gruppen (Bekanntschaftsverhältnis/Beruf) in der Stichprobe überrepräsentiert sind. Allen interessierten Probandinnen wurde ein vorgefertigtes Anschreiben zugesandt, das detaillierten Informationen zum Hintergrund bzw. dem Ablauf der Befragung enthielt (vgl. Anhang 3). Weiterhin mussten alle Probandinnen die datenschutzrechtliche Belehrung schriftlich quittieren (vgl. Anhang 4). Zusätzlich erhielten die Probandinnen den Kurzfragebogen zum Interview den das PZI vorsieht (vgl. Anhang 5). Es zeigte sich, dass einige der Probandinnen Bedenken hinsichtlich ihrer Eignung als Interviewpartnerin hatten. Diese Bedenken bezogen sich vornehmlich darauf, ob die eigenen Erlebnisse der Definition von sexueller Belästigung, welcher der Arbeit – vermeintlich – zugrunde liegt, entsprächen bzw. ob die Probandinnen eine ausreichende Anzahl an Erlebnissen gemacht hätten. Da zu diesen Punkten keinerlei Limitierungen gemacht wurden, erfolgte eine positive Bestärkung der Probandinnen zur Teilnahme.

Hinsichtlich der Konstruktion des Kurzfragebogens ergeben sich bei Witzel (2000) nur marginale Vorgaben. Demnach dient dieser der Ermittlung von soziodemografischen Merkmalen sowie der Abfrage zentraler, aber kurzer Informationen. Diese vorangestellte Erfassung dient der Vermeidung einer reinen Abfragesituation im nachfolgenden Interview. Weiterhin lassen sich die Aspekte als Gesprächseinstieg nutzen (vgl. Witzel 2000: 4). Dementsprechend wurde der Kurzfragebogen (vgl. Anhang 5) erstellt. Die Fragen 1–5 erfassen die soziodemografischen Merkmale der Teilnehmerinnen, 6–8 dokumentieren zentrale Aspekte zum Thema sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen und die letzte Frage 9 ergründet die Motivation zur Teilnahme. Da sich die meisten interessierten Probandinnen innerhalb der ersten 24h bzw. die übrigen innerhalb von 14 Tagen nach Versand des Aufrufes meldeten, erhielten alle Probandinnen denselben Kurzfragebogen und auf eine Anpassung wurde verzichtet. Alle Teilnehmerinnen wurden angewiesen, den Kurzfragebogen vor Beginn der Befragung ausgefüllt an den Autor zurückzusenden. Insbesondere in der „Aufwärmphase“ vor Beginn der Interviews, konnte durch interessierte Nachfragen hinsichtlich der biografischen Daten eine angenehme Gesprächsatmosphäre geschaffen werden, was den Erzählfluss progressiv steigerte. Darüber hinaus diente der Kurzfragebogen auch zur Generierung von Verständnisfragen während der Durchführung des Interviews. Aufgrund der andauernden Pandemielage sowie der geografischen Verteilung der Wohnorte, wurde allen Teilnehmerinnen freigestellt, ob ein Interview im frei gewählten analogen Ort oder via Videotelefonie stattfinden soll. Alle Teilnehmerinnen entschieden sich für die Videotelefonie. Dies erfolgte in zwei Fällen über den Messenger-Dienst „Skype“ und in drei Fällen über „WhatsApp“17. Für die Übertragung wurde ein internetfähiges Notebook mit Webcam und Mikrofon verwendet, die Tonaufzeichnungen erfolgten mittels der Software „OBS Studio“. Die Interviews fanden an selbst gewählten Terminen im Zeitraum vom 24.09.2021 – 30.09.2021 statt. Zwingende Voraussetzung für die Realisierung derartiger Interviews sind die technischen und persönlichen Kompetenzen. Im Interview 02 kam es zu zweifachem Abbruch der Internetverbindung, aufgrund schlechter Datenverbindung der Probandin, weshalb das Interview nur mittels Audioübertragung fortgesetzt werden konnte. Die Einschätzung der Probandin zum Verbindungsabbruch nach Durchführung des Interviews: „Meines Erachtens war es nicht ‚störend‘, dass das Video teils aus war. Hätte es aber wohl besser ‚mit‘ gefunden. Da sonst Mimik und Gestik, zum besseren Verständnis, einfach etwas fehlen“ (vgl. Anhang 7.2). Grundsätzlich wurde die Videotelefonie jedoch als positiv empfunden. Gleichlautend stellt Misoch (2015) fest:

„Per Skype oder durch andere Videotelefoniesoftware durchgeführte Interviews erweisen sich als große Chance, gerade in einer mobilen und globalisierten Gesellschaft. Da die Qualität von Skype-Interviews in vieler Hinsicht mit Face-to-Face-Interviews vergleichbar ist, erweist sich dieses Medium als gute Alternative, wenn Befragte geografisch oder aus anderen Gründen schwer erreichbar sind“ (Misoch 2015: 184).

Zusätzlich zu den Gründen der geografischen Verteilung und der pandemischen Lage, schien die Videotelefonie noch einen weiteren entscheidenden Vorteil zu haben. So war im Vorfeld der Interviews nicht klar, inwiefern sich ggf. sexuell viktimisierten Teilnehmerinnen mit einem ihnen unbekannten männlichen Interviewer treffen würden. Die Möglichkeit der Teilnahme an einem frei gewählten Ort und die Vermittlung über Bekannte (Schneeballverfahren) wirkten hier förderlich.

4.2.2 Durchführung der Interviews

Die Interviews wurden mittels teilstrukturierten Leitfadens durchgeführt (vgl. Anhang 6). Dieser „[…] hat die Funktion, eine Vergleichbarkeit der durchgeführten Interviewdaten zu gewährleisten und gleichzeitig während des Erhebungsprozesses den Kommunikationsverlauf thematisch zu steuern und inhaltlich zu fokussieren.“ (Misoch 2015: 73). Im Sinne des PZI sind Teilnehmerinnen/Teilnehmer des Interviews, Expertinnen/Experten ihrer eigenen Orientierung und Handlungen (vgl. Witzel 2000: 5). Insofern galt es, die Probandinnen in der Einleitungsphase in dieser Rolle zu bestärken und einen Erzählanstoß zur freien Schilderung zu geben (vgl. Döring/Bortz 2016: 377). Daraus resultierend wurde eine vorformulierte Einleitungsfrage als Erzählanstoß generiert, die den Anfang aller Interviews darstellte. Aufgrund der als positiv empfundenen freien Schilderungen der Teilnehmerinnen wurde diese Einleitungsfrage beibehalten.

Anschließend wurden erzählungsgenerierende Fragen gestellt. Diese sollten ebenfalls zu freien Schilderung anregen, waren jedoch spezifischer auf die Forschungsfragen bezogen und dienten der allgemeinen Sondierung (vgl. Witzel 2000: 5). Sie zielen auf das Erleben von sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen und die Erfahrungen bezüglich sozialer Kontrolle ab und wurden in vier (später fünf) Sequenzen unterteilt. Die Reihenfolge diente dem Autor als grober Ablaufplan, wurde im Rahmen der Durchführung jedoch meist flexibel gehandhabt. Aspekte, welche die Teilnehmerinnen nicht selbstständig ansprachen, die jedoch bereits aus der theoretischen Vorbetrachtung heraus relevant erschienen, wurden durch den Interviewer als Ad-hoc-Frage gestellt. Diesbezüglich wurden Stichpunkte und Kurzfragen vorgefertigt, die jedoch nur bei Bedarf zum Einsatz kamen.

Zusätzlich zu den vorformulierten Fragestellungen wurden die einzelnen Interviewsequenzen um verständnisgenerierende Fragen ergänzt, die sich spontan aus den gemachten Schilderungen der Probandinnen ergaben. Demnach fasste der Interviewer die Schilderungen der Probandinnen mit eigenen Worten zusammen und gab ihnen die Möglichkeit darauf zu reagieren, stellte allgemeine Verständnisfragen oder konfrontierte die Probandinnen mit Widersprüchen. Diese Art der Verständnisgenerierung kann auch als spezifische Sondierung innerhalb des PZI bezeichnet werden (vgl. Lamnek 2018: 346). Am Ende der Interviews wurde allen Teilnehmerinnen zusätzlich die Möglichkeit gegeben, zu ihren gemachten Äußerungen Bilanz zu ziehen. Nach jedem Interview wurde ein Postskript gefertigt (vgl. Anhang 7; 7.1–7.5) und das Interview reflektiert. Gedanken und Überlegungen wurden dokumentiert und der Leitfaden dementsprechend nach jedem Interview angepasst. Damit wurden für alle fünf Interviews leicht unterschiedliche Interviewleitfäden verwendet. Die prozesshafte Entwicklung des Leitfadens ist Anhang 6.1–6.5 zu entnehmen. Die unterschiedlichen Änderungen wurden mit verschiedenen Farben dargestellt. Es ergaben sich insbesondere Änderungen im Bereich der Ad-hoc-Fragen. Hierbei wurden vermehrt Aspekte des individuellen Erlebens angesprochen, die bereits in vorangegangenen Interviews benannt wurden. Somit sollte eine Vergleichbarkeit der Interviews gewährleistet werden.

4.2.3 Inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse

Im Anschluss der Befragungen wurden die Tonaufzeichnungen in Anlehnung an die Transkriptionsregeln von Kuckartz (2010 und 2018) durch den Autor transkribiert (vgl. Anhang 8). Die transkribierten Interviews finden sich im Anhang 8.1–8.5. Daraufhin wurden sämtliche Daten (Kurzfragebögen, Postskripte, Transkripte sowie Tonaufzeichnungen der Interviews) in die Software „MAXQDA“ (vgl. Anhang 14)18 übertragen und einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (ISQI) nach Kuckartz unterzogen (vgl. Kuckartz 2018: 97 ff.). Ein prägnantes Ablaufschema der ISQI findet sich bei Kuckartz selbst und wurde zur Versinnbildlichung des Analyseprozesses übernommen (vgl. Abbildung 15). „Inhaltsalytisches Vorgehen wertet Material interpretierend aus, das emotionale und kognitive Befindlichkeiten, Verhaltensweisen oder Handlungen repräsentiert“ (Lamnek/Krell 2016: 454). Das pragmatische Ziel der Inhaltsanalyse ist, das Material klassifizierend zu beschreiben und inhaltlich zu reduzieren, um so strukturelle Zusammenhänge zu erkennen und die verschiedenen Segmente vergleichbar zu machen (vgl. Früh 2017: 44). Dies geschieht bei der ISQI durch die Bildung und Vergabe von Kategorien bzw. Codes19, die entweder deduktiv aus der theoretischen Vorbetrachtung bzw. als Ableitung aus den Forschungsfragen oder aber induktiv am Material gebildet wurden.

Demnach wurde zunächst sämtliches Material gesichtet, wichtige Textstellen markiert, Auffälligkeiten in Form von Memos am Text festgehalten und Fallzusammenfassungen erstellt (vgl. Kuckartz 2018: 101). Die Markierungen und Memos können der MAXQDA-Projektdatei (vgl. Anhang 14) entnommen werden. Die Fallzusammenfassungen finden sich im Anhang 9.1–9.5. Im Anschluss wurden die folgenden Hauptkategorien gebildet:

- „Erlebte Phänomene mit sexuellem Bezug“,
- „Empfinden der Nutzerin“,
- „Reaktion der Nutzerin“,
- „Selbstverständnis von sexueller Belästigung“,
- „Differenzierung zwischen analoger und digitaler Welt“,
- „Vermutete Ursachen“,
- „Erlebte soziale Kontrolle“ und
- „Gewünschte soziale Kontrolle“.

Nunmehr wurde das gesamte Material mit diesen Hauptkategorien codiert20. Anschließend wurden die Textsegmente sämtlicher Hauptkategorien in MAXQDA zusammengestellt und miteinander verglichen. Hierbei ergaben sich verschiedenste Differenzierungen innerhalb der Hauptkategorien, was die Unterteilung in Subkategorien oder die Erstellung neuer Hauptkategorien nach sich zog.

Zur Veranschaulichung dieses Prozesses kann die Hauptkategorie „Erlebte Phänomene mit sexuellem Bezug“ herangezogen werden. Zunächst wurden alle Textstellen gesichtet, die mit dem entsprechenden Code versehen waren. Dabei fiel auf, dass nicht nur über Phänomene sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen, sondern auch über ähnliche Erfahrungen auf anderen sozialen Netzwerken oder aber in der analogen Welt berichtet wurde. Demnach wurden die zwei neue Hauptkategorien „Andere Plattformen“ und „Sexuelle Belästigung im analogen Raum“ gebildet. Diese entsprachen zwar nicht zwingend der Forschungsfrage, schienen aber für den Beurteilungsprozess der Aussagen der Probandinnen von besonderer Bedeutung.

Beispielhaft für die Bildung von Subkategorien kann der Hauptkategorie „Reaktion der Nutzerin“ erwähnt werden. Bei der Sichtung dieses Codes wurde deutlich, dass sich die Aussagen der Nutzerinnen unterschieden in Hinblick auf den Zeitpunkt der Reaktion. So wurden unmittelbare Reaktion aber auch langfristige Änderungen des Nutzerverhaltens als Folge auf die erlebten Situationen geschildert. Demnach erfolgte hier eine entsprechende Differenzierung in die gleichnamigen Subkategorien. In gleicher Weise wurden die meisten Subkategorien induktiv am Material gebildet. Es gab jedoch auch deduktive Ableitungen. Anhand der theoretischen Vorbetrachtung war beispielsweise bekannt, dass die Phänomene „Catfishing“, „Sexting“, „Cyberstalking“, „Fetisch-Anfragen“, „Unerlaubte Verbreitung von Bildern“ und „Slutshaming“ auf digitalen Verkaufsplattformen auftreten 1 (s. Kap. 2.4). Diese wurden entsprechend als Subkategorien für „Erlebte Phänomene sexueller Belästigung“ übernommen und fanden sich im Rahmen der Analyse auch im Material. Grundsätzlich wurde bei der Kategorienbildung darauf geachtet, dass diese trennscharf, plausibel, erschöpfend, gut präsentierbar und kommunizierbar sind (vgl. Kuckartz 2018: 85). Nachdem sämtliche Kategorien ausdifferenziert wurden, erfolgte eine Zusammenstellung dieser im Kategoriensystem (vgl. Anhang 10). Das Kategoriensystem zeigt die Gesamtheit aller vergebenen Haupt- und Sub- sowie Subsubkategorien bzw. deren hierarchischen Aufbau. Dem Kategoriesystem ist auch die Anzahl der Codierungen zu entnehmen. Somit soll bereits die Betrachtung einen ersten Einblick in Bezug auf die Ausdifferenzierung der Forschungsergebnisse ermöglichen. Zur Gewährleistung der Reliabilität wurde ein Kodierleitfaden erstellt (vgl. Anhang 11). Nach Kuckartz dient der Kodierleitfaden der Nachvollziehbarkeit der Inhaltsanalyse und schafft Handlungssicherheit für den Codierenden (vgl. ebd. 2018: 40). Hierzu wurde für jede Kategorie eine Bezeichnung mit Abkürzung angefertigt und eine Kodierregel festgelegt. Bei Abgrenzungsschwierigkeiten wurde die Kodierregel um eine Definition ergänzt. In jedem Fall wurden die Kategorien mit prägnanten Ankerbeispielen ergänzt. Im Anschluss erfolgte eine erneute Codierung des gesamten Materials mittels Kategoriensystem und Kodierleitfaden, wobei letztere nur noch marginal angepasst wurden21.

5 Auswertung und Diskussion der Ergebnisse

Die erlangten Ergebnisse der ISQI sollen im folgenden Abschnitt dargestellt und diskutiert werden. Hierbei wird zunächst eine Auswertung der dem Interview vorgelagerten Kurzfragebögen vorgenommen. Ferner findet eine Analyse der vergebenen Kategorien statt, wobei diese entsprechend den Forschungsfragen gegliedert werden sollen. Demnach wird zunächst das persönliche Erleben und die Reaktionen der Probandinnen auf die erlebten Phänomene mit sexuellem Bezug betrachtet. Anschließend wird untersucht, inwiefern Formen sozialer Kontrolle wahrgenommen wurden, die diesem Verhalten entgegenwirken bzw. was nach Einschätzung der Probandinnen sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen begünstigt. Kuckartz empfiehlt in diesem Zusammenhang eine kategorienbasierte Auswertung entlang der Hauptkategorien, was auch hier Anwendung fand (vgl. Kuckartz 2018: 118 f.).

Die Definition bzw. die Vergaberegeln der einzelnen Kategorien können dem Kodierleitfaden entnommen werden (vgl. Anhang 11). Eine Übersicht der Kategorien findet sich im Kategoriesystem (vgl. Anhang 10). Die quantitative Verteilung der Kategorien kann dem gleichnamigen Anhang 12 und der Segmentmatrix (vgl. Anhang 13) entnommen werden.

5.1 Kurzfragebögen

Die ausgefüllten Kurzfragebögen finden sich im Anhang 5.1 – 5.5. Das Sample setzte sich aus den folgenden Frauen zusammen22 :

B1 : C. 29 Jahre

B2 : M. 20 Jahre

B3 : F. 31 Jahre

B4 : S. 28 Jahre

B5 : H. 26 Jahre

Die Stichprobe verfügte über ein hohes Bildungsniveau. Demnach wurde als höchster Bildungsgrad zweimal ein Masterabschluss (B1, B3), zweimal Abitur (B2, B5) und einmal die mittlere Reife (B4) benannt. B1, B3 und B4 waren berufstätig, B2 und B5 waren als Studentinnen immatrikuliert. Vier der Teilnehmerinnen (B1, B2, B3, B5) lebten in einer Klein- und die fünfte (B4) in einer Großstadt (Großstadt ≥ 100.000 Einwohner), wobei diese sich auf die Bundesländer Brandenburg (B1), Bayern (B2), Mecklenburg-Vorpommern (B3), Schleswig-Holstein (B4) und Baden-Württemberg (B5) verteilten. Als Motivation für die Teilnahme wurde durch die Probandinnen die Unterstützung der Forschung (B1, B3) und generelle Aufklärung/Sensibilisierung zum Thema sexuelle Belästigung (B2, B4, B5) benannt. Vier der Teilnehmerinnen verwendeten sowohl eBay Kleinanzeigen und Vinted als auch andere Plattformen (B2–B5). Eine Probandin nutzte ausschließlich eBay Kleinanzeigen (B1). Sonstige verwendete digitale Verkaufsplattformen waren Facebook, Shpock, Mädchenflohmarkt und eBay. Im Durchschnitt benutzten die Probandinnen eBay Kleinanzeigen zum Zeitpunkt der Befragung seit 6,2 Jahre (B1-B5), Vinted seit 5,0 Jahren (B2-B5) und die anderen Plattformen seit 4,0 Jahren (B3-B5). Dabei erlebten Probandinnen nach eigenen Angaben durchschnittlich 5,0 Fälle sexuelle Belästigung.

Hier zeigte sich ein Nachteil hinsichtlich der vorgelagerten Verwendung des Kurzfragebogens. So wurde festgestellt, dass im Interview mit B1 von zwanzig als sexuell übergriffig empfundenen Erlebnissen berichtet wurde, welche auf dem Kurzfragebogen nur als ein Vorfall von der Probandin gewertet wurden. Dies wurde damit begründet, dass sich die Anbahnungen nur auf einen einzigen zu verkaufenden Artikel bezog (vgl. Anhang 7.1). Demnach hätte hier ggf. ein anderes Fragebogendesign erfolgen resp. der Kurzfragebogen im Beisein des Interviewers ausgefüllt werden müssen, um eventuelle Nachfragen zu ermöglichen. Allerdings wurden nach Angaben der Probandinnen auch in anderen Interviews Erlebnisse erinnert, die zum Zeitpunkt des Ausfüllens des Kurzfragebogens nicht erinnert oder als solche gewertet wurden (vgl. Interview 03, Abs. 17). Wenngleich dies die Aussagenkraft der vorgelagerten Kurzfragebögen hinsichtlich der Inzidenzrate von sexueller Belästigung schmälert, verdeutlicht es die Vorzüge eines qualitativen Designs, in dem sich Probandinnen intensiv mit Erlebnissen auseinandersetzen.

5.2 Phänomene sexueller Belästigung

Im weiteren Verlauf wird eine themenbasierte Auswertung der Hauptkategorien „Phänomene mit sexuellem Bezug“, „Andere Plattformen“ und „sexuelle Belästigung im analogen Raum“ vorgenommen.

5.2.1 Phänomene mit sexuellem Bezug auf digitalen Verkaufsplattformen

Alle Probandinnen (B1–B5) erlebten Phänomene mit sexuellem Bezug auf digitalen Verkaufsplattformen. Diese Kategorie wurde bewusst nicht als sexuelle Belästigung bezeichnet, denn die geschilderten Anbahnungsformen fassten nicht alle Probandinnen als sexuelle Belästigung auf, dem Verhalten des Gegenübers wurde jedoch ein sexuelles Motiv angetragen.

