Autonomes Fahren. Einflussfaktoren der individuellen Akzeptanz

Eine quantitative Untersuchung


Bachelorarbeit, 2021

70 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielführung
1.2 Abgrenzung

2 Theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Autonomes Fahren
2.1.1 5 Stufen des autonomen Fahrens
2.1.2 Einfluss auf den Verkehr und den individuellen Lebensstil
2.1.3 Sicherheit autonomer Fahrzeuge
2.1.4 Interaktion Mensch und System
2.2 Akzeptanzforschung
2.2.1 Definition und Einflussfaktoren
2.2.2 EinflussmodellederAkzeptanz
2.3 Individuelle Einflussfaktoren
2.3.1 Soziodemografische Merkmale
2.3.2 Technikakzeptanz
2.3.3 Risikobereitschaft
2.3.4 Kontrollüberzeugung

3 Methodik
3.1 Hypothesenformulierung
3.2 Messinstrumente und Stichprobe
3.3 Gütekriterien der Messinstrumente
3.4 Operationalisierung relevanter Variablen

4 Empirische Studie
4.1 Datenerhebung
4.2 Datendeskription
4.3 Datenanalyse

5 Diskussion
5.1 Diskussion der Ergebnisse
5.2 Erweiterungsmodell der Akzeptanz
5.3 Strategien zur Akzeptanzsteigerung

6 Schlussbetrachtung
6.1 Reflektion und Zusammenfassung
6.2 Ausblick auf weiterführende Forschung
6.3 Abschließende Würdigung und Zielerreichung

Literaturverzeichnis

Abstract

Bisherige Untersuchungen fokussieren sich auf die Akzeptanz von vollständig autonomen Fahrzeugen. Jedoch gibt es unterschiedliche Automationsstufen von Fahrzeugen, die bisher in der Forschung kaum berücksichtigt worden sind. Das Ziel dieser Forschungsarbeitet war es, mögliche Einflussfaktoren der Akzeptanz dieser jeweiligen Stufen zu messen und Strategien zur Akzeptanzsteigerung von automatisierten Fahrzeugen anhand eines erweiterten Modells zu entwickeln. Demnach lautete die Forschungsfrage: Welchen Einfluss nehmen bestimmte indi­viduelle Faktoren auf die Akzeptanz der Stufen des autonomen Fahrens? Gemessen wurden Faktoren wie soziodemografische Merkmale, Risikobereitschaft, interne Kontrollüberzeugung und Technikakzeptanz. Insgesamt haben 245 Teilnehmer an der Umfrage teilgenommen. Es wurden kaum Zusammenhänge zu den benannten Variablen festgestellt. Lediglich bei der Technikakzeptanz gab es einen schwachen, signifikanten Zusammenhang. Trotzdem ist diese Untersuchung ergebnisreich. Die wichtigste Erkenntnis dieser Untersuchung lautet wie folgt: Wenn Teilnehmern alternative Stufen der Automation geboten werden, entscheiden sich 94,3 % der Teilnehmer gegen vollständig autonomes Fahren. Solch eine geringe Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen konnte bisher in keiner anderen ähnlichen Studie wahrgenommen werden. Darüber hinaus wurde auf Basis des Car Technology Acceptance Model (Osswald, Wurhofer, Trösterer, Beck & Tscheligi, 2012) ein weiteres Modell entwickelt und umfassend Strategien abgeleitet zur Akzeptanzsteigerung höherer Automationsstufen.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Gefahren des Mischverkehrs (ADAC Stiftung & Hochschule Kempten, 2019, S. 37)

Abbildung 2. Car Technology Acceptance Model (Osswald et al., 2012, S.5)

Abbildung 3. Histogramme intervallskalierter Merkmale (eigene Darstellung)

Abbildung 4. Modell der Automationsakzeptanz von Fahrzeugen (eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Übersichtder VariablenundMerkmalsausprägungen

Tabelle 2 Verteilung StichprobenachAlter und Geschlecht

Tabelle 3 Verteilungder Stichprobenach Geschlecht und Bildungsabschluss

Tabelle 4 VerteilungderAutomationsstufenakzeptanz

Tabelle 5 Statistische Kennwerteder ordinal skalierten Merkmale

Abkürzungsverzeichnis

c

CTAM Car TechnologyAcceptance Model

F

FAS Fahrerassistenzsysteme

T

TAM TechnologyAcceptanceModel

TPB Theory ofPlanned Behavior

TRA TheoryofReasonedAction

U

UTAUT Unified Theory ofAcceptance and Use of Technology

Grundlage ist der Leitfaden zum wissenschaftlichen Arbeiten in der Wirtschaftspsychologie in der Version 1.1 vom 01.08.2019. Zudem wurde mit Citavi nach APA 6th Edition zitiert. Diese Thesis umfass 15.716 Wörter.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinum verwen­det. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

1 Einleitung

Ist autonomes Fahren eine Zukunftsvision oder bald Realität? Die meisten Unterneh­men wie Tesla, die Google-Tochter Waymo, das russische Unternehmen Yandex und viele der bekanntesten Automobilhersteller arbeiten an Entwicklungen von Technologien, welche sicheres autonomes Fahren ermöglichen. Während Waymo bereits in der Testphase von fah­rerlosen Taxis ist, setzten andere Hersteller auf Fahrzeuge mit höhere Automationsstufen. Auch in Deutschland sind bereits hochautomatisierte Fahrzeuge zulässig. Seit 2017 ist es er­laubt, dass Fahrzeuge in bestimmten Situationen die Fahraufgabe vollständig übernehmen dür­fen und sich der Fahrer von der Fahraufgabe abwenden darf. Seit 2021 dürfen sich in bestimm­ten Bereichen auch fahrerlose Fahrzeuge bewegen. Technisch und gesetzlich ist autonomes Fahren nicht mehr als reine Zukunftsvision zu sehen (ADAC, 2021).

