„Der Mensch wurde böse, als er gesellig wurde.“ (Rousseau 1955, S. 84)
Gemäß Jean-Jacques Rousseau führt die Vergesellschaftung zu einer immer stärker werdenden Ungleichheit unter den Menschen, welche eine Entfremdung des Menschen zur Folge hat. Den wissenschaftlichen Terminus Entfremdung nutzt Rousseau jedoch bei seiner Theorieentwicklung nicht. Er stellt in seiner „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“ drei Zustände dar, welche die zunehmende Ungleichheit und damit den Prozess der Entfremdung des Menschen darstellen. In dieser Arbeit sollen jene Zustände herausgearbeitet und erläutert werden, um damit im Kontext der Abhandlung Rousseaus Entfremdungstheorie nachvollziehen und erklären zu können.
Vorerst soll jedoch Rousseaus Naturbegriff und seine Auffassung vom vorgesellschaftlichen Naturmenschen eine entsprechende Erklärung erfahren, um eine bessere Einsicht in den ursprünglichen Zustand des Menschen geben zu können.
Des Weiteren stellt sich die Frage, wie der Mensch laut dem Philosophen den Verlust des ursprünglichen und paradiesischen Naturzustandes erleiden beziehungsweise selbst heraufbeschwören konnte. Und ob der Verlust dieses Zustandes auch positive Konsequenzen in sich birgt.
„Ich sehe in jedem Tiere nichts weiter als eine künstliche Maschine, die von der Natur mit Sinnen ausgerüstet ist, um sich selbst fortzuentwickeln und gewissermaßen zu verhüten, daß sie in Unordnung gebracht oder zugrunde gerichtet werden kann. In der menschlichen Maschine erkenne ich genau dasselbe.“ (Rousseau 1955, S. 56)
Existiert demnach überhaupt ein Unterschied zwischen Mensch und Tier und falls dem so ist, worin liegt er?
Rousseau ist der Ansicht, dass die Geschichte der menschlichen Vergesellschaftung die Tendenz zu Auflösung und Verfall besitzt.
Wohin führt demnach Rousseaus vorausgesehener dekadenter Niedergang, als Folge eines entstandenen Despotismus, welcher sich wiederum aus jeglichem Funktionsverlust der gesellschaftlichen Organe ergeben haben soll?
Zum Abschluss dieser Hausarbeit soll zur Entfremdungsproblematik ein Lösungsversuch, wie er von Rousseau angedeutet wird, entwickelt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rousseaus Theorie der Entfremdung
- Rousseaus Begriff der Natur und des Naturmenschen
- Differenzierung von Mensch und Tier innerhalb des Discours
- Der erste Naturzustand
- Der zweite Naturzustand sowie der Übergang zur Vergesellschaftung
- Dritte Phase: Die Vergesellschaftung und ihre Folgen
- Lösungsversuch
- Schluss
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert Jean-Jacques Rousseaus Theorie der Entfremdung im Kontext seiner „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“. Ziel ist es, die drei von Rousseau dargestellten Zustände zu erläutern, um seine Entfremdungstheorie nachvollziehen und erklären zu können. Die Arbeit untersucht den Naturbegriff und die Auffassung vom Naturmenschen, um den ursprünglichen Zustand des Menschen zu verstehen. Außerdem wird die Frage behandelt, wie der Mensch den Verlust des ursprünglichen Naturzustandes erfährt und welche Folgen dieser Verlust hat.
- Rousseaus Theorie der Entfremdung als Prozess der Entäußerung
- Die Rolle der Ungleichheit als Quelle des Bösen
- Die Wandlung des Menschen vom Naturzustand zur Vergesellschaftung
- Die Folgen der Vergesellschaftung für die Beziehung des Menschen zur Natur und zu seinen Mitmenschen
- Die Kritik an der neuzeitlichen Vernunft und der Herrschaft des Menschen über die Natur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in Rousseaus Theorie der Entfremdung ein und stellt die zentrale These der Arbeit vor: Die Vergesellschaftung führt zu einer zunehmenden Ungleichheit, die wiederum eine Entfremdung des Menschen zur Folge hat. Die Arbeit konzentriert sich auf die drei Zustände, die Rousseau in seiner Abhandlung beschreibt, um diesen Prozess der Entfremdung zu verstehen.
