John Wesleys Heiligungsverständnis. Eine Analyse seiner Lehrpredigten


Hausarbeit, 2020

29 Seiten, Note: 80/100


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Methodisches Vorgehen
1.3 Begriffsdefinition

2 Das Leben von John Wesley
2.1 Umfeld des 18. Jahrhunderts
2.2 Kindheit und Jugendjahre
2.3 Ausbildung
2.4 Der Heilige Klub und dessen sozial-diakonische Arbeit
2.5 Begegnung mit den Herrnhutern
2.6 Wesleys Bekehrung (Aldersgate-Erlebnis)
2.7 Der Beginn der Erweckung in England
2.8 Wesley und die methodistische Bewegung

3 Wesleys Heiligungsverständnis
3.1 Wesleys Verständnis von Heiligung anhand der Predigten
3.2 Auswirkungen des Heiligungsverständnisses Wesleys

4 Kritische Würdigung
4.1 George Whitefield (1714-1770)
4.2 Karl Barth (1886-1968)
4.3 Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)

5 Schlussfolgerung
5.1 Inhaltliche Zusammenfassung
5.2 Persönliche Gedanken
5.3 Konkrete Umsetzung

6 Abkürzungsverzeichnis
6.1 Biblische Bücher
6.2 Allgemeine Abkürzungen

7 Literaturverzeichnis

Abstract

Diese Arbeit befasst sich mit dem Heiligungsverständnis John Wesleys. Erarbeitet wird dieses mithilfe einer Analyse seiner Lehrpredigten und der anschliessenden komparativen Studie mit dem Heiligungsverständnis weiterer Theologen. Wesley wurde schon seit frühester Kindheit streng christlich erzogen. Erst im Alter von 35 Jahren lernte er, der jahrelang fest im Glauben lebte, allein durch gute Werke errettet zu werden, die Gnade Gottes kennen. Er erkennt, dass er allein durch den Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt ist. Durch diese Rechtfertigung ist die Macht der Sünde gebrochen und der Weg in die Gemeinschaft mit Gott steht dem frei, der glaubt. Dennoch besteht Wesley auf der Wichtigkeit der guten Werke. Der Prozess der Heiligung, der nach der Rechtfertigung durch das Kreuz Jesu startet ist die automatische Frucht der in uns herrschenden Gerechtigkeit Gottes und hat ein Leben hin zur Ebenbildlichkeit Gottes zum Ziel.

1 Einleitung

In vorliegender Arbeit wird das Heiligungsverständnis von John Wesley anhand seiner Lehrpredigten analysiert. Nach der Erforschung und Definition seines theologischen Heiligungsverständnisses, wird dieses kritisch bewertet. Ziel ist es, die Bedeutung der Theologie Wesleys für die damalige wie auch die heutige Zeit herauszufinden und konkrete Schritte für eine persönliche Umsetzung des Gelernten zu erarbeiten. Die im Laufe der Arbeit angegebenen Bibelstellen sind, soweit nichts anderes vermerkt, aus der Lutherübersetzung (2017) entnommen.

1.1 Fragestellung

Viele der Predigten Wesleys handeln von Heiligung und deren Wert im Leben eines Christen. Als Mitglied einer Evangelisch-Methodistischen-Kirche (EMK) interessiere ich mich für deren Gründungsvater John Wesley. Geschichtliche Aspekte, sowie die Theologie Wesleys möchte ich besser kennenlernen, um auch die heutigen Auffassungen der EMK besser zu verstehen. Aus diesen Gründen entstanden die folgende Forschungsfrage und dazugehörige Schlüsselfragen:

Welches Verständnis von Heiligung hatte John Wesley?

1. Wer war John Wesley? Wie und unter welchen Umständen lebte er?
2. Wie war John Wesleys Heiligungsverständnis?
3. Wie kann Wesleys Heiligungsverständnis gewürdigt werden?
4. Welche Bedeutung hat das Heiligungsverständnis Wesleys in der damaligen, wie auch der heutigen Zeit und was will ich persönlich aus dem Gelernten umsetzen?

1.2 Methodisches Vorgehen

Die Grundvoraussetzung für die Arbeit bildet das Vertrauen in die Bibel als das vom Heiligen Geist inspirierte Wort Gottes. Als Mitglied der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) stehe ich der Theologie Wesleys grundsätzlich positiv gegenüber. John Wesley schrieb neben seinen Predigten auch weitere Werke, auf welche im Rahmen der Arbeit jedoch nicht eingegangen wird. Auch auf die durch Wesley entstandene Methodistische Bewegung und deren Theologie, sofern diese von der Theologie Wesleys abweicht, wird nicht eingegangen. Auf eine biblische Würdigung des Heiligungsverständnisses von Wesley wird verzichtet, da diese den Umfang der Arbeit sprengen würde. Die Methodik der Arbeit besteht aus einer kritischen, literarischen Auseinandersetzung mit der Fragestellung. Im zweiten Kapitel ist die Biografie John Wesleys Thema. Zusätzlich zu seinem Leben wird auch auf die damalige Epoche sowie auf deren spezifische Begebenheiten eingegangen, die für das Heiligungsverständnis Wesleys bedeutsam waren. Kapitel drei befasst sich mit Wesleys Verständnis von Heiligung. Neben der Analyse der Lehrpredigten Wesleys wird auch auf die Auswirkungen, die seine Theologie bezüglich Heiligung auf ihn persönlich, die Erweckungsbewegung in England, die methodistische Bewegung sowie die heutige Theologie hatte eingegangen. In Kapitel vier erfolgt eine kritische Bewertung des Heiligungsverständnisses Wesleys durch einen Vergleich seiner Theologie mit der seines Zeitgenossen George Whitefields sowie den neuzeitlicheren Theologen Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer. Abschliessend geht es in Kapitel fünf um die Bedeutung des Erforschten für die Schreibende, sowie die persönliche Anwendung des Gelernten.

1.3 Begriffsdefinition

Für die Arbeit ist das Verständnis des Begriffes „Heiligung“ zentral, weshalb dieser hier kurz erklärt wird. Unter Heiligung wird die „Reinigung von jeder Befleckung des Fleisches und Geistes […] bzw. [als die] sich in Untadeligkeit erweisende Heiligkeit“ verstanden (Balz und Schneider 2011: 42). Der Stand der Heiligkeit, welcher durch diese Heiligung entsteht, fordert von den Christen immer wieder eine erneute und vertiefte Hingabe an Gott, sowie die bewusste Abwendung von der Welt (vgl. Zeller 1912: 275). Balz und Schneider definieren Heiligung als die umfassende Annahme der Heiligkeit Gottes, die vom Glaubenden erreicht werden muss um in Gemeinschaft mit Gott treten zu können, wobei damit nicht eine religiös-sittliche Vollkommenheit gemeint ist (vgl. Balz und Schneider 2011: 48).

2 Das Leben von John Wesley

Nachfolgend wird das Leben John Wesleys beleuchtet, wie auch die Epoche des 18. Jahrhunderts, in welcher er sich befand.

2.1 Umfeld des 18. Jahrhunderts

England schien während dem 18. Jh. für viele Reisende als freies, vorbildliches Land. Der Schein trog jedoch. „Die Politiker waren korrumpiert, die Geistlichen lau, die Mittelklasse damit zufrieden, nur Geld zu machen, und die Volksmassen zügellos, trunksüchtig und grob“ (Nicolson 1960 zitiert nach Lean 1974: 12). Die Ökonomie des Landes profitierte vom starken Sklavenhandel und der Kinderarbeit. Materialismus und fehlende Hoffnung machten sich unter dem Volk breit (vgl. Lean 1974: 11–14). Um das Jahr 1720 befand sich Europa am Höhepunkt des Merkantilismus1. Export von Waren wurde zur Priorität. Um den Export von Waren günstig zu halten setzte der Staat niedrige Arbeitslöhne, was zu Armut unter den Bauern und Arbeitern führte. Viele Manufakturen entstanden in Verbindung mit Waisen-, Armen- und Zuchthäusern, da dort genügend Arbeiter zu finden waren. Aus wissenschaftlicher Sicht war das 18. Jh. geprägt durch den philosophischen Rationalismus und die mathematisch-rational arbeitende Naturwissenschaft, insbesondere durch Isaac Newton (vgl. Boesch 1995: 17-19). Das 18. Jh. war eine Zeit der Volksunruhen. Soziale Proteste, nur selten politisch motiviert, zeigten sich in Aufständen aufgrund von Alltagsfragen wie Preisen und Löhnen. Ihren Höhepunkt erlangten diese Volksunruhen durch Lebensmittelverknappung und die dadurch resultierende Preissteigerung (vgl. Rudé 1979: 35–38). England stieg im 18. Jh. an die Spitze der Seefahrernationen und somit auch des Sklavenhandels. Aus den englischen Kolonien in Amerika wurden Sklaven zurück nach England gebracht und dort weiterverkauft (vgl. Jaggi 1978: 136–138; vgl. Schmidt 1987: 30).