Die Frage, welche nach der technischen und gesetzlichen Realitätsmöglichkeit folgt, ist die, ob die Gesellschaft bereit ist für solch eine disruptive Technologie. Denn autonomes Fahren bedeutet nicht nur eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens, sondern auch eine Life- style-Veränderung (Yigitcanlar & Kamruzzaman, 2019). Auch der Wechsel vom konventio­nellen zum autonomen Fahren birgt deutliche Veränderungen und Risiken für alle Verkehrs­teilnehmer. Ausgehend von einer solchen individuellen wie auch gesellschaftlichen Verände­rung stellt sich in der Forschung die Frage nach der Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen. Denn die Perspektive von potenziellen Nutzern wird bei der Debatte um autonome Fahrzeuge wenig beachtet, wenngleich betont wird, wie erfolgsentscheidend diese für die Technologie ist. Daher ist es genau so wichtig, die Perspektive zukünftiger Nutzer zu erfassen und bedeu­tende Einflussfaktoren zu identifizieren sowie deren Dynamik zu verstehen.

1.1 Problemstellung und Zielführung

Die Wissenschaft hat die Bedeutung der Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen bereits erkannt und untersucht. Jedoch befasst sich der Großteil der Akzeptanzforschung im Bereich des autonomen Fahrens mit der Akzeptanz der vollständig autonomen Fahrzeuge. Zwar wer­den diese die größte gesellschaftliche Veränderung bewirkenjedoch umfasst die Automation unterschiedliche Stufen, die ebenfalls das Mobilitätsverhalten verändern. Die Metaanalyse von Bornholt und Heidt (2019) zeigt, dass von ungefähr 60 analysierten Studien nur eine ein­zige Studie alle Stufen des autonomen Fahrens abdeckt. Es gibt daher kaum Studien, die eine Aussage dazu treffen, welche Automationsstufe zum aktuellen Entwicklungsstand die größte oder die geringste Akzeptanz findet. Mit dieser Thematik und Problemstellung ergeben sich unterschiedliche Fragen. Muss der Mensch sich an die Technologie anpassen oder die Tech­nologie der gesellschaftlichen Akzeptanzgrenzen? Eine neue Technologie kann nur erfolg­reich sein, wenn diese alle Eigenschaften der vorherigen Technologie vollständig ersetzen kann. Können daher autonome konventionelle Fahrzeuge vollständig ersetzen? Sind Indivi­duen bereit Kontrolle an ein Fahrzeug abzugeben? Wie viel Sicherheitspotenzial haben auto­nome Fahrzeuge? Wie ist das Verhältnis zwischen Menschen und Fahrzeugsystemen im Mischverkehr? Es ist zum aktuellen Punkt unklar, ob durch diese Thesis diese Fragen vollum­fänglich beantwortet werden können. Die Vorgehensweise dafür siehtjedoch wie folgt aus.

Zunächst wird ein Überblick über die Stufen des autonomen Fahrens gegeben. Darauf­hin folgt eine Auseinandersetzung mit dem Mobilitätspotenzial, welches diese Technologie birgt. Eine der größten Debatten ist das Thema der Sicherheit autonomer Fahrzeuge. Diese Sicherheit soll hierbei genauer behandelt werden. Zentrales Konstrukt dieser Arbeit ist die Akzeptanz. Diese wird auf psychologischer Ebene genauer erklärt. Dazu werden Einflussfak­toren und Einflussmodelle der Akzeptanz im Allgemeinen und im Kontext des autonomen Fahrens vorgestellt. Auf dieser Basis werden weitere mögliche individuelle Einflussfaktoren angeführt. Das Ziel dieser Forschungsarbeitet ist es, diese Einflussfaktoren zu messen und mögliche Strategien zur Akzeptanzsteigerung von autonomen Fahrzeugen anhand eines kon­struierten Modells zu entwickeln. Demnach lautet die Forschungsfrage: Welchen Einfluss nehmen bestimmte individuelle Faktoren auf die Akzeptanz der Stufen des autonomen Fah­rens?

1.2 Abgrenzung

Da diese Arbeit nicht alle Aspekte und Faktoren der Akzeptanz von autonomen Fahr­zeugen behandeln kann, folgt hier eine thematische Abgrenzung. Diese Thesis fokussiert aus­schließlich psychologische Aspekte wie die Akzeptanz und keine ethischen oder rechtlichen Aspekte des autonomen Fahrens. Es wird daher nicht die Entwicklung und Bedeutung dieser Technologie bemessen, sondern die gesellschaftlichen und individuellen Fragestellungen, die solche disruptiven Veränderungen hervorrufen, beleuchtet. Dabei sollen Vorteile und kritische Aspekte dieser Technologie berücksichtigt werden. Der Bereich des autonomen Fahrens be­schränkt sich bei dieser Thesis auf den potenziellen Endnutzer. Das bedeutet, dass, wenn von autonomen Fahrzeugen gesprochen wird, nur PKWs gemeint sind und kein Gütertransport. Auch wird die Nutzung potenziell autonomer öffentlicher Verkehrsmittel unbehandelt gelas­sen. Zudem werden Fragestellungen, die Fußgänger oder Fahrradfahrer beinhalten nicht be­rücksichtigt. Es wird zudem davon ausgegangen, dass die Nutzer keine Erfahrung mit selbst­fahrenden Fahrzeugen haben. Daher basieren Aussagen zur Akzeptanz in den Untersuchungen nicht aufErfahrungen.

Da die Thesis die individuelle Akzeptanz fokussiertjedoch diese nicht von der gesell­schaftlichen Akzeptanz klar abzugrenzen ist, erfolgt hierbei noch eine Abgrenzung dieser bei­den Begriffe anhand der Einflussfaktoren. Die individuelle Akzeptanz wird darin verstanden, dass diese von individuellen und nicht gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst wird. So sind unter individuellen Faktoren soziodemografische Merkmale, Gewohnheiten und psychologi­sche Charakteristiken zu verstehen. Unter gesellschaftlichen Aspekten werden Faktoren wie der soziale Einfluss oder Normen und Werte verstanden (Bornholt & Heidt, 2019). Hier in der Arbeit werden besonders psychologische Charakteristiken und soziodemografische Merkmale behandelt.

2 Theoretischer Bezugsrahmen

In diesem Kapitel wird der theoretische Bezugsrahmen zur Ableitung der Untersu­chungshypothesen geschaffen. Die Literatur soll dabei das Verständnis für die Themenfelder schärfen. Die hierbei verwendete Literatur wird vorwiegend über die Plattform Scopus ge­sucht, da diese einen hohen Wissenschaftsanteil gewährleistet. Dabei werden unterschiedliche, manchmal gegensätzliche Forschungsergebnisse behandelt, um eine differenzierte Betrach­tungsweise zu bewahren.