Im ersten Kapitel wird Rousseaus Begriff der Natur und seine Auffassung vom Naturmenschen erläutert. Rousseau sieht den Naturzustand als eine Zeit des Einklangs zwischen Mensch und Natur, in der der Mensch als unentfremdetes Wesen existiert. Die Natur wird als eine maßgebende Ordnung betrachtet, die alles umgibt und enthält. Rousseau betont jedoch, dass die Natur die Geselligkeit des Menschen nicht fördert und sogar versucht hat, die Entdeckung des Eisenerzes zu verhindern, da er den Untergang des Menschen durch den Ackerbau befürchtete.
Das zweite Kapitel behandelt die Differenzierung von Mensch und Tier innerhalb des Discours. Rousseau argumentiert, dass der Mensch sich von Tieren durch seine Fähigkeit zur Selbstreflexion und zur Entwicklung von Sprache unterscheidet. Diese Fähigkeiten ermöglichen es dem Menschen, sich selbst und die Welt um ihn herum zu verstehen und zu gestalten. Allerdings führt diese Fähigkeit auch zu einer zunehmenden Selbstentfremdung, da der Mensch sich von seiner ursprünglichen Natur entfernt.
Das dritte Kapitel beschreibt den ersten Naturzustand, in dem der Mensch noch nicht von der Gesellschaft beeinflusst ist. Rousseau zeichnet ein Bild eines Menschen, der in Harmonie mit der Natur lebt und von seinen natürlichen Bedürfnissen geleitet wird. In diesem Zustand ist der Mensch noch nicht von Egoismus und Konkurrenz geprägt, sondern von einem natürlichen Mitgefühl für seine Mitmenschen.
Das vierte Kapitel behandelt den zweiten Naturzustand und den Übergang zur Vergesellschaftung. Rousseau beschreibt, wie der Mensch durch die Entwicklung von Werkzeugen und die Entstehung von Eigentum in eine neue Phase der Entwicklung eintritt. Diese Phase ist geprägt von Konkurrenz und Ungleichheit, die den Menschen zunehmend von seiner ursprünglichen Natur entfremden.
Das fünfte Kapitel analysiert die dritte Phase: Die Vergesellschaftung und ihre Folgen. Rousseau zeigt, wie die Vergesellschaftung zu einer immer stärker werdenden Ungleichheit führt, die den Menschen in eine Abhängigkeit von anderen Menschen bringt. Die natürliche Freiheit des Menschen wird durch die Gesetze und Regeln der Gesellschaft eingeschränkt, was zu einer Entfremdung des Menschen von sich selbst und seiner Mitmenschen führt.
Das sechste Kapitel befasst sich mit dem Lösungsversuch, den Rousseau in seiner Abhandlung anbietet. Rousseau plädiert für eine Gesellschaft, die auf Gleichheit und Freiheit basiert. Er glaubt, dass die Menschen durch eine gerechte Ordnung und eine Erziehung, die auf die Entwicklung des natürlichen Mitgefühls ausgerichtet ist, wieder zu einem Zustand der Harmonie und des Einklangs mit sich selbst und der Natur finden können.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Entfremdung des Menschen, den Naturzustand, die Vergesellschaftung, die Ungleichheit, die Selbstentfremdung, die neuzeitliche Vernunft, die Kritik an der Zivilisation und die Suche nach einer gerechten Gesellschaft.
- Quote paper
- Rebecca Tille (Author), 2009, Rousseaus Theorie der Entfremdung des Menschen , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127846