Die Kirche des 18. Jh. war geprägt durch den Pietismus. Die pietistische Theologie hatte ihren Schwerpunkt in der Soteriologie2 und gebrauchte als Metapher oft die „Wiederherstellung des zerstörten Abbildes Gottes in den gefallenen Männern und Frauen“ (Dupré Louis et al. 1997: 269). Die Pietisten, zu welchen später auch John Wesley gehörte, fielen insbesondere durch ihren sozialdiakonischen Dienst auf. Auch die Theologie der Heiligung, wie sie von Wesley gelehrt wurde war für die pietistische Strömung im 18. Jh. typisch (vgl.: 271-278). Auf der anderen Seite gab es schwere Missstände in der anglikanischen Kirche. Politisch motivierte Predigten und Vernachlässigung der Pflichten breiteten sich unter der kirchlichen Obrigkeit aus. Während sie sich in ihrem Reichtum sonnten, liessen sie Vikare die regelmässigen Gottesdienste unter kleinem Sold verrichten. Die Kirche benötigte neuen Aufschwung, was kleine religiöse Gruppierungen und Verbindungen an den Universitäten lieferten. Sie hoben sich durch starke Frömmigkeit und sozialdiakonische Arbeiten von der Staatskirche ab (vgl. Schmidt 1987: 30–32).

2.2 Kindheit und Jugendjahre

John Wesley, Sohn des Samuel und der Susanna Wesley, wird am 17. Juni 1703 geboren. Gemeinsam mit seinen insgesamt 17 Geschwistern, von denen viele früh verstarben, wuchs er im englischen Städtchen Epworth auf (vgl. Sierszyn 2012: 713). Im Alter von sechs Jahren wird Wesley im letzten Augenblick aus dem brennenden Elternhaus gerettet. Dieses Erlebnis prägte ihn sehr, wie Sierszyn beschreibt.

Oft sieht er sich im Traum von den Flammen umgeben. Doch vor ihm ist ein offenes Fenster. Und vor dem Fenster warten die Arme, in die er sich fallen lässt. Die wunderbare Rettung wird ihm zum Gleichnis des Lebens (: 713).

Trotz der Tatsache, dass beide Eltern Wesleys mit Hoch- und Landadel verwandt waren musste die Familie sparen da Wesleys Vater aufgrund unbefriedigter Gläubiger Schulden hatte (vgl. Sierszyn 2012: 713; vgl. Pollock 2017: 25). Susanna Wesley unterrichtete die Kinder für sechs Stunden täglich und gab zusätzlich an jedem Werkabend einem Kind Einzelunterricht. Bereits als Kinder wurden Wesley und seine Geschwister angelehrt, das Vaterunser sowohl morgens als auch abends zu beten was zu hoher Frömmigkeit führte. Wesley berichtete, dass er aufgrund der strengen Erziehung im Alter von zehn Jahren noch völlig unverdorben gewesen sei (vgl. Pollock 2017: 31–32). Er wurde darüber belehrt, dass er nur „durch absoluten Gehorsam und das Einhalten der göttlichen Gebote“ gerettet werden könne (Pollock 2017: 32).

2.3 Ausbildung

Im Januar 1714 begann Wesley seine Ausbildung an der Charterhouse-Schule in London (vgl. Sierszyn 2012: 713–714). Wesley führte seine strenge Frömmigkeit auch in London weiter, indem er regelmässig zur Kirche ging, Morgen- und Abendgebete sprach und Bibel las (vgl. Pollock 2017: 37).

Im Alter von 17 Jahren trag Wesley im Jahr 1720 an das Christ Church College in Oxford über (vgl.: 41). Wesley fand Gefallen an Oxford und dem Gedanken, sich im Lehrkörper einzubringen. Da dies eine Priesterweihe voraussetzte, fasste er 1723 den Entschluss, sich als Priester weihen zu lassen. Seine Mutter empfahl ihm, sich im Hinblick auf seine Priesterweihe einer genauen Selbstprüfung zu unterziehen. Er nahm sich den Rat zu Herzen und begann im März 1725, in Form eines regelmässig geführten Tagebuches, zu überprüfen wie er seine Zeit verbrachte. In verschlüsselter Kurzschrift schrieb er eine Liste seiner Versuchungen: Lockerer Lebenswandel, müssiges Gerede, unnütze Schauspiele und Bücher, Müssiggang und den Umgang mit den falschen Menschen (vgl.: 45–49). Um sich diesen Versuchungen zu entziehen soll Wesley häufiges Gebet helfen (vgl. Schmidt 1987: 71). Einer solchen Selbstprüfung unterzog sich Wesley auch im Hinblick auf seine Taten. Eine Tat auszuführen ohne an ihr Ziel zu denken kam für Wesley nicht in Frage. „Jede Tat muss im Namen des dreieinigen Gottes und mit Gebet begonnen werden“ (: 71).

Im September 1725 wurde Wesley ordiniert und im März 1726 schliesslich einstimmig als Dozent gewählt und nahm seine Arbeit am Lincoln College in Oxford auf (vgl. Pollock 2017: 53–56). Neben seiner Arbeit in Lincoln begab sich Wesley zudem mehrfach zurück nach Epworth, um dort seinem kränklichen Vater im Pfarramt auszuhelfen (vgl. Schmidt 1987: 79).

2.4 Der Heilige Klub und dessen sozial-diakonische Arbeit

Während der Zeit in Oxford nahm sich Wesley dem jungen John (teilw. auch Robin) Griffith an, mit der Intention, aus ihm einen ganzen Christen zu machen. Nach dem plötzlichen Tod Griffiths fühlte Wesley die Berufung zur Seelsorge, was seinen weiteren Lebensweg bestimmte. Er nahm sich einer kleinen Studiengruppe an, darunter auch sein Bruder Charles Wesley, welche im Laufe der Jahre zu einer Gruppe von 17 Leuten heranwuchs. (vgl. Schmidt 1987: 81–85). Im Jahr 1730 begannen die Wesley Brüder auf das Drängen William Morgans hin, einem Mitglied der Studiengruppe, hin regelmässig Häftlinge des Gefängnisses Oxford Castle zu besuchen. Einmal im Monat predigte Wesley und sie lasen zweimal wöchentlich Gebete. Neben den Gefängnisbesuchen eröffnete Wesley 1731 eine Schule für arme Kinder und besuchte gemeinsam mit seinem Bruder Charles und William Morgan arme Familien und las den Alten und Kranken vor. Neben der sozialdiakonischen Arbeit der Studiengruppe lebten die Mitglieder unter der Führung der Wesleybrüder eine strenge Selbstdisziplin (vgl. Pollock 2017: 69–71). „Wesley stellte allen seinen Anhängern eindringlich seine ‚Methode und Ordnung‘ vor Augen, sodass jede Stunde des Tages ihre klare Aufgabe hatte, sei es Studium, Andacht, Übung oder Wohltätigkeit“ (: 71). Nicht selten wurde die Gruppe ausgelacht und verspottet. Sie wurden als „Heiliger Klub“, „Enthusiasten“, „Reformklub“ oder „Methodisten“ bezeichnet. Wesley lehrte seine Anhänger jedoch, sich nicht an den Verhöhnungen zu stören. Er hielt an seinem Lebensstil fest, überzeugt dadurch christliche Vollkommenheit zu erlangen, was die treibende Kraft seines Lebens war (vgl.: 72–77).