2.1 Autonomes Fahren

Unter einem autonomen Fahrzeug wird sowohl in der Gesellschaft als auch in der For­schung und Entwicklung das selbstfahrende, fahrerlose Auto verstanden. Fahrerlose Mobilität verspricht eine disruptive Zukunft. Denn autonome Fahrzeuge haben nicht nur Auswirkungen auf die ganze Verkehrsinfrastruktur, sondern auch den individuellen und gesellschaftlichen Lebensstil. Daher bedarf es einer schrittweisen Entwicklung dieser Technologie. Auf techni­scher Ebene werden daher die Entwicklungsstufen des autonomen Fahrens auf 5 Level oder Stufen abgegrenzt. Diese werden im folgenden Abschnitt genauer erörtert. Zudem werden wichtige Aspekte wie der Einfluss des autonomen Fahrens auf das Individuum, Sicherheit und die Interaktion zwischen Mensch und System betrachtet. Dabei soll das Potenzial autonomer Fahrzeuge beleuchtet werden und die größten Risikofaktoren diskutiert werden. Aus dieser Diskussion soll abgewogen werden, wie nützlich so eine disruptive Veränderung sein kann.

2.1.1 5 Stufen des autonomen Fahrens

In diesem Abschnitt werden zunächst die 5 Stufen des autonomen Fahrens definiert und genauer beschrieben. Diese Definition soll die Basis für die Entwicklung des Fragebogens bilden. Die internationale Ingenieursvereinigung Society of Automotive Engineers (SAE, 2016) und der Verband der Automobilindustrie (VDA, 2020) definieren die 5 Stufen der Au­tomation. Für die Definition werden Längs- und Querführung des Fahrens unterschieden. Mit der Querführung ist die Lenkung des Fahrzeuges zu verstehen und unter der Längsführung die Anpassung von Geschwindigkeit und Abstand. Die Level berücksichtigen dabei die techni­schen Möglichkeiten und Grenzen des Fahrzeugsystems. Auch die Aspekte, bei welchen die Verantwortung vom Menschen auf das Fahrzeug übertragen wird, werden bei der Definition der Stufen berücksichtigt.

Stufe 0 (Driver’a only/vollständig manuell):

In der untersten Stufe besitzt der Fahrer vollständig die Kontrolle und Verantwortung über das Fahrzeug. Er übernimmt die Quer-und Längsführung. Es gibt keinerlei eingreifenden, sondern lediglich warnende Systeme.

Stufe 1 (Assistiert):

In der Stufe 1 unterstützen einzelne Assistenzsysteme den Fahrer bei bestimmten Fahraufga­ben. Dabei übernimmt das Assistenzsystem entweder die Quer- oder Längsführung. So kann es bei der Spurhaltung oder Geschwindigkeitshaltung durch den Tempomaten unterstützen. Der Fahrer muss weiterhin den Verkehr kontinuierlich im Blick behalten und hat die volle Kontrolle und Verantwortung über das Fahrgeschehen.

Stufe 2 (Teilautomatisieres Fahren):

In der Stufe 2 kann der Fahrer nun sowohl die Längs- als auch die Querführung an das System in bestimmten Anwendungsfällen übergeben. So kann das Fahrzeug auf der Autobahn selb­ständig lenken, die Spur halten und bremsen. Jedoch überwacht der Fahrer das Fahrzeug und den Verkehr während der Fahrt fortlaufend, denn er mussjederzeit dazu in der Lage sein, die Steuerung des Fahrzeugs sofort übernehmen zu können.

Stufe 3 (Hochautomatisiertes Fahren)

Ein System der Stufe 3 kann selbständig und ohne menschliche Eingriffe unter bestimmten Bedingung Fahraufgaben bewältigen. Es erkennt zudem selbständig die Systemgrenzen, also den Punkt, an welchem die Umgebungsbedingungen nicht mehr dem Funktionsumfang des Assistenzsystems entsprechen. In diesem Fall wird der Fahrer nach einer bestimmten Zeitre­serve zur Übernahme der Fahraufgabe aufgefordert. Jedoch muss dieser die Längs- und die Querführung des Fahrzeugs nicht mehr dauerhaft überwachen.

Stufe 4 (Vollautomatisiertes Fahren)

In der Stufe 4 sind die Systemgrenzen des Fahrzeuges ausgedehnter. Das bedeutet, dass mehr Umgebungsbedingungen dem Funktionsumfang entsprechen und das Auto unterschiedliche Verkehrssituationen bewältigen und längere Distanzen ohne menschliches Zutun zurücklegen kann. Das Fahrzeug soll dabei diese Systemgrenzen so verlässlich und rechtzeitig erkennen können, dass es die Fahrer entweder frühzeitig zur Übernahme auffordert oder sich in einen sicheren Zustand (bspw. Nothalt am Straßenrand) bringen kann.

Stufe 5 (Fahrerlos/autonom)

Die letzte Entwicklungsstufe ist das fahrerlose oder autonome Fahren. Das Fahrzeug kann vollumfänglich auf allen Straßentypen, unter allen Umfeldbedingungen und in allen Ge­schwindigkeitsbereichen die Fahraufgabe vollständig allein ausführen. Fahrten ohne Insassen sind möglich.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass aus einer technischen Perspektive das Fahrzeug ab Stufe 2 Fahraufgaben übernehmen kann. Der Umfang der Bewältigungsleistung variiert in den darauffolgenden Stufen. Der Mensch muss bis einschließlich Stufe 3 den Verkehr über­wachen undjederzeit eingreifen können. Erst ab der vierten Stufe darf sich der Fahrer abwen­den und anderen Tätigkeiten nachgehen.

Da die Stufen des autonomen Fahrens einen wesentlichen Forschungsbestandteil dieser Arbeit ausmachen, stellt sich die Frage, in welcher Höhe der Automationsgrad zu definieren ist, wel­cher ausschlaggebend für die Akzeptanz des autonomen Fahrens ist. Wie die Akzeptanz der Stufen genau bemessen wird, wird im Kapitel 3.4 der Operationalisierung der Variablen ge­nauer diskutiert werden. Die SAE (2016) legt diesen Grad bereits fest anhand dessen, ob das System oder der Fahrer die Fahrumgebung überwacht. Demnach kann dem Fahrzeug ab Stufe 3 ein mittlerer bis hoher Automationsgrad zugeschrieben werden. Stufen 0-2 sind als assis­tierte Systeme einzuordnen. So kann in Bezug auf die Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen festgehalten werden, dass Personen, die Stufe 3 oder höher wählen, eine höhere Akzeptanz für autonome Fahrzeuge haben könnten.