In Bezug auf „Catfishing“ schildern alle Probandinnen (B1–B5) bereits Erfahrungen mit Nutzern gemacht zu haben, die ihre Profile entweder unter Verwendung eines falschen oder fragmentarischen Namens oder des falschen Geschlechts erstellt hatten. Zum Erkennen von Fake-Profilen kann exemplarisch auf die Aussage von B5 verwiesen werden:

„Ein Fake-Profil? Ja wenn jemand quasi keine Bewertungen hat und (*) ein Profilbild, aber eben irgendwas was total ja, keinen Sinn ergibt. Also diese typischen Google Bilder halt, wo jemand sich ne schöne Person ausgesucht hat und die als Profilbild genommen hat, […] oder eben wenn man gar kein Bild hat und dann aber auch noch einen komischen Nutzernamen und wenn das (*) also (h) der Aktivitätsstatus erst so, wenn die Person sich erst vor paar Wochen oder ein paar Tagen, teilweise auch erst Stunden erst registriert hat...“ (B5: 63).23

Darüber hinaus gab das Gegenüber zum Teil selbst bekannt, dass es ein anderes Geschlecht hatte (B4: 22) oder aber es wurde auf anderen Plattformen wie Instagram explizit vor bestimmten Fake-Profilen gewarnt (B4: 28). Die Verwendung der falschen Profile diente dem Erhalt von Tragebildern (B4: 2), der Verlagerung in den analogen Raum zu einem Treffen mit der Probandin (B3: 17), oder aber um explizit getragene Kleidung erwerben zu können (B1: 38, B2: 14). In einem Fall wurde die Nutzerin, obwohl sie Schuhe verkaufen wollte, aufgefordert Bilder von ihren Füßen oder sich selbst in Strumpfhose zu übersenden (B4: 22). Darüber hinaus gibt B5 an, dass sie nicht ausschließen könne, dass von ihr bereits blockierte Nutzer Fake-Profile verwendeten, um sie erneut auf digitalen Verkaufsplattformen oder anderen Plattformen, die auf ihrer Seite verlinkt sind, zu kontaktieren. Zumindest könne sie sich nicht erklären, wie diese Nutzer sonst auf sie aufmerksam würden (B5: 22). Hier zeigen sich Überlagerung zu den Kategorien Tragebild-Anfragen, Cyberstalking und Fetisch-Anfragen. Das unterstreicht, dass Catfishing per se keine sexuelle Belästigung ist, sondern vielmehr klandestine Methode zur Erreichung eines bestimmten Ziels, dass auch sexueller Natur sein kann. Problematisch erscheint, inwiefern Nutzerinnen und Nutzer, Fake-Profile immer als solche erkennen. So schildert beispielsweise B1 im Nachgang des Interviews, dass sie früher häufiger Tragebilder an vermeintliche Nutzerinnen verschickt hatte, heute sei sie aber nicht mehr so „naiv“ (vgl. Anhang 7.1).

Das Übersenden von erotischen Nachrichten oder Bildmaterial über das Handy bzw. das Internet wird als „Sexting“ beschrieben (vgl. Eichenberg/Auersperg 2014: 165). Nicht geklärt ist hierbei, ob auch die Anfrage zum Erhalt/oder zum Versenden solcher Nachrichten schon als Sexting gilt. Im Rahmen der Befragung wurde jedoch ersichtlich, dass auch diese Sexting-Anfragen bereits Negativauswirkungen auf Probandinnen hatten, weshalb die Definition von Sexting für die entsprechende Kategorie im Kodierleitfaden erweitert wurde. Vier der Probandinnen (B1, B2, B4, B5) haben Erfahrungen mit Sexting auf eBay Kleinanzeigen oder Vinted gemacht. Hierbei erhielten zwei Probandinnen auf Vinted ungefragt Bilder von männlichen Genitalien. So schildert B4:

„B4: Ja, also ich hab schon mal, (*) ganz oft schon Bilder von den Genitalien geschickt bekommen. […]

I: Einfach aus dem Nichts, oder was (lacht)?

B4: Ja, aus dem Nichts. wirklich (lacht). Also (,) ich hab ja nichts gesagt oder ich hab ja auch nichts losgeschickt und aus dem Nichts kam einfach ein Bild. Oder auch mal so, er: ,möchtest du was sehen?' ich sagte: ,ich möchte nichts sehen' und dann kam ein Bild.

I: Und das eigentlich, obwohl es jetzt auf Schuhen//um Schuhe gehen sollte?

B4: Jaja genau mhh. Oder Unterwäsche halt, ne? Also ich hab auch mal Sets reingestellt, das mach ich jetzt auch nicht mehr. Aber ich hab früher mal zum Beispiel, was weiß, BH's die nicht gepasst haben oder sonstiges reingestellt. Und (*) und dann (*) hab ich solche Bildchen bekommen“ (B4: 36–44).

B5 erlebte die Situation wie folgt:

„B5: Also genau, ich hatte auf den Vinted Kontakt mit (*) sexueller Belästigung. In dem Fall, dass (*) mir jemand geschrieben hat (*) erst, ob ich die Schuhe verkaufen möchte (*) und wollte dann ein bisschen mit dem Preis rumhandeln (*) dann hatte ich gesagt: ,Nein, auf keinen Fall' dann hat er gemeint, er würde sogar noch mehr zahlen, wenn ich die länger tragen würde, so nach dem Motto. Und ob ich denn nicht auch Videos machen könnte, das hatte ich alles verneint und dann hat er mir eben anzügliche Bilder geschickt von sich. Daraufhin hatte ich ihn auch dann direkt blockiert und (*) Vinted gemeldet, ja..

I: Was meinst du mit anzüglichen Bildern?

B5: (*) ja, Penisbilder (lacht verlegen)“ (B5: 2–6).

Weiterhin wurden Probandinnen gefragt, ob sie selbst Nacktbilder bzw. Bilder von bestimmten Körperteilen übersenden könnten (B1: 44, B4: 22). B2 wurde gefragt, ob sie Bilder des männlichen Gegenübers in Strumpfhosen erhalten möchte, was durch diese abgelehnt wurde (B2: 28–36). Darüber hinaus wurde von B1 ein weiter Fall von Sexting im engeren Sinn geschildert, bei dem sie ungewollt ein Penisbild auf Instagram erhalten hatte (B1: 82). In keinem der strafrechtlich relevanten Fälle von Sexting im engeren Sinne, erfolgte eine Strafanzeige. Schwierig erschien die Differenzierung von Sexting-Anfragen und Tragebild-Anfragen. Demnach könnten auch Tragebilder für das Gegenüber erotische Bilder sein. So schildert B3 folgende Vermutung:

„Gerade wenn (*) solche (,) Menschen, Verkäuferinnen dazu bringen können, Tragebilder zu schicken, weil sie denken, weil die Verkäuferinnen denken: ,Ah Mensch, ich chatte hier mit einer 20-jährigen Frau, die interessiert ist an meinem Unterwäsche//Unterwäsche-Set. (*) Dann schick ich der jetzt mal ein Tragebild, ist ja kein Problem'. Und eigentlich sitzt da ein 50-jähriger Manfred dahinter und (*) geilt sich dann an diesem Tragebild auf. Das ist natürlich auch nochmal ein Unterschied, ob ich mir ein (h) Unterwäsche//models, kann ich mir tonnenweise im Internet angucken. Aber es ist natürlich ein Unterschied, wenn ich weiß: ,Sie hat das jetzt gerade nur für mich aufgenommen das Tragebild, ne? Und ich hab sie sogar dazu gebracht, mir dieses Unterwäschebild zu schicken' Das ist eine ganz andere Ebene“ (B3: 35).

Eine valide Ergründung der Täter- bzw. Täterinnenmotivation ist bei einer Befragung von Betroffenen jedoch nicht realisierbar. Aus diesem Grund gelten im Sinne dieser Arbeit als Sexting-Anfragen nur Anfragen, die auf Nacktbilder bzw. Bilder bestimmter Körperteile abzielen und somit klar erkennbar abweichend vom eigentlichen Verkaufsgespräch/dem Verkaufsartikel gestellt werden.

Alle Probandinnen (B1–B5) erlebten Formen von „Cyberstalking“ auf den Plattformen. Hierbei erhielten drei Probandinnen wiederholt belästigende Nahrichten (B1: 4, B2: 2, B4: 3–4). In zwei Fällen verlagerte sich diese Nachrichten dann auch auf andere Plattformen (B5: 20, B4: 4). So schildert B4:

„Also, ich wurde denn, ich wurde (h) wie gesagt man schickt ja seine E-Mail-Adresse los oder seinen Namen um, damit die Leute natürlich per PayPal bezahlen können. (*) Dann wurde ich schon bei Instagram angeschrieben, bei Facebook angeschrieben, man hat so versucht meine Handynummer aus (h) ausfindig, wie sagt man schnell? (*) Dass man meine Handynummer natürlich noch irgendwie online finden kann, das man mich so erreichen kann, also es war richtig nervig. Also ich konnte die Person zum Glück blocken und die hat nicht nochmal angerufen oder sonstiges. (*) Aber, aber es war schon merkwürdig“ (B4: 4).

Darüber hinaus wurde in drei Situationen versucht ein analoges Treffen mit den Probandinnen zu realisieren. B1 berichtet:

„Also der hat auch gefragt, ob die Unterwäsche getragen war und, (*) das war halt auch der, der meinte, er würde persönlich vorbeikommen, um mich zu sehen. Damit er sich besser vorstellen kann, wie denn die Unterwäsche (*) wirklich am Menschen aussieht“ (B1: 29).

B3 schildert, dass das Gegenüber ein Kleid von ihr kaufen wollte, er jedoch zwingend auf eine Übergabe an der Wohnanschrift der Probandinnen bestand, was diese kategorisch ablehnte (B3: 17). Bei B2 fragte der männliche Nutzer, der ihre Leggings kaufen wollte, zunächst ober er auch Bilder von sich selbst in Strumpfhose/Leggings übersenden könne und später, ob er diese der Probandin bei einem gemeinsamen Essen zeigen könne. Tatsächlich ließ sich B2 auf ein Treffen mit dem Mann an dessen Wohnanschrift ein. Hierbei traf sie für sich jedoch physische Sicherheitsvorkehrungen, indem sie Motorradbekleidung und -helm anließ. Auch hier erfolgten weitere Anbahnungsversuche und Essenseinladungen, die sie jedoch ablehnte und lediglich den Verkauf der Leggings realisierte. Nachdem sie ihm mehrere „Abfuhren“ gegeben hatte, erfolgten auch keine weiteren Kontaktversuche (B2: 2–20). In Bezug auf diese Kategorie muss konstatiert werden, dass die wiederholt erlebte Belästigung und die Verfolgung/versuchte Verfolgung auf eine andere Plattform bzw. in den analogen Raum nicht mit einer Nachstellung im Sinne des § 238 StGB gleichzusetzen ist, die eine stärkere Intensität der Nachstellung und eine größere Beeinflussung auf das Leben der Geschädigten voraussetzen würde. Allerdings zeigen die Schilderungen der Nutzerinnen die Penetranz der Belästigenden auf, die auch Auswirkungen auf die Gefühlswelt der Probandinnen haben, wie die späteren Ausführungen zeigen.

Alle Probandinnen haben Erfahrungen mit „Fetisch-Anfragen“ gemacht (B1–B5). Die Kategorie wurde vergeben, wenn nach getragener Kleidung bzw. Kleidung speziell mit Gebrauchsspuren gefragt wurde. Diese Akzentuierung der Fragen diente den Probandinnen als signifikantes Symbol zur Erkennung von Fetisch-Anfragen, da sie stark abweichend von Fragestellungen in „normalen“ Verkaufsgesprächen waren. Die Kategorie Fetisch-Anfragen wurde insgesamt 18-Mal vergeben und somit am häufigsten von Nutzerinnen thematisiert. B1 berichtet in diesem Zusammenhang von einem Unterwäscheset, welches sie auf eBay Kleinanzeigen verkaufen wollte:

„BH und ein Slip dazu oder so ein Body oder sowas und (*) da kamen recht schnell Anfragen. Ich sag mal so 20 Stück oder so. War nur eine Frau dabei, die wirklich gefragt hat, wie es ist mit (*) wie die Verarbeitung ist und sowas (*) und der Rest waren wirklich (*) nur Männer, die als allererstes immer alle dieselbe Frage gestellt haben.. Nämlich, ob es sich bei den Sachen um getragene handelt“ (B1: 2).

Hierbei wurde B1 entweder direkt gefragt, ob die Kleidung getragen ist oder aber ob sie diese nicht noch länger tragen würde (B1: 76). B2 berichtete, wie sie eine getragene Leggings an einen männlichen Nutzer verkaufte (bereits beschrieben B2: 2-20), aber auch, dass eine Freundin von ihr auf eBay Kleinanzeigen nach getragener Unterwäsche gefragt wurde (B2: 70). B3 wurde explizit durch einen männlichen Nutzer nach Tragespuren an der zu verkaufenden Unterwäsche gefragt, als dieses verneint wurde, fand keine weitere Kommunikation statt (B3: 4). B4 wurde nach getragenen Strümpfen gefragt, bzw. gebeten die Schuhe vor Verkauf noch einmal zu tragen (B4: 2). Weiterhin erhielt sie Anfragen, dass sie einen Aufpreis bekäme, wenn sie die zu verkaufende neuwertige Unterwäsche noch einmal tragen würde (B4: 2). Darüber hinaus berichtet die Probandin, dass sie von Plattformen gehört hätte, auf denen Tragebilder bzw. getragene Schuhe oder Unterwäsche weiterverkauft werden würden (B4: 20). B5 gibt an, dass sie gefragt wurde, ob sie Schuhe erneut tragen und sich dabei filmen würde (B5: 2). Weiterhin wurde sie nach getragener Unterwäsche gefragt, obwohl sie andere Produkte verkaufte (B5: 8). Sie erhielt zudem explizite Fragen nach Gebrauchsspuren (B5:17) und Nutzer wollten getragene Socken von ihr kaufen (B5: 30). Wenngleich die beschriebenen Anfragen als Fetisch-Anfragen durch die Nutzerinnen ausgelegt wurden, bleibt selbstredend die eigentliche Anfrageintention verborgen.

Die „Unerlaubte Verbreitung von Bildern“ wurde nur von B4 thematisiert, die angab, dass man nicht wisse was mit übersandten Tragebildern passiere. In diesem Zusammenhang berichtete sie von Plattformen, auf denen getragene Schuhe und Tragebilder weiterverkauft/veröffentlicht wurden (B4: 18–20). Das vergleichbaren Portale tatsächlich existieren, wurde bereits im Rahmen der theoretischen Vorbetrachtung dargestellt bzw. lässt mittels einfacher Internetrecherche nachweisen. An dieser Stelle soll jedoch keine Vertiefung dieser Thematik stattfinden.

Das sog. „Slutshaming“ erlebte nur B3. Hierbei wollte eine andere weibliche Nutzerin zuerst ein T-Shirt von ihr kaufen, entdeckte dann aber auch ein zu verkaufendes Korsett der Probandin, welches mit Tragebild eingestellt war. Daraufhin erlebte sie folgende Situation:

„Zwei Minuten später erhielt ich eine Anfrage zu dem Korsett.. (*) Was heißt Anfrage? (zu sich selbst) Also ich bekam eine Nachricht zu dem Korsett von ihr und da schrieb sie mir: ,Boah wie eklig bist du denn? Man sieht ja deine halben Brüste, was bist du für eine Schlampe?!' Damit war dann das Gespräch beendet (lacht verärgert)“ (B3: 8).

Alle Probandinnen außer B2 erhielten „Tragebild-Anfragen“ auf eBay Kleinanzeigen oder Vinted. Hierbei bezogen sich die Anfragen meist auf die angebotenen Artikel. Die Anfragen verliefen dabei differenziert, so schildert B1:

„Und bei manchen war es jetzt wirklich so, dass man schon gemerkt, okay die wollen jetzt quasi einfach Bilder von dir in Unterwäsche haben. ohne dass dahinter ein tieferer Sinn steckt und (*). Ja, da gabs halt beides. Die meisten haben zwar höflich gefragt, aber bei vielen war halt auch schon so, ein sehr plumper Beigeschmack da“ (B1: 32).

Als Extrembeispiel fügt sie hinzu:

„Das dann wirklich das Telefon klingelt und denn schon so mit (*) nasaler Stimme(,) also nicht vorsichtig, sondern wirklich schon ganz bewusst sexistisch gefragt wurde vonwegen: ,Ja hast du es denn gerade an? Und(*) kann ich mal ein Foto sehen oder schickst du mir ein Bild? Ich muss das unbedingt getragen sehen und wie dein Arsch darin aussieht und'.. Also wirklich richtig obszön […]“ (B1: 4).

B4 erhielt Anfragen von vorgeblich weiblichen Nutzerinnen, die sich später als Männer herausstellten und dann Fragen nach Tragebildern in Strumpfhosen (Tragebild-Anfrage) sowie Bildern von ihren Füßen (Sexting-Anfrage) stellten (B4: 2, 22). B5 wurde aufgefordert Bilder oder Videos von sich in den zu verkaufenden Schuhen zu machen. Als sie dies ablehnte, erhielt sie ein Penis-Bild (B5:2). B3 schildert, dass sie in der Regel eine Schneiderpuppe verwendet, um diesen Anfragen zuvorzukommen und sollte trotzdem eine Tragebild-Anfrage kommen, sie auf das Gegenüber achtet:

„Und trotzdem achte ich auch darauf, dass ich wenn Fragen nach Tragebildern kommen, dann guck ich immer: ,Was ist denn das für ein Mitglied?' Also hat das Mitglied schon mehrere Bewertungen, also ist das ein Mitglied was hier aktiv ist und auch seriös dadurch erscheint“ (B3: 12).

Dass sich ggf. auch Transgender für die Artikel interessieren, oder aber die Bekleidung als Geschenk gedacht sein könnte, wurde hierbei seltener thematisiert. Eine Ausnahme findet sich beispielsweise bei B4:

„Also ich (*) einfach, dass ich rigoros bin, ne? Also dass ich, klar ich stell die Sachen online, und (*) wenn mich jemand jetzt darauf anschreibt und (*) sagt er möchte die Schuhe für ne Freundin kaufen oder sonstiges, komplett in Ordnung. Aber wenn es dann heißt: ,ja, kannst du es so und so machen?' sag ich: ,nee ist nicht' Ich bin halt knallhart dann: ,nee ist nicht und wenn du mich weiter nervst, entweder kriegst du eine Anzeige oder, oder ich blockier dich' und dann kommt auch nichts mehr“ (B4: 28).

Grundsätzlich ist die Frage nach einem Tragebild keineswegs ungewöhnlich und kann auch in einem normalen Verkaufsgespräch stattfinden. Die Probandinnen deuteten die Tragebild-Anfrage jedoch als sexuell konnotiert, wenn sie von männlichen Probanden in Bezug auf Frauenbekleidung erfolgte oder aber besonders plump formuliert war. Zur Schwierigkeit hinsichtlich der Differenzierung von Tragebild-Anfragen und Sexting-Anfragen wurde bereits oben ausgeführt. Mehrere Probandinnen schilderten, ihr Nutzerverhalten hinsichtlich des Versendens von Tragbildern im Laufe der Nutzungsdauer geändert zu haben und diese prinzipiell nicht mehr oder nur noch an Nutzerinnen und Nutzer mit guten Bewertungen zu verschicken (vgl. Kapitel 5.3.2).

Andere Formen der Belästigung, welche keine der anderen Subkategorien zugeordnet werden konnten, wurden als „Sonstige ungewollte sexuelle Anbahnung“ codiert. Diese Subkategorie fand sich bei allen Probandinnen. Ein Beispiel das B3 erlebte:

„Und der Kommentar war eigentlich: (*) ,Ja, hält denn der BH auch gut?' Ich sag: ,Ja, wenn es die richtige Größe ist, hält er auch gut'. Und dann hieß es (*): ,Ja das ist schön, dass er(,)' oder irgendwie, wie war das? (zu sich selbst) ,Ist ja auch ganz wichtig, dass die Titties gut gehalten werden!' Oder so ein Quatsch, ne? Also Ich erinnere mich noch an dieses Wort Titties, was ich total unpassend finde (lacht verlegen)“ (B3: 2).

B2 und B5 beschreiben generell belästigende oder aufdringliche Nachrichten, die sie auf den Plattformen erhielten (B4: 22, B5: 8). B2 schildert darüber hinaus, dass sie ungewollt mit sexuellen Inhalten konfrontiert wurde. So berichtete ihr männliches Gegenüber von seinen sexuellen Vorlieben hinsichtlich von Leggings:

„Details hat er nicht erzählt. Er hat immer davon geredet, wie toll sich ja der Stoff anfühlt und das er die gerne beim Putzen zu Hause trägt und nichts darunter trägt und (*) Es waren auch so, also so ähnlich Lack-Leder Leggings und d a s f a n d der toll (lacht)“ (B2: 32).

In allen beschriebenen Situationen werden diese Anbahnungen als Grenzüberschreitung bzw. grenzwertig empfunden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Nutzerinnen auf digitalen Verkaufsplattformen mit solchen sexuell konnotierten Phänomenen konfrontiert werden, wie sie auch im Rahmen der theoretischen Vorbetrachtung Erwähnung fanden. Aufgrund der nicht vorhandenen Repräsentativität des Samples lassen sich keine Angaben zu Prävalenzraten für die Gesamtheit der Nutzerinnen und Nutzer machen. Es scheint jedoch, dass Fetisch-Anfragen und Tragebild-Anfragen in Verbindung mit Catfishing die häufigsten Phänomene sind.

5.2.2 Sexuelle Belästigung auf anderen Plattformen und im analogen Raum

B1, B4 und B5 berichten neben sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen auch von Anbahnungen auf „anderen Plattformen“. Demnach geben B1 und B5 an, sexuelle Belästigung auf Instagram erlebt zu haben. So berichtet B1 von einem Polizisten, der in ihrem Fitnessstudio trainieren würde und sie bei Instagram nach einem Treffen fragte, um sich sexuell zu „vergnügen“. In diesem Zusammenhang wurde ihr auch ungefragt ein Penisfoto übersandt (B1: 82). Als besonders schlimm empfindet sie dabei nicht das Foto an sich, sondern dass das Gegenüber es als Polizist eigentlich hätte besser wissen müssen. B5 schildert, dass sie generell auf Instagram viele eklige Nachrichten bekommt (B5: 22) und auch auf LinkedIn24 ähnliche Anfragen erhalten hätte (B5: 75), obwohl dies eigentlich ein rein berufliches soziales Netzwerk ist. B4 berichtet von einem Erlebnis, welches sie auf BlaBlaCar25 erlebt hat:

„Genauso wie (h) wie wenn man es anbietet ne Fahrt, mit sich zu fahren, bei BlaBlaCar, und dann gefragt wird ob man Höschen für 500€ verkauft. Das ist (,) die Leute werden immer dreister und das ist nicht nur eBay Kleinanzeigen, Vinted (*) BlaBlaCar sondern auch Facebook, ne?“ (B4: 2).