2.5 Begegnung mit den Herrnhutern

Nachdem sein Vater im Frühling 1735 verstorben ist, übernahm Wesley das Amt des Pfarrers in Epworth. Im August 1735 traf Wesley auf John Burton, der ihm die Möglichkeiten aufzeigte, welche missionarische Arbeit unter Indianern in Georgia Wesley bieten könnte. Die Idee gefiel Wesley, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Arbeit unter den Indianern ihm helfen würde, noch Asketischer zu leben und sich von der Welt mehr und mehr zu distanzieren (vgl. Pollock 2017: 90–91). So verliess Wesley noch im selben Jahr England und machte sich gemeinsam mit seinem Bruder Charles als Pfarrer und Heidenmissionar auf den Weg in die Kolonie Georgia (vgl. Sierszyn 2012: 714; Pollock 2017: 93). Auf dem Segelschiff, welches ihn nach Georgia bringen sollte, traf Wesley auf eine Gruppe der Herrnhuter Brüder. Diese machten ihn erstmals mit dem Konzept der Rechtfertigung durch Glauben bekannt. Er konnte damit jedoch nichts anfangen (vgl. Pollock 2017: 95). Auf der Überfahrt geriet das Segelschiff in einen schweren Sturm der in Wesley Todesangst auslöste (vgl. Sierszyn 2012: 714). Er war überrascht von seiner Angst und machte sich selbst den Vorwurf keinen Glauben mehr zu haben. In dieser Zeit des Zweifelns fand er die Herrnhuter fröhlich singend vor. Auf Wesleys Frage, ob sie denn keine Angst hätten, antworteten sie gelassen, dass sie keine Angst haben vor dem Sterben (vgl. Pollock 2017: 96). Durch ihren Gesang ermutigt sankt Wesley betend mit der Gruppe der Herrnhuter auf die Knie. (vgl. Sierszyn 2012: 714).

2.6 Wesleys Bekehrung (Aldersgate-Erlebnis)

Nach erfolglosen Jahren in Amerika kehrte Wesley niedergeschlagen 1738 nach England zurück. Nicht viel später traf er in London auf Peter Böhler, einen jungen Herrnhuter. Wesley und Böhler waren einige Monate eng miteinander unterwegs und Böhler gelang es, Wesley im Glauben wieder zu stärken, auch wenn dieser sich mit der Lehre der Vergebung noch nicht richtig anfreunden konnte (vgl. Lean 1974: 40–41). „Mit aller Kraft kämpfte John um zu beweisen, dass es auch einen Glauben ohne diese beiden Früchte [Herrschaft über die Sünde und den beständigen Frieden], besonders ohne die letztere, geben könne“ (: 41). Durch gründliche Erforschung der Bibel war Wesley aber schlussendlich gezwungen, Böhler zuzustimmen: „Jetzt war ich völlig überzeugt […] und durch die Gnade Gottes entschlossen, diesen Glauben zu suchen, bis ich ihn hätte“ (: 42). Wesley nahm sich von da an vor, alle Versuche der Werksgerechtigkeit zu verwerfen und sein Vertrauen allein auf Jesus als die alleinige Rechtfertigung, Heiligung und Erlösung zu setzen. Auch sein Bruder Charles erkannte schliesslich, dass er allein durch Glauben Bestand hatte (vgl.: 41). Wesley begann den Glauben zu predigen, wie ihm Böhler geraten hatte, obschon er selber diesen Glauben noch nicht hatte. Während Wesley kurz zuvor noch davon überzeugt gewesen war auf dem Sterbebett keine Vergebung erlangen zu können, erwischte er sich dabei, einem zum Tode Verurteilten Häftling zu predigen, dass er durch die Gnade errettet werden könne, wenn er sich Christus anvertraue (vgl. Pollock 2017: 122–126). Im Rahmen einer Gebetsversammlung wurde es Wesley warm ums Herz und er schildert in seinem Tagebuch:

Ich fühlte, dass ich Christus vertraute, ganz allein der Erlösung durch Jesus Christus; und plötzlich hatte ich die Gewissheit, dass Er meine, gerade meine Sünden hinweggenommen und mich vom Gesetz der Sünde und des Todes befreit hatte (Wesley et al. 2000: 71).

Ab dem Tag richtete John seine Augen auf Jesus, seinen Meister, der fest in Wesleys Herzen und Mund verankert war. Da dieses Bekehrungserlebnis an der Aldersgatestreet in London geschah, wird bis heute auch vom Aldersgate-Erlebnis gesprochen (vgl. Gassmann 1975: 16; vgl. Pollock 2017: 134).

2.7 Der Beginn der Erweckung in England

Am Neujahrstag des Jahres 1739 befand sich Wesley gemeinsam mit seinem Bruder Charles und weiteren anglikanischen Pfarrern, darunter George Whitefield, an einem Liebesmahl3. Dort kam während dem Gebet die Kraft Gottes über sie. Sie warfen sich auf die Knie und begannen zu singen. Dieses „Pfingstfest“ markierte den Beginn der Erweckung in England (vgl. Sierszyn 2012: 715). George Whitefield predigte im Frühjahr 1739 in der Gegend rund um Bristol, was Wesley ein Dorn im Auge war (vgl. Lean 1974: 48; Sierszyn 2012: 717). Er schreibt dazu in sein Tagebuch:

„Mein ganzes Leben lang (noch bis vor kurzem) habe ich in jeder Hinsicht an jedem Punkt bezüglich Unaufdringlichkeit und System zäh festgehalten, so dass ich es fast als eine Sünde betrachtete, wenn Menschen nicht im Kirchengebäude selbst gerettet wurden“ (Wesley et al. 2000: 75–76).

Nachdem Whitefield ihn jedoch einlädt in seine Fussstapfen zu treten wirft Wesley das Los und unterwirft sich der Los-Entscheidung, die ihn dazu auffordert Whitefield zu folgen. Wesley beginnt Whitefield bei dessen Predigten zu begleiten. Damit beginnt eine in England eine Revolution der Frömmigkeit. Alle möglichen Orte wie z. B. Marktplätze, Kohlehalden und sogar Friedhöfe wurden zu Versammlungsplätzen. Die Zuhörerzahl steigt rapide an und erreicht bald mehr als 10‘000 Zuhörer pro predigt (vgl. Sierszyn 2012: 712–717). Neben Wesley und Whitefield begannen auch Laien zu predigen, was für Wesley eine harte Prüfung darstellte. Als seine Mutter ihm jedoch nahelegte, dass diese genauso berufen seien zu predigen wie er selber, liess er die Laienprediger gewähren. Schon bald war Wesley fest davon überzeugt, dass Gott darin am Werk ist. Während Wesleys ersten Predigten in Bristol begannen Menschen zu schreien und wie tot umzufallen. Diese charismatischen Ausbrüche entsprachen nicht Ansatzweise der Bildung und Überzeugung Wesleys, dennoch musste er eingestehen, dass die Menschen, nachdem für sie gebetet worden war zum Positiven verändert wieder aus diesen Zuständen herauskamen. Er beschloss deshalb, solche Gegebenheiten nicht zu verhindern, immer mit einem Wachsamen Auge auf Simulanten. Diese Bereitschaft Wesleys, auch die ungewöhnlichen Wege Gottes gelten zu lassen führte zu heftiger Kritik aus der anglikanischen Kirche. Wesley argumentierte jeweils mit der Aussage, ob er Gott oder den Menschen mehr gehorchen solle (vgl. Lean 1974: 49–52; vgl. Tomkins und Rendel 2003: 82f.).

Wesley wurde zu einem Wanderprediger. Kaum ein Dorf wurde von ihm nicht besucht (vgl. Sierszyn 2012: 712). Er war innerhalb von 50 Jahren ca. 380‘000 Kilometer unterwegs, meist zu Pferd, und predigte dabei in Kirchen, Sälen, Messeplätzen, Militärlagern oder auf offenem Gelände. Innerhalb dieser Zeit hielt sich Wesley stets an einen Rhythmus, der daraus bestand, um vier Uhr früh aufzustehen und um fünf Uhr die erste Predigt zu halten. Dies tat er, damit die Arbeiter ihn noch vor der Arbeitszeit hören konnten. In vielen Dörfern versammelte sich die ganze Bevölkerung zu seinen Predigten (vgl. Lean 1974: 53).

Überall wo Wesley hinkam sorgte er sich um den Einzelnen. Er blieb stets seinem Vorsatz treu, niemanden aufzugeben, es sei denn dieser verbitte ihm ausdrücklich die Hilfe oder dass er es 10 Jahre mit ihm versucht habe. Diese Sorge um die Menschen war Grund für die Gründung von Gemeinschaften, überall dort wo er hinkam. Für ich war klar, dass Neubekehrte nur dort erweckt bleiben, wo regelmässige Zusammenkünfte, Zucht und Ordnung geschah. Dies bestätigte sich darin, dass aus den Erweckten in England lebendige Gemeinschaften wurden. Die Gemeinschaften wuchsen und wurden von Laienpredigern geleitet und gelehrt (vgl.: 64-71).