2.7.2 Einfluss auf den Verkehrund den individuellen Lebensstil

Selbstfahrende Autos sind an sich bereits eine spannende Entwicklung genug, doch ergeben sich daraus auch viele Folgeentwicklungen. Autonome Fahrzeuge und deren Folge­entwicklungen können die Art und Weise, wie Individuen ihren Alltag bestreiten, deutlich beeinflussen. Daher widmet sich dieses Kapitel möglichen Folgeentwicklungen des autono­men Fahrens und dem daraus ergebenden Einflusspotenzial auf das Individuum.

Ein Beispiel für solch eine Entwicklung könnte das autonome Parken sein. Laut Shoup (2006) werden 30 % des Verkehrs in Geschäftsvierteln durch Parkplatzsuchende verursacht. Dabei setzt das Fahrzeug den Passagier an dem gewünschten Standort ab und begibt sich dann selbständig auf die Suche oder Beschaffung eines Parkplatzes. Daimler hat bereits 2016 das Konzept der „Schwarmsuche“ angekündigt (Porteck, 2016). Alle Fahrzeuge des Konzerns sol­len, während sie in Städten fahren, ihre Umgebung nach freien Parkplätzen absuchen. Die Treffer werden an einen zentralen Firmenrechner gemeldet. Dort wird die Information gesam­melt und wieder an das Navigationssystem des parkplatzsuchenden Fahrzeuges verteilt. Dies würde den Passagieren nicht nur eine deutliche Zeitersparnis einbringen, sondern auch die Verkehrslage nachhaltig beeinflussen. Die Verkehrsdichte würde sich verringern, weil Perso­nen nicht mehr die Gegend nach freien Parkplätzen abfahren. Zudem könnte sich durch die Fähigkeit der Fahrzeuge, präzisier als der Mensch einparken zu können, die Anzahl der ver­fügbaren Parkplätze erhöhen (Ritz, 2018). Die Umsetzung dieser automatischen Parkplatzsu­che wirftjedoch noch einige Fragen auf, die bisher noch nicht geklärt worden sind. Nichtjeder Parkplatz ist kostenlos. Demnach müsse das Auto selbständig bezahlen können oder zu einem kostenlosen Parkplatz fahren. Dabei ist zu hinterfragen, ob es nachhaltig wäre, längere Fahrt­strecken aufzunehmen.

Um einen hohen Aktionsradius der Fahrzeuge zu gewährleisten, ist es nach Ritz (2018) wichtig, dass diese möglichst unabhängig von menschlicher Hilfe sind. Dazu gehört auch, dass autonome Fahrzeuge sich selbst mit Energie versorgen können. Mit selbstankenden Fahrzeu­gen würde der Mensch sich auch darum keine Gedanken machen müssen und nicht nach nächsten Tankstellen Ausschau halten müssen.

Auch das Carsharing würde nach Lenz und Fraedrich (2015) auf die nächste Entwick­lungsstufe gebracht werden. Carsharing ist ein Sammelbegriff, der sowohl die private als auch kommerzielle Nutzung von PKWs umfasst. So bedarf es keines Fahrzeugeigentums mehr. Nutzer können als Mitfahrgelegenheit bei einer anderen Person mitfahren oder sich über ver­schiedene Anbieter (Car2Go, DriveNow) für einen bestimmten Zeitraum und Strecke ein Fahrzeug mieten. Wie wirken sich autonome Fahrzeuge auf solche Fahrkonzepte aus? Auch hier bietet sich laut den Autorinnen der automatische Parkservice an. Da Carsharing-Fahr­zeuge zudem bereits feste Parkplätze besitzen, wird die vorher aufgestellte Frage umgangen. Durch das autonome Carsharing-Fahrzeug erlangt der Nutzer deutlich höhere Flexibilität. Er muss das Fahrzeug nicht besitzen, sondern nutzt dieses nur bei Bedarf. Ein Use-Case solcher Vehicles-on-Demand wäre die Möglichkeit, die eigenen Kinder an einem regnerischen Tag von der Schule abholen zu lassen, während man selbst noch in der Arbeit ist. Im Allgemeinen würde das viel mehr Mobilität für Personen bringen, die nicht selbstständig Fahren können (Fagnant & Kockelman, 2015).

Nutzer würden sich nicht nur Zeit mit Parkplatzsuchen oder Tanken sparen, sondern auch während der Fahrt. Der sich der Passagier während der Fahrt anderen Tätigkeiten wid­men. Das Fraunhofer-Institut und Horvath & Partners (2016)sehen darin großes nutzerbezo­genes Service-Potenzial. Dabei fanden sie in einer Studie mit über 1.500 Teilnehmern heraus, dass Nutzer autonomer Fahrzeuge die Zeit mit Kommunikation, Informationsbeschaffung im Internet und Shopping ausfüllen würden. Schlaf wurde an siebter Stelle und Arbeiten an neun­ter Stelle erwähnt. Die Zeitersparnis durch autonomes Fahren, welche für digitale Medien ge­nutzt werden würde, könnte für Online-Händler noch mehr Verkaufspotenzial schaffen. Ge­nerell ist zudem festzuhalten, dass durch autonome Fahrzeuge der Verkehrsfluss effizienter werden könnte. Staus könnten sich vermeiden lassen, da einerseits diese Fahrzeuge unterei­nander kommunizieren könnten, andererseits können die Fahrzeuge durch regelkonformes Verhalten Gefahrensituationen vermeiden, die durch unkonventionelles Fahrverhalten ausge­löst werden (ADAC Stiftung & Hochschule Kempten, 2019).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Lebensweise von Individuen so verändert, dass durch autonome Fahrzeuge und deren Folgeentwicklungen mehr Zeit für an­dere Tätigkeiten zur Verfügung steht. Im Allgemeinen würde Verkehrsfluss effizienter werden (Becker & Axhausen, 2017). Ob dieser auch sicherer wird, wird im folgenden Abschnitt erar­beitet.