Aus den Äußerungen wird ersichtlich, dass sexuelle Belästigung kein Phänomen ist, das speziell auf digitalen Verkaufsplattformen auftritt, sondern es sich um ein generelles Problem im digitalen Raum handelt. So fasst B5 zusammen:

„Also ich hätte ich gesagt, nicht speziell auf dem digitalen Verkaufsplattformen, sondern ein Problem das generell besteht im Internet sowie auch in der analogen Welt. Den man sich auf jeden Fall annehmen müsste.

I: Also sexuelle Belästigung generell ist ein Problem?

B5: Genau. Die auch in den letzten Jahren irgendwie viel viel schlimmer geworden ist“ (B5: 67–69).

Gleichlautend begründet B4 ihre Motivation zur Teilnahme an der Studie auf ihrem Kurzfragebogen:

„Meine Intention hier hinter ist die Aufklärung der Menschheit zu diesem Thema, Frauen sind nirgendwo sicher. Noch nicht mal beim Onlineflohmarkt“ (Kurzfragebogen 04: 1).

Alle Probandinnen schildern neben den Erlebnissen im digitalen auch von sexuellen Belästigungen, die sie im analogen Raum erlebt hatten (B1–B5). B1 und B5 berichteten von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Diese wurden als übergriffig empfundene Sprüche beschrieben (B1: 21, B5: 28). B5 berichtet dabei, dass sie bereits so häufig sexuelle Belästigung im analogen Raum erlebte, dass sie mit sexuellen Belästigungen im Internet gut umgehen kann (B5: 10). Durch die Häufigkeit der Viktimisierungen hat sie auch bereits ihr Verhalten in der analogen Welt angepasst, was dazu führt, dass sie es vermeidet abends allein in der Stadt unterwegs zu sein und das Auto der S-Bahn vorzieht (B5: 71). B4 schildert zwei Situationen aus dem analogen Raum. So wurde sie mit 16 Jahren von einem Fremden angesprochen wurde, der sie fragte, ob er ihre Sandalen kaufen könne, da sie so schöne Füße hätte (B4: 2). Weiterhin erlebte sie eine Situation, in der sie nach eigenen Angaben von zehn Flüchtlingen umzingelt und belästigt wurde. Als sie dann später die Polizei rief, wurde sie nur ausgelacht und man legte ihr nahe, dass sie das als Kompliment empfinden solle. Aufgrund solcher Erfahrungen könne sie verstehen, wenn Nutzerinnen sexuelle Belästigungen nicht melden würden (B5: 55). B3 berichtet von vermehrter sexueller Belästigung, die sie beim Joggen erlebt. Hierbei würden sie ständig Autofahrer „anhupen“. Nicht, um sie zu grüßen oder mit ihr ins Gespräch zu kommen, sondern um sie zu ärgern oder Macht zu demonstrieren. Um diesen Situationen aus dem Weg zu gehen, würde sie auch nur noch abends laufen (B3:25). Die Belästigung die B2 im analogen Raum erlebte, war der Verkauf und die Übergabe der Leggings welcher bereits thematisiert wurde und aufzeigt, wie sich die Anbahnung vom Digitalen in das Analoge verlagern kann (B2: 2–28).

Wenngleich die in diesem Abschnitt erfassten Berichte sich nicht auf digitale Verkaufsplattformen beziehen, ist es im Sinne des Prinzips der Offenheit qualitativer Sozialforschung wichtig, sich auch diesen Erkenntnissen nicht zu verschließen. Weiterhin erscheint es wahrscheinlich, dass die Probandinnen durch ihre Erfahrungen auf anderen Plattformen und analogen Raum für sexuelle Belästigung generell sensibilisierter sind. B5 räumte beispielsweise im Nachgang des Interviews ein, dass sie durch ihre vielen Erfahrungen schon „nichts Gutes mehr“ erwarten würde (vgl. Anhang 7.5). Die von B4 geschilderte Situation, in der sie von der Polizei nicht ernstgenommen wurde, könnte auch eine Erklärung für die Nichtanzeige bei Sexting sein.

5.3 Erleben der Probandinnen

Das Erleben der Probandinnen wurde durch die Hauptkategorien „Empfinden der Nutzerin“, „Reaktion der Nutzerin“ und „Selbstverständnis von sexueller Belästigung“ abgebildet, die im Folgenden dargestellt werden.

5.3.1 Empfinden der Nutzerinnen

Bei der Betrachtung des persönlichen Empfindens der Nutzerinnen wurde deutlich, dass hier nicht nur die eigene Gefühlswelt beschrieben wurde, sondern auch die Einschätzung/Beurteilung des Verhaltens des Gegenübers. Aus diesem Grund erfolgte einer Unterteilung der Hauptkategorie in die Subkategorien „Fremdwahrnehmung“ und „Selbstwahrnehmung“. Die entsprechenden Textabschnitte wurden zur besseren Differenzierung in Subsubkategorien unterteilt.

Beschrieben die Probandinnen das Verhalten des Gegenübers wurde der Code „Fremdwahrnehmung“ vergeben. Hierbei ließen sich verschiedene Einschätzungen feststellen, die sich auch in ihrer Intensität unterschieden. Demnach schätzten die Teilnehmerinnen die andere Seite als kurios ein oder hatten sogar Verständnis für sie, in anderen Fällen erfolgte die Etikettierung als grenzüberschreitend oder krankhaft.

Die Anbahnungsversuche wurden in sechs Fällen von B2–B4 als „Kuriosität“ eingeschätzt. Demnach kam den Probandinnen das Verhalten des Gegenübers als merkwürdig oder verdächtig vor. B3 formuliert:

„Wenn jemand keine Bewertungen hat, dann ist das seltsam und wenn jemand auch (*) gar nichts weiter verkauft und keine Wertung, also das ist mir dann sehr suspekt und mit solchen Leuten solchen Leuten (,) ja da gibt es keine Tragebilder oder so was“ (B3: 12).

Diese Einschätzung erfolgte in drei Fällen im Zusammenhang mit dem Phänomen Cyberstalking. Die Probandinnen empfanden die versuchte Verlagerung in den analogen Raum (B2: 20, B3:17) bzw. dass die Person der Probandin auf andere Plattformen folgt (B4: 4) als suspekt oder merkwürdig. Die Einschätzung des Verhaltens als kurios führte auch in vier Fällen dazu, dass die Anfrage des Nutzers abgelehnt oder er blockiert wurde.

Darüber hinaus wurde das Verhalten des Gegenübers als deplatziert empfunden. Die entsprechende Kategorie „Deplatziertheit“ findet sich bei B2 und B3. Dem folgend beschreibt B3 ihr Empfinden auf eine Fetisch-Anfrage:

„, Aha danke'. Okay, da wollte jemand einen String mit Tragespuren. ,Ja, ist die falsche Plattform für dich' hab ich so gedacht, ja?“ (B3: 4).

B2 stellt gleichlautend zu Fetisch-Anfragen fest:

„Ich halte es für eine Themaverfehlung.. Es ist einfach nicht der richtige Ort dafür und vor allem ist es ja auch (*) Die Menschen, die du oder die User die sich auf diesen Plattformen finden (*) wollen oder wissen auch teils gar nichts über solche Sachen oder sind minderjährig oder einfach nur Kinder (*) die sagen sie wollen jetzt irgendwas verkaufen oder kaufen, oder (*) also (*) finde ich geht gar nicht (*) also nee“ (B2: 48).

B2 und B3 betonen, dass das Verhalten des Gegenübers insbesondere deshalb als unpassend empfunden wird, weil digitale Verkaufsplattformen nach ihrer Einschätzung nicht der passende Ort für derartige sexuelle Anbahnungen sind (B2: 4–6, B3: 10).

Wiederfahrende sexuelle Anbahnung wurden von B1, B3 und B4 in bestimmten Situationen als besondere Frechheit bzw. Dreistigkeit wahrgenommen. Diese Inhalte wurden als „Impertinenz“ kategorisiert. B1 und B4 berichten hierbei, dass die Nachrichten/Anrufe penetrant und aufdringlich in hoher Stückzahl vorkamen (B1: 42, B4: 2). B4 ergänzt zudem, dass auch ebenso schnelle Antworten von den Probandinnen verlangt wurden (B4: 2). B3 beschreibt eine erhaltene Nachricht, die auf ihre Brüste anspielt als unnötiges Ärgernis (B3: 2). Alle als impertinent beschriebenen Äußerungen wurden als grenzwertig empfunden. Als Steigerung dessen, fungierte die „Grenzüberschreitung“. Diese wurden von B1–4 beschrieben. Die Kategorie wurde insgesamt 12-mal vergeben und war damit die häufigste Fremdwahrnehmung. B3 beschreibt:

„Und ich (seufzt) ja, irgendwie fühle ich mich bei so was tatsächlich angefasst weil, das (,) (h) weil das (,) wie, wie, ja ich kann das gar nicht richtig begründen. Er spricht ja auf etwas an, was ihn überhaupt nicht zu interessieren hat und was überhaupt nicht sein (,) sein Bereich sein sollte. Also der überschreitet damit eine Distanz, die er eigentlich zu wahren hätte und wahrscheinlich im normalen Leben, wenn wir ein Verkaufsgespräch auf dem Flohmarkt Face-to-Face führen würden, diese Distanz würde er dann nicht unterschreiten. Also würde sich, würden sich die allerwenigsten trauen“ (B3: 6).

Die Probandinnen berichten, dass die erhaltenen Nachrichten eigene Normen bzw. Grenzen überschritten. Als grenzüberschreitend empfunden wird: die ungewollte Konfrontation mit sexuellen Inhalten (B2: 4–6), die Frage nach dem erneuten Tragen der Unterwäsche, damit sie den Geruch der Probandin annimmt (B1: 76–78), der Erhalt von beleidigenden und unverschämten Kommentaren (B3: 6–8) und die Nachstellung auf anderen Plattformen bzw. der Versuch die Handynummer zu ermitteln (B4: 2–4). Es zeigte sich, dass die Wahrnehmung als Grenzüberschreitung individuell ist. B3 war beispielsweise über beleidigende und dreiste Nachrichten verärgert, empfand diese als verletzend und forderte Konsequenzen (B3: 8). B5 hingegen hat selbst für das Übersenden von Penisbildern Verständnis, da sie angibt, dass auch Freunde von ihr mit 18 Jahren ähnlichen Unsinn gemacht hätten und sie deshalb nicht so hart mit dem Gegenüber ins Gericht gehen würde, wenngleich es nicht schön wäre (B5: 14). In anderen Situationen wurde das Verhalten des Gegenübers von B1 und B4 neben den o.g. Wahrnehmungen zudem als „Abnormalität“ beschrieben. Entsprechend wäre das Verhalten des Gegenübers widernatürlich bzw. sogar krankhaft. B4 formuliert in Bezug auf eine Tragebild-Anfrage:

„Also es ist einfach nur krank. Also (,) Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll, ich hab selbst, ich kann es mir aber auch nicht vorstellen, diese Leute sollten sich vielleicht mal in psychische Behandlung begeben und (*) hinterfragen, ob das so normal ist. Vielleicht können sie es gerne mit ihrer Partnerin machen oder mit einer Freundin oder sonstiges, wo beide das im Einvernehmen machen, aber nicht über solche Plattformen“ (B4: 48).

B1 charakterisiert die Personen, die sie nach getragener Unterwäsche fragten als „pervers“ bzw. „notgeil“ (B1: 34, 42).

Neben der Einschätzung des Gegenübers beschrieben die Probandinnen auch ihre eigen Gefühlswelt, welche in der Subkategorie „Selbstwahrnehmung“ zusammengefasst wurde. Hier zeigen sich verschiedene Intensitäten hinsichtlich des Erlebens bzw. völlig gegenteilige Gefühle. Wie auch in Bezug auf die Fremdwahrnehmung wurde dabei meist eine Situation mit mehreren Gefühlen beschrieben bzw. änderten sich diese mit der Zeit. Dies zeigt sich deutlich an der Subsubkategorie „Belustigung“. Demnach empfand B1 die ersten Anfragen nach gebrauchter Unterwäsche zunächst noch als „witzig“ (B1: 6). Als diese dann häufiger und intimer wurden bzw. auch angekündigt wurde, sie zu Hause aufzusuchen, änderte sich das persönliche Empfinden und B1 fühlte sich unbehaglich bzw. verängstigt und unsicher (B1: 8).

B2 formuliert auf die wiederkehrenden Anbahnungen des Gegenübers, der sie mit seinen Fetisch-Fantasien konfrontierte:

„Also so die ersten Anspielungen, da musste ich irgendwie drüber lachen (,) weil ich es irgendwie witzig fand und (*) ich bin da so, also ich lass jeden seins und Ich bin auch in die Richtung jetzt keine die sich schnell angegriffen fühlt oder sowas. (*) Aber das war dann teils etwas zu aufdringlich und sowas mag ich gar nicht und das war dann auch bei mir zu viel. Wo ich dann auch nicht mehr geantwortet hab oder gesagt hab, er soll das lassen. Ich würde gerne bei diesem professionellen Verkaufsgespräch bleiben. Ja, genau“ (B2: 26).

Auch B3 musste über die Nachfrage nach gebrauchter Unterwäsche zunächst „schmunzeln“, räumte aber auch ein:

„Ein bisschen geärgert habe ich, weil du denkst ja bei jeder Anfrage: ,Oh endlich will hier jemand dein Produkt, was du so seit Zeiten versucht loszuwerden' und (seufzt) wieder nix (lacht) Also das ist dann eher so: ,Ja ach man, habe ich wieder ein paar Minuten investiert, für etwas, was sich nicht gelohnt hat'. Aber da hab ich mich nicht, nicht so angefasst gefühlt, nicht so, nicht belästigt gefühlt, sag ich mal“ (B3: 10).

Alle Probanden, außer B3, geben im Rahmen ihres Interviews an, dass sie sich überwiegend sicher im Umgang mit sexuellen Anbahnungsversuchen fühlten bzw. diese für sie nicht so schlimm wären. Entsprechende Textstellen wurden mit „Selbstsicherheit“ codiert. B1 gibt an, dass sie die Fragen nach der Unterwäsche als wenig „schlimm“ empfunden hätte und deshalb auch keinen der Nutzer gemeldet hätte (B1: 88). B2 fühlte sich zumindest so sicher, dass sie sich sogar auf den Verkauf und die Übergabe ihrer Leder-Leggings einließ, für die sie eine Fetisch-Anfrage erhalten hatte. Sie legte jedoch extra Motorradbekleidung an und blieb auf dem Fahrzeug sitzen, um sich sicherer zu fühlen (B2: 12). B4 berichtet, dass sie mittlerweile „Profi“ im Umgang mit sexuellen Anbahnungsversuchen sei, weil sie so viele davon erhalten würde (B4: 71). Und B5 behauptet, mit dergleichen Konfrontationen gut umgehen zu können (B5: 10). Interessanterweise stellen sich die Probandinnen resilient im Umgang mit bzw. dem Erleben von sexueller Belästigung dar. Bei intensiverer Auseinandersetzung mit den Anbahnungsversuchen konnte jedoch festgestellt werden, dass diese sehr wohl Negativauswirkung auf das Erleben und Verhalten des Samples hatte, wie die späteren Ausführungen zeigen werden.

Die Probandinnen B1, B4 und B5 versuchten in manchen Situationen das Verhalten des Gegenübers nachzuvollziehen bzw. Verständnis aufzubringen. Diese Äußerungen zur Selbstwahrnehmung wurden als „Empathie“ codiert. Als Beispiel dafür:

„Also, erstmal versuche ich die Situation der Person zu verstehen. Weil ich immer so sehr diplomatisch darangehe. (*) Also erstmal denke ich: ,Okay, die Person kann vielleicht nichts dafür'“ (B4: 18).

Auch B1 und B5 brachten Verständnis für das Verhalten des Gegenübers auf oder relativierten dieses. B1 schildert, dass sie nachvollziehen könne, dass das Gegenüber Bilder von einer hübschen Frau in Unterwäsche haben wolle (B1: 31). B5 gibt in Bezug auf den Erhalt eines ungewollten Penis-Bildes an:

„Weil ich (,) glaube (h) für mich, also ich finde, dass ungefragt irgendwelche Bilder zu bekommen mit sexuellem Content, finde ich nicht schön, muss auch nicht sein. […] Ich kenne auch viele (,) Freunde von früher, die in ihrem Leichtsinn mit 18 so ein Blödsinn gemacht haben und (*) deswegen würde ich damit noch nicht so hart ins Gericht gehen, dass ich das gleich zur Anzeige bringen würde. Dann müsste ein bisschen mehr passieren..“ (B5:14).

B1, B3 und B4 beschreiben, dass sie die Anbahnungsversuche als ermüdend empfanden. Entsprechende Textpassagen wurden mit „Ermüdung“ codiert. So gibt B1 an, dass sie durch die Vielzahl der Anfragen auf getragene Unterwäsche, männliche Nutzer nur noch als „eine Suppe“ wahrnahm:

„Also du hast zwar schon gemerkt, dass da bei dieser plumpen Art und Weise was dahinter steckt, aber dadurch, dass halt recht viele Anfragen kamen und man dann schon wusste, was da jetzt kommt (*). Hat man das schon gar nicht mehr richtig wahrgenommen. Man wusste jetzt ,komm der will Unterwäschefotos von dir haben und du musst den jetzt irgendwie abbügeln' bis halt wirklich jemand kommt der sagt (*) Also der wirklich an Wäsche interessiert ist und nicht nur an deinem nackten Körper auf dem Foto“ (B1: 34).

B3 erwähnt, dass sie die sexuellen Anfragen insbesondere deshalb verärgern und nerven würden, weil sie ihre Zeit vergeudeten (B3: 6, 10). Auch B4 schildert, dass sie die vermehrte Anbahnung auf verschiedenen Plattformen Nerven kosteten würden (B4: 4)

Die Probandinnen B1, B4 und B5 stellen heraus, dass sie sich bei der Anbahnung unwohl fühlten, die entsprechenden Textstellen wurden mit der Kategorie „Unbehaglichkeit“ codiert. Demnach schildert B1:

„Kam mir schon sehr notgeil vor so. Also das war halt schon das Unangenehmste. Wenn dich wirklich ein fremder Mann anruft und fragt, ob du die Unterwäsche getragen hast, die du verkaufst. Weil das ist ja schon sehr spooky“ (B1: 42).

Für B4 ist die aktuelle Netzkultur generell hemmungsloser geworden, wodurch sie sich im Internet stets unwohl und wie Freiwild fühlt (B4: 79) und B5 beschreibt den ungefragten Erhalt von sexuellen Inhalten prinzipiell als unschön (B5: 14).

Die häufigste Kategorie, die in Bezug auf die Selbstwahrnehmung vergeben wurde, war „Schutzlosigkeit“. Dies erfolgte, wenn die Probandinnen angaben sich schutzlos bzw. unsicher vor sexuellen Anbahnungen im Internet zu fühlen. Die Kategorie wurde bei allen Probandinnen codiert. B1 und B3 berichten in diesem Zusammenhang von Anbahnungsversuchen, die darauf abzielten, die Probandinnen in der analogen Welt zu treffen, bzw. diese an ihrer Wohnanschrift aufzusuchen (B1: 8, B3: 17). B1 schildert ihre Bedenken wie folgt:

„Also(*) weil er dann halt wüsste, wo ich wohne (*) und ja, (*) wenn du denn weißt da draußen rennt irgendein Spinner rum, der deine Unterwäsche kaufen möchte, der weiß wo du wohnst. Da hat man dann schon natürlich ein bisschen Angst, dass der eines Tages aufschlägt, wenn der Freund nicht zu Hause ist, ne?“ (B1: 8).

B4 und B5 stellen fest, dass man in der digitalen Welt generell nicht vor sexueller Belästigung sicher sei (B4: 79, B3: 17). B4 diesbezüglich:

„I: Du hast ja gesagt, nirgendwo ist man sicher. Also das hast du auf deinen Kurzfragebogen geschrieben. Fühlst du dich denn sicher im Internet?

B4: Nein,.. überhaupt nicht. Man weiß nie, wer in der (h) in der nächsten Leitungen sitzt. Ich weiß jetzt auch nicht, klar wir machen jetzt vielleicht Facetime, ich weiß trotzdem nicht, wer dabei noch zuschaut. Das weißt du nicht, das weiß ich nicht und (*) das ist natürlich auch so eine Sache wo man nicht sicher ist, ne?“ (B4: 82–83).

B2 schildert von einem Vorfall, der eine Freundin betraf. Diese hatte eine Hose mit Tragebild verkauft und wurde im weiteren Verlauf von einem „Typen“ angeschrieben, der nun auch getragene Unterhosen von ihr erwerben wollte. Diese Freundin war durch den Vorfall so verunsichert, dass sie sich hilfesuchend an B2 wandte und fragte, wie sie ihr Profil gestalten sollte, damit dergleichen nicht noch einmal passiert (B2: 70–74). Bemerkenswert erscheinen in diesem Zusammenhang auch zwei Feststellungen, welche sich außerhalb der Interviews ergaben. Demnach schrieb B4 auf ihrem Kurzfragebogen, wie bereits oben erwähnt, dass man nirgendwo als Frau sicher sei, noch nicht einmal beim Onlineflohmarkt (vgl. Anhang 5.4). B5 räumte im Nachgang des Interviews ein, dass durch ihre vielen Viktimisierungen im analogen Raum nichts Gutes mehr erwarten würde, was sich wahrscheinlich auch auf ihr Empfinden von wahrscheinlichen Viktimisierungserfahrungen im digitalen Raum auswirken dürfte (vgl. Postskript 05).