2.8 Wesley und die methodistische Bewegung

Ab dem Jahr 1741 wurden die wachsenden Gemeinschaften, die aus den Zuhörerschaften der Predigten Wesleys entstanden, von Wesley in Klassen mit je einem Klassenführer unterteilt. Später gab es sogenannte „Konferenzen“, bei welchen Wesley sich mit seinen Mitarbeitern beriet. Innerhalb von 50 Jahren wuchs die methodistische Bewegung stark an, sodass es im Jahr 1790 bereits 119 Bezirke mit 313 Predigern gab. Der Methodismus zählte sich stets zur anglikanischen Kirche und entwickelten sich erst nach dem Tod Wesleys (1791) zu einer eigenständigen Kirche (vgl. Sierszyn 2012: 713).

3 Wesleys Heiligungsverständnis

Dieses Kapitel befasst sich mit Wesleys Verständnis von Heiligung anhand seiner 53 Lehrpredigten. Neben Wesleys Heiligungsverständnisses wird zudem untersucht, welche Auswirkungen dieses auf sein persönliches Leben, sein Umfeld, die Erweckung in England und die methodistische Bewegung hatte.

3.1 Wesleys Verständnis von Heiligung anhand der Predigten

Wesley hat im Laufe seines Lebens zwischen 40‘000 und 50‘000 Mal gepredigt (vgl. Lean 1974: 53; vgl. Sierszyn 2012: 712). Naheliegend ist, dass er Predigten teilweise mehrfach gehalten hat. Nicht alle Predigten Wesleys wurden verschriftlicht. „Die 53 Lehrpredigten Wesleys“ ist eine Sammlung von Predigten, die von Wesley selbst zusammengestellt wurde. Diese Predigten wurden und in den Versammlungen der methodistischen Bewegung wiederholt gepredigt (vgl. Streiff 2019: 14). Anhand der 53 Lehrpredigten Wesleys wird in diesem Kapitel seine Theologie bezüglich Heiligung ermittelt. Da es sich bei der Heiligung um eine allgegenwärtige Thematik in Wesleys Predigten handelt, kann nicht auf jede einzelne Predigt eingegangen werden. Nachfolgend werden die sieben Predigten genauer beleuchtet, die Heiligung als primäres Thema behandeln.

3.1.1 Das Heil, das durch den Glauben kommt – Predigt Nr. 1 (Eph 2,8)

Predigt Nr. 1 über Epheser 2,8 ist die erste Predigt, die Wesley nach seinem Bekehrungserlebnis gehalten hat. Davor nahm er sich 18 Tage Zeit, sein Leben aufgrund der neuen Erkenntnisse neu zu orientieren und stieg dabei auf keine Kanzel. Wesley beginnt in seiner Predigt bei der Güte des Schöpfers, die alle Menschen umfasst. Thematisch setzt er den Schwerpunkt jedoch darauf, dass ein Mensch allein im Glauben Heil erfährt und daraus Gnade fliesst (vgl. Wesley 1986: 17f.). Wesley geht in seiner Predigt auf zwei wichtige Aspekte ein. Zum einen, was der Glaube ist, durch den wir gerettet sind und zum anderen, was das Heil ist, das aus diesem Glauben kommt. Wesley definiert den Glauben als das grundlegende Vertrauen auf Christus, der sein Leben zur Sühne unserer Schuld gegeben hat und dadurch in uns lebt. Das Heil, das daraus fliesst ist, so Wesley, bereits gegenwärtig. Für den, der glaubt gibt es keine Verurteilung mehr, denn die Macht der Sünde ist gebrochen und die Kindschaft Gottes vollkommen (vgl. Streiff 2019: 40f.). Weiter geht Wesley in seiner Predigt auf mögliche Einwände ein. So z. B. darauf, dass das Verkündigen von Heil oder Rechtfertigung allein durch den Glauben bedeuten würde, gegen Heiligung und gute Werke zu predigen. Wesley argumentiert: „Wenn der Mensch durch seine Werke gerechtfertigt würde, so hätte er Ruhm. Wer aber nicht mit Werken umgeht, aber an den glaubt, der die Gottlosen gerecht macht, hat keinen Anlass sich zu rühmen4 “ (Wesley 1986: 26). Eine Errettung durch ‚unsere‘ Werke sei auch deshalb undenkbar, da Gott selbst diese Werke in uns wirkt. Zudem könne den Menschen die Gerechtigkeit, die auf dem Glauben basiere nicht verliehen, sofern diese auf die Gerechtigkeit die aus dem Gesetz kommt bauen (vgl.: 25–31).

3.1.2 Die Rechtfertigung durch den Glauben – Predigt Nr. 5 (Röm 4,5)

Die einzige Bedingung für den Empfang des Heils und der Vergebung ist der Glaube. Wesley besteht darauf, dass die Rechtfertigung (das, was Gott für uns tut) der Heiligung (das was Gott in uns tut) vorangeht. Die Heiligung ist somit die unmittelbare Frucht der Rechtfertigung. Diese Erkenntnis führt zu Demut und bewahrt vor Stolz, denn alle guten Werke die getan werden kommen von Gott, der sie in uns wirkt (vgl. Wesley 1986: 89–90). Der Glaube ist die einzig notwendige Bedingung für die Rechtfertigung, denn ohne ihn, gibt es keine Rechtfertigung: „‘Wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet‘ [vgl. Joh 3,16], und solange er nicht glaubt kann dieses Urteil nicht beseitigt werden, ‚sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm‘ [vgl. Joh 3,36]“ (Wesley 1986: 101f.). Wesley macht einen klaren Unterschied zwischen Rechtfertigung und Heiligung, um zu verhindern, dass Rechtfertigung abhängig wird vom Beginn der Heiligung. Wesley entwickelt später in seiner Laufbahn ein etwas dynamischeres Verständnis des Heiligungsprozesses, ohne Rechtfertigung und Heiligung so klar zu trennen (vgl. Streiff 2019: 61).

3.1.3 Der Weg ins Reich Gottes – Predigt Nr. 7 (Mk 1,15)

Zu Beginn der Predigt Nr. 7 stellt Wesley klar, dass reine Rechtgläubigkeit nicht der wahren Religion entspricht. Wahre Religion sei, so Wesley, eine Herzensangelegenheit (vgl. Streiff 2019: 63f.). Er geht unteranderem darauf ein, dass Heiligung und Freude Hand in Hand gehen. „Aber die wahre Religion bzw. ein Herz, das mit Gott und Menschen richtig steht, schliesst Glück ebenso wie Heiligung ein“ (Wesley 1987b: 131). Dabei geht Wesley auf die Bibelstelle aus Römer 14,17 ein: „Denn das Reich Gottes ist […] Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist“. Durch Gottes Gerechtigkeit wird in unserer Seele ein Teil des Himmels offenbart, was von Freude und Friede geprägt ist. Der Glaube an das Evangelium bringt das Himmelreich (vgl.: 133–137). „Wo immer also das Evangelium von Christus gepredigt wird, da ist sein Reich nahe herbeigekommen [vgl. Mk 1,15]“ (Wesley 1987b: 133).

3.1.4 Die Gnadenmittel – Predigt Nr. 16 (Mal 3,7)

Vor seiner evangelischen Bekehrung teilte Wesley die Ansicht vieler Anglikaner, sich die Gnade Gottes durch den fleissigen Gebrauch von Gnadenmitteln verdienen zu können. Das Aldersgate-Erlebnis löste bei Wesley jedoch eine Relativierung seiner Theologie aus und sein Glaube wurde zur Herzensreligion. Von da an predigte Wesley die ‚Wahre Religion‘, die mit äusserlichen Angelegenheiten nichts zu tun hat, sondern Gottes Handeln in der Seele der Menschen betont. Bald bemerkte er, dass viele der Erweckten die Gnadenmittel aufgrund der Betonung der Wiedergeburt vernachlässigten oder gar verachteten, was Wesley missfiel. Basierend auf diesem Hintergrund scheint Predigt Nr. 16 entstanden zu sein. Darin plädiert Wesley für eine Nutzung der Gnadenmittel als reine Herzensheiligung. Er deklariert das Gebet und den Empfang des Abendmahls als die wichtigsten Gnadenmittel. Er betont die Wichtigkeit dieser Gnadenmittel, sofern sie wirklich dem Ziel des Glaubens dienen. Sie sollen jedoch nicht an die Stelle des Glaubens treten in der Hoffnung dadurch Heil zu erfahren. Die Gnadenmittel haben keine Kraft, sondern Gott allein ist der Ursprung aller Gnade (vgl. Wesley 1987a: 287–293).