2.1.3 Sicherheit autonomer Fahrzeuge

Die Sicherheit autonomer Fahrzeuge ist ein sehr häufiges in der Öffentlichkeit disku­tiertes Thema. In vielen Umfragen schätzen Teilnehmer die höhere Sicherheit autonomer Fahrzeuge als größten Vorteil ein (Becker & Axhausen, 2017; Narayanan, Chaniotakis und Antoniou, 2020). Dieses Kapitel soll diese Einschätzungen aufgreifen und reflektieren. Es soll ein Überblick zu dem Sicherheitspotenzial autonomer Fahrzeuge und Fahrerassistenzsysteme (FAS) schaffen. Bevor Sicherheitsfragen aufgeworfen werden, ist eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „Sicherheit autonomer Fahrzeuge“ notwendig. Sicherheit ist laut Winkle (2015) hierbei eine subjektive, kontextbezogene Abwägung von Risiken und Nutzen. Risiken sind abhängig vom Automationsgrad des Fahrzeugs und der Nutzen hängt vom Wir­kungsgrad ab. Unter dem Wirkungsgrad sind die tatsächlichen Unfälle, die auf das System zurückzuführen sind, zu verstehen. Ein hoher Automationsgrad kann ein höheres Risiko dar­stellen, da die Unfälle, die durch autonome Fahrzeuge entstehen, noch nicht abzuschätzen oder vorherzusehen sind. Dies wird mit dem Nutzen gegengerechnet, den autonome Fahrzeuge durch den Entfall menschlichen Fehlverhaltens bringen. Es ist nicht sinnvoll, an dieser Stelle Statistiken miteinander zu vergleichen, da es zu Unfällen mit autonomen Fahrzeugen nicht genug Daten gibt. Jedoch lohnt sich die Betrachtung zu den Unfallstatistiken konventioneller Fahrzeuge. Laut der Fachserie zu Verkehrsunfällen des statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 2020 ungefähr 2,3 Millionen Unfälle. Unfälle mit Personenschäden in PKWs gab es un­gefähr 286.000. Davon sind ca. 10 % ursächlich durch Umweltfaktoren wie Wetter. 1,1 % dieser Unfälle sind auf technische Fehler zurückzuführen (Statistisches Bundesamt, 2020). Ungefähr 193.000 der PKW-Unfälle, bei denen Personen zu Schaden kommen, werden durch menschliches Fehlverhalten ausgelöst. Dies macht 68 % der Unfälle mit Personenschäden in PKWs aus. Die größte Ursache dabei ist nicht der Alkoholeinfluss, sondern Fehler beim Ab­biegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Anfahren und Missachten der Vorfahrtsregeln.

Eine psychologische Erklärungsgrundlage ist hierfür das von Brown (2005) genannte „Looked but failed to see“-Phänomen. Dieses tritt ein, wenn kritische Hindernisse vom un­fallverursachenden Fahrer gesehen, jedoch nicht bewusst wahrgenommen werden. Dies ist zurückzuführen auf die Grenzen der visuellen Aufmerksamkeit und visuellen Abtastens.

Es gibt weitere Untersuchungen, die eine höhere Zahl des menschlichen Fehlverhal­tens bei Verkehrsunfällen liefern. Die Studie der German In-Depth Accident Study (GIDAS, 2004) besagt, dass diese Zahl, auch wenn sie sich nicht nur auf PKWs bezieht, bei 93,5 % liegt.

Nun liegen 16 Jahre zwischen den Untersuchungen, was eine deutliche Verringerung der Verkehrsunfälle von 2004 auf 2020 impliziert. Damit würde sich die Frage stellen, ob das menschliche Fahrverhalten in diesen 16 Jahren abgenommen hat oder die Fahrzeuge aufgrund assistierender Systeme sicherer geworden sind. Konkrete Untersuchungen dazu wurden bisher keine gefunden. Es wird dennoch deutlich, welches Sicherheitspotenzial sich durch die Ein­führung autonomer Fahrzeuge entfaltet, wenn menschliches Fehlverhalten dadurch ausgeblen­det werden würde. Zeitschriften wie die Welt (2017) publizieren auf Basis dieser Zahl, dass durch autonome Fahrzeuge 90 % aller Unfälle verhindert werden könnten. Auch McKinsey (2015) veröffentlicht eine ähnliche Einschätzung bezogen auf den US-amerikanischen Raum. Diese Einschätzung solltejedoch stark hinterfragt werden, da weitere Faktoren berücksichtigt werden müssen. Wie bereits erwähnt ist es zu aktuellem Stand noch nicht abzuschätzen, wie hoch die Unfallrate autonomer Fahrzeuge auf Basis Systemfehlers oder anderen technischen Fehler sein wird. Daher versuchen viele Experten dies zu berücksichtigen und ein tatsächliches Sicherheitspotenzial zu ermitteln.

Ein derartiges Prognosemodell, welches die erwähnten Faktoren berücksichtigt wurde von Daimler bei einer Tagung vorgestellt. Das Unfallvermeidungspotenzial automatisierter Fahrzeuge wurde dabei mittels erwarteter Einführungs- und Marktdurchdringungsszenarien durch Expertenabschätzungen zusammen mit den GIDAS-Daten ermittelt (Unselt, Schoene- burg & Bakker, 2013). In der Prognose werden verschiedene Unfallszenarien berücksichtigt. So wird prognostiziert, dass durch die zunehmende Automatisierung Unfälle im Längsverkehr und Fahrunfälle bis zum Jahr 2060 um ca. 15 % abnehmen. Die Einbiege- und Kreuzungsun­fälle werden jedoch um ca. 10 % anteilig steigen. Diese Prognose wirkt ernüchternd zu der Annahme, dass über 90 % der Unfälle vermieden werden können.