Wenn die Probandinnen Situationen schilderten, die für sie völlig unerwartet kamen und dadurch besonders negativ waren, wurden diese als „Schock“ codiert. Die Kategorie wurde bei B1 und B2 vergeben. Wobei B1 nach eigenen Angaben zunächst völlig naiv versucht hatte ihre Unterwäsche zu verkaufen, die ersten Anfragen noch lustig empfand, aber später völlig überrascht und auch verunsichert durch die verschiedenen Fetisch-Anfragen war (B1: 6). Weiterhin erwähnt B1, dass für sie beim Erhalt eines Penis-Bildes auf Instagram besonders schockierend war, dass das Bild von einem Polizisten kam, der es eigentlich hätte, besser wissen müssen (B1: 82). B2 hingegen thematisierte den Zustand ihrer Freundin, nach Erhalt einer Fetisch-Anfrage, den sie als „aufgelöst“ beschrieb (B2: 74).

B2, B4 und B5 erwähnen konkret, dass sie bei den Anbahnungsversuchen „Ekel“ empfanden. B5 sagt auf die Frage nach ihrem Empfinden in Bezug auf ein Penis-Bild:

„B5: ja, also Ich fand es im ersten Moment bisschen abstoßend (*).. Gut (,) ich bin jemand der mit solchen Konfrontationen, denke ich ganz gut umgehen kann. Ich arbeite ja auch viel mit Männern zusammen, deswegen werde ich da jetzt nicht so direkt schnell eingeschüchtert. (*) Gut habe ich mich dabei nicht gefühlt. So, generell ist einfach eklig, solche Dinge ungefragt zugeschickt zu bekommen.. Es wird den meisten so gehen..“ (B5: 10).

B4 gibt hinsichtlich einer Tragebild-Anfrage wieder:

„Die möchten, dass man denen dann irgendwelche Tragebilder schickt und dann äußern sie sich: ,ja Ich bin eigentlich ein Mann' und dann kommen so Nachrichten wie: ,Was hast du heute für Schuhe bei der Arbeit an oder was für Unterwäsche trägst du (*) bei der Arbeit'.. Also es ist einfach nur ekelhaft“ (B4: 2).

B2 berichtet, dass sexuelle Belästigung im digitalen Raum generell ein „What-the-fuck-Moment“ bzw. „ekelerregendes“ Gefühl in ihr ausgelöst hätten. Das Gute jedoch sei, dass man mit Freunden offen darüber reden und es so gemeinsam belächeln könne (B4: 50).

Die Kategorie „Verärgerung“ wurde insgesamt 7-mal vergeben. Hervorzuheben ist dabei, dass die Kategorie allein 6-mal bei B3 codiert wurde. Hierbei bezieht sich die Probandin in erster Linie auf den Vorfall, bei dem sie Slutshaming erlebt hatte.

„Also da hab ich mich tatsächlich echt beleidigt gefühlt. Also ich, das prallt natürlich schon auch an mir ab, weil ich mir denke: ,Ja was ist das für eine Idiotin?“ (B3: 8).

Die Situation scheint sie bis heute zu beschäftigen und sie zeigte sich nach wie vor erbost über das Verhalten der anderen Nutzerin, was sich an folgender Äußerung zeigt:

„Die Frau, die mich da, zu meinen//meinem Korsett so beleidigt hat, ja also da habe ich mich wirklich gefragt, was in der vorgeht und ich hab da bis heute keine Antwort zu gefunden. Manchmal denke ich tatsächlich nämlich noch über dieses Mitglied nach und weil mich das so (h) ja, schockiert hat, dass eine Frau so böse zu einer anderen Frau sein kann“ (B3: 33).

An anderer Stelle zeigt sie sich verärgert über das despektierliche Verhalten des Gegenübers, das sie auf ihre „Titties“ anspricht (B3: 2) bzw. über die Zeitverschwendung, welche sie durch eine Fetisch-Anfrage erlitt (B3: 10). B2 hingegen war erbost über die andauernden Anspielungen des Gegenübers, der zunächst ihre Leder-Leggings kaufen wollte, sie jedoch immer wieder mit sexuellen Inhalten konfrontierte (B2: 2).

Die Kategorien „Erniedrigung“ und „Missbrauch“ finden sich allein bei B2, die dazu ausführt, dass ggf. Tragebilder von ihr oder Bilder von ihren Füßen bzw. ihre gebrauchte Kleidung auf anderen Plattformen weiterverkauft wird. Hierbei beschreibt sie, wie sie sich einerseits ausgenutzt, aber auch als Objekt degradiert fühlt (B2: 18).

5.3.2 Reaktion der Nutzerinnen

Von besonderem Interesse der Befragung war, wie die Probandinnen mit der sexuellen Belästigung umgingen. Im Rahmen der Analyse wurde dabei zwischen den Subkategorien „Unmittelbare Reaktion der Nutzerin“ und der langfristigen „Änderung des Nutzerverhaltens“ unterschieden.

Als „Unmittelbare Reaktion“ erfolgte durch die Probandinnen B1, B3, B4 und B5 die Verwendung der Funktion, eine andere Nutzerin oder einen anderen Nutzer zu blockieren. Blockieren verhindert dabei eine weitere Kontaktaufnahme durch das Gegenüber auf der Plattform. Entsprechende Angaben zur Reaktion wurden als „Nutzer blockiert“ codiert. Dies erfolgte teilweise von B1 als Reaktion auf Fetisch-Anfragen, bei denen das Gegenüber unhöflich war, bzw. mehrfach bei ihr angerufen hatte (B1: 52–54). B3 blockierte die andere Nutzerin, durch welche sie Slutshaming erlebte (B3: (3). B4 reagierte durch das Blocken des Nutzers in dem Fall, in welchem ihr der Nutzer auf verschiedenste Plattformen folgte sowie im Fall einer Fetisch-Anfrage. Darüber hinaus gibt sie an, schon mehrfach Nutzer blockiert zu haben und dass dies tatsächlich helfen würde, da in der Regel anschließend weitere Annäherungsversuche durch diese Person ausblieben (B4: 4, 26). B5 reagiert mit Blocken auf den Nutzer, der ihr ungefragt ein Penis-Bild zukommen ließ. In drei Fällen von B3, B4 und B5 wurde neben der Funktion des Blockens ebenfalls eine Meldung an den entsprechenden Plattformbetreiber verfasst (B3: 3, B4: 46, B5: 2, 12). Diese Reaktion wurde als „Nutzer melden“ codiert. Eine Meldung hat zur Folge, dass die Plattform den Vorfall bzw. den Chatverlauf auf Verstöße gegen die Nutzungsvereinbarung prüft und ggf. Sanktionen einleitet.

Als weitere unmittelbare Reaktion wurde die konkrete Ablehnung der Annäherungsversuche durch die Probandinnen erfasst. Diese Rückmeldung wurde als „Nutzer abgelehnt“ codiert. Diese Kategorie fand sich bei allen Probandinnen und war die häufigste Reaktion die 10-mal geschildert wurde. Für B1 ist dabei die Negativantwort das Mindeste, um selbst höflich zu bleiben, wenngleich sie Nutzer trotzdem blockierte. Sie formuliert:

„Jaa also ich hab dann zwar noch geantwortet weil (*) ja auch wenn die Anderen bisschen plump waren, ist für das mich halt ne Frage der Höflichkeit zu sagen: ,Nee, ich hab das nicht getragen und ich habe auch kein Interesse an(,) an so einem Geschäft hier'. Und (*) ja, hab dann den Chat gelöscht oder Nutzer blockiert, oder wie auch immer man das bei eBay nennt und ja.. hab dann halt quasi abgesagt und bin wieder offline gegangen, so ne?“ (B1: 52).

B2 schildert, dass sie dem Mann, der sie mehrfach mit sexuellen Anbahnungen konfrontierte, mehrfach abweisen musste und verdeutlichte, dass sie Gespräche in dieser Richtung mit ihm nicht weiterführen würde (B2: 20, 97). B3 reagierte mit Negativantworten auf eine Tragebild-Anfrage, weil der Nutzer nicht genügend positive Rezensionen hatte und in einem Fall in dem sich das Gegenüber mit ihr an ihrem Wohnort treffen wollte (B3: 16–17). B5 stellt fest, dass das einfache Ablehnen von Fetisch-Anfragen in manchen Fällen ausreichen würde und es somit für sie auch nicht belästigend sei. Sie äußerte sich wie folgt:

„Nee, Fetischanfragen, es kommt eben drauf an, also (,) ich hatte auch schon Anfragen, wo Leute ganz nett gefragt haben: ,Hey (*) Ich würde gerne(,)' Keine Ahnung: ,Ich würde gerne Socken von dir kaufen? Hättest du damit ein Problem?' und wenn du dann sagst: ,ja, ich hab damit ein Problem' dann sagen die einfach nur: ,ja, okay. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag' und dann hat sich das für die erledigt“ (B5: 30).

B4 beschreibt in ihrer Äußerung, dass sie Anfragen, die sie als belästigend empfindet zunächst ablehnen würde und anschließend entweder versucht den Nutzer auf das Verkaufsgespräch zurückzuführen oder ihm bei weiteren gleichgelagerten Anfragen, Sanktionen androht (B4: 22, 28).

Diese Androhung von Sanktionen wurde als „Sanktion angedroht“ codiert, fand sich jedoch ausschließlich bei 04:

„[…] dann kam eine Nachricht: ,ja, ich möchte, ich möchte doch die Schuhe kaufen' ich hab gesagt: ,entweder, möchtest du die Schuhe jetzt wirklich kaufen, dann treffen wir uns an einen öffentlichen Ort, oder (*), oder du hörst jetzt auf damit mich zu belästigen und zu fragen, welche Schuhe oder Unterwäsche ich trage, (*) weil sonst blockier ich dich oder zeig dich auch gleich an'“ (B4: 22).

„Aber wenn es dann heißt: ,ja, kannst du es so und so machen?' sag ich: ,nee ist nicht' Ich bin halt knallhart dann: ,nee ist nicht und wenn du mich weiter nervst, entweder kriegst du eine Anzeige oder, oder ich blockier dich' und dann kommt auch nichts mehr“ (B4: 28).

Als weitere Reaktion wurde erfasst, wenn die Probandinnen das Gegenüber auf das ursprüngliche Verkaufsgespräch zurückgeführt oder schlichtweg ignoriert haben. Diese Äußerungen wurden als „Ignorieren oder auf Verkaufsgespräch zurückgeführt“ codiert. Dieser Code fand sich bei allen Teilnehmerinnen. B1 und B3 geben an, dass sie bei Fetisch-Anfragen nach getragener Unterwäsche mitteilten, dass sich keinerlei Gebrauchsspuren an der Unterwäsche fand, woraufhin das Gespräch im Fall von B3 durch das Gegenüber beendet wurde und im Fall von B1 zumindest ein „ordentliches Gespräch“ entstand, letztlich aber kein Verkauf stattfand (B1: 31, B3: 4). B2 schildert ihre Reaktion wie folgt:

„Aber das war dann teils etwas zu aufdringlich und sowas mag ich gar nicht und das war dann auch bei mir zu viel. Wo ich dann auch nicht mehr geantwortet hab oder gesagt hab, er soll das lassen. Ich würde gerne bei diesem professionellen Verkaufsgespräch bleiben. Ja, genau“ (B2: 26).

B4 gibt wie oben beschrieben an, dass sie Tragebild-Anfragen kategorisch ablehnt und stattdessen nachfragt, ob denn überhaupt Interesse an den Schuhen etc. besteht (B4: 22). B5 berichtet, dass sie seltsame Anfragen von männlichen Mitgliedern generell einfach ignoriere (B5: 16).

Als letzte unmittelbare Reaktion wurde die Stellung einer „Strafanzeige“ bzw. „Keine Strafanzeige“ codiert. Dabei wurde hinsichtlich strafrechtlich relevanter Tathandlungen erfragt, ob eine Strafanzeige durch die Probandinnen erfolgte. Die Möglichkeit dazu bestand bei den Probandinnen B1, B3, B4 und B5. B1, B4 und B5 wurden ungefragt mit pornografischem Material in Form von Penis-Bildern konfrontiert und B3 durch eine andere Nutzerin beleidigt. In keinem der Fälle erfolgte eine Strafanzeige (B1: 85–86, B3: 39, B4 23–24, B5: 14). B1 gibt als Begründung an, dass sie dem rückblickend zu wenig Bedeutung beigemessen hat, sich diese Perspektive durch die erneute Auseinandersetzung mit dem Thema jedoch geändert hätte (B1: 90). B3 gibt aus ihrer Rolle als Polizistin an:

„[…] ja, ich stell mir auch die Frage: ,Würde ich so was überhaupt anzeigen?' Ich weiß selber, was mit den ganzen Anzeigen von so pillepalle-Sachen passiert, die verlaufen im Nichts, ja?“ (B3: 39).

B4 schildert, dass sie schon überlegt hätte eine Person anzuzeigen, durch die sie gestalkt wurde. Jedoch wisse sie nicht, wie die Ermittlungsbehörden diese anschließend finden sollten (B4: 2). B5 entgegnet, dass sie sich zum Zeitpunkt der Sexting-Handlung nicht bewusst war, dass entsprechende Taten auch online angezeigt werden könnten. Dies würde sie zukünftig bei Stalking-Handlungen in Betracht ziehen, allerdings nicht bei Sexting, da dies lediglich Leichtsinn oder Blödsinn für sie darstellt (B5: 12–14).

Neben den unmittelbaren Reaktionen schildern die Nutzerinnen darüber hinaus, wie sich ihr generelles Nutzerverhalten geändert hätte. Entsprechende Textstellen wurden mit „Änderung des Nutzerverhaltens“ codiert.

Demnach geben die Nutzer B1, B2, B3 und B4 an, dass sie durch ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen strenger und entschiedener mit Anbahnungsversuchen umgingen. Dies wurde als „Rigorosität“ kategorisiert. Gleichlautend beschreibt B4:

„I: Du hast ja jetzt schon einige sexuelle Belästigung erlebt, was hast du denn an deinem Nutzerverhalten verändert?

B4: Also ich (*) einfach, dass ich rigoros bin, ne? Also dass ich, klar ich stell die Sachen online, und (*) wenn mich jemand jetzt darauf anschreibt und (*) sagt er möchte die Schuhe für ne Freundin kaufen oder sonstiges, komplett in Ordnung. Aber wenn es dann heißt: ,ja, kannst du es so und so machen?' sag ich: ,nee ist nicht' Ich bin halt knallhart dann: ,nee ist nicht und wenn du mich weiter nervst, entweder kriegst du eine Anzeige oder, oder ich blockier dich' und dann kommt auch nichts mehr“ (B4:27–28).

B3 gibt an, dass sie Tragebild-Anfragen mittlerweile grundsätzlich negativ beantworten würde, darüber hinaus sei sie vorsichtig mit dem, was sie auf eBay Kleinanzeigen veröffentlicht. B1 äußert, dass sie nach ihren Erfahrungen mit Fetisch- und Tragebild-Anfragen nun nicht mehr naiv sei und diese ablehne. B2 und B3 schildern zusätzlich Änderungen des Nutzerverhaltens von anderen Userinnen der Plattformen. Demnach wird von B3 erwähnt, dass andere Nutzerinnen in ihrer Profilbeschreibung angeben, dass Anbahnungsversuche konsequent zur Anzeige gebracht werden (B3: 37). B2 bezieht sich auf ihrer Freundin, der sie geraten hatte, zukünftige Anbahnungsversuche zu blockieren, zu melden oder zu ignorieren (B2: 72).

Als weitere Änderung des Nutzerverhaltens kann die Auswahl der potenziellen Käuferinnen/Käufer gesehen werden. Diese Prozesse wurden als „Selektion anderer Nutzerinnen und Nutzer“ codiert. Der Code findet sich bei B2, B3 und B5. B2 berichtet, dass sie seit dem letzten Vorfall gebrauchte Kleidung nur noch auf Vinted verkauft, da sie bei der dortigen Community ein besseres Gefühl hätte (B2: 82–86). B3 gibt an, dass sie bei eBay Kleinanzeigen grundsätzlich wesentlich vorsichtiger ist als bei Vinted und generell eine gewisse Skepsis gegenüber anderen Nutzerinnen und Nutzern aufbringt. Darüber hinaus achtet sie explizit auf Rezensionen und Bewertung der anderen Nutzerinnen und Nutzer (B3: 12, 17). Gleichlautend fasst B5 ihren Selektionsprozess zusammen:

„Wenn mich jemand nach einem Artikel fragt, dann achte ich zum Beispiel darauf, wie viel//ob sie Bewertungen haben und wenn ja, sind das nur gute Bewertungen oder hauptsächlich gute. […] ob das Profil gepflegt ist. Also ob ein Name irgendwie hinterlegt ist vielleicht sogar, oder ob die Person ein Profilbild hat oder gar keins. Auf solche Sachen. Und wenn jemand einem schreibt, wie ist die Ausdrucksweise. Ist es freundlich oder eher so gezwungen und ja...“ (B5: 61).

Weiterhin haben sich die Probandinnen hinsichtlich der zu verkaufenden Produkte eingeschränkt. Diese Verhaltensweise wurde als „Auswahl der zu verkaufenden Artikel“ codiert. Hier finden sich die Feststellungen von B1, und B4, dass sie keine Unterwäsche mehr verkaufen, weil sie sonst anzügliche Nachrichten befürchten (B1: 12, B4: 44). B3 gibt an, zwar auf beiden Plattformen noch Unterwäsche zu verkaufen, dies sei auf eBay Kleinanzeigen jedoch die Ausnahme, da sie dort anzügliche mit Nachrichten rechnet (B3: 2).

Außerdem achten die Probandinnen B2–B5 auf die selbst veröffentlichten Bilder. Entsprechende Aussagen wurden als „Bildauswahl“ codiert. Demnach veröffentlicht B4 generell keine Tragebilder mehr und B5 hängt Kleider nur noch an den Kleiderbügel bzw. stellt Schuhe auf den Boden, um sie zu fotografieren (B4: 2, B5: 8). B5 konkretisiert:

„Und.. (*) ja ,keine Tragebilder mehr von den Sachen vorm Spiegel, also Ich würde jetzt auch nie einen Bikini so zeigen (*) online mehr. (*) Schuhe hab ich generell auch nicht an, irgendwie ist dass da so ein ziemlich großer Fetisch auf den Plattformen (lacht), hab ich gemerkt“ (B5: 16).

Beide Probandinnen beziehen sich auf eigene Erfahrungen, die zur Änderung des Nutzerverhaltens geführt haben. B2 hingegen berichtet, dass sie von vornherein keine Tragebilder veröffentlicht habe, da sie bereits im Bekanntenkreis erfahren hatte, dass dies zu sexueller Anbahnung führen kann. B3 schildert, dass sie zur Präsentation der Kleidungsstücke mittlerweile eine Kleiderpuppe verwendet und das in den meisten Fällen Tragebild-Anfragen vorbeugen würde (B3: 14). In Ausnahmefällen würde sie allerdings auch noch Tragebilder einstellen. Welchen Unterschied die Auswahl des Artikels und die Darstellung als Tragebild machen, verdeutlicht B3 am folgenden Beispiel:

„Um ein Korsett zu verkaufen ist es ratsamer ein Tragebild drin zu haben. Ja, Sex sells. (*) Und man kann sich vor allem auch wesentlich besser vorstellen, wie das Ding aussieht, wenn es getragen ist. Und dann habe ich mit meiner Freundin ein Foto gemacht, also sie hat ein von mir gemacht. Mein Gesicht war nicht drauf. Das war wirklich nur das Korsett, Korsett (angezogen?) auf dem Bild. (*) Naja und so ein Korsett, ist natürlich e i n Dessous, was durchaus sexy aussieht“ (B3: 3).

Normale Produkte auf ihrem Profil würden nach eigenen Angaben etwa 10–50 User und Userinnen anschauen. Bei dem zu verkaufenden Korsett, welches sie als Tragebild veröffentlicht hatte, waren es hingegen über 1.000 Nutzerinnen und Nutzer gewesen (B3: 3). Zusätzlich zu den o.g. Änderungen geben B3 und B5 an, dass sie verstärkt auf die eigene Anonymität achten würden. Für diese Textstellen wurde die Kategorie „Eigene Anonymität“ verwendet. B3 betont in diesem Zusammenhang, dass ihr ihre Anonymität mittlerweile sehr wichtig ist (B3: 12). Ursprünglich hatte B5 auf Vinted auch Verlinkungen zu ihrem Facebook und Instagram Profil. Nachdem sie jedoch Nachrichten und Freundschaftsanfragen erhielt, die sie sich nicht erklären konnte, entfernte sie diese wieder (B5: 20). Wobei sie jedoch nicht nachvollziehen kann, ob es sich hierbei zwingend um Nutzer handelt, die ihr von Vinted gefolgt sind.

„Ja, das kann ich nicht unbedingt nachvollziehen, weil die meisten haben ja auf Vinted nicht ihren richtigen Namen hinterlegt (*) und auf Facebook und Instagram, kriege ich generell sehr sehr viele Nachrichten (lacht) von irgendwelchen Menschen, die (,) irgendwie eklig, sind deswegen ja..“ (B5: 22).