3.1.5 Die Beschneidung des Herzens – Predig Nr. 17 (Röm 2,29)

Obschon Predigt Nr. 17 noch vor der evangelischen Bekehrung Wesleys geschrieben wurde, zählt sie bis heute zu den wichtigsten Predigten Wesleys. Sie ist die einzige Predigt vor seinem Bekehrungserlebnis, die in die Sammlung der 53 Lehrpredigten aufgenommen wurde (vgl. Streiff 2019: 28f.). Sie zeigt, dass Wesley schon vor dem Aldersgate-Erlebnis von der Heilsgewissheit wusste. Dieses theoretische Wissen wurde im Rahmen seiner evangelischen Bekehrung zu einer Herzenssache (vgl. Wesley 1987a: 311f.). „Das Verständnis und Anliegen geheiligten Lebens ist bei Wesley in so grosser Klarheit bereits vor der evangelischen Bekehrung von 1738 vorhanden, dass er auch später auf seine eigenen Äusserungen vor 1738 zurückgreifen kann und will“ (Streiff 2019: 29). Wie der Titel der Predigt Nr. 17 bereits sagt, geht es Wesley um die Beschneidung des Herzens nach Römer 2,29: „[…] die Beschneidung des Herzens ist eine Beschneidung, die im Geist und nicht im Buchstaben geschieht.“ Er schreibt dazu:

Das Unterscheidungsmerkmal eines wahren Nachfolgers Christi, eines Menschen im Stand der Annahme durch Gott, besteht weder in der äusseren Beschneidung noch in der Taufe noch in der Befolgung irgendeines anderen äusseren Rituals, sondern in einem richtigen Zustand der Seele, d. h. in einem Verstand und einem Geist, die nach dem Bilde dessen erneuert sind, der sie erschaffen hat (Wesley 1987a: 313f.)

3.1.6 Der Herr unsere Gerechtigkeit – Predigt Nr. 20 (Jer 23,6)

In Predigt Nr. 20 geht Wesley, wie schon in vorhergehenden Predigten auf das Heil allein durch Glauben ein. Für ihn ist eine praktische Anwendung und Auswirkung auf das christliche Leben entscheidend weshalb er in dieser Predigt vor Menschen warnt, die bewusst in Sünde und Ungerechtigkeit leben im Hinblick darauf, in Christus heilig zu sein (vgl. Streiff 2019: 131f.). „Warnt sie, denn solange sie in Ungerechtigkeit bleiben, wird ihnen die Gerechtigkeit Christi nichts nützen“ (Wesley 1988: 374). Runyon ergänzt treffend: „Gottes Ziel besteht nicht darin, uns in eine Gerechtigkeit zu kleiden, die uns äusserlich bleibt […], sondern uns an der Gerechtigkeit Christi Anteil zu geben und sie uns einzupflanzen, sodass sie wächst und sich ausbreitet und jeden Teil unseres Lebens prägt“ (Runyon 2005: 104). Wirkliche Erneuerung des christlichen Lebens hat gemäss Wesley praktische Folgen im Fortschreiten der Heiligkeit (vgl. Streiff 2019: 132).

3.1.7 Das durch den Glauben aufgerichtete Gesetz I – Predigt Nr. 35 (Röm 3,31)

Mit der Predigt Nr. 35, nimmt sich Wesley der Aufgabe an, antinoministische Tendenzen5 zu unterbinden. Dabei will er jedoch nicht den Glauben mit dem Gesetz zunichtemachen, sondern auf den tieferen Zusammenhang von Glauben und Gesetz hinweisen. Er begibt sich dabei auf den schmalen Weg zwischen „billiger Gnade“ und Werksgerechtigkeit. Wesley geht auf theologische Argumente und Verhaltensweisen ein, durch die im Verlauf der Kirchengeschichte das Gesetz immer wie mehr aufgehoben wurde. Ein Aspekt, den er anspricht, ist die Tatsache, dass vor lauter Betonung des notwendigen Glaubens die Notwendigkeit der Heiligung vergessen worden sei. An dieser Stelle geht die Theologie Wesleys einen anderen Weg als die Luthers, weshalb seine Argumente für den evangelischen Leser teilweise fremd klingen mag. Luther plädiert dafür, dass die Heiligung im rechtfertigenden Glauben bereits miteingeschlossen ist. Für Wesley wiederum scheint klar, dass die Heiligungslehre und die Rechtfertigungslehre auseinanderzuhalten sind. Rechtfertigung durch den Glauben ist, so Wesley, kein Grund sich einzubilden, dass der Glaube uns von jeglicher Form der Heiligung enthebe. (vgl. Wesley 1989: 679–689).

‘Wir sind gerechtfertigt ohne des Gesetzes Werke‘ als Vorbedingung für die Rechtfertigung. Aber die Werke sind die unmittelbare Frucht jenes Glaubens, durch den wir gerechtfertigt sind. Wenn also unserem Glauben keine guten Werke folgen, ja alle innere und äussere Heiligung ausbleibt, so ist es klar, dass unser Glaube nichts Wert ist; wir sind noch in unseren Sünden [vgl. Jak 2,20-22] (: 689).

Rechtfertigung geschieht allein durch Glauben. Der Glaube wird dem Menschen zur vorlaufenden Gerechtigkeit angerechnet. Durch den Verdienst Christi wird der Mensch von Gott so angenommen, als lebte er bereits in völliger Gerechtigkeit (vgl.: 690). In seinen Ausführungen bezieht sich Wesley auf Römer 4,5: „Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, aber an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“. Wesley schliesst daraus, dass Heiligung der Rechtfertigung nicht vorausgehen kann, jedoch sehr wohl folgen muss. (vgl.: 690).

3.1.8 Christliche Vollkommenheit – Predigt Nr. 40 (Phil 3,12)

Die Quintessenz Wesleys Predigt Nr. 40 ist, dass absolute Heiligkeit (in dieser Predigt als Freiheit von Tat- und Gedankensünden zu verstehen) auf Erden nicht zu erreichen ist. Auch Christen sind nicht absolut heilig, da sie von Unwissenheit, Irrtümern, Schwächen und Versuchungen geplagt werden. Dennoch versucht Wesley nachzuweisen, weshalb wahre Christen vollkommen sind. Er begibt sich somit in einen scheinbaren Wiederspruch (vgl. Wesley 1990: 765). Trotz der nicht zu erreichenden absoluten Heiligkeit sind Christen gemäss Wesley vollkommen, da sie durch die Gnade Gottes zu neugeborenen Kindern Gottes wurden und befähigt sind, „diesem Leben entsprechend zu fühlen, zu denken und zu handeln“ (: 765f.). Vollkommenheit beendet den Weg des Wachstums und somit den Prozess der Heiligung nicht. Die göttliche Gnade im Menschen kommt nie zur Vollendung (vgl. Streiff 2019: 50).

3.1.9 Schlussfolgerung

Die Theologie Wesleys bezüglich Heiligung kann, ausgehend von den analysierten Predigten, wie folgt zusammengefasst werden: Durch die Gnade Gottes, die im Leiden Christi wirkt, wird die Macht der Sünde für den, der glaubt, gebrochen. Der sündige Mensch wird dadurch wieder gerecht gesprochen und ist von diesem Zeitpunkt an heilig. Diese Rechtfertigung hat unmittelbar den Prozess der Heiligung zur Folge. Heiligung bezieht sich auf das Leben in der wiederhergestellten Beziehung mit Gott, das durch die Macht Gottes verändert wird. Gott gibt uns an der Gerechtigkeit Christi Anteil, so dass sie sich in uns ausbreitet und jeden Teil unseres Lebens prägt und uns dahingehend verändert, dass wir Christus immer ähnlicher werden. Klaiber und Marquardt formulieren treffend: „Dieser Prozess [die Heiligung] hat ein Ziel: die Umgestaltung unseres Lebens zum Ebenbild Gottes, zu dem Ziel also, für das es von der Schöpfung an bestimmt war“ (Klaiber und Marquardt 1987: 8). Die absolute Heiligkeit ist auf Erden jedoch nicht erreichbar. Trotz der Rechtfertigung und dem daraus folgenden Vollkommenheit sind die Menschen weiterhin fähig Sünde zu tun. Runyon schliesst treffend zusammen:

Das Besondere der Theologie Wesleys liegt darin, dass er zwei grundlegend wichtige Faktoren im christlichen Leben, die oft getrennt worden sind, in einer brauchbaren Verbindung zusammenhalten kann: die Erneuerung dieser Beziehung (die Rechtfertigung) und das Leben in dieser Beziehung (die Heiligung) von denen keine ohne die andere möglich ist (Runyon 2005: 239).