Da diese Thesis alle Stufen des autonomen Fahrens berücksichtig, ist es auch wichtig zu beleuchten, welchen Beitrag FAS zur Sicherheit leisten. Dazu veröffentlichte der Gesamt­verband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV, 2013) im Rahmen der Unfallfor­schung eine Untersuchung. Diese besagt, dass FAS für PKW-Unfälle Sicherheitspotenziale von 2 % bei Totwinkelwarner bis knapp 45 % für Notbremssysteme liefern. Es gibt auch Un­tersuchungen potenzieller Nutzer, die diese Diskrepanz widerspiegeln. Während einerseits die potenziellen Nutzer die Sicherheit als größten Akzeptanzfaktor von autonomen Fahrzeugen sehen, ist der Sicherheitsfaktor auch die größte Befürchtung (Hohenberger, Spörrle & Welpe, 2017); Howard und Dai 2014).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass zum aktuellen Stand nicht festgestellt werden kann, wie sicher autonome Fahrzeuge sein werden. Es ist falsch anzunehmen, dass alle Un­fälle, die durch menschliches Fehlverhalten verursacht werden, damit vermieden werden kön­nen. Realistischere Prognosen stellen deutlich geringere Beiträge zur Verkehrssicherheit fest. Auch die FAS können einen geringen bis mittelhohen Beitrag zur Unfallsicherheit leisten. Jedoch ist festzuhalten, dass dieser Beitrag nicht negativ ist. Die Verkehrssicherheit wird sich durch autonome Fahrzeuge verbessernjedoch nicht in disruptiven Maßen.

2.1.4 Interaktion Mensch und System

Dieses Kapitel befasst sich mit zwei Aspekten der Mensch- und Systeminteraktion. Einerseits wird das Verkehrsverhalten und Kommunikation zwischen den Verkehrsteilneh­mern im Mischverkehr behandelt. Anderseits werden psychologische Wirkeffekte behandelt, wenn der Mensch nur noch eine Überwachungsfunktion des Fahrsystems einnimmt.

Eine Zukunft, in der ausschließlich autonom fahrende Fahrzeuge den Verkehr beherr­schen, ist zum aktuellen Zeitpunkt schwer vorzustellen. In den nächsten Jahren ist laut ADAC Stiftung (2021) ein Mischverkehr zwischen konventionellen und autonomen Fahrzeugen rea­listisch. Dabei wird den Fahrern die Wahl gelassen, welchen Fahrmodus sie nutzen. Vor die­sem Szenario werden jedoch Fahrzeuge der Stufe 3 und 4 den Markt durchdringen, bei dem der Fahrer in bestimmten Situationen die Fahraufgabe übernehmen muss. Der Zustand des Mischverkehrs birgtjedoch deutlich mehr Risiken als ein rein autonomer Verkehr: Die ADAC Stiftung hat in Kooperation mit der Hochschule Kempten (2019) gemeinsam mit Experten Szenarien entwickelt, die die Gefahren eines Mischverkehres darstellen (Siehe Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

So beschreiben sie, dass Fahrzeugsystemgrenzen früher erreicht werden und das Fahr­zeug den Fahrer zur Übernahme auffordert. Dies erhöht das Unfallrisiko. Denn es wäre mög­lich, dass der Fahrer aufgrund längerer Abwendung die Fahraufgabe nicht mehr meistern könne. Auch bei dem Fahrspurwechsel auf Autobahnen könnte aufgrund des unbeschränkten Geschwindigkeitsbereichs Gefahrensituationen entstehen. Zudem birgt die fehlende Kommu­nikation zwischen den Verkehrsteilnehmern ebenfalls ein erhöhtes Unfallrisiko. Die Kommu­nikation zwischen Fahrern und autonomen Fahrzeugen ist zudem ein bisher unerprobtes The­mengebiet. So stellte sich der Forscher Berthold Färber (2015) an der Universität der Bundes­wehr München die Fragen, wie Menschen mit autonomen Fahrzeugen kommunizieren und kooperieren können und welche Eigenschaften autonome Fahrzeuge besitzen müssen, um am Verkehrsgeschehen teilnehmen zu können. Kommunikation ist komplex, da sie auf vielen Ebenen erfolgen kann. Sie ist beim Fahren auch kontextabhängig. So führt Färber auf, dass eine Lichthupeje nach Situation unterschiedliche Bedeutung hat. Bei einem Fahrer, der Vor­fahrt hat, wird dies als Angebot zum Einscheren verstanden. Beschleunigt dieser oder hält Geschwindigkeit, so wird ausgedrückt, dass dieser auf seine Vorfahrt beharrt. In solchen Si­tuationen ist davon auszugehen, dass autonome Fahrzeuge die kontextabhängige Signalbedeu­tung nicht kennen und sich daher konservativ, also regelkonform, verhalten werden. Es bedarf daher zusätzlicher Lernalgorithmen, die autonomen Fahrzeugen beibringen, wie kontextbezo­gene Kommunikation bei menschlichen Fahrern funktioniert. Färber schlägt zudem vor, dass autonome Fahrzeuge kenntlich gemacht werden, damit menschliche Fahrer keine Erwartungen an diese Fahrzeuge stellen und damit das Bewusstsein haben, dass autonome Fahrzeuge sich regelkonform verhalten.

Ein weiterer Aspekt ist das bereits vom ADAC beschriebene erhöhte Unfallrisiko bei der Übernahme der Fahraufgabe. Dazu gibt es keine stichhaltigen Untersuchungen zu autono­men PKWs, doch bereits etablierte Forschung aus der Luftfahrt und anderen Bereichen. So haben sich in modernen Flugzeugcockpits die Kompetenzanforderungen an den Piloten verla­gert. Durch die Autopilotfunktion hat der Pilot keine aktive Steuerungsaufgabe mehr, sondern überwacht das Cockpitsystem lediglich. Diese von Sheridan (2021) benannte supervisory con­trol - Funktion führte zur Entlastung des Piloten und steigerte die Flugsicherheit. Dismukes, Berman und Loukopoulos (2007) stelltenjedoch fest, dass diese Funktion zu anderen, sicher­heitsmindernden Fehlern führte. Autopiloten führen dazu, dass die Aufmerksamkeit der Pilo­ten reduziert wird und massive Sicherheitsrisiken entstehen können.