Weiterhin gibt B5 an, dass sie es vermeidet ihre Telefonnummer an fremde Personen herauszugeben, was teilweise auf eBay Kleinanzeigen zur Verkaufsabwicklung üblich ist. (B5: 59)

5.3.3 Selbstverständnis von sexueller Belästigung

Im Vorfeld der Befragung wurde den Teilnehmerinnen bewusst keine Definition von sexueller Belästigung vorgegeben. Dies sollte sicherstellen, dass möglichst ein breites Spektrum des persönlichen Erlebens geschildert wird. Darüber hinaus galt es, die persönliche Auslegung von sexueller Belästigung der Probandinnen zu ergründen. Entsprechende Äußerungen wurden in der Hauptkategorie „Selbstverständnis von sexueller Belästigung“ codiert.

Als häufigster Aspekt wurde geäußert, dass sexuelle Belästigung eine „Grenzüberschreitung“ darstellt. Die Probandinnen beschreiben, dass für sie die Grenze zur sexuellen Belästigung an dem Punkt überschritten war, als die Anbahnung bereits zurückgewiesen wurde, das Gegenüber dennoch nicht aufhörte weitere anzügliche Bemerkungen zu machen. Entsprechend schildert B2:

„Mit diesem Kontext schon, dass man das bereits abgelehnt hat und dass man bereits gesagt hat man möchte das nicht und das dann so, ja ,man dazu etwas gedrängt wurde im Prinzip.. Ja und dann kam dieses (,) der Kontext dazu, was er mit den Hosen macht (*) was ich auch nicht definitiv nicht wissen wollte. Ja..“ (B2: 34).

Ähnliches formuliert auch B5:

„Wenn aber jemand, dann immer noch weitermacht und dann bohrt, warum man nicht verkaufen möchte oder ob man sich das nicht vorstellen kann und dann eben noch mehr Content kommt, dass die Person (*) das so toll findet (*) und quasi ihre Fetisch-Überlegungen breittreten, (*) dann muss//dann würd ich schon sagen, wäre es sexuelle Belästigung“ (B5: 30).

B4 beschreibt in diesem Kontext, dass sie sexuelle Belästigung auch daran festmache, wie penetrant das Gegenüber von ihr Nachrichten fordern würde (B4: 34). B3 betont, dass sexuelle Belästigung dort beginnt, wo es kein Flirt mehr auf Augenhöhe ist und das Interesse des Gegenübers scheinbar nicht im Aufbau eines netten Gespräches liegt, sondern vielmehr darauf abzielt die andere Seite zu verletzen, zu beleidigen oder Macht zu demonstrieren (B3: 23–25). An anderer Stelle betonen B3 und B5, dass sexuelle Belästigung für sie auch eine „Reduzierung auf äußere Merkmale“ beinhalte. So benennen beide Probandinnen Beispiele von Situationen, in denen auf ihre äußeren Merkmale angespielt wurde. B5 gibt an:

„Und (*) anzügliche Sprüche, empfinde ich auch als Belästigung, (*) gerade solche Sachen wie, was ich oft zu hören bekommen habe, auf der Arbeit. Von irgendwelchen alten verheirateten Männern wenn man dann in der Produktion vorbeiläuft mit: ,Hey Süße heute siehst du aber sexy aus' oder: ,hast du dich für mich so schön gemacht?' Keine Ahnung, ja“ (B5: 28).

B3 berichtet, dass sexuelle Belästigung für sie unnötige Kommentare seien, die nur darauf abzielen würden, das Gegenüber zu beleidigen, weil man dieses nicht attraktiv fände oder sie/er andere auffällige Körpereigenschaften hätte (B3: 23).

Als letzter Aspekt wurde durch die Probandinnen die „Ungewollte Konfrontation mit sexuellen“ Inhalten benannt. Für B1 und B5 war dies der ungewollte Erhalt von Nacktbildern (B1: 90, B5: 28). B3 beschreibt, dass es für sie die Konfrontation mit sexuellen Inhalten sei, ohne dass man zuvor eine „gemeinsame Ebene ausgelotet“ hätte (B3: 23).

Demnach beschreiben die Probandinnen sexuelle Belästigung als Form der ungewollten Konfrontation mit sexuellen Inhalten, die als Grenzüberschreitung wahrgenommen wird. Dies findet durch die Reduzierung auf äußere Merkmale, das bloße Herabsetzen des Gegenübers zur Machtdemonstration oder aber die penetrante Fortführung von Anbahnungen, die bereits entschieden abgelehnt wurden, statt.

5.4 Vermutete Ursachen und soziale Kontrolle

Neben dem persönlichen Erleben von sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen war es von Interesse, was die Probandinnen als ursächlich für dieses abweichende Verhalten betrachten und ob es für sie einen Unterschied zu sexueller Belästigung im analogen Raum gibt. Um der Forschungsfrage nachzugehen ist es wichtig zu ergründen, wie die Teilnehmerinnen soziale Kontrolle auf den Plattformen erlebt haben resp. inwiefern sie sich eine solche wünschen würden. Aus diesem Grund wurden die Hauptkategorien „Differenzierung zwischen analoger und digitaler Welt“, „Vermutete Ursachen“, „Erlebte Soziale Kontrolle“ und „Gewünschte Soziale Kontrolle“ generiert.

5.4.1 Differenzierung zwischen analoger und digitaler Welt

Alle Probandinnen betonen, dass es zwischen analoger und digitaler Welt „unterschiedliche Hemmschwellen“ gäbe:

„Er spricht ja auf etwas an, was ihn überhaupt nicht zu interessieren hat und was überhaupt nicht sein (,) sein Bereich sein sollte. Also der überschreitet damit eine Distanz, die er eigentlich zu wahren hätte und wahrscheinlich im normalen Leben, wenn wir ein Verkaufsgespräch auf dem Flohmarkt Face-to-Face führen würden, diese Distanz würde er dann nicht unterschreiten. Also würde sich, würden sich die allerwenigsten trauen. Ja (*)“ (B3: 6).

B5 ist der Meinung, dass Männer im Internet Frauen ansprächen, die sie im realen Leben nicht ansprechen würden und dass im Internet Belästigungen kaum geahndet würden, wodurch Täterinnen und Täter in ihren Handlungen bestärkt würden (B5: 34–36). Für B4 hätte sich die Lage mit dem Aufkommen von Dating-Plattformen verschlimmert und man wäre als Frau mittlerweile „Freiwild“ im Internet, da die Kommunikation hemmungslos verlaufe (B4:79). B1 und B2 führt an, dass es in der analogen Welt für das Gegenüber eine größere Hürde wäre, jemanden sexuell zu belästigen, weil es sofort zu einer Reaktion kommen würde (B1: 50, B2: 96). Ergänzend dazu kann die Aussage von B3 angeführt werden, dass es wesentlich leichter ist, jemanden etwas Beleidigendes über das Internet zu schreiben als es ihm Face-to-Face zu sagen (B3: 30). Als Ursache für diese geringe Hemmschwelle wird die mangelnde soziale Kontrolle angeführt (B2: 66, 96). B1 mutmaßt, dass mangelnde Sanktionierung dazu führen würde, dass Personen, die zunächst nur online sexuell belästigt hätten, dieses Verhalten ggf. auch im analogen Raum zeigen würden (B1: 97–98).

Interessanterweise wird die geringe Hemmschwelle von B1–5 in der digitalen Welt nicht nur als Unterschied hervorgehoben, sondern auch als vermutete Ursache für das Zustandekommen des Phänomens. Dementsprechend wurden in neun von elf Fällen, in denen die geringe Hemmschelle als Differenzierung hervorgehoben wurde, dieses gleichzeitig als vermutete Ursache für sexuelle Belästigung im digitalen Raum codiert.

Als weiterer Unterschied wird die räumliche „Distanz“ beschrieben, die bei sexueller Belästigung im analogen und digitalen Raum herrscht. Wenngleich diese wohl zur Reduzierung der Hemmschwelle bei der Täterin oder dem Täter führt, wie bei B3 beschrieben (B3: 30), beeinflusst sie auch das persönliche Erleben der Probandinnen:

„Wenn jetzt die Kollegen auf Arbeit irgendeinen lockeren Spruch, der in die Kategorie sexuelle Belästigung fällt, da fühlt man sich schon sehr viel unwohler, als wenn es im Internet passiert. Weil, auf das kleine rote Kreuz zu drücken, damit (*) das Fenster zugeht und man der Situation entgehen kann, ist sehr viel einfacher als dem Kollegen zu sagen: ,Entschuldige bitte, ich fand das echt unangebracht und du möchtest das bitte lassen!'..“ (B1: 20).

Auch B3 und B5 geben an, dass sie im Zweifelsfall im digitalen Raum einfach das Gerät abschalten bzw. den schriftlichen Text löschen könnten, dies würde im analogen Raum jedoch nicht so einfach möglich sein (B3: 31, B5: 26). Deutlich zeigt sich der Unterschied auch bei B2. Diese wurde zuerst digital mit den Fetisch-Neigungen eines männlichen Nutzers konfrontiert. Als es zur Übergabe des zu verkaufenden Artikels kam, wurden die Annäherungen fortgesetzt. In Bezug auf ihr Erleben führt B2 aus:

„Mhh (,) Also Ich denke, dass das vor Ort wirklich i n t e n s i v e r war. Alleine von diesem Aspekt her, (*) dass ich ja direkt bei ihm dort war und nicht (*) geschützt jetzt paar Kilometer entfernt. (*) Ja genau, also ich ich hab wirklich gesagt, wenn ich nicht mit dem Motorrad die Option gehabt hätte, mit dem Motorrad mit Helm und (*) Lederkombi dahin zu fahren. Hätte ich es auch definitiv nicht gemacht, weil ich zugegebenermaßen mir das nicht getraut hätte“ (B2: 42).

Zusätzlich wurde die Anonymität im Internet gegenüber dem analogen Raum betont. Diese würde nach Angaben der Probandinnen die Hemmschwelle der Täterin oder des Täters herabsetzen:

„I: Ja, glaubst du es gibt einen Unterschied zwischen sexueller Belästigung in der analogen und in der digitalen Welt?

B2: (*) also instinktiv würde ich jetzt ,ja‘ sagen, weil ich mir vorstellen kann, (*) dass in der digitalen Welt, dieser vermeintliche Schutz durch das Anonyme doch präsent im (h) im Hinterkopf der Leute ist, die sowas anzetteln, versuchen“ (B2: 39–40).

B4 stellt gleichlautend fest:

„In der Online-Welt, klar sie hat vielleicht irgendwo die Daten und man kann das melden, dass (h) dass sie die Daten hat. Und (*) trotzdem weiß man nicht wer dahinter ist (h). Also ich find, online ist es schon nochmal einen ticken gefährlicher, weil es könnte ja auch der Nachbar von nebenan sein und man weiß es nicht..“ (B4: 10).

Diese Anonymität dient jedoch nicht nur den Täterinnen und Tätern als Schutz, sondern auch den Nutzerinnen. So betont B1, dass es für sie beruhigend war, dass ihre Belästiger nicht wüssten, wo sie wohnt (B1: 12). Auch die Anonymität wurde sowohl als Unterschied zwischen analogem und digitalem Raum als auch als vermutete Ursache für sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen benannt.

Abschließend lässt sich feststellen, dass sich sexuelle Belästigung im digitalen Raum sehr wohl zu der in der analogen Welt unterscheidet. Demnach existiert hier eine geringere Hemmschwelle für die Täterinnen und Täter, die durch verschiedene Faktoren befördert wird. Gleichzeitig ist sexuelle Belästigung im digitalen Raum für die meisten Probandinnen aufgrund der Distanz und der eigenen Anonymität weniger intensiv. Besonders positiv hervorgehoben wird die Möglichkeit, sich der Situation schnell und einfach entziehen zu können, was im analogen oft nicht möglich ist.

5.4.2 Vermutete Ursachen

Alle Probandinnen wurden neben ihren eigenen Erfahrungen auch nach ihren Vermutungen hinsichtlich der Ursächlichkeit für abweichendes Verhalten in Form von sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen befragt. Hierbei ergaben sich mannigfaltige Aspekte, die in der Hauptkategorie „Vermutete Ursachen“ codiert und anschließend in Subkategorien ausdifferenziert wurden.

Wie bereits beschrieben, wurde die „Geringe Hemmschwelle“ der Täterinnen und Täter durch die Probandinnen B1–B5 auch als Ursache angeführt. Dies wurde in den meisten Fällen durch eine mangelnde soziale Kontrolle begründet.

„(*)Weil ich es tatsächlich schon wirklich oft mitbekommen hab, dass solche Sachen passieren. Ich aber noch nie mitbekommen haben, dass jemand Probleme, (wegen?) solchen Sachen bekommen hat. Und es meines Erachtens, doch irgendwo(*), ja.. also mir fehlen die Wort, ein nicht positives Verhalten ist (lacht) Also es ist einfach in der normalen Zivilisation außerhalb dieser, außerhalb normaler sexueller Unterhaltungen sich einfach nicht gehört, dass ich jemanden so ins (h) ins, ins Blaue werfe“ (B2: 96).

Auch für B3 ist die mangelnde soziale Kontrolle ausschlaggebend für eine Bestärkung des abweichenden Verhaltens:

„Weil einerseits gewöhnen diejenigen, die andere Leute beleidigen und belästigen, die gewöhnen sich da dran, dass ihnen nichts passiert und das es total einfach ist. Anderen//anderen Leuten, also solche Grenzen zu überschreiten, (*) die die sozusagen Opfer von sowas werden, die lernen daraus: ,Naja, selbst wenn ich das melde, passiert hier nix.' Oder die Hemmschwelle, um das zu melden ist viel größer, weil ich erst mein Laptop öffnen muss (schmunzelt) und ich mach sonst alles am Handy. Oder selbst wenn ich das anzeige, ja dann krieg ich in vier Wochen einen Brief von der Staatsanwaltschaft, dass das eingestellt wurde: ,Ja, dann muss ich das wohl über mich ergehen lassen'.. Finde ich, ist eine schlechte Tendenz“ (B3: 39).

Ergänzend kann die Aussage von B4 angeführt werden, dass es auf den digitalen Plattformen wesentlich einfacher ist, in kurzer Zeit sehr viele Nutzerinnen und Nutzer anzuschreiben. Hat die Annäherung keinen Erfolg, versucht das Gegenüber es an anderer Stelle eben erneut (B4: 81). B1, B2 und B4 stimmen der These zu, dass die geringe Hemmschwelle vermutlich durch die geringe Entdeckungswahrscheinlichkeit beeinflusst wird (B1: 50 B2: 65, B4: 63). In diesem Zusammenhang wird auch auf die vermeintliche Anonymität der Täterinnen und Täter verwiesen. Demnach wurde an drei Stellen die geringe Hemmschwelle der Täter ebenfalls mit der Kategorie „Anonymität“ versehen/begründet.

„Also Ich glaube schon, dass die Schwelle halt geringer ist, weil man hat auch schnell was geschrieben und kommentiert und gesagt oder ein Bild gepostet oder verschickt. Man fühlt sich anonymer“ (B5: 75).

Als weitere vermutete Ursache wurde die „sexuellen Neigung“ der Täterin bzw. des Täters benannt. Entsprechende Äußerungen wurden bei allen Probandinnen codiert. B3 geht der Frage nach, warum Täterinnen oder Täter versuchen würden, Bilder auf digitalen Verkaufsplattformen zu erlangen, wenn doch vergleichbares Bildmaterial überall im Netz zu finden wäre. Sie vermutet, dass der Lustgewinn für die Personen besonders hoch sei, weil diese wüssten, dass dieses Tragebild in Unterwäsche exklusiv für sie aufgenommen wurde.

„Aber es ist natürlich ein Unterschied, wenn ich weiß: ,Sie hat das jetzt gerade nur für mich aufgenommen das Tragebild, ne? Und ich hab sie sogar dazu gebracht, mir dieses Unterwäschebild zu schicken' Das ist eine ganz andere Ebene“ (B3: 35).

B2 und B5 äußern die Vermutung, dass das Gegenüber scheinbar gewisse sexuelle Vorlieben hat. B2 beschreibt, dass sie vermutlich kontaktiert wurde, weil sie eine Lack-Leder-Leggings verkaufte und vergleichbare Kleidungsstücke insbesondere in Fetischbereichen sehr verbreitet sind (B2: 80). B5 hält es für wahrscheinlich, dass die vielen anzüglichen Nachrichten, die sie auf Instagram erhält, daraus resultieren, dass sie auf vielen Bildern mit Motorrad bzw. in Motorradbekleidung abgebildet ist, was wohl viele Männer ansprechen würde (B5: 24). Außerdem beschreibt sie, dass Abbildungen von Füßen in Schuhen scheinbar die Fetisch-Neigungen einiger Personen auf digitalen Verkaufsplattformen bedienen würden (B5: 16).

Auf die Frage warum B4 so viele Belästigungen erleben würde, äußert diese:

„[…]Ich möchte jetzt auch nicht eingebildet klingen oder sonstiges, aber ich denke mal schon, dass es auch viel ums Aussehen geht und dann (*) ist es ja auch noch so, dass auf solchen Plattformen selten so, ich sag mal südländische Typen unterwegs sind und dann, dann denkt man sich ,Mhhh' (fragend). Dann hat man gewisse Fantasien vielleicht, aus irgendwelchen pornografischen Aufnahmen oder sonstigen und dann denkt man sich: ,okay, schreib ich mal die an'“ (B4: 51).

Für B3 scheint darüber hinaus „Langeweile“ ursächlich für sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen zu sein:

„Ich glaub, da ist zum einen tatsächlich Langeweile. Also dieser Kommentar zu meinem Sport BH//Sport Bustier. Völlig unnötig (lacht). (*) Ich glaube wirklich, dass derjenige Langeweile hatte“ (B3: 33).

Weiterhin soll aber auch das „Verhalten der Opfer“ ausschlaggebend für die Annäherungsversuche sein.

„Ja, ich glaub schon. Also (,) viele machen sich eben a n g r e i f b a r e r, (*) sagen wir mal. Ich kauf auch viel immer noch auf Vinted, […] dann scrollt man halt, wenn man Zeit hat, doch immer mal wieder durch und dann sieht man halt auch viele Fotos wo Leute dann irgendwelche Oberteile präsentieren, aber keine Hose oder sowas dazu anhaben. […] Ich glaub, das ist also, dass solche Leute auf jeden Fall anfälliger sind für Belästigung und welche die extrem irgendwie, dann auch eine größere Reichweite haben. Es gibt ja auch auf Vinted (*) Kanäle, die haben ziemlich viele Abonnenten und verkaufen ziemlich viel und haben das mit Instagram vernetzt und präsentieren da regelmäßig irgendwelche Sachen, die sie dann wieder auf Vinted verkaufen.. (B5: 38)

In diesem Zusammenhang geht B5 auch darauf ein, dass Artikel, die mit Tragebildern eingestellt werden, sich auch besser verkaufen würden (B5: 40). Passend dazu ist das Beispiel von B3, die mit ihrem Tragebild in einem Korsett erheblich höhere Aufrufzahlen erzielen konnte (B3: 3). Weiterhin berichtet B3 von einer anderen Vinted-Nutzerin, die mehrere tausend Follower hat und viele figurbetonte und freizügige Tragebilder veröffentlichte. Dabei weist diese Nutzerin bereits in ihrer Profilbeschreibung daraufhin, dass sämtliche anzügliche Kommentare durch sie zur Anzeige gebracht werden, was nach eigenen Angaben wohl auch schon häufiger vorgekommen wäre (B3: 37). Hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen dem Versuch durch Tragebilder bessere Verkaufszahlen zu erzielen und der damit einhergehenden höheren Wahrscheinlichkeit sexuelle Belästigung zu erleben.

Neben den Tragebildern sei es auch wichtig, wie attraktiv die Person auf dem Foto sei, wie B2 und B3 ausführen (B2: 76, B3: 37). B4 berichtet, dass sie auf eBay Kleinanzeigen viel weniger sexuelle Belästigung erlebt, da sie dort kein Profilbild von sich eingestellt hat, und somit weniger über ihr Aussehen bekannt ist (B4: 48). Zudem trifft sie die Feststellung, dass auch die Auswahl der zu verkaufenden Artikel ursächlich für sexuelle Belästigung sei. Entsprechend wurde sie meistens mit sexueller Belästigung konfrontiert wird, wenn sie Schuhe oder Dessous verkauft hatte (B4: 16).

Darüber hinaus beschreiben die Probandinnen, dass auch „Unterschiede zwischen den Plattformen“ eBay Kleinanzeigen und Vinted. B5 führt aus:

„Wohler fühl ich mich tatsächlich auf Vinted.. weil eben ja, auf eBay Kleinanzeigen sind viele Leute, die eben nur eine Sache verkaufen, oder ein zwei Sachen. Man hat nicht so wirklich eine Historie was die Leute verkauft haben oder wieviel Bewertungen sie hatten. Also doch man sieht Bewertungen oder schlechte Bewertungen oder gute, aber eben nicht so wie bei Vinted zum Beispiel und ich kann bei Vinted auch (h) ja das ist irgendwie nicht so anonym so. Das fühlt sich nicht ganz so anonym an wie eBay Kleinanzeigen meiner Meinung nach“ (B5: 59).

B3 schildert, dass nach ihrer Einschätzung die Nutzerinnen und Nutzer von Vinted eine andere Interessengemeinschaft darstellen. Demnach würde sich der Kreis dieser Personen hauptsächlich aus Frauen zusammensetzen, die auch höflicher miteinander umgehen würden als bei eBay Kleinanzeigen. Da bei eBay Kleinanzeigen auch andere Artikel als nur Bekleidung verkauft werden, würden sich hier auch mehr Personen und vor allem auch mehr Männer aufhalten (B3: 18). Weiterhin betont B3, dass es auf Vinted wesentlich leichter sei, andere Nutzer der Plattform zu melden, was auf eBay Kleinanzeigen schwerer fallen würde, da das Verfahren komplizierter ist (B3: 18). B3, B4 und B5 benennen als weitere Ursache den Wunsch des Gegenübers nach Machtausübung.