3.2 Auswirkungen des Heiligungsverständnisses Wesleys

Das Heiligungsverständnis Wesleys hatte nicht nur auf sein persönliches Leben einen Einfluss. Bis heute ist seine Lehre ein wichtiger Bestandteil der Theologie, insbesondere der methodistischen Bewegung. In den nachfolgenden Kapiteln werden die Auswirkungen seines Heiligungsverständnisses ermittelt.

3.2.1 John Wesleys persönliche Umsetzung

Wesley schrieb während seinem Leben regelmässig Tagebuch. Darin lässt sich erkennen, dass er alles daran setzte, auf dem Weg der Heiligung voran zu kommen. Vor seinem Bekehrungserlebnis unterzog sich Wesley starker Selbstprüfung (siehe 2.3), da er an die Errettung aufgrund der guten Werke eines Menschen glaubte. Am Dienstag, 23. Juni 1761, somit ca. 23 Jahre nach dem Aldersgate-Erlebnis, beschreibt Wesley in seinem Tagebuch sein Erlebnis der Wiedergeburt:

Und ich seufzte Tag und Nacht in heftigem Verlangen, völlig geheiligt zu werden; bis ich am 21. Tag nach meiner Rechtfertigung eine totale Umwandlung wahrnahm zusammen mit einem klaren Zeugnis, dass ‚das Blut von Jesus mich von aller Ungerechtigkeit gereinigt hat‘ (Wesley und Gassmann 2000: 217).

Ab diesem Augenblick änderte sich Wesleys Leben. Er hatte erstmals die Gewissheit, nicht durch Werke, sondern allein durch den Glauben gerettet zu sein. Weshalb er guten Werken dennoch einen hohen Stellenwert zurechnete erklärt er in seinem Tagebucheintrag vom Freitag, 29. Oktober 1742:

Ich legte ausführlich das Wort aus, ‚Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit‘: Nämlich die Freiheit, dem ganzen Willen Gottes zu gehorchen; alles zu sein und zu tun, was er geboten hat; kurz gesagt, Gott von ganzem Herzen zu lieben und mit aller unserer Kraft zu dienen (Wesley und Gassmann 2000: 191).

3.2.2 Erweckungsbewegung in England

Dass die Theologie Wesleys bezüglich Heiligung ausschlaggebend für die Erweckungsbewegung in England gewesen sei, wäre reine Spekulation. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass seine Predigten über Heiligung in seinen Zuhörern viel ausgelöst hat. So schreibt Wesley z. B. am Donnerstag, 21. Mai 1761 in sein Tagebuch:

Unter den Gläubigen, die am Abend zusammenkamen, hat Gott ein heftiges Verlangen nach dem vollen Heil geweckt. Bei der Erkundigung, weshalb wir in allen diesen Orten kaum einen lebenden Zeugen für dieses Heil finden, erhielt ich von jeder Person die eine und gleiche Antwort: ‚Wir sehen nun, wir suchten dieses Heil durch unsere Werke; wir glaubten, es würde allmählich kommen; wir erwarteten nie, es in einem Augenblick zu empfangen durch Glauben, so wie wir die Rechtfertigung empfingen‘ (Wesley und Gassmann 2000: 217).

So spricht Wesley am 26. Juli 1762 auch davon, dass an den Orten, an denen das Feuer der Heiligung ausgebrochen ist innert kurzer Zeit viele Menschen Zeugen der Errettung Gottes geworden sind (vgl. Wesley et al. 2000: 304).

3.2.3 Die methodistische Bewegung

Wesley betont immer wieder, dass die vollkommene Heiligkeit das Ziel der Gnade Gottes ist, die in uns wirkt. Von dieser Aussage hat sich ein grosser Teil der Methodisten aufgrund der Gefahr des Perfektionismus distanziert. Dass Wesley mit christlicher Vollkommenheit einen dynamischen, nie endenden Vorgang der Heiligung angestrebt hat wurde erst später erkannt (vgl. Weyer 1987: 12). Die Lehre der Heiligung nach Wesley stellt bis heute Erbe und Auftrag der methodistischen Kirche dar. Bereits einige Monate nach dem Tod Wesleys wurde seine Lehre als grossartiges Glaubensgut bezeichnet, das Gott den Methodisten anvertraute (vgl. Klaiber und Marquardt 1987: 5–7). Im Rahmen eines Referats anlässlich einer ökumenischen Gesprächsrunde im Jahr 1980 bestätigt Marquardt die Aktualität der Lehre Wesleys: „Die reale Erneuerung des Menschen in der Rechtfertigung und die existentielle Realisierung des neuen Seins in der Heiligung sind die beiden Hauptakzente, die in der methodistischen Theologie gesetzt werden“ (: 28).

3.2.4 Die heutige Theologie

Es handelt sich bei Wesleys Heiligungsverständnis nicht um eine Theologie, die für den heutigen Theologen unverständlich oder gar neu wäre. Grund dafür ist, dass die Theologie Wesleys sich über die Jahre verbreitet hat und nennenswerte Theologen wie z. B. Dietrich Bonhoeffer sich in ihrer Theologie nahe an den Ansatz Wesleys heranwagten (siehe Kapitel 4.3). Auch wenn nicht alles unkritische anzunehmen ist, können doch viele Punkte gefunden werden, in denen Wesleys Theologie überraschend aktuell ist (vgl. Runyon 2005: 239). Runyon schreibt dazu:

Keinem der möglichen Einwände sollte es gestattet sein, den sehr realen Beitrag zu schmälern, den Wesleys Lehre von der Heiligung für die heutige protestantische Theologie leisten kann. Sie ist ein wichtiges Korrektiv der evangelikalen Tendenz, das Heil allein in der Rechtfertigung oder der Bekehrung zu sehen, obwohl es doch auf das göttliche Ziel verweist, das nicht nur in der Versöhnung und einem neuen Status vor Gott besteht, sondern auch die gnädige Neuschöpfung der Individuen wie der sozialen Welt durch die Erneuerung des Ebenbildes Gottes in den Menschen umfasst (: 249).

Dass Wesleys Theologie auf die Theologie von Heute wichtigen Einfluss hatte ist somit kaum bestreitbar.

4 Kritische Würdigung

In diesem Kapitel wird die Theologie Wesleys bezüglich Heiligung verglichen mit jener George Whitefields, Karl Barths und Dietrich Bonhoeffers.

4.1 George Whitefield (1714-1770)

George Whitefield, der zeitweise mit Wesley unterwegs war, vertritt eine etwas andere Theologie betreffend Heiligung als Wesley, was zu Konflikten führte. Als Basis für die Rechtfertigung und somit die Heiligung sieht Whitefield Gottes erwählende Gnade. Wer von Gott erwählt ist Rechtfertigung zu erfahren, kann diese nicht mehr verlieren. Wesley hingegen besteht darauf, dass Grundlage für die Rechtfertigung der Glaube des Einzelnen relevant ist. Errettet ist, wer an der Entscheidung auf Jesus zu vertrauen festhält. Wer vom Glauben abkommt verliert somit den Anspruch auf Rechtfertigung (vgl. Klein 2014: 12). Whitefield schreibt:

Ich bekenne, dass ich an die Lehre der Verwerfung glaube, dass Gott Seine rettende Gnade durch Jesus Christus nur einer bestimmten Anzahl zu geben verordnet hat, und dass der Rest der Menschheit nach dem Sündenfall von Gott in gerechter Weise in der Sünde belassen wird, um darin zu verharren, und dass diese zuletzt den ewigen Tod als die gerechte Strafe für ihre Sünde empfangen werden (Peters 1997: 442).

Whitefield plädiert dafür, dass die Vorherbestimmung Motivation zur Heiligung sei. Da nur Gott allein wisse um wen es sich bei den Erwählten handelt sei die Aussicht auf eine himmlische Belohnung zugleich Motivation, gute Werke zu tun. Zudem sei, so Whitefield, die gelebte Heiligkeit im Leben der Erwählten Beweis für ihre Erwählung. Wesley predigte die freie Gnade, was von Whitefield als Irrlehre abgetan wurde (vgl. Klein 2014: 16).