Aus diesen Beobachtungen resultierte ein eigenständiges Forschungsgebiet zum Thema menschliche Kontrolle automatisierter Prozesse und Systeme. Unter dem von Endsley und Kiris (1995) geprägten Begriff „out of the loop unfamiliarity“ werden die negativen Kon­sequenzen der Entkoppelung des Menschen von der Steuerung von Systemen zusammenge­fasst. Durch das starke Vertrauen in die Automation, verlieren die Menschen kognitive und motorische Fähigkeiten, die zur Bewältigung der Steuerungsaufgabe notwendig sind (Onnasch, Wickens, Li & Manzey, 2014). Zudem führt mangelndes Training durch die feh­lende Ausübung von Tätigkeiten zu Effektivitätseinbußen. Der „Out-of-the-loop“-Effekt tritt besonders bei der Wahrnehmung und Interpretation der Systemprozesse ein. Dies wird als Situationsbewusstsein bezeichnet. Gründe für ein mangelndes Situationsbewusstsein liegen vorwiegend in der unzureichenden Überwachung des Systems, in veränderter oder fehlender sensorischer Rückmeldung (z. B. taktile Reize von Bremsen oder Lenkrad) und dem mangeln­den Systemverständnisend (Endsley, 2021). Um diesen Problemen entgegenzuwirken, wurden Gestaltungsprinzipien autonomer Systeme entwickelt, die jedoch den Menschen in der voll­ständigen Verantwortung sehen (Kaber, Riley, Tan & Endsley, 2001). Dies steht in Wider­spruch zu dem Zielzustand autonomer Fahrzeuge. Dieses besteht darin, die Verantwortung vom Fahrer auf das System abzuwenden, damit dieser seine Aufmerksamkeit vollständig an­deren Tätigkeiten widmen kann (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. [VDV], 2015).

Um das Kapitel zusammenzufassen, kann festgehalten werden, dass Konzepte für die Interak­tion zwischen konventionellen und autonomen Fahrzeugen entwickelt und implementiert wer­den müssen, um keine zusätzlichen Unfallrisiken zu schaffen. Darüber hinaus Bedarf es Stra­tegien, die Unfallrisiken bei der Übernahme von Fahraufgaben verhindern können. Wenn Ge­staltungskonzepte den Menschen in letztlicher Kontrolle sehen, ist zu hinterfragen, ob auto­nome Fahrzeuge in allen Verkehrssituationen vollen Nutzen stiften können.

2.2 Akzeptanzforschung

Um dieses Kapitel einzuleiten, wird aus dem vorhergehenden Kapitel folgender Punkt aufgegriffen: Gestaltungsprinzipen autonomer Systeme sehen vor, dass die Verantwortung und Kontrolle weiterhin bei dem Menschen liegen. Zwar entspricht dies nicht dem Endziel des nicht Eingreifens vom Menschen beim Fahren in autonomen Fahrzeugenjedoch sollte an die­ser Stelle gefragt werden, ob die Bedürfnisse von Individuen und die Ziele autonomer Fahr­zeuge übereinstimmen. Wollen Fahrer denn diese Kontrolle abgeben? Dazu haben Ernst & Young (2015) eine Studie mit 1.000 befragten deutschen Führerscheinbesitzern veröffentlicht. 66 % der Befragten können sich vorstellen, ein autonomes Fahrzeug zu kaufen, wenn sie zur Not selbst eingreifen können. Ohne diese Möglichkeit befürworten nur 42 % autonomes Fah­ren. Autonome Fahrzeuge sind eine derartig einschneidende Technologie, dessen potenziellen Vorteile nur genutzt werden können, wenn diese den Markt vollständig durchdrungen haben (Yigitcanlar, Wilson & Kamruzzaman, 2019). Sie muss die Bedürfnisse der Nutzergruppe be­friedigen können. Allein aufgrund dieser Aspekte ist die Akzeptanz der Gesellschaft und deren Individuen essenziell. Daher widmet sich dieses Kapitel dem Konstrukt der Akzeptanz und beleuchtet neben der Definition auch die Einflussfaktoren der Akzeptanz. Zudem soll ein Überblick zu aktueller Akzeptanzforschung im Bereich autonomes Fahren gegeben werden.

2.2.7 Definition undEinflussfaktoren

Bevor auf die Akzeptanz in Bezug auf autonomes Fahren eingegangen wird, soll zu­nächst eine Definition des Begriffes gegeben werden. Laut Drosdowski (1993) kann das Wort Akzeptanz eine aktive und passive Komponente besitzen. So kann eine Person mitjemandem oder etwas einverstanden sein oder auch anerkennen, welches eine aktive Zustimmung bildet. Die passive Bedeutung von Akzeptanz beinhaltet es etwas zu dulden, tolerieren oder auch das nicht-widersprechen.

Der Soziologe Hasse (1998) beschreibt Akzeptanz als Prozess, der sich in sozialen und technischen Konstrukten vollzieht. Sie ist dabei abhängig von dem Akzeptanzobjekt oder - Subjekt. Diese werden beeinflusst durch die Umwelt, Werten und Normen. Aber auch von Personen und deren Einstellungen, Handlungen und Erwartungen. Akzeptanz ist zeitlich nur relativ stabil, da sie sich im Lauf der Zeit ändern kann.

In dieser Arbeit bezieht sich das Verständnis von Akzeptanz auf die aktive Kompo­nente, also dem eindeutigen Befürworten von einer bestimmten Automationsstufe. Das Ak­zeptanzobjekt ist dabei das autonome Fahrzeug bzw. die einzelnen Level des autonomen Fah­rens. Durch die zeitliche Instabilität und Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren, kann auch angenommen werden, dass die Akzeptanz von autonomen Fahrzeugenje nach Entwicklungs­stand oder Umwelteinflüssen (z. B. negative Pressemitteilungen) variiert. Daher sind Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen zur Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen nicht wider­sprüchlich, sondern ais jeweilige Momentaufnahme einer bestimmten Situation zu sehen. Bei­spiel wäre die oben angeführte Untersuchung von EY aus dem Jahr 2015. So befürworten in dieser 42 % der Teilnehmer - trotz der fehlenden Möglichkeit des Eingreifens - autonomes Fahren. Dabei wurden, wie bereits erwähnt, 1.000 deutsche Führerscheinbesitzer befragt. Bei einer anderen Untersuchung von Fraedrich, Cyganski und Lenz (2016), die ebenfalls an 1.000 deutschen Führerscheinbesitzer durchgeführt wurde, akzeptierten nur 19 % vollständig auto­nome Fahrzeuge. Ähnliche Akzeptanzraten in anderen Anwendungssituation wie vehicles-on- demand. 37 % sprachen sich eindeutig gegen autonome Fahrzeuge aus. An dieser Stelle könn­ten soziodemografischen Merkmale Ursache für diese Akzeptanzunterschiede sein. Dazu lie­gen jedoch keine näheren Informationen vor. Soziodemografische Unterschiede werden in Kapitel 2.3.1 genauer beleuchtet.