„Also mir passiert herzlich wenig, wenn ich jemanden im Internet belästige. Also ich glaube, dass da die Hemmschwelle sehr gering ist und dass einerseits ein Zeitvertreib und andererseits eine sehr einfache Art, andere Leute zu ärgern (*) und auch so ein bisschen Macht auszuüben“ (B3: 33).

Für B4 und B5 besteht dieser Reiz darin, dass Personen versuchen die Frauen zu verängstigen, um sich selbst dadurch stärker zu fühlen (B5: 24).

„Ich glaube die haben einfach einen Reiz da-daran, dass andere Angst haben davor. Das ist das, also ist das schon im Großen und Ganzen ist es das. (*) Sie einfach diesen Reiz haben. Sie möchten einfach andere eine Angst einjagen und dadurch haben sie natürlich (h), dadurch fühlen sie sich irgendwo bestätigt und stark, meistens sind das (lacht) also meistens, sind es so ja auch wirklich so, ganz (*), ich sag mal zierliche Kerle“ (B4: 53).

Als letzte vermutete Ursache wird von B4 beschrieben, dass Nutzer versuchen, gebrauchte Unterwäsche bzw. gebrauchte Schuhe zu erwerben, um diese auf Fetisch-Plattformen weiterzuverkaufen. Demnach stünde nicht unbedingt der eigene Lustgewinn im Vordergrund, sondern die „Gewinnorientierung“ beim Weiterverkauf der Produkte.

5.4.3 Erlebte soziale Kontrolle

Alle Probandinnen wurde befragt, inwiefern sie soziale Kontrolle auf digitalen Verkaufsplattformen erlebt haben. Die entsprechende Codierung erfolgte unter der Hauptkategorie „Erlebte soziale Kontrolle“, welche wiederum in die Subkategorien „Rechtsstaat“, „Plattformbetreiber“ und „Nutzerinnen und Nutzer“ ausdifferenziert wurden. In diesen Subkategorien erfolgte zusätzlich die Unterteilung, ob soziale Kontrolle tatsächlich erlebt oder ob sie bemängelt wurde.

Hinsichtlich der erlebten sozialen Kontrolle des Rechtsstaates äußerte B5, dass sie es positiv empfindet, dass seit kurzem die Möglichkeit besteht, sexuelle Belästigung online anzuzeigen (B5: 12). An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass diese Variante polizeilicher Anzeigenerstattung, entgegen der Äußerung von B5, bereits seit mehreren Jahren besteht, dies aber anscheinend nicht allen Nutzerinnen und Nutzern von digitalen Verkaufsplattformen bekannt ist. B3 thematisiert, dass der Rechtsstaat in Hinblick auf sexuelle Belästigung in den vergangenen Jahren neue Paragrafen für Sexualstraftaten geschaffen hat (B3: 23). Überwiegend zeigte sich jedoch, dass die meisten Teilnehmerinnen sich nicht bewusst waren, inwiefern soziale Kontrolle durch den Staat als Reaktion auf abweichendes Verhalten auf digitalen Verkaufsplattformen stattfinden würde, was auch die Aussagen aus der theoretischen Vorbetrachtung bestätigt.

„Also dass der Rechtsstaat da etwas (*) zu meinen, in dem Fall, Gunsten beiträgt, könnte ich jetzt nicht behaupten und wenn dann bin ich mir dessen nicht bewusst. Also ich weiß es nicht“ (B2: 52).

B3 weiß aus ihrem beruflichen Kontext als Polizistin zu berichten, dass einfache verbale Belästigungen oder Beleidigungen meist durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden würden und sich somit keine ernsthaften Konsequenzen für die Täterinnen oder Täter ergeben.

Alle Probandinnen berichten von der informellen sozialen Kontrolle der „Plattformbetreiber“ selbst. B2 und B3 thematisierten in diesem Zusammenhang, dass die Plattformen den Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit einräumen, sexuelle Belästigung zu melden (B2: 62, B3: 19). Hierbei kritisiert B2, dass diese Möglichkeit allerdings nur ein Reagieren auf abweichendes Verhalten ist und keine Prävention darstellt (B2: 52). B3 bemängelt, wie bereits erwähnt, dass die Möglichkeit zur Meldung von anderen Nutzerinnen und Nutzern insbesondere auf eBay Kleinanzeigen zu kompliziert sei (B3: 19). B4 gibt an, dass die Plattformbetreiber als Reaktion auf entsprechende Meldungen die Profile des Gegenübers löschen oder blockieren, aber in manchen Fällen auch gar keine Reaktion erfolgt (B4: 27). B5 hingegen berichtet positiv von der Reaktion des Vinted-Teams:

„Die Betreiber, also ich weiß das Vinted oder auch Kleiderkreisel ehemals, mit denen kann man immer schreiben, die reagieren auch ziemlich schnell, wenn irgendwelche Sachen vorfallen. Das heißt, ich finde die reagieren ziemlich gut“ (B5: 42).

Zudem wurde B5 in einem Fall sexueller Belästigung mitgeteilt, dass der Nutzer, der ihr ein Penis-Foto geschickt hatte, durch das Vinted-Team überprüft und sein Profil gesperrt wurde (B5: 47).

Gleichzeitig wurde jedoch auch die soziale Kontrolle der Plattformbetreiber bemängelt. B1 und B5 kritisieren, dass die Anmeldung auf beiden Plattformen keinerlei Verifizierung voraussetzt (B1: 71-74, B5: 49). Demnach kann sich ein blockierter Nutzer einfach eine neue E-Mail-Adresse und mit dieser einen neuen Account auf der Plattform anlegen. B3 kritisiert entgegen den o.g. Ausführungen von B5, dass sie keine Rückmeldung darüber bekommen hätten, was mit den gemeldeten Nutzerinnen und Nutzern passiert wäre (B3: 19). B2 gibt an, dass sie generell nicht mitbekommen hätte, dass etwas gegen das Problem als solches unternommen wird (B2: 96). Verbesserungswürdig sei zudem das Meldeverfahren, das insbesondere bei eBay Kleinanzeigen kompliziert gestaltet sei (B3: 19).

In Hinblick darauf, wie Nutzerinnen und Nutzer informelle soziale Kontrolle auf den digitalen Verkaufsplattformen durchführen, fanden sich auch verschiedenste Ausführungen. Grundlegend muss zunächst festgehalten werden, dass Nutzerinnen und Nutzer durch das Melden und Blockieren sowie die Möglichkeit der formellen Strafanzeige wichtige Instrumente besitzen, um das abweichende Verhalten anderer Mitglieder zu sanktionieren. Darauf verweisen auch B2 und B4 (B2: 52, B4: 55). Darüber hinaus ist eine weitere Möglichkeit sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen zu reduzieren, nur noch mit anderen Nutzerinnen und Nutzer zu handeln, zu kommunizieren bzw. Tragebilder zu übersenden, wenn diese über ausreichend positive Bewertungen oder Rezensionen verfügen (B3: 12).

„Also (*), dass man, bevor man (*) irgendwas mit einem Profil anfängt egal ob Käufer oder Verkäufer (*) sich das Profil ja doch durchaus anschaut und auch die Rezensionen durchliest, die auf dem Profil hinterlassen wurden“ (B2: 64).

Weiterhin wird beschrieben, dass die Userinnen und User sich untereinander vor Fake-Profilen warnen können und dies auch tun. Demnach schildert B4:

„Dann (*) und kurze Zeit darauf, sind diese Profile auch schon gemeldet oder halt als Fake deklariert oder (*) manchmal gibt es ja auch Hinweise, dass, dass Fake-Profile unterwegs sind. Zum Beispiel ist das ja bei Instagram, ganz häufig so, dass (*) irgendein anderer postet: ,Bitte passt vor dem und dem Profil auf, weil das ist ein Fake Profil'“ (B4: 14).

Auch B2 berichtet, dass sie sich mit anderen Freundinnen über sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen unterhalten würde. Dies würde dazu führen, dass sie selbst darauf achten würde, keine Tragebilder zu veröffentlichen (B2: 38). Gleichwohl würde dies helfen, die Erlebnisse belächeln zu können (B2: 50). Als weitere Form der informellen sozialen Kontrolle schilderte B5, dass Nutzerinnen und Nutzer in einem Fernsehformat über ihre Erfahrungen berichteten und gleichzeitig auch auf die Möglichkeit der Onlineanzeige aufmerksam machten, wodurch auch sie davon erfuhr (B5: 43).

Als Kritik an Nutzerinnen und Nutzern wurde lediglich erwähnt, dass diese häufig keine Strafanzeige erstatten würden, da dies zu aufwändig sei und man ggf. befürchtete nicht ernst genommen zu werden, wobei B4 sich selbst auch nicht ausschließt (B4: 55). Gleicher Maßen überlegt B1, dass sie bei dem Fall von Sexting eigentliche Sanktionen hätte einleiten sollen (B1: 90). B2 formuliert in ähnlicher Weise für sich und andere:

„I: Und was sollten die Nutzerinnen und Nutzer vielleicht anders machen?..

B2: Das was ich nicht gemacht habe, und zwar solche Profile wirklich dann (*) auch melden oder blockieren“ (B2: 55–56).

5.4.4 Gewünschte soziale Kontrolle

Neben den eigenen Wahrnehmungen von sozialer Kontrolle auf digitalen Verkaufsplattformen, wurde zudem erfasst, was sich nach Einschätzung der Probandinnen ändern müsse. B1 und B4 wünschen sich eine bessere Aufklärung bzw. Sensibilisierung für das Thema durch den Rechtsstaat bzw. die Gesamtgesellschaft (B1: 90, B4: 61). Demnach werde das Thema in der Öffentlichkeit bislang eher totgeschwiegen und besonders jüngere Mädchen wären gefährdet (B4: 14). Für B5 ist sexuelle Belästigung ein Problem, dem man sich generell annehmen müsste:

„B5: Also ich hätte ich gesagt, nicht speziell auf dem digitalen Verkaufsplattformen, sondern ein Problem das generell besteht im Internet sowie auch in der analogen Welt. Den man sich auf jeden Fall annehmen müsste.

I: Also sexuelle Belästigung generell ist ein Problem?

B5: Genau. Die auch in den letzten Jahren irgendwie viel viel schlimmer geworden ist“ (B5:67–69).

B3 hält es für wichtig, dass sexuelle Belästigung Konsequenzen nach sich ziehen müssten:

„Egal ob man sexuell- oder dass man beleidigt wird, oder was auch immer auf solchen Plattformen. Aber dass (*), dass die Konsequenzen davon viel zu gering sind für die, die diese Tat begehen und das wissen die auch“ (B3: 39).

Hierfür wäre auch Voraussetzung, dass die Strafverfolgungsbehörden entsprechende Kapazitäten zur Verfügung hätten (B3: 41). In diesem Zusammenhang ist es für B2 ebenfalls wichtig, dass sich etwas ändern müsse. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Staat nicht noch mehr ihrer privaten Daten erfassen würde (B2: 54).

B1 und B3 sehen die Plattformbetreiber in der Pflicht auf sexuelle Belästigung zu reagieren (B1: 64, B3: 41). Demnach müssten diese auch ihre Userinnen und User über das Phänomen aufklären und Sanktionsmöglichkeiten aufzeigen.

„Und man könnte vielleicht auch sagen, dass die Nutzer//Nutzer und Nutzerinnen dazuhin//dahingehend, sensibilisiert werden sollten. Ich glaube das betrifft vor allem die jüngeren, zumindest ist das so mein Vorurteil was Anonymität im Internet angeht, (h) also//oder Schutz der eigenen Privatsphäre. Dass ich eben nicht nur, weil da eine (h) ein Mitglied was eine Frau als Profilbild hat, was mich nett anschreibt und: ,Mit lieben Grüßen Lisa'. Dass das eben nicht Lisa, die 19-jährige Lisa sein muss, sondern dass das der 50-jährige Manfred sein kann“ (B3: 41).

Durch B2, B3 und B5 wird angeregt mehr technische Lösungen bereitzustellen, um dem Phänomen entgegenzuwirken. Für B5 sind in diesem Zusammenhang Algorithmen denkbar die z.B. automatisch Penisbilder blockieren bzw. anzügliche Textnachrichten filtern (B5: 42). Für B2 ist es eine Lösung um die Mehrfach-Registrierung des blockierten Nutzers/Nutzerin zu verhindern, dass die Plattformen IP-Adressen registrieren und ein erneutes Anmelden mit derselben blockieren (B2: 54). B3 wünscht sich selbiges für E-Mail-Adressen (B3: 41) Dazu muss erwähnt werden, dass diese Möglichkeit für Vinted gem. Nr. 13 der AGB bereits besteht (vgl. Vinted 2021a) und auch eBay Kleinanzeigen missbräuchlich verwendete IP- und E-Mail-Adressen sperrt, wie die Plattform selbst bekannt gibt (vgl. eBay Kleinanzeigen 2020c). Zusätzlich zu den eben genannten Verbesserungsvorschlägen müsste es nach Aussagen von B1 und B5 verbindliche Maßnahmen zur Verifizierung der Nutzerprofile geben. Denkbar wäre für B5 die Möglichkeit einer Verifizierung über eine Handynummer26 (B5: 49). Sogar einer Registrierung mittels Ausweis würde sie zustimmen, gibt jedoch zu bedenken, dass dies wohl nicht alle Nutzerinnen und Nutzer genauso sehen würden (B5: 55). Auf die Frage was sie von Verifizierungsverfahren hält, antwortet B1:

„Finde ich jetzt gar nicht so schlecht. Also (*) gar nicht mal so jetzt, nicht nur wegen dieser sexuelle Belästigungsgeschichte, sondern auch weil da genug Betrugsfälle passieren. Also trotz eBay oder so. Also mir ist das auch schon passiert und wenn da jetzt Geld verloren geht und man hat sich wirklich vorher verifiziert, dann ist ja die Chance, dass da wirklich Jemand belangt werden kann, ganz viel größer, als wenn das nicht der Fall ist“ (B1: 66).

Weiterhin geben B1 und B3 an, dass die Meldung von anderen Nutzerinnen und Nutzern einfacher werden müsse (B1: 60, B3: 19). B1 würde es begrüßen, wenn die Meldung dabei analog zur Applikation Instagram funktionierte und man innerhalb des Chatfensters direkt eine Schaltfläche dafür hätte:

„Und da wär es natürlich total easy einfach zu sagen: ,Ey du möchtest nen Nutzer melden'. Wenn es da sofort nen Button zu gäbe. Und es dich zwei Klicks kostet. Dann musst du nicht danach suchen und dann würden es, glaub ich, auch viel mehr Menschen machen“ (B1: 60).

Hinsichtlich der gewünschten sozialen Kontrolle von Nutzerinnen und Nutzern gaben B1, B2 und B5 an, dass die Community konsequenter bei der Meldung anderer Mitglieder werden müsse (B1: 90, B2: 56). B5 formuliert:

„Ja, also Nutzerinnen und Nutzer sollten vielleicht bei jedem Verstoß, der in die Richtung geht, dann die Plattformen direkt informieren. Ich mein, klar wenn mir jemand sowas schreibt und ich kann das heute locker wegstecken, ist das cool für mich. Aber es kann auch sein, dass er in den nächsten zehn Minuten einer andere Nutzerin schreibt, die das vielleicht//damit nicht so locker umgehen kann und die das dann vielleicht richtig seelisch belastet. Deswegen, ja (,) wär es halt gut, wenn man jedes Mal wenn sowas passiert das halt direkt meldet. Damit die Nutzer dementsprechend gesperrt und verbannt werden“ (B5: 51).

Hierbei sollten auch alle Nutzerinnen und Nutzer sensibler mit dem Thema umgehen und ihr eigenes Nutzerverhalten überdenken (B3: 41, B5: 43). Dem folgend beschreibt B1, dass sich viele Nutzerinnen und Nutzer nicht im Klaren seien, dass sie soeben sexuell belästigt wurden, ihnen dies bei verstärkter Reflexion jedoch bewusst werden würde (B1: 90).

5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

In diesem Kapitel wurde zunächst eine Auswertung der Kurzfragebögen des PZI vorgenommen und anschließend die relevanten Ergebnisse der ISQI präsentiert. Die Auswertung des Materials erfolgte entlang der Hauptkategorien. Die quantitative Verteilung der Kategorien kann den Anhängen 12 und 13 entnommen werden. Die Ergebnisse wurden entsprechend der berichteten Phänomene sexueller Belästigung, dem Empfinden der Probandinnen und den vermuteten Ursachen für das abweichende Verhalten sowie die darauf stattfindende soziale Kontrolle weiter ausdifferenziert. Resümierend lässt sich feststellen, dass alle, für die Arbeit als relevant eingestuften Phänomene, durch Probandinnen thematisiert worden sind. Als Schwerpunkte ergaben sich hier die Fetisch- und Tragebild-Anfragen, die oftmals in Verbindung mit Catfishing stattfanden. Als besonders einprägsam wurden die Fälle von Sexting beschrieben, die zwar nicht so häufig benannt, aber intensiv empfunden wurden. Das Verhalten des Gegenübers in Form von sexueller Anbahnung wurde häufig als Grenzüberschreitung eingestuft. Die Spanne der Bewertungen der belästigenden Personen reichte von kuriosem Verhalten bis zur Stigmatisierung als krankhaft. Die Probandinnen selbst thematisierten in bezüglich ihrer eigenen Gefühlswelt am häufigsten, dass sie sich im Internet sexueller Belästigung schutzlos ausgesetzt fühlen. Die Anbahnungen auf den Portalen wurden jedoch unterschiedlich wahrgenommen und verliefen zum Teil prozesshaft. So wurden manche Anbahnungsversuche zunächst als belustigend empfunden, im weiteren Verlauf führten sie jedoch zu Unbehagen oder Verärgerung. Darüber hinaus wurde insbesondere im Zusammenhang mit Sexting, Ekel empfunden. Auf die Anbahnungsversuche erfolgten kurzfristig bzw. unmittelbar Reaktionen oder langfristige Änderungen des eigenen Nutzerverhaltens. Demnach reagierten die Probandinnen in den häufigsten Fällen damit, dass die Anfrage des Gegenübers abgelehnt, ignoriert oder dieser auf das eigentliche Verkaufsgespräch zurückgeführt wurde. Darüber hinaus sind auch Sanktionen eingeleitet worden, indem die andere Person der Plattform gemeldet oder blockiert wurde. Interessanterweise erfolgte in keinem der geschilderten strafrechtlich relevanten Fälle eine Strafanzeige. Um langfristig sexuelle Belästigung zu vermeiden, achteten die Nutzerinnen auf die Rezensionen des Gegenübers, selektierten die angebotenen eigenen Artikel und achteten auf Art und Ausgestaltung eigener Bilder sowie veröffentlichter Informationen. Die Probandinnen beschrieben, dass es Unterschiede zwischen sexueller Belästigung in der analogen und digitalen Welt gäbe. Dabei wurden die geringe Hemmschwelle sowie die Anonymität und Distanz im digitalen Raum betont. Als Ursachen für sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen wurde ebenfalls die geringe Hemmschwelle insbesondere durch einen Mangel an sozialer Kontrolle sowie die vermeintliche Anonymität der Täterinnen und Täter vermutet. Weiterhin würde auch das Verhalten/Aussehen der Opfer und die sexuelle Neigung des Gegenübers relevant sein. Hinsichtlich der sozialen Kontrolle zeigte sich, dass nur wenigen Probandinnen bewusst war, inwiefern der Rechtsstaat soziale Kontrolle auf den Plattformen ausübt. Grundsätzlich sahen die Probandinnen den Rechtsstaat in der Verantwortung, die Gesamtgesellschaft hinsichtlich sexueller Belästigung zu sensibilisieren. Für die soziale Kontrolle auf den Plattformen wurden die Betreiber der Portale in der Hauptverantwortung gesehen. Es wurden komplizierte Meldeverfahren sowie mangelnde Reaktionen kritisiert, weiterhin wurde der Wunsch nach technischen Lösungen zur Verhinderung sexueller Belästigung geäußert. Die wichtigste Funktion bei der Reaktion auf abweichendes Verhalten hat aber von der Community selbst ausgehen, die allerdings die zur Verfügung stehenden Instrumente (Melden, Blocken und Strafanzeige) konsequenter nutzen müssten.

6 Diskussion

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine explorative Studie, die vorliegenden Ergebnisse sind demnach deskriptiv und in ihrer Interpretation hypothetisch. Zur Untersuchung der Fragestellung wurde ein Sample aus fünf Probandinnen mittels Schneeballverfahren ausgewählt. Dabei lassen sich aufgrund der Stichprobengröße und Rekrutierung nur bedingt Aussagen über die Grundgesamtheit der Nutzerinnen und Nutzer digitaler Verkaufsplattformen machen. Wohl aber eignet sich das Schneeballverfahren als erster Zugang zum Forschungsfeld (vgl. Häder 2015: 176). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Sample ausschließlich um Frauen handelt, womit das Erleben von sexueller Belästigung von Männern oder Personen eines anderen Geschlechts nicht erfasst wurden. Darüber hinaus verfügten die Teilnehmerinnen über einen hohen Bildungsgrad. Wippermann (2020) betont in seiner Studie, dass Personen mit höherem Bildungsabschluss häufiger Sexismus im Alltag erleben, was auf die subjektive Sensibilität hinsichtlich Sexismus zurückzuführen ist. Ein Zusammenhang scheint zu bestehen (vgl. Wippermann 2020: 32 ff.). Neben diesen Limitationen konnten jedoch alle, als für diese Arbeit relevant eingestuften, Phänomene mit sexuellem Bezug aus der theoretischen Vorbetrachtung innerhalb des Samples nachgewiesen werden, womit diese Erwartung an die Stichprobe erfüllt wurde.