4.2 Karl Barth (1886-1968)

Gemäss Barth geht die Erweckung des Menschen der Heiligung voraus. Die Erweckung ist ein Erwachen aus dem „Sündenschlaf“. Dieses Erwachen geschieht aufgrund des Eingreifen Gottes. Die Begrifflichkeit „sich bekehren“ ist, so Barth, theologisch nicht vertretbar. An diesem Punkt kommt die starke Verbundenheit Barths mit der Prädestinationslehre6 zum Vorschein. Als Werk des Heiligen Geistes geschieht Erweckung demnach aufgrund der Erwählung eines Menschen und ist die Voraussetzung der Umkehr (vgl. Schönberger 2014: 341–344).

Damit ist angezeigt, dass Barth ‚Erweckung‘ teleologisch7 verstanden wissen will, denn es geht um[sic] ‚Erweckung zur Umkehr‘ darum, dass Menschen aus dem Sündenschlaf aufwachen, um sich ‚aufrichten‘ zu lassen: wie Erweckung Voraussetzung von Umkehr ist, ist Umkehr Ziel von Erweckung, sie verhalten sich wie zwei Seiten einer Medaille zueinander, die ihren gemeinsamen Nenner in der Heiligung haben (: 344).

Barth verbindet die Heiligung zudem stark mit der Berufung und weniger mit der Rechtfertigung. „Der verborgene Grund der Berufung ist zugleich der sichtbare Grund der Heiligung“ (: 311). Diese Berufung wird durch Gott initiiert, niemand kann sich selbst in die Nachfolge berufen. Barth besteht im Gegensatz zu Wesley darauf, dass die Heiligung nicht der Rechtfertigung entspringt, sondern die beiden Aspekte temporär gleichgestellt sind. Strukturell gesehen steht die Rechtfertigung vor der Heiligung, diese jedoch teleologisch vor der Rechtfertigung (vgl.: 384). „Das Kreuz ist der Grund der Erwählung, die Erwählung Ziel des Kreuzes“ (: 334). Ziel der Heiligung ist gemäss Barth die Sieges- und Leidensgemeinschaft mit Christus (vgl.: 335). Sie ist ein relationales Geschehen, das die Vereinigung mit und die Teilhabe an Christus umfasst (vgl.: 397). Barth und Wesley unterscheiden sich in ihrer Theologie hauptsächlich im selben Punkt wie auch Whitefield und Wesley, namentlich der Prädestinationslehre. Während Barth die Erweckung des Menschen durch Gott als Grundstein für die Heiligung sieht, plädiert Wesley dafür, dass jeder Mensch selbst den Entscheid, an Christus zu Glauben treffen muss. In den analysierten Predigten spricht sich Wesley nicht gegen die Prädestination aus. Dass er jedoch nie auf eine Erwählung durch Gott eingeht lässt vermuten, dass Heiligung aufgrund der Erwählung für ihn keine Option gewesen wäre.

4.3 Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)

Für Bonhoeffer ist die Nachfolge Jesu gleichzusetzen mit der Heiligung. Billige Gnade ist die Rechtfertigung ohne Heiligung. Sie empfängt die Vergebung, lehnt jedoch jeden Anspruch Jesu auf das Leben des Gläubigen ab (vgl. Möller 2015: 20). „Aus der Rechtfertigung des Sünders in der Welt wurde die Rechtfertigung der Sünde und der Welt“ (Bonhoeffer 2011: 36). Da Gott nicht die Rechtfertigung der Sünde beabsichtigt, sondern die Rechtfertigung des Sünders, muss dieser aus dem Herrschaftsbereich der Sünde herausgeholt werden. Er muss alles hinter sich lassen was er hat, weshalb Bonhoeffer von teurer Gnade spricht (vgl. Möller 2015: 20).

Teuer ist sie, weil sie in die Nachfolge ruft, Gnade ist sie, weil sie in die Nachfolge Jesu Christus ruft; teuer ist sie, weil sie dem Menschen das Leben kostet, Gnade ist sie, weil sie ihm so das Leben schenkt; teuer ist sie, weil sie die Sünde verdammt, Gnade ist sie, weil sie den Sünder rechtfertigt. Teuer ist sie vor allem darum, weil sie Gott teuer gewesen ist, weil sie Gott das Leben seines Sohnes gekostet hat (vgl. Bonhoeffer 2011: 31)

Bonhoeffer sieht die Fehlentwicklung in Richtung der billigen Gnade in der falschen Zielsetzung. Wird die Hoffnung allein auf die Zukunft im Himmel gesetzt, wird das Leben auf Erden zu einer Übergangsphase ohne grosse Bedeutung. Der Sühnetod Jesu hat dadurch lediglich die Funktion einer Eintrittskarte für ein Leben im Himmel. Die Absicht Bonhoeffers ist es, dass die Christen die Wirklichkeit auf Erden ernst nehmen und in diesem Umstand Verantwortung übernehmen indem sie in die aktive Nachfolge im Gehorsam gegenüber Jesu Gebot treten (vgl. Möller 2015: 21–23). „Die Rechtfertigung entreisst den Glaubenden aus seiner sündigen Vergangenheit, die Heiligung lässt ihn bei Christus bleiben, in seinem Glauben stehen, in der Liebe wachsen“ (Bonhoeffer 2011: 275). Bonhoeffer sieht, wie auch Wesley, das Ziel der Heiligung, den der glaubt in das Ebenbild Christi zu verwandeln (vgl. Möller 2015: 28). Hilfsmittel dazu sind geistliche Übungen, wie sie bereits von Wesley gebraucht wurden (siehe Kapitel 3.1.4). Wesley gebraucht zwar nicht den Begriff „billige Gnade“, argumentiert jedoch wie Bonhoeffer. Aus Angst, dass seine Zuhörer dank dem Glauben den Tod Jesu als Freikarte für ihr Heil ansehen betont er immer wieder die Notwendigkeit der Heiligung. Folgt die Heiligung dem Glauben nicht, so ist der Glaube wertlos (siehe Kapitel 3.1.7).

5 Schlussfolgerung

Dieses Kapitel fasst die Quintessenz der Arbeit zusammen und gibt zudem Einblick in meine persönlichen Gedanken zur Thematik, sowie der konkreten Umsetzung, die aus der Arbeit hervorgeht.

5.1 Inhaltliche Zusammenfassung

John Wesley hatte nicht nur grossen Einfluss auf die Erweckung in England. Seine Lehre der Heiligung ist bis heute auch ausserhalb der methodistischen Bewegung anerkannt. Die Rechtfertigung, die dem Glaubenden durch die Gnade Gottes in Christus zukommt, hat die Heiligung zur Folge. Durch die Rechtfertigung ist die Macht der Sünde gebrochen und der Weg in die Gemeinschaft mit Gott steht dem frei, der glaubt. Obschon der Mensch ab dem Zeitpunkt der Rechtfertigung heiliggesprochen ist, ist die absolute Heiligkeit auf Erden nicht erreichbar. Durch die Gerechtigkeit Gottes jedoch, die in uns herrscht, geschieht der Prozess der Heiligung, der die Veränderung unseres Lebens hin zum Ebenbild Gottes zum Ziel hat. Heiligung ist somit die unmittelbare Frucht der Rechtfertigung.

5.2 Persönliche Gedanken

Wesleys strenge Selbstdisziplin fasziniert mich. Noch vor dem Aldersgate-Erlebnis prüfte er beinahe täglich seine Absichten und sein Leben. Diese Selbstdisziplin wich trotz seiner Erkenntnis, dass seine guten Werke ihm nicht zur Errettung dienen, sondern allein der Glaube dafür relevant ist, nicht. Er war sich der Gnade Gottes bewusst. Dennoch legte er grossen Wert auf die Heiligung. Die Veränderung hin zum Ebenbild Gottes war für ihn unverzichtbar. Es nimmt uns grossen Druck weg, nicht durch Werke gerechtfertigt zu sein. Dennoch soll und will ich meinen Glauben nicht als Freikarte gebrauchen Sünde zu tun. Das Ziel unseres Lebens ist es, Christus immer ähnlicher zu werden, sei dies in unseren Taten wie auch unseren Gedanken. In diesem Vorhaben unterstützen uns die Gnadenmittel, wie sie von Wesley selbst angesprochen werden. Ich bin überzeugt, dass Wesleys Theologie ausschlaggebend für die Erweckung in England war, da sie Hoffnung, Freiheit und Demut schenkt. Auch heute können wir nicht nur viel von Wesleys Theologie, sondern auch von seiner Lebensweise lernen. Er verschrieb sein Leben Gott und erreichte so viele Menschen wie kaum ein anderer Mensch seiner Zeit. Wesleys Unnachgiebigkeit inspiriert mich. Er tat alles, was ihm möglich war, um die Erweckung voranzutreiben. Sein ganzes Leben lang predigte er bereits um fünf Uhr morgens, damit möglichst viele Menschen noch vor der Arbeit seinen Worten lauschen konnten. Er ritt durch ganz England und verkündete überall die Gnade Gottes. Dabei ging es ihm nicht um das Wachstum der Kirche, sondern allein um das Heil des Einzelnen. Diese Entschlossenheit und Selbstdisziplin will ich mir in meinem Leben zum Vorbild nehmen.