Es wirdjedoch deutlich, wie beeinflussbar die Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen ist. Da­her werden im nächsten Abschnitt Theorien und Modelle aufgeführt, welche die Beeinfluss­barkeit der Akzeptanz im Allgemeinen und spezifisch auf das Thema dieser Arbeit bezogen, darstellen.

2.2.2 Einflussmodelle derAkzeptanz

Da Akzeptanz ein beeinflussbares Konstrukt ist, werden zur Erklärung der Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen verschiedene Modelle und Theorien genutzt. Jing et al. (2020) prüften im Rahmen einer Metaanalyse unterschiedliche Theoriemodell zur Erklärung der Ein­flussfaktoren der Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen. Es wurden dabei Modelle durch all­gemeine Verhaltensmodelle betrachtet, wie anhand der Theory of Planned Behavior (TPB) von Ajzen (1991), welches eine Weiterentwicklung der Theory of Reasoned Action (TRA) von Fishbein und Ajzen (1975) ist. Das in den untersuchten Studien meistgenutzte Modell zur Erklärung der Akzeptanz war das Technology Acceptance Model (TAM) von Davis (1989). Davon gibt es unterschiedliche Weiterentwicklungen, die gesondert im Kapitel zur Technik­akzeptanz behandelt werden. Im Folgenden werden diese beiden Modelle genauer beschrie­ben.

Nach Ajzens (1991) Theorie des geplanten Verhaltens kann Verhalten vorhergesagt werden, wenn die Intention und bestimmte Einflussfaktoren bekannt sind. Laut ihm ist die Verhaltensintention der größte Indikator für den Willen einer Person ein bestimmtes Verhalten aufzuweisen. Es müssen jedoch die tatsächliche Möglichkeit zur Handlungsausführung und die dazu notwendigen Ressourcen gegeben sein. Die Handlungsintention wird dabei von drei Variablen beeinflusst: Die subjektive Norm, Einstellung und die wahrgenommene Verhaltens­kontrolle. Die subjektive Norm meint hierbei einen wahrgenommenen sozialen Druck, ein be­stimmtes Verhalten zu zeigen oder zu unterbinden. Die Einstellung ist die positive oder nega­tive Bewertung eines Einstellungsobjektes - oder -Subjektes (Ajzen, 1991). Unter der wahr­genommen Verhaltenskontrolle ist die Leichtigkeit oder Schwierigkeit zu verstehen, ein be­stimmtes Verhalten auszuführen. Festzuhalten ist zudem, dass die Verhaltenskontrolle direk­ten Einfluss auf sowohl die Intention als auch auf das Verhalten selbst hat.

Jing, Huang, Ran, Zhan und Shi (2019) haben anhand der TPB eine Untersuchung zur potenziellen Nutzung autonomer Fahrzeuge durch chinesischen Reisende durchgeführt. Den größten Einfluss auf die Nutzungsintention hat in dieser Studie die Einstellung. Die subjektive Norm beschreiben die Autoren als kritischsten Faktor. Das bedeutet, die Reisenden können zwar eine positive Einstellung zu dieser Technologie haben, istjedoch starker sozialer Druck gegeben, autonome Fahrzeuge nicht zu nutzen, würden sie dem Druck, unabhängig von ihrer positiven Einstellung, nachgeben. Die Autoren merken hierbeijedoch an, dass es sich um ei­nen kulturbedingten Zusammenhang handeln könnte. Denn die subjektive Norm wird in der chinesischen Kultur deutlich höher bemessen als in der westlichen (Huang & Lu, 2017). Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle könnte die Nutzungsabsicht autonomer Fahrzeuge be­einträchtigen. Denn diese wird von den Nutzungskosten und dem tatsächlichen Nutzen beein­flusst. Anhand der TPB sagen die Forscher, dass eine tatsächliche Nutzung stattfinden finden kann, wenn eine positive Einstellung besteht und subjektive Normen für die Nutzung spre­chen. Zudem soll beim Aspekt der Verhaltenskontrolle ein tatsächlicher Nutzen, verbunden mit geringen Kosten, gestiftet wird.

Davis‘ (1989) Technology Acceptance Model ist eines der beliebtesten Modelle zur Erklärung und Vorhersage der Technologieadaption (Madigan et al., 2016). Es ist wie das TPB eine Weiterentwicklung der Theory of Reasoned Action von Fishbein und Ajzen (1975). Das Modell besagt, dass zur Adaption einer Technologie der wahrgenommene Nutzen und die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit auschlaggebend sind. Benutzerfreundlichkeit be­zieht sich dabei auf die Einfachheit und Mühelosigkeit eine Technologie zu nutzen. Venkatesh und Davis (2000) führenjedoch an, wenn Verbraucher das Nutzungspotenzial einer Techno­logie zwar erkennen, die tatsächliche Akzeptanz davon abhängen kann, ob der Verbraucher die Innovation tatsächlich in vollem Umfang nutzen kann. Abgeleitet aus der TAM gibt es Untersuchungen zur Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen. So Hegner, Beldad und Bruns­wick (2019) fanden in einer Online-Umfrage mit 369 deutschen Teilnehmern heraus, dass der wahrgenommene Nutzen von autonomen Fahrzeugen einen positiven Einfluss auf deren Adaption haben. Jedoch stellten sie fest, dass es keinen Zusammenhang zu der wahrgenom­menen Benutzerfreundlichkeit gab. Sie erklärten den fehlenden Zusammenhang mit dem man­gelnden Wissen über autonome Fahrzeuge. Dies bestätigen die Wissenschaftler Poo und Dal- ziel (2016). Sie haben herausgefunden, dass die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit ei­ner Technologie mit dem Wissen über diese zusammenhängt. Nastjuka, Herrenkinda, Marroneb, Brendela und Kolbe (2020) bestätigen diese Ergebnisse in einer ähnlichen Unter­suchung.

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Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Autonomes Fahren. Einflussfaktoren der individuellen Akzeptanz
Untertitel
Eine quantitative Untersuchung
Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule
Note
1,0
Jahr
2021
Seiten
70
Katalognummer
V1278800
ISBN (Buch)
9783346731913
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Autonomes Fahren, Akzeptanz, Einflussfaktoren, Level der Automation, Risikobereitschaft, Kontrollverlust, Technikakzeptanz
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Autonomes Fahren. Einflussfaktoren der individuellen Akzeptanz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1278800

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