Die Ergebnisse zeigen, dass eine Fetisch-Anfrage die Anbahnungsform ist, der die Probandinnen am häufigsten ausgesetzt waren. Dies überrascht nicht, da die Peer-to-Peer Plattformen doch dem Verkauf von gebrauchter Kleidung dienen. Eine Untersuchung von Scorolli et al. (2007) von 381 englischsprachigen „Yahoo! Groups“27, die sich mit sexuellen Fetischen beschäftigten, zeigte, dass die meisten (33 %) der Foren auf bestimmte Körperteile oder Merkmale (z.B. Füße) oder Modifikation (Tätowierungen) bezogen waren. An zweiter Stelle (30 %) folgten Gruppen, die Objekte thematisierten, die üblicherweise in Verbindung mit dem Körper (z.B. Schuhe, Unterwäsche) assoziiert werden (vgl. Scorolli et al. 2007: 432). Daraus schlussfolgerten die Autoren, dass sich die meisten sexuellen Fetische auf bestimmte Körperteile bzw. Gegenstände, die für gewöhnlich am Körper getragen werden, beziehen (vgl. ebd. 2007: 435). In Bezug darauf, welche Kleidungsstücke am begehrtesten sind, waren es solche, die an Beinen und Gesäß getragen wurden (33 %), Schuhe (32 %) und Unterwäsche (12 %) (vgl. ebd. 2007: 435). Für den deutschsprachigen Raum kann eine Untersuchung von Ahlers herangezogen werden. Demnach gaben von 466 befragten Männern der Berliner Bevölkerung 33,91 % an, den erfragten Stimulus (z.B. Schuhe, Strümpfe, Gummi, Leder oder Latex) im letzten Jahr in ihren allgemeinen Sexualfantasien, in Masturbationsfantasien oder im realisierten Sexualverhalten wenig, mittelmäßig, ziemlich oder sehr sexuell erregend gefunden zu haben (vgl. Ahlers 2010: 55 f.). Es gilt zu beachten, dass eine Fetischneigung nicht grundsätzlich eine krankhafte Störung darstellt. In der einfachsten Form ist ein Fetisch demnach lediglich ein Symbol für die Bedeutung eines geliebten oder begehrten Wesens, in der krankhaften Form tritt der Sexualpartner jedoch hinter dem Symbol zurück bzw. wird gänzlich überflüssig gemacht (vgl. Kronfeld 2011: 189). Die Ausführung bezüglich des Fetisches als Symbol für eine begehrte Person verdeutlicht, warum Fetischistinnen und Fetischisten die begehrte Kleidung nicht etwa von anderen Plattformen erwerben. Möglicher Weise ist diese Klientel besonders an „nicht-professionellen“ Verkäuferinnen und Verkäufern interessiert. Im Vordergrund steht scheinbar die zielgerichtete Suche und Interaktion mit Mitgliedern, die den persönlichen Präferenzen entsprechen, um dann von diesen gebrauchten Kleidung zu erwerben.

Dass neben Art der Kleidung (Unterwäsche, Schuhe, Leggings) auch andere Faktoren wie Material und Geruch eine Rolle spielten, konnte ebenfalls durch die Arbeit aufgezeigt werden. Wenngleich auch Bilder von bestimmten Körperteilen einen Fetisch befriedigen können, ließen sich diesbezüglich keine Aussagen treffen, da im Rahmen einer Opferbefragung die Beweggründe der Täterinnen und Täter nur schwerlich erfasst werden können. Dementsprechend finden sich Fetisch-Neigungen, die bestimmte Körperregionen betreffen, vermutlich in den Kategorien Tragebild-Anfrage und Sexting.

Hinsichtlich der Tragebilder besteht eine Diskrepanz. So versuchen Nutzerinnen und Nutzer durch die Präsentation der Produkte als Tragebild, dieses zu einem möglichst höheren Preis zu verkaufen. Bei dieser Präsentation kommt es häufig zu einer Inszenierung der eigenen Person als besonders attraktiv. Rüdiger spricht in diesem Zusammenhang von „digitalem Narzissmus“ (vgl. Rüdiger 2020: 91) und Vogelsang stellt für die Gruppe der Jugendlichen fest, dass das sog. „Posen“ bei dem sekundäre Geschlechtsmerkmale betont werden, mittlerweile ein normaler Bestandteil der digitalen Selbstinszenierung sei (vgl. Vogelsang 2017: 37). Demnach erfüllt diese Selbstdarstellung zwei Funktionen, einerseits wird die Inhaberin bzw. der Inhaber des Profils besonders positiv dargestellt und andererseits dient sexualisierte Inszenierung der Vermarktung des Produkts. Dass „Sex Sells“ nach wie vor Marketing-Strategie ist, kann täglich medial beobachtet werden und wird für die vorliegende Arbeit durch Aussagen von B3 gestützt, die mit ihrem zu verkaufendem Korsett als Tragebild eine erheblich größere Anzahl an Interessenten für ihr Produkt erreichen konnte (B3: 3). Wenngleich das eigene Posieren keinerlei Rechtfertigung für grenzüberschreitende Anbahnungen aller Couleur ist, muss dennoch konstatiert werden, dass bei lasziven Tragebildinszenierungen das Gegenüber vermutlich nicht nur auf den Artikel selbst, sondern insbesondere auf die Person dahinter aufmerksam gemacht wird. Dies verdeutlicht auch eine Aussage von B3, der eine andere Vinted-Nutzerin besonders in Erinnerung blieb, nicht etwa aufgrund der angebotenen Artikel, sondern weil diese eine besonders großartige Figur, ein schönes Gesicht und freizügige Kleidung sowie Bikinis präsentierte. Gleichzeitig machte diese Nutzerin in ihrer Profilbeschreibung darauf aufmerksam, dass sie sämtliche Anbahnungsversuche zur Anzeige bringen würde (B3: 37). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Tragebilder die Verkaufschancen erhöhen, damit einher steigt jedoch das Risiko sexuelle Anbahnung zu erleben. Zusätzlich scheinen manche Personen ihren Fetisch (oder generell sexuelle Lust) auf bestimmte Körperteile und Kleidungsstücke durch die Anfrage nach Tragebildern zu befriedigen. Die Abgrenzung zu Sexting ist hier schwierig. Für die vorliegende Arbeit galt als Sexting das Übersenden von erotischen Nachrichten oder Bildmaterial über das Smartphone bzw. das Internet (vgl. Eichenberg/Auersperg 2014: 165). Ergänzend dazu kann die Aussage von Vogelsang angeführt werden, dass die meisten Autorinnen und Autoren definieren, dass dieses Bildmaterial Personen halbnackt bzw. nackt zeigt und die Darstellung sexualisiert ist. Dabei hängt der Grad der Sexualisierung von der eigenen Inszenierung ab (vgl. Vogelsang 2017: 36 f.). Fraglich bleibt, ob ein Bild auf welchem sich die Nutzerin oder der Nutzer sexualisiert darstellt um eigene Unterwäsche, Badeanzüge, Schuhe, Leggings etc. zu verkaufen, bereits eine Form des Sexting ist. Für die vorliegende Arbeit wurde dies verneint, gleichwohl zeigen die pornografischen Plattformen auf denen Tragebilder (Abbildung 1 und 2) gesammelt werden, dass diese Bilder dem sexuellen Lustgewinn/Voyeurismus bestimmter Personen dienen. Sexting findet nicht nur im Rahmen von bestehenden Intimbeziehungen statt, sondern auch innerhalb der Anbahnungsphase selbiger (vgl. Döring 2015: 27 f.). Allerdings kann Sexting zum Problem werden. „Ebenso wie eine exhibitionistische Handlung außerhalb des Netzes kann auch das Versenden von Nacktbildern an Personen, die diese nicht empfangen möchten, eine Belästigung darstellen“ (ebd. 2015: 29). In der Befragung von Wippermann stimmten 77 % der 2.172 Befragten der Aussage zu, dass das unerwünschte Übersenden von Bildern mit sexuellem Inhalt („Sexting“) eine Form von Sexismus ist. March und Wagstaff kamen zu der Schlussfolgerung, dass das unaufgeforderte Übersenden von expliziten Bildern eine Taktik einer kurzfristigen Paarungsstrategie sei (vgl. March/Wagstaff 2017: 5). Schlussendlich entscheidet der Beziehungskontext und die Interpretation des Gegenübers über die Einstufung von Sexting als abweichendes Verhalten. Die Probandinnen der Studie missbilligten diese Form der Anbahnung mehrheitlich (B1: 82, B2: 36, B4: 36-44, B5: 2-6).

Menschen nutzen seit jeher Medien auf kreativste Art und Weise, um intime Gefühle und Begehren zu teilen, die Spanne reicht hier von Liebesbriefen, zu speziellen Dating-Apps und sozialen Netzwerken. Als Kommunikationskanäle werden Sprache, Bilder, Voicemails oder auch Extravaganzen wie das Gemüse-Emoji als sexuelle Metapher verwendet (vgl. Walrave et al. 2018: 1). Zu sexueller Belästigungen werden diese Anbahnung, wenn sie mit Grenzüberschreitungen bzw. despektierlichen Verhaltensweisen einhergehen. Dass sexuelle Anbahnungsversuche auch auf digitalen Verkaufsplattformen stattfinden ist wenig überraschend, stellen die Plattformen mit den Profil-, Chat- und Bildübertragungsmöglichkeiten doch viele Funktionen zur Verfügung, die auch in klassischen sozialen Netzwerken bestehen. Damit einher gehen auch sexuelle Belästigungen wie sie auf anderen Plattformen stattfinden. Für den Bereich der digitalen Verkaufsplattformen einzigartig sind jedoch die Phänomene Fetisch- und Tragebildanfragen.

Vergleichbare empirische Arbeiten, welche das Erleben von sexueller Belästigung im digitalen Raum erfassen, finden sich nur wenige. Katzer stellte fest, dass sexuelle Belästigung in Online-Chats zu Viktimisierungen der befragten Mädchen im Alter von 10–19 führte. „Insgesamt gaben 65 % der viktimisierten Mädchen an, ihre Erlebnisse als unangenehm empfunden zu haben, 46 % waren wütend, 20 % frustriert, 16 % waren verängstigt und sehr verletzt, und 12 % fühlten sich niedergeschlagen“ (Katzer 2007: 27). Die Ergebnisse hinsichtlich der befragten Nutzerinnen stellen sich differenziert dar. So finden sich gleichwohl negative Emotionen wie Schutzlosigkeit, Unbehaglichkeit, Verärgerung, Schock und Ekel. Hinzu kommt, dass sich die Probandinnen in manchen Situationen selbstsicher oder belustigt fühlten bzw. Empathie für das Gegenüber empfanden. Demnach hängt das Ausmaß der Viktimisierung nicht nur von der Probandin selbst, sondern auch von Art und Häufigkeit der konkreten Anbahnungssituation ab. Jedes Opfer und jede Situation sind unterschiedlich. Festzustellen bleibt jedoch, ein Schrecken-Szenario wie es teils in der medialen Berichterstattung kolportiert wird (vgl. RTL.de 2021, vgl. Bayerischer Rundfunk 2020), fand sich im Erleben der Probandinnen dieser Studie nicht. Dagegen betonten die Probandinnen, dass sexuelle Belästigung im Internet als weniger schlimm erlebt wird als in der realen Welt. Folglich ergaben sich auch die größten Verunsicherungen, wenn die Probandinnen eine Verlagerung in den analogen Raum befürchteten und der oder die Belästigenden möglicherweise unvermittelt an ihrer Wohnungstür auftauchen könnten (B1: 8, B3: 17).

Bezüglich der Reaktionen auf die sexuellen Belästigungen griffen die Probandinnen in erster Linie auf die Mittel zurück, welche durch die digitalen Plattformen zur Verfügung gestellt werden. Daneben fanden sich die bereits beschriebenen Bewältigungsstrategien die Krause et. al zum Umgang mit Hatespeech beschreiben (vgl. Krause et al. 2021: 177 f.). Diese problemfokussierten Bewältigungsstrategien fanden sich dahingehend, dass auch die Probandinnen der vorliegenden Studie dazu übergingen die Anbahnungsversuche zu entlarven, das Gegenüber damit zu konfrontieren und Sanktionen aufzuzeigen (B4: 28). Darüber hinaus nutzten die Probandinnen auch die Strategie des aktiven Ignorierens. Die von Krause et al. genannten, emotionsfokussierten Bewältigungsstrategien, wie die Vermeidung und die Einbeziehung sozialer Unterstützung fanden sich auch im Sample wieder (vgl. ebd. 2021: 176). Entsprechend haben die Probandinnen ihr Nutzerverhalten dahingehend angepasst, um zukünftige Anbahnungen zu vermeiden und die belastenden Situationen mit Freunden und Freundinnen oder anderen Nutzerinnen und Nutzern geteilt. Die Anwendung der Leitlinien zum Umgang mit Hatespeech scheinen sich somit zumindest in ihren Grundzügen auf sexuelle Belästigung übertragen lassen. Eine Vertiefung der Anwendungsmöglichkeiten dieser zur Prävention wäre im Rahmen weiterer Forschungsarbeiten zu empfehlen.

In Hinblick auf soziale Kontrolle wurden die Annahmen aus der theoretischen Vorbetrachtung teilweise bestätigt, es fanden sich jedoch auch widersprüchliche Angaben. Demnach schilderten alle Probandinnen, dass in der digitalen Welt scheinbar eine geringere Hemmschwelle für Täterinnen und Täter existieren würde. Suler bezeichnet dies als den „Online Disinhibition Effect“, der dazu führt, dass Nutzerinnen und Nutzer im Internet Handlungen/Kommunikation tätigen, die sie für gewöhnlich nicht machen würden (vgl. Suler 2004: 321). Dieser Enthemmungseffekt im digitalen kann benigne (gutartige) und toxische (bösartige) Auswirkungen haben. Benigne, indem sich Nutzerinnen und Nutzer beispielsweise trauen über geheime Wünsche sowie Ängste zu sprechen oder besonders freundlich sind und toxisch, indem sie Anderen mit Wut, Hass, Kritik oder Drohungen begegnen (vgl. ebd. 2004: 321). Für das Zustandekommen dieser Online-Enthemmung benennt Suler mindestes sechs Faktoren die je nach Situation einzeln oder kombiniert auftreten:

1. Dissoziative Anonymität: Personen entscheiden selbst darüber, wie viele Informationen sie im Internet von sich preisgeben und fühlen sich dadurch weniger verletzlich
2. Unsichtbarkeit: Insbesondere durch rein schriftliche Kommunikation fehlen wichtige Kommunikations-ebenen und die Nutzerinnen und Nutzer fühlen sich unsichtbar
3. Asynchronität: Gerade in schriftlicher Kommunikation findet keine sofortige Reaktion/sofortiges Feedback auf die Inhalte statt
4. Solipsistische Interjektion: Durch fehlende Informationen des Gegenübers werden diese durch eigene Vorstellungen ergänzt. So wird beispielsweise beim Lesen einer Nachricht die Stimme des Gegenübers gedanklich durch die eigene ersetzt, wodurch dies eher wie ein Selbstgespräch wirkt, was wiederum Enthemmungen bestärkt.
5. Dissoziative Vorstellungskraft: Durch das Erschaffen einer zweiten digitalen Identität und der Möglichkeit, diese mit wenigen Klicks hinter sich zu lassen, kommt es bewusst oder unbewusst dazu, dass Online-Fiktion und Offline-Fakten voneinander getrennt werden.
6. Minimierung von Status und Autorität: Status und Autorität, wie sie in der Offline-Welt vorliegen können, sind im digitalen meist nicht sichtbar bzw. spielen keine Rolle. (vgl. Suler 2004: 322 ff., vgl. Walrave et al. 2018: 6 f.)

Insbesondere die Faktoren 1–3 finden sich auch in den Aussagen der Probandinnen in Hinblick auf die Differenzierung zwischen analoger und digitaler Welt resp. die vermuteten Ursachen für sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen.

Rüdiger und Bayerl vermuten, dass die geringe Hemmschwelle durch die stetigen sichtbaren Normüberschreitungen zustande kommt, auf die entweder gar nicht oder nur mit mangelnder formelle und informeller Normenkontrolle reagiert wird (vgl. Rüdiger/Bayerl 2020: 5). Gleichlautende Aussagen finden sich auch bei den Probandinnen:

„Also vom Staat weiß ich jetzt nicht unbedingt, dass sie viel machen (lacht). Also in den letzten Jahren haben sie da auf jeden Fall (*) viel geschlafen“ (B5: 42).

„I: Hast du denn jemals irgendwie mal ne Rückmeldung bekommen, von der Plattform was daraufhin passiert ist?

B4: Nein, von gar keiner Plattform tatsächlich.. Ich glaub das verschwindet in nem Nirvana, ne?“ (B4: 74).

Verwunderlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Probandinnen einen Mangel an sozialer Kontrolle in vielfacher Hinsicht kritisieren, ihnen teilweise aber nicht bewusst ist, welche Maßnahmen bei Verstößen gegen die Nutzungsvereinbarung durch Strafverfolgungsbehörden und die Plattformen getroffen werden. Tatsächlich scheint ein Teil des Problems darin zu liegen, dass soziale Kontrolle zwar stattfindet, diese jedoch nicht sichtbar ist. So erhalten Nutzerinnen scheinbar nicht in jedem Fall eine Rückmeldung, welche Maßnahme konkret als Reaktion auf die Meldung realisiert wurde. Gleichwohl sind rein verbale sexuelle Anbahnungen (Hands Off-Delikte) in Deutschland nicht strafbar, wodurch das Einschreiten von Exekutivbehörden erschwert ist. Denkbar wäre eine Normgenese und somit eine Ausweitung des Sexualstrafrechts. Beispiele für die Sanktionierung verbaler Belästigungen in der Öffentlichkeit finden sich in Frankreich, Belgien, Portugal sowie den Niederlanden. Bürgerinitiativen fordern selbiges für Deutschland (vgl. Quell 2020). Sexuelle Belästigung wurde von allen Probandinnen als ein gesellschaftlich relevantes Problem bezeichnet, dem mehr Bedeutung beigemessen werden sollte. Widersprüchlich erscheint jedoch, dass in keinem der, nach deutschem Recht, strafrechtlich relevanten Fälle eine Meldung an die Strafverfolgungsbehörden getätigt wurde. Dies unterstreicht, dass die Probandinnen mit den Anbahnungsformen auch ohne Hilfe des Rechtsstaates umgehen konnten. Tatsächlich sahen die Teilnehmerinnen auch die Plattformen und deren Community vordergründig in der Verantwortung. Steinert formulierte bereits 1988: „Der Großteil der ‚Kriminalität‘ kann von den Beteiligten selbst erledigt werden, die Hilfe von Polizei und Strafrecht ist nicht erforderlich (Steinert 1988: 11)“. Diese Aussage hat auch im digitalen Zeitalter nicht an Relevanz verloren.

Darüber hinaus lässt sich auch die generalpräventive Wirkung durch Verschärfung von Strafrechtsnormen bezweifeln. „Die Ergebnisse der kriminologischen Forschung zeigen weitgehend einheitlich, dass eine Verschärfung der Kriminalstrafen wenn überhaupt nur marginale kriminalpräventive Effekte bewirkt“ (Kury 2013: 34). Kattenberg spricht sich für die Ausbildung einer gesamtgesellschaftlichen digitalen Resilienz aus. Erreicht werden könne diese insbesondere durch die: „[…]Entwicklung/Stärkung einer Medienkompetenz, die Notwendigkeit einer Unternehmensverantwortlichkeit und eine sinnvolle Präventions- und Strafverfolgungs-strategie durch staatliche Behörden“ (Kattenberg 2021: 209). Statt mit formellen Sanktionen gegen sexuelle Belästigung vorzugehen, sollte informelle soziale Kontrolle durch die Plattformbetreiber und deren Nutzerinnen und Nutzer stattfinden. Dies setzt jedoch auch einen gesellschaftlichen Diskurs voraus, was als angemessener Flirt und was als sexuelle Belästigung zu deklarieren ist. Zu diesem will auch die vorliegende Arbeit anregen.

7 Fazit

Gesamtgesellschaftlich ist eine Verlagerung von Interaktionsprozessen verschiedenster Art in den Cyberspace wahrnehmbar. Gleichwohl findet auch abweichendes Verhalten im digitalen Raum statt. Eine Erscheinungsform, die bislang wenig erforscht wurde, ist das Phänomen sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen. Zur Exploration dieser Thematik ist die vorliegende Arbeit den folgenden Forschungsfragen nachgegangen:

- Welche Formen sexueller Belästigung finden auf digitalen Verkaufsplattformen statt?
- Wie erleben Betroffene sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen?
- Inwiefern findet auf digitalen Verkaufsplattformen soziale Kontrolle als Reaktion auf sexuelle Belästigung statt?

Für eine umfassende Beantwortung war es zunächst notwendig sich den Begriffen sexuelle Belästigung und soziale Kontrolle im Rahmen einer theoretischen Vorbetrachtung zu widmen. Hierbei wurde deutlich, dass sexuelle Belästigung eine Form des Sexismus ist, die in ihrer Ausgestaltung äußert differenziert auftreten kann. Grundsätzlich entscheidet jedoch die Empfängerin oder der Empfänger über Interpretation der Handlung und ihre Deklaration als sexuelle Belästigung. Soziale Kontrolle umfasst – vereinfacht – all jene Wirkmechanismen, durch die gesellschaftliche Gruppen versuchen, das Verhalten des Einzelnen zur Einhaltung bestimmter Normen zu beeinflussen. Als Akteure formeller und informeller Kontrolle auf digitalen Verkaufsplattformen fungieren der Rechtsstaat, die Betreiber der Plattformen und die Nutzerinnen und Nutzer selbst.