5.3 Konkrete Umsetzung

Obschon ich Mitglied einer EMK bin, habe ich kaum Predigten gehört, in denen auf die Theologie Wesleys Bezug genommen wird. Dies betrifft nicht nur die Heiligungslehre. Da diese jedoch ein Hauptanliegen Wesleys darstellt erstaunt mich die Verschwiegenheit zu diesem Thema erst recht. Gerne möchte ich im Rahmen meiner Predigten in der EMK Langenthal zurück zu den Wurzeln und auf das Heiligungsverständnis Wesleys ansprechen.

In meiner Arbeit mit Jugendlichen ist Heiligung, auch wenn eher von Nachfolge als Heiligung gesprochen wird, immer wieder ein grosses Thema. Viele haben den Eindruck, dass ein Nachfolger Christi ein asketisches Leben ohne jegliche Freiheit leben muss. Dass es in der Nachfolge jedoch darum geht Christus immer ähnlicher zu werden, wird kaum angesprochen. Diese Thematik möchte ich vermehrt in die Unterweisung meiner Jugendlichen einfliessen lassen.

6 Abkürzungsverzeichnis

Nachfolgend sind die in der Arbeit verwendeten Abkürzungen aufgeführt, unterteilt in Abkürzungen von biblischen Büchern und in allgemeine Abkürzungen.

6.1 Biblische Bücher

Jer = Jeremia

Mal = Maleachi

Mk = Markusevangelium

Joh = Johannesevangelium

Röm = Römerbrief

Eph = Epheserbrief

Phil = Philipperbrief

Jak = Jakobusbrief

6.2 Allgemeine Abkürzungen

bzw. = beziehungsweise

ca. = circa

EMK = Evangelisch-methodistische Kirche

f. = folgende

Jh. = Jahrhundert

Nr. = Nummer

teilw. = teilweise

usw. = und so weiter

vgl. = vergleiche

z. B. = zum Beispiel

7 Literaturverzeichnis

Boesch, Joseph (1995): Weltgeschichte vom Beginn des achtzehnten Jahrhunderts bis neunzehnhundertvierzehn, 4. Aufl., Erlenbach-Zürich: Rentsch.

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Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung (2017): Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft.

Dudenredaktion (2019): Duden, [online] https://www.duden.de/node/95968/revision/96004 [02.12.2019].

Dudenredaktion (2019): Duden, [online] https://www.duden.de/node/7294/revision/7321 [09.12.2019].

Dudenredaktion (2019): Duden, [online] https://www.duden.de/node/113918/revision/113954 [11.12.2019].

Dudenredaktion (2019): Duden, [online] https://www.duden.de/node/180837/revision/180873 [04.01.2020]

Dupré Louis, Don E. Saliers und John Meyendorff (Hrsg.) (1997): Die Zeit nach der Reformation bis zur Gegenwart, Würzburch: Echter.

Gassmann, Ernst (1975): Erfahrungsreligion. John Wesley's Botschaft, Fehraltdorf: E. Gassmann.

Horst Balz und Gerhard Schneider (Hrsg.) (2011): Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer.

Jaggi, Arnold (1978): Von den Anfängen der Reformation bis zur Gegenwart, Bern: Paul Haupt.

Klaiber, Walter und Manfred Marquardt (1987): Heiligung aus biblischer und evangelisch-methodistischer Sicht, Stuttgart: Christliches Verlagshaus.

Klein, Christian (2014): George Whitefield: Das Leben des Evangelisten und sein Konflikt mit John Wesley, München: Martin Bucer Seminar.

Lean, Garth (1974): John Wesley, Modell einer Revolution ohne Gewalt, 3. Aufl., Gießen, Basel: Brunnen-Verl.

Möller, Ruth (2015): Nachfolge jenseits von billiger Gnade und Werkgerechtigkeit. Eine Untersuchung über die Bedeutung von geistlichen Übungen in der Theologie von Dietrich Bonhoeffer, Master of Arts in praktischer Theologie im Fach IGW International.

Paul Zeller (Hrsg.) (1912): Calwer Bibellexikon, 3. Aufl., Stuttgart: Verlag der Vereinsbuchhandlung.

Peters, Benedikt (1997): George Whitefield. Der Erwecker Englands und Amerikas, 1. Aufl., Bielefeld: CLV Christliche Literatur-Verbreitung.

Pollock, John C. (2017): John Wesley und die Große Erweckung in England, 1. Auflage, Bielefeld: Christliche Literatur-Verbreitung e.V.

Rudé, George (1979): Die Volksmassen in der Geschichte. Unruhen, Aufstände und Revolutionen in England und Frankreich 1730-1848. 2.korr. und um ein Register erg. Aufl, Frankfurt, New York: Campus.

Runyon, Theodore (2005): Die neue Schöpfung. John Wesleys Theologie heute, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Schmidt, Martin (1987): John Wesley. Leben und Werk, Zürich: Gotthelf-Verl.

Schönberger, Dennis (2014): Gemeinschaft mit Christus. Eine komparative Untersuchung der Heiligungskonzeptionen Johannes Calvins, John Wesleys und Karl Barths, Bd. 2, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie.

Sierszyn, Armin (2012): 2000 Jahre Kirchengeschichte - Gesamtband, 2., Aufl.: Scm R.Brockhaus.

Streiff, Patrick P. (2019): John Wesley. Theologie in Predigten, Band 1, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt.

Tomkins, Stephen und Christian Rendel (2003): John Wesley. Eine Biografie, Stuttgart: Edition Anker.

Wesley, John (1986): Lehrpredigten 1-5, Bd. 1, Stuttgart: Christliches Verlagshaus.

Wesley, John (1987a): Lehrpredigten 12-17, Bd. 3, Stuttgart: Christliches Verlagshaus.

Wesley, John (1987b): Lehrpredigten 6-11, Bd. 2, Stuttgart: Christliches Verlagshaus.

Wesley, John (1988): Lehrpredigten 18-23, Bd. 4, Stuttgart: Christliches Verlagshaus.

Wesley, John (1989): Lehrpredigten 30-35, Bd. 6, Stuttgart: Christliches Verlagshaus.

Wesley, John (1990): Lehrpredigten 36-41, Bd. 7, Stuttgart: Christliches Verlagshaus.

Wesley, John und Ernst Gassmann (2000): Briefe und Tagebuch, Bäretswil: E. Gassmann.

Wesley, John, Augustine Birrell und Percy L. Parker (2000): Das Tagebuch John Wesleys, Holzgerlingen: Hänssler.

Weyer, Michel (1987): Die Bedeutung von Wesleys Lehrpredigten für die Methodisten, Stuttgart: Christliches Verlagshaus.

[...]


1 Die zur Zeit des Absolutismus vorherrschende Wirtschaftspolitik, geprägt durch besondere Förderung des Aussenhandels und der Industrie (vgl. Dudenredaktion 2019).

2 Die Lehre des Erlösungswerks Christi

3 Ähnlich der altkirchlichen Agape-Feier, einer liturgisch geprägten Mahlzeit, zu der sich die Gemeinde aus einem besonderen Anlass heraus versammelt.

4 Eph 2,8f.

5 Ablösung vom Gesetz sowie Betonung der Glaubensfreiheit und der göttlichen Gnade (Dudenredaktion 2019)

6 Die Lehre der göttlichen Vorherbestimmung des Schicksals der Menschen bezüglich Seligkeit oder Verdammnis (vgl. Dudenredaktion 2019).

7 Das Ziel ist bereits im Voraus bestimmt und alles läuft darauf zu (vgl. Dudenredaktion 2019).

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
John Wesleys Heiligungsverständnis. Eine Analyse seiner Lehrpredigten
Note
80/100
Autor
Jahr
2020
Seiten
29
Katalognummer
V1280902
ISBN (eBook)
9783346735638
ISBN (Buch)
9783346735645
Sprache
Deutsch
Schlagworte
john, wesleys, heiligungsverständnis, eine, analyse, lehrpredigten
Arbeit zitieren
Linda Steiner (Autor:in), 2020, John Wesleys Heiligungsverständnis. Eine Analyse seiner Lehrpredigten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1280902

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