Zur Erlangung eines basalen Verständnisses von sexueller Belästigung resp. sozialer Kontrolle auf digitalen Verkaufsplattformen und aus Mangel an bislang existierenden Untersuchungen wurde eine Vorbetrachtung des Phänomens anhand der Medienbericht-erstattung und von Online-Foren-Beiträgen durchgeführt. Die so erlangten Erkenntnisse dienten dem späteren Methodendesign. Da es sich um eine explorative Forschungsarbeit handelt, die sich auf ein bestimmtes Phänomen bezieht, wurde eine Befragung von fünf Nutzerinnen von eBay Kleinanzeigen und Vinted mittels problemzentrierter Interviews nach Witzel (2000) durchgeführt. Um das differenzierte Erleben der Probandinnen vergleichbar zu machen und eine Komprimierung des Materials zu erreichen, wurden die Interviews transkribiert und einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) unterzogen. Anschließend wurde ein Kategoriensystem erstellt (vgl. Anhang 10) und es erfolgte die Darstellung der Ergebnisse entlang der Hauptkategorien. Hierbei zeigte sich:

Sexuelle Belästigung findet auf digitalen Verkaufsplattformen in Form von verschiedenen Phänomenen mit sexuellem Bezug statt. Aufgrund der Ausgestaltung von eBay Kleinanzeigen und Vinted, die sich der Kommunikationsinstrumente bedienen, die ebenso in sozialen Netzwerken vorzufinden sind, kommt es auch zu vergleichbaren Formen sexueller Belästigung resp. Phänomene mit sexuellem Bezug. Bei diesen handelt es sich um Catfishing, Sexting, Cyberstalking, unerlaubte Verbreitung von Bildern, Slutshaming und ungewollte sexuelle Anbahnung. Als exklusive und häufigste Formen sexueller Belästigung finden sich auf digitalen Verkaufsplattformen Fetisch- und Tragebildanfragen. Es zeigte sich, dass die Begriffsbestimmungen der Phänomene zum Teil amorph sind und der näheren Definition im Rahmen eines wissenschaftlichen Diskurses bedürfen.

Die Nutzerinnen und Nutzer erleben sexuelle Belästigung als einen Interaktionsprozess, der hochgradig von der individuellen Interpretation bedingt wird. Die Anbahnungsformen haben dabei Auswirkungen auf die Gefühlswelt der Userinnen und User, die ihrerseits je nach Anbahnungsform mehr oder weniger durch diese beeinträchtigt wird. Demnach wurden zwar die meisten sexuellen Belästigungen als negativ empfunden, in der erlebten Intensität waren sie jedoch differenziert. Als Reaktion nutzten die Probandinnen in erster Linie, die durch die Plattformen zur Verfügung gestellten Möglichkeiten zur informellen sozialen Kontrolle. Weiterhin bildeten sie konkrete Bewältigungsstrategien aus, um zukünftig Belästigungen besser entgegenzuwirken oder diese gänzlich zu vermeiden. Dabei ergaben sich Parallelen zu bereits bekannten Strategien aus der kriminologischen Forschung zu Hate-Speech. Die Probandinnen hoben hervor, dass durch Faktoren wie Anonymität, Distanz und mangelnde Kommunikationsebenen sexuelle Belästigung im Internet als weniger schlimm wahrgenommen wird. Andererseits führen diese zu einer Reduzierung der Hemmschwelle der Täterinnen und Täter, was durch Suler (2004) als „Online-Desinhibition-Effect“ beschrieben wird.

Neben den eigenen Reaktionen beschriebenen die Probandinnen, dass soziale Kontrolle auf digitalen Verkaufsplattformen durch den Rechtsstaat, die Betreiber der Plattform und die Nutzerinnen und Nutzer dieser stattfindet. Wenngleich Teile der kriminologischen Forschung und feministische Bürgerinitiativen eine verstärkte formelle Kontrolle des Staates im digitalen Raum fordern, sahen die Probandinnen selbst in erster Linie die Plattformbetreiber und deren Community in der Verantwortung. Demnach findet bei konsequenter Nutzung der informellen Möglichkeiten sozialer Kontrolle, wie Melden, Blocken und Bewerten auch eine angemessene Sanktionierung von abweichendem Verhalten statt. Bemängelt wurde, dass nicht immer Sanktionen erfolgen, bzw. diese nicht sichtbar sind. Eine generalpräventive Wirkung ergibt sich somit nicht. Darüber hinaus lassen sich bestimmte Sanktionen der Plattformen durch eine einfache Neuanmeldungen umgehen, weshalb bessere Maßnahmen zur Verifizierung der Nutzerprofile gefordert wurden. Grundsätzlich beschrieben die Probandinnen zwar ein Problem sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen im Speziellen, verwiesen aber auf einen gesamtgesellschaftlichen Missstand im Allgemeinen. Um diesem entgegenzuwirken, bedarf es der öffentlichen Aufklärung und des Diskurses darüber, was in der heutigen Zeit angemessen Anbahnungsverhalten ist und was nicht.

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich nicht für die Gesamtheit aller Nutzerinnen und Nutzer digitaler Verkaufsplattformen verallgemeinern. Darüber hinaus wird auch die Intention der Täterinnen und Täter nicht erfasst, wodurch nur die Opferperspektive projiziert wird. Jedoch können die Bewältigungsstrategien des Samples und Verhaltensweisen zur generellen Vermeidung von sexueller Belästigung allen Nutzerinnen und Nutzern digitaler Verkaufsplattformen als Handlungsleitfaden dienen. Gleichwohl könnten die geäußerten Forderungen und Vorschläge den Betreibern der Plattformen als Grundlage zur Anpassung bestimmter Funktionen und Richtlinien dienen.

In Bezug auf empirische Forschung, dienen explorative Studien als Grundlage für Folgestudien (vgl. Akremi 2014: 280). Somit ermöglicht die vorliegende Arbeit weiterführende deskriptiv-analytische oder explanative Forschungen zum Phänomen und will zu diesen anregen. Sie versteht sich einerseits als explorativer Vorstoß, um sexueller Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen näher zu beleuchten. Anderseits dient sie als weiterer Fingerzeig darauf, dass durch kriminologische Forschung dem digitalen Raum, als Schauplatz alter und neuer Formen abweichenden Verhaltens, bislang nicht genügend Bedeutung beigemessen wurde.

I Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

II Abbildungsverzeichnis

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Abbildung 1: Zeigt einen Screenshot der pornografischen Internetseite „XHAMSTER“. Hier können nach Eingabe des Suchbegriffes "Vinted" diverse Tragefotos von Nutzerinnen eingesehen werden.

https://de.xhamster.com/photos/search/vinted [2021-04-30]

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Abbildung 2 : Zeigt einen Screenshot der pornografischen Internetseite „XHAMSTER“. Hier können nach Eingabe des Suchbegriffes "ebay Kleinanzeigen" diverse Tragefotos von Nutzerinnen eingesehen werden.

https://de.xhamster.com/photos/search/ebay+kleinanzeigen [2021-04-30]

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Abbildung 3: Screenshot aus dem Forum „Sexuelle Belästigung auf KK?“ Beitrag von mischku, 29.11.2020.

https://www.vinted.de/forum/rechtliches-and-soziales/2798973-sexuelle-belastigung-bei-kk [2021-04-30]

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Abbildung 4: Screenshot aus dem Forum „Sexuelle Belästigung auf KK?“ Beitrag von nikwi 29.11.2020.

https://www.vinted.de/forum/rechtliches-and-soziales/2798973-sexuelle-belastigung-bei-kk [2021-04-30]

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Abbildung 5: Screenshots aus dem Forum „Sexuelle Belästigung auf KK?“ Beitrag von raubvogel81, 01.12.2020.

https://www.vinted.de/forum/rechtliches-and-soziales/2798973-sexuelle-belastigung-bei-kk [2021-04-30]

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Abbildung 6: Screenshots aus dem Forum „Sexuelle Belästigung auf KK?“ Beitrag von schlepptrosse_ahoi, 28.12.2020.

https://www.vinted.de/forum/rechtliches-and-soziales/2798973-sexuelle-belastigung-bei-kk [2021-04-30]

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Abbildung 7: Screenshots aus dem Forum „Sexuelle Belästigung auf KK?“ Beitrag von viola_fe, 18.02.2021.

https://www.vinted.de/forum/rechtliches-and-soziales/2798973-sexuelle-belastigung-bei-kk [2021-04-30]

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Abbildung 8: Screenshots aus dem Forum „Sexuelle Belästigung auf KK?“ Beitrag von cavea, 19.02.2021.

https://www.vinted.de/forum/rechtliches-and-soziales/2798973-sexuelle-belastigung-bei-kk [2021-04-30]

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Abbildung 9: Screenshots aus dem Forum „e*bay Kleinanzeigen – so stellen wir uns das Fegefeuer vor“ Beitrag von hula1, 25.11.2020.

https://www.vinted.de/forum/off-topic/2777200-ebay-kleinanzeigen-so-stellen-wir-uns-das-fegefeuer-vor [2021-04-30]

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Abbildung 10: Screenshots aus dem Forum „e*bay Kleinanzeigen – so stellen wir uns das Fegefeuer vor“ Beitrag von versario, 01.12.2020.

https://www.vinted.de/forum/off-topic/2777200-ebay-kleinanzeigen-so-stellen-wir-uns-das-fegefeuer-vor [2021-04-30]

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Abbildung 11: Screenshots aus dem Forum „e*bay Kleinanzeigen – so stellen wir uns das Fegefeuer vor“ Beitrag von mama16082014, 03.12.2020.

https://www.vinted.de/forum/off-topic/2777200-ebay-kleinanzeigen-so-stellen-wir-uns-das-fegefeuer-vor [2021-04-30]

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Abbildung 12: Screenshots aus dem Forum „oje..“.

https://www.vinted.de/forum/gefuhle/3172565-oje [2021-04-30]

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Abbildung 13 : Zeigt den Wirkmechanismus sozialer Kontrolle.

Quelle: eigene Darstellung.

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Abbildung 14 : Screenshot der Instagram-Seite „frau.kleinanzeigen“. Hier zu sehen sind mehrere Beiträge die sexuelle Belästigung auf eBay-Kleinanzeigen dokumentieren.

https://www.instagram.com/frau.kleinanzeigen/ [2021-08-24]

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Abbildung 15: Ablauf der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (Kuckartz 2018: 100).

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Zurawski, Nils (2021): Überwachen und konsumieren. Kontrolle, Normen und soziale Beziehungen in der digitalen Gesellschaft. transcript-Verlag: Bielefeld.

Danksagung:

Zunächst danke ich meinen Interviewpartnerinnen C., M., F., S. und H., ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Vertrauen, Engagement und die Bereitschaft die eigene Gefühlswelt zu offenbaren, sind nicht selbstverständlich.

Ich danke Tom für unsere regelmäßigen kriminologischen Diskussionen und den daraus resultierenden Ideen. In diesem Sinne, bleib kritisch!

Meinen Eltern Jochen und Heike verdanke ich, neben sehr vielen anderen Dingen, auch die finanzielle Unterstützung dieses Studiums.

Zu guter Letzt, Stephanie.

Danke für die vielen zeitlichen Freiräume und die mentale Unterstützung, die mir dieses Studium überhaupt erst ermöglichten.

[...]


1 Als Hashtag wird ein Schlagwort innerhalb eines Onlinebeitrages verstanden, welches mit einem Doppelkreuz versehen wird (#). Dies dient der Kommunikation von Nutzerinnen und Nutzern in sozialen Netzwerken, da über das Auswählen des Hashtags innerhalb eines Beitrages zu einer Übersicht gelangt werden kann, in der weitere Beiträge mit demselben Hashtag aufgeführt sind.

2 Es sei vorliegender Arbeit vorangestellt, dass in allen sozialen Milieus die Vorstellung verankert scheint, dass vor allem Frauen Opfer von Sexismus und sexuellen Belästigungen sind. Es gilt sich gleichwohl nicht der Perspektive zu verschließen, dass auch Männer (oder Personen eines anderes Geschlechtes) Opfer eben jener sexistischer Übergriffigkeit werden können (vgl. Wippermann 2020: 7).

3 Auf deutsch: „Katzen rufen“ oder auch „hinterher pfeifen“; beinhaltet die verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum.

4 Auf deutsch: „Belästigung auf der Straße“; beinhaltet die verbale und nonverbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum

5 Duden: „aus Japan stammendes, einem Emoticon ähnliches Piktogramm, das auf Gefühlslagen, Gegenstände, Orte, Tiere, Essen o. Ä. verweist [in elektronischen Nachrichten]“ (Dudenreaktion o.J.)

6 Weitere vergleichbare Portale sind: „shpock“ https://www.shpock.com/de-de; „Craigslist“ https://www.craigslist.org; „Mädchenflohmarkt“ https://www.maedchenflohmarkt.de/; „Tauschticket“ https://www.tauschticket.de/; „Tauschgnom“ https://www.tauschgnom.de/; „Markt.de“ https://www.markt.de/marktplatz/; „Fairmondo“ https://www.fairmondo.de

7 In einigen Teilen der Arbeit beziehen sich die Autoren zitierter Quellen auf Kleiderkreisel oder Mamikreisel. Da es sich bei Vinted um einen Zusammenschluss aus beiden Plattformen handelt und die grundlegende Funktionsweise gleichgeblieben ist, werden diese Aussagen in der vorliegenden Arbeit auch auf Vinted bezogen.

8 Bei Tragebildern handelt es sich um Aufnahmen des zu verkaufenden Kleidungsstücks, im getragenen Zustand. Meist stehen die Verkäuferinnen und Verkäufer zur Anfertigung dieser Aufnahmen selbst Modell.

9 Bilder von männlichen Genitalien werden umgangssprachlich auch als Dick-Pic bezeichnet. Kattenberg beschreibt: „Ein Dick-Pic ist ein Penisbild, üblicherweise im erigierten Zustand, was vorrangig über soziale Medien in einem Privatchat versendet wird. Das unaufgeforderte Versenden steht gem. § 184 StGB unter Strafe.“ (Kattenberg 2020: 28).

10 Die Sendung „To Catch a Predator“ wurde 2008 abgesetzt, nachdem sich der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Louis William Conradt Jr. das Leben nahm. Dieser hatte über mehrere Wochen sexuelle Chatnachrichten mit einem Schauspieler der Serie, der sich als 13-jähriger Junge ausgab, ausgetauscht, was der Sender an die örtliche Polizei weiterleitete. Conradt erschoss sich als die Beamten mit der Durchsuchung seines Hauses begannen (vgl. Dittrich 2009).

11 Als Spam werden in der Regel E-Mails bezeichnet die der Nutzer ungewollt zugesandt bekommt. Die Nachrichten können dabei von unverlangten kommerziellen Inhalten bis hin zum Übersenden von Schadsoftware reichen (vgl. Dudenredaktion o.J.b).

12 Incivilities (engl. „Grobheit“, „Unhöflichkeit“) bezeichnen subjektive Verfallserscheinung oder Störungen der sozialen und normativen Ordnung bzw. soziale Desorganisation (vgl. Kury et al. 2005: 8).

13 Hasskriminalität im Netz umfasst meist Beleidigungen, Bedrohungen oder sonstige Verunglimpfungen aufgrund von Vorurteilen gegen andere soziale Gruppen oder politischen Einstellungen (vgl. Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes o.J.) Digitale Verkaufsplattformen sind nach jetzigem Kenntnisstand keine sozialen Netzwerke im Sinne des Gesetzes.

14 Die sog. Vorratsdatenspeicherung verpflichtet Telekommunikations- und Internetdienste Verkehrsdaten von Nutzerinnen und Nutzern über einen gesetzlich vorgegebenen Zeitraum vorzuhalten und im Bedarfsfall den Sicherheitsbehörden im Rahmen der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung zur Verfügung zu stellen. Die Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland kontrovers diskutiert worden und war Inhalt verschiedenster Gerichtsverfahren, derzeit ist sie in Deutschland ausgesetzt

(vgl. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit o.J.).

15 Öffentlich einsehbar unter: https://www.instagram.com/frau.kleinanzeigen/ [2021-08-24]

16 „Hate Speech (Hassrede oder Hassposting) beschreibt im allgemeinen Äußerungen, mit denen Menschen beleidigt, abgewertet, bedroht oder angegriffen werden. Es handelt sich hierbei oft um vorurteilsgeleitete

Sprache oder Abbildungen in Verbindung mit menschenfeindlichen oder diskriminierenden Gruppenzuschreibungen. Hate Speech kann sich gegen Einzelpersonen oder gesellschaftliche Gruppen (bspw. Frauen, geflüchtete Menschen, Jüd*innen, Politiker*innen) richten und sowohl strafbare als auch nicht strafbare Äußerungen umfassen“ (Patz et al. 2021: 34).

17 Bei der Durchführung ergaben sich nach Einschätzung des Autors keine Unterschiede, die auf den verwendeten Messenger-Dienst zurückzuführen wären. Allerdings setzt ein Videotelefonat via WhatsApp neben der bloßen Anmeldung in der Applikation auch die Verwendung einer realen Handynummer voraus.

18 Zur Einsichtnahme der Projektdatei kann die kostenfreie Software „MAXQDA Reader“ verwendet werden. Abrufbar unter: https://www.maxqda.de/produkte/maxreader [2021-12-27]

19 Der deutsche Begriff „Kategorie“ und dessen englisches Pendant „Code“ werden durch Kuckartz synonym verwendet, wenngleich diese in anderen Bereich der empirischen Sozialforschung unterschiedliche Bedeutung haben. Gleiches gilt für die Vergabe von Kategorien: kategorisieren = codieren (vgl. Kuckartz 2018: 35) Die Verwendung der Begrifflichkeiten wird für die vorliegende Arbeit übernommen.

20 Hierbei werden entsprechende Textstellen innerhalb von MAXQDA markiert und einer Kategorie zugeordnet. Damit lassen sich diese Codes separieren und sind einfacher zu vergleichen (Überschneidungen von Codes sind möglich).

21 Kurzusammenfassung des Analyseprozesses: Es erfolgte zunächst eine Codierung des gesamten Materials mittels der Hauptkategorien. Diese wurden ausdifferenziert und entsprechende Subkategorien gebildet. Diese wurden abermals ausdifferenziert und anschließend ein Kodierleitfaden und das Kategoriesystems gebildet. Anschließend erfolgte abermals eine Codierung des kompletten Materials mittels des Kodierleitfadens.

22 Im Weiteren werden die Probanndinnen mit B1-5 benannt. Um den Probandinnen Anonymität zu gewährleisten konnten diese ihren lediglich Vornamen oder ein Pseudonym angeben.

23 Im weiteren Verlauf werden die Verweise auf Stellen in den Interviews wie folgt angegeben Beispiel (B5: 63). Somit bezieht sich die Textstelle auf eine Äußerung von B5 im Interview 05 im Absatz 63, auf die Abkürzung „vgl.“ wird bei indirekten Zitaten aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichtet. Direkte Zitate werden als solche kenntlich gemacht.

24 LinkedIn ist wie Facebook und Instagram ein soziales Netzwerk, das sich jedoch auf den Bereich Beruf und Karriere spezialisiert hat.

25 BlaBlaCar ist eine Peer-to-Peer Online-Mitfahrzentrale für Privatpersonen und Fernbusbetreiber. Grundsätzliches Konzept ist die Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten.

26 Im September 2021 (Zeitraum der Interviewdurchführung) führte eBay Kleinanzeigen als Reaktion auf vergleichbare Forderungen erstmals die sogenannte SMS-Verifizierung ein, wie eine Pressemitteilung bekannt gibt. So werden in den Kategorien „Babysitter & Kinderbetreuung“, „Mini- & Nebenjobs“, „Tierbetreuung & Training“, „Nachhilfe“ sowie „Praktika“ Nutzerinnen und Nutzer aufgefordert ihre Telefonnummer anzugeben und diese mittels SMS zu verifizieren. Dies soll in erster Linie der sexuellen Belästigung von Kindern, Jugendlichen und jungen Frauen vorbeugen. Mittelfristig sei jedoch auch geplant Bestandskonten zu verifizieren (vgl. Du Bois 2021).

27 Bis zur Schließung im Dezember 2020 war „Yahoo! Groups“ eine der weltweit größten Sammlungen an Internetforen, in welchen sich Nutzerinnen und Nutzer zu verschiedensten Themen austauschen konnten.

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen. Sozialer Kontrolle im digitalen Raum
Hochschule
Universität Hamburg  (Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften; Fachbereich Sozialwissenschaften, Fachgebiet: Kriminologische Sozialforschung)
Note
1,0
Autor
Jahr
2022
Seiten
95
Katalognummer
V1278463
ISBN (eBook)
9783346735614
ISBN (Buch)
9783346735621
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bewertung Erstgutachterin: Diese Arbeit überzeugt auf ganzer Linie. Der Verfasser hat sich umfassend in den Forschungsstand zu sexuellen Adressierungen im digitalen Raum sowie in den Möglichkeiten und Praktiken sozialer Kontrolle eingearbeitet und stellt ihn informativ und prägnant vor. Durchaus mit sehr gutem sozialwissenschaftlichen Gespür hat er die Interviews geführt, die Ergebnisse gewinnend analysiert und in einer dichten Beschreibung präsentiert. Formal ist die Arbeit sehr korrekt verfasst.
Schlagworte
Sexuelle Belästigung, Soziale Kontrolle, eBay Kleinanzeigen, Vinted, Kriminologie, Digitaler Raum, Sexismus, Problemzentriertes Interview, Catfishing, Sexting, Cyberstalking, Fetisch-Anfragen, Unerlaubte Verbreitung von Bildern, Slutshaming, Cybergrooming, Digitale Verkaufsplattformen, Peer-to-Peer, inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse
Arbeit zitieren
Phillipp Meissner (Autor:in), 2022, Sexuelle Belästigung auf digitalen Verkaufsplattformen. Sozialer Kontrolle im digitalen Raum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1278